Als er das kühle, feste Metall des Schwertgriffs in der Hand fühlte, war es für ihn, als wäre er wieder dort, wo alles zu Ende gegangen war. Oder begonnen hatte, das hing wohl ganz vom Betrachter ab. Alles um ihn herum verblasste zur Bedeutungslosigkeit, verschwamm zu einem Nebel aus dunklen, kalten Farben und gedämpften, flüsternden Lauten.
Sie waren in der Dämmerung des frühen Morgens gekommen und hatten die Dunkelheit mitgebracht. Feucht und eisig kroch der Nebel über die sanften, grünen Hügel und erhob sich zwischen den Reihen der stolzen Verteidiger Ulthuans. Der sonst so hellen und freundlichen Sonne ihrer Heimat fehlte die Kraft, sich gegen diese Hexerei zu stemmen und ihre Strahlen konnten den tapferen Seelen, die hier standen, keine Wärme spenden. Weder ihren Leibern noch ihren Herzen.
Um sich herum wusste er seine Gefährten, seine Krieger, doch der sonst so stolze Anblick der schimmernden silbernen Rüstungen, der wehenden blauen Umhänge, der knatternden, hoch erhobenen Banner und der makellosen, stolzen Gesichter der Söhne Ulthuans verschwamm im Nebel zu einer Wand aus blaugrauen Konturen. Hinter ihm waren Hunderte, doch er fühlte sich allein.
Als die ersten Laute an sein Ohr drangen, zog er das Schwert aus der Scheide. Der helle Silberton durchdrang schwächlich die feuchtklamme Luft und statt glitzernder Reflexionen liefen nur einige Tropfen über die lange gerade Klinge. Dennoch schenkte ihm das vertraute Gewicht Ruhe und Sicherheit. Vielleicht nur eine Illusion, aber dennoch stärkte er sein Herz mit diesen Gefühlen und dem gerechten Zorn auf jene, die ihn bedrohten, ihn und alles, das ihm etwas bedeutete. Elfenprinz, Erbe seines Hauses, Verteidiger seiner Länder. Heute würde er die kranken Geister vernichten, die es gewagt hatten, das heilige Ulthuan mit ihrer verdorbenen Existenz zu besudeln.
Gerade wollte er die Stimme heben, um seine Entschlossenheit an seine Krieger weiterzugeben, als sich die ersten Bewegungen im finsteren Nebel abzeichneten und sich plötzlich deutliche Konturen aus den Schwaden bildeten. Er sandte ein Gebet zu den Göttern des Lichts, dass sie seine Klinge und seinen Arm segnen und seine Kämpfer beschützen mochten, dann setzte er sich in Bewegung, um dem Feind zu begegnen.
Jetzt hörte er sie auch. Schwere, unbeholfene Schritte, keuchende Atemgeräusche, panisch, verzweifelt, das leise Rascheln von Stoff, das Knirschen von Leder, selten das Klirren von Metall. Und er roch sie. Schmutz, Blut und Tod schienen ihnen anzuhaften und sich wie eine erstickende Wolke den Streitern von Licht und Reinheit entgegen zu werfen. Selbst der Nebel konnte dem Gestank nichts anhaben.
Dann sah er sie. Grobschlächtige, ungewaschene Gestalten, die nackten Oberkörper und Beine bedeckt mit geronnenem Blut und Narben von den Peitschen und Messern ihrer Herren, in den Händen grobe Keulen, Äste, Messer, Beile oder schartige Schwerter. Doch das Schlimmste waren ihre Augen. Tief in den Höhlen liegend sprachen sie von unsäglichem Schmerz und unaussprechlicher Verzweiflung. Gebrochene Seelen. Diese Augen baten nicht um Gnade oder Rettung. Für diese Gequälten war der Tod die einzige Erlösung. Menschen waren es und einige seines Volkes. Verlorene Gestalten, die den Kindern der Nacht in die Hände gefallen waren. Jetzt liefen sie den Verteidigern entgegen, den Tod vor Augen, noch größeren Schrecken im Rücken.
Er spürte tiefe Trauer und gerechten Zorn in sich aufsteigen. Wie von selbst beschleunigten sich seine Schritte und sein Schwert durchschnitt den Nebel, beschrieb einen silbergrauen Bogen und fügte dem ersten der Sklaven einen weiteren feinen Schnitt zu, den letzten, endgültigen. Hinter ihm brach der Mensch zusammen, während sein Blut das unschuldige, lebensfrohe Gras der Elfenreiche beschmutzte.
Der nächste kam heran, die Keule erhoben und einen wilden, fast kreischenden Kriegsruf ausstoßend. Doch seine Bewegungen waren langsam. Der Elf duckte sich, schlug ihm mit der gepanzerten Faust in den Bauch und hieb dem sich zusammenkrümmenden dann mit der Klinge in den Nacken. Der Nebel dämpfte das Geräusch berstender Krochen und verschluckte bald darauf die niedergestreckte Gestalt, doch der Elf würde ihn niemals vergessen. Keinen von ihnen, die hier unter seiner Klinge fielen, bis er diese Schuld ihren grausamen Meistern aufladen konnte.
Um ihn herum wurde gekämpft, die Schlacht im Nebel entfaltete sich. Er hörte Schreie, deren Stimmen er zu kennen glaubte, panische, zornige, blutrünstige und erleichterte. Seine Krieger brachten den Sklaven den erlösenden Tod, auf dass die Götter des Lichts ihren gebrochenen Seelen Frieden schenken mochten. Doch nicht alle fielen, ohne vorher ihren Zweck zu erfüllen. Immer wieder brach eine Stimme, deren Klang sein Herz berührte, für immer ab.
Doch er lief weiter. Sein Schwert hinterließ blutige Schnitte auf nackten, feucht glänzenden Oberkörpern, öffnete Kehlen, zerteilte Kniesehnen und parierte stümperhafte Angriffe. Blut vermischte sich auf seiner Rüstung mit den Tropfen des kondensierenden Nebels und verzerrte die stolzen, meisterlichen Gravuren darauf zu traurigen Karikaturen.
Und plötzlich gab der Nebel ihn frei. Von einem Augenblick auf den anderen blinzelte er in die tief stehende, warme Sonne seiner geliebten Heimat und stand im Antlitz jener, die sie zu erobern trachteten. Die Kinder der Nacht warteten auf ihn. Er fühlte, wie sein Herz einen Moment aussetzte, als ihm die ganze Heimtücke seiner Gegner aufging.
Sie waren nicht, wie erwartet, ihren Sklaven in den Nebel gefolgt, um den Kampf mit den Söhnen Ulthuans zu suchen. Nein, sie warteten hier auf ihren Feind, seelenruhig und so kalt wie die Nacht. Dunkle, blaue und schwarze Rüstungen, glänzende Klingen, finstere Banner. Und Gesichter, makellos und fein gezogen wie die seinesgleichen und doch so kalt und grausam wie der Tod.
Doch was ihn am meisten entsetzte, waren die sechs schweren Speerschleudern und die lange, doppelte Reihe schussbereiter Armbrustschützen. Oh ja, sie hatten nur auf sie gewartet. Auf ihn, genauer gesagt, denn sein Auftauchen gab das Zeichen. Wo er stand, mussten seine Krieger bald hinter ihm sein, verwickelt in Kämpfe mit den bedauernswerten Sklaven, ihre Formation ungeordnet, ihre Sinne abgelenkt.
All das wurde ihm klar, schon warf er sich nach vorn und rollte sich über den taufeuchten Boden ab. Das Klacken der Armbrüste, das Peitschen der Geschütze und das Pfeifen der Geschosse drangen an seine Ohren. Er spürte den Luftzug der Bolzen. Einige fegten dicht über ihn hinweg, doch die meisten verschwanden auf todbringender Mission in den dichten Nebelschwaden. Gellende Schreie und das dumpfe Geräusch, mit dem Fleisch den Flug eines Bolzens beendete, erklangen hinter ihm, eigentümlich fern, als wären es nicht seine Gefährten, die dort ihr Leben ließen. Wieder überkam ihn das Gefühl der Einsamkeit. Für sie konnte er nichts mehr tun, doch seine Schlacht war noch nicht vorbei.
Er rappelte sich auf und stürmte los. Nicht weit von ihm, im Zentrum der feindlichen Linie sah er einen Mann in prächtiger Rüstung, hoch auf einem gepanzerten Streitross. Nackte Schädel baumelten an seinem Sattel und seine Hände steckten in Handschuhen aus der Haut getöteter Feinde. Jetzt hob er sein rubinbesetztes Schwert und brüllte in seiner finsteren Sprache. Augenblicklich wichen die Schützen zwischen ihnen zur Seite.
Der Hochelf verstand und ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Der Anführer wollte ihn persönlich, vielleicht sogar lebend. Ein weiterer Sklave, bald ebenso gebrochen und willenlos wie jene, die hinter ihm ihr Blut über das Gras der Elfenreiche ergossen.
Er beschleunigte seine Schritte, sein Ziel vor Augen. Sollten die Schützen ruhig leben, solange es ihnen noch vergönnt war. Ihr Tod wäre kein Sieg. Doch noch standen zwei Gegner zwischen ihm und dem Feind. Schwer gerüstet, mit grimmigen Schädelmasken vor ihren Gesichtern. Leibwachen vielleicht. Ruhig und furchtlos kamen sie auf ihn zu, die langen Schwerter bereit.
Er wechselte ein wenig die Richtung, ging den rechten an. Eine dunkle Klinge fegte auf ihn zu. Er deutete eine Parade an, bemerkte, wie sein Gegner mehr Gewicht in den Hieb legte, wich im letzten Augenblick aus. Sein Feind taumelte vorbei und versuchte, sich herumzudrehen. Er war flink, kein Vergleich zu den unbeholfenen Sklaven, doch der Elfenprinz war schneller. Schon fand die silberne Elfenklinge eine Lücke in der Rüstung, glitt anmutig in den Hals des Verdorbenen und ließ dunkles Blut über dunkles Metall strömen.
Ein Schlag traf ihn, streifte ihn, hinterließ einen Schnitt an seinem Arm. Schlecht geführt, aber dennoch beeindruckend. Der zweite Gerüstete ging ihn wieder an, stieß tief zu, schlug gleich darauf von der anderen Seite zu, trieb ihn zurück, landete einen Treffer an seinem Oberschenkel und endete gleich darauf an einer langen Klinge, die sich durch seinen Bauch bohrte.
Er hörte Hufgetrappel hinter sich und warf sich zur Seite. Eine glänzende Klinge strich über seinen Rücken, doch statt seiner Haut nahm seine Rüstung den Schnitt auf sich. Dem nächsten Sturmlauf begegnete er frontal, wich der gepanzerten Pferdebrust um Haaresbreite aus und fügte dem armen Tier einen tiefen Schnitt an der Flanke zu. Das Pferd schrie, seine Hufe kamen aus dem Takt, der Reiter brüllte wütend, seine Rüstung schepperte, als er von seinem hohen Sattel auf den tiefen Boden stürzte. Genau vor die Füße seines Feindes.
„Die Ehre, dort zu sterben, wo Eure Vorfahren das Licht der Welt erblickten, ist mehr, als Ihr verdient, Druchii.“, flüsterte der Sohn Ulthuans und versenkte seine Klinge in der Brust des Liegenden. Seine Waffe befreiend blickte er sich um, bereit, so viele Feinde in diesem einsamen Kampf niederzustrecken, wie ihm vergönnt war, bevor ihn sein unausweichliches Schicksal ereilen mochte.
Doch hinter dem Toten wartete … sie. Tiefe schwarze Augen glitzerten in dem perfekten, kalten Gesicht, die vollen roten Lippen leuchteten darin und verzogen sich zu einem einladenden Lächeln. Ihr hauchdünnes Kleid ließ die Vollkommenheit ihres Leibes erahnen, betonte ihre Reize, lockte mit weiteren Geheimnissen. Er sah die Knospen ihrer Brüste, fast verborgen unter langem, schwarzem Haar, erhaschte Blicke auf lange glatte Schenkel durch kunstvolle Schlitze des seidenen Stoffs.
Damals wie heute konnte er nicht verhindern, dass er ihrem Zauber erlag. Während die Erinnerung allmählich verblasste, ließ er die Klinge sinken, während aller Hass und aller Zorn aus ihm herausflossen und nur noch Verehrung übrig ließen. Der Verlust seiner Gefährten, der Schmerz seiner eigenen Wunden, die Trauer um seine Heimat verblassten zur Bedeutungslosigkeit. Es gab nur noch sie und ihn. Er sank auf die Knie und neigte das Haupt vor ihr, erschauderte unter ihrer Berührung und ihrem hungrigen Blick. Furchtlos nahm sie ihm das Schwert ab und ließ ihn dann aufstehen.
Das saftige grüne Gras war verschwunden, ersetzt durch harten trockenen Sand. Statt der lieblichen Sonne Ulthuans schien die kalte, harte Sonne über Naggaroth auf ihn herab. Es gab keinen Nebel mehr, keine Armbrustschützen, keine Speerschleudern. Das ständige leise Wispern und Zischeln um ihn herum war keine finstere Hexerei, sondern die geflüsterten Gespräche einiger hundert Druchii, die um das Kampffeld herum auf bequemen Rängen saßen, wetteten, sich unterhielten und das Schauspiel genossen. Hinter ihm sickerte das Blut von sechs getöteten Sklaven, eines niederen Hochgeborenen und seiner zwei Leibwächter in den Arenasand. Die Schlacht hatte es nur in seiner Erinnerung gegeben. Heute hatte er allein gekämpft, einsam wie stets seit jenem Tag.
Als sie sich abwandte, folgte er ihr wie von selbst. Er konnte überhaupt nicht anders. Sie war alles, was es in seinem Leben noch gab. Sie hatte ihn gebrochen, ihn den Tod seiner Krieger miterleben lassen, ihn ausgehungert, ihn gefoltert, ihn wieder aufgebaut und wieder gebrochen. Noch bevor ihr Schiff Naggaroth erreicht hatte, hatte er ihr gehört. Vollkommen mit Leib, Seele und Verstand. Er begehrte sie, er liebte sie, er verzehrte sich nach ihr und konnte nicht einmal sagen, ob es dunkle Hexerei war, die ihn trieb, oder nicht.
Und sie zeigte sich dankbar. Er hatte dafür gesorgt, dass ihr Verlobter in der Schlacht fiel, vor genug Zeugen, dass kein Zweifel daran bestand, dass er nicht durch ihre Hand umgekommen war. Sodass sie sein Vermögen erbte und seine Familie keinen Grund für Vergeltung hatte. Er, der wahre Mörder, brauchte keine Rache fürchten. In den Augen der Druchii war er kein Elf. Nicht einmal ein Lebewesen. Er war ein Sklave, ein Ding. Und niemand setzte einen Mörder auf ein Ding an.
Doch für sie war mehr. Niemand, dessen Leben einen Wert hätte, aber ein Sklave mit Fähigkeiten. Seit er ihren Partner getötet hatte, tötete er weiter für sie, kämpfte in der Arena für ihr Ansehen, folgte ihr als Teil ihrer Leibwache und beriet sie in ihren Strategien im Kampf um die Macht. Fünfte Tochter des Kriegsmeisters ihrer Stadt, hochgeboren aber wenig beachtet, vermögend und gelangweilt. Gefährlich ehrgeizig. Sie strebte nach der Macht, war skrupellos genug, sich mit dunklem Wissen zu beschäftigen und seinen klaren Verstand einzusetzen. Er brachte ihr Erfolge und sie zeigte sich dankbar.
So auch an diesem Abend. Als er ihr Schlafgemach betrat, wartete sie bereits auf ihn. Ihr langer, schlanker Leib lag nackt und geschmeidig wie der einer Schlange auf den Decken ihres verschwenderischen Bettes. Mondlicht floss durch die seidenen Vorhänge und ließ ihre makellose Haut wie Silber glänzen. Dunkle Schatten lagen zwischen ihren Beinen und lockten mit unergründeten Geheimnissen.
Ihre dunklen Augen musterten ihn hungrig, während er seine Rüstung ablegte und sich entkleidete. Als er auf sie zu kam, lächelte sie verheißungsvoll. „Komm, mein tapferer Elfenprinz.“, flüsterte sie ihm mit kalter, perfekter Stimme ins Ohr, während ihre Finger über die Narben auf seinen Armen und Beinen fuhren und eisige Schauder durch seinen Körper jagten. Narben, die sie ihm zugefügt hatte in Nächten, in denen sie weniger zufrieden gewesen war. Heute würde es keine Messer geben und ein Teil von ihm verspürte Bedauern. Sie hatte ihn gelehrt, Lust und Schmerz zu verbinden.
Ihre Fingernägel kratzten über die frischen Wunden des heutigen Tages und entlockten ihm ein leises Zischen, als sanfte Pein durch seinen Körper schoss. Sie lachte und leckte ihren blutigen Finger ab. „Ich gehöre ganz dir.“, raunte sie und ließ sich zurücksinken. Er spürte, wie seine Erregung aufloderte und schob sich langsam über sie, auch wenn er es besser wusste. Sie ließ sich von ihm nehmen, statt ihn zu dominieren, aber sollte ihr nicht gefallen, was er mit ihr tat … Nun, er zog es vor, nicht darüber nachzudenken.
Entschlossen drang er in sie ein und bewegte sich kräftig auf ihr. Sie stöhnte und er hörte sich selbst keuchen. Unwillkürlich dachte er an seine Heimat, seine Frau und andere Nächte, bevor er die Erinnerung verbannte. Dies hier war anders. Wilder, primitiver, aber er konnte nicht anders, als es zu genießen. Was sie ihm bot, was sie von ihm verlangte, war so viel … erfüllender. Mit ihr gab es keine Hemmungen, keine Grenzen, keine Verbote. Solange er sie zufrieden stellte, ließ sie ihm Freiheiten.
Und er konnte nicht anders, als alles für sie zu tun. Er dachte nicht an seine Frau, wenn er mit ihr schlief. Seine Vergangenheit hatte sie ihm genommen. Unwiderruflich ausgelöscht. Sie hatte ihm erlaubt, einen Abschiedsbrief zu schreiben, in den all seine Gefühle und seine Liebe zu seiner Gefährtin geflossen waren. Sie hatte ihn gelesen, gelacht und das Papier vor seinen Augen verbrannt.
Nein, wenn er mit ihr schlief, dachte er nur an sie. Sie war alles in seinem Leben. Es gab keine Alternative. Ihr Tod wäre sein Untergang, denn ohne Herrin war er nichts in der Gesellschaft der Druchii. Also schützte er sie, liebte sie, stärkte sie. Sie war klug und mächtig und mit jedem Tag wuchs ihr Einfluss.
Doch irgendwo ganz tief in seinem Innern gab es einen Teil, der nicht ihr gehörte. Der letzte Rest des Elfs, der einst über die lieblichen grünen Wiesen seiner Heimat geritten war, für den es nichts Größeres gegeben hatte, als das Wachsen und Gedeihen der Natur und seines Volkes zu beobachten, der sich nach Licht und Wärme sehnte, wie man sie hier im kalten Naggaroth nicht zu finden vermochte.
Und dieser Teil hatte größere Pläne. Er unterstützte sie, ja, er verteidigte sie, kämpfte für sie, tötete für sie, beobachtete ihre Feinde, beriet sie, förderte ihre Macht, doch nicht um des Überlebens willen allein. Dieser Teil in ihm hatte vor, eines Tages zu sterben. Dann, wenn seine Mission erfüllt war. Dann, wenn er sie und ihre Macht weit genug gestärkt hatte, um sie in die Schlacht zu führen. Er würde die sechs großen Städte gegeneinander in den Krieg treiben und sie sich vielleicht sogar gegen den Hexenkönig selbst auflehnen lassen.
Sie hatte das Potential dazu und mit ihrer Hilfe würde er die Druchii an ihrer eigenen Kaltblütigkeit ersticken lassen. Er machte sich keine Illusionen, dass sie all diese Schlachten gewinnen und sich zur neuen Herrscherin aufschwingen würde. Es ging ihm nicht um den Sieg. Es ging ihm allein um den Tod. Tausende, zehntausende, vielleicht hundertausende Kinder der Nacht würden sterben, sich in sinnlosem Ehrgeiz gegenseitig zerfleischen, wenn seine Pläne sich erfüllten. Das Volk von Naggaroth wäre geschwächt und seine Heimat sicher. Das war alles, was er für sein Volk tun konnte und es wäre das größte Opfer wert.
Deshalb kämpfte er seit jenem Tag seine einsamen Schlachten. Seit jenem Tag kämpfte er allein, aber niemals würde er aufgeben. Die Regeln hatten sich verändert, nur die Einsamkeit war geblieben. Ihr Bett war jetzt sein Schlachtfeld und ihre Lust seine Waffe. Nicht mehr die Vernichtung seiner Feinde war sein Ziel, sondern die Erringung ihrer Gunst. Seine Schlachten wurden zwischen ihren Schenkeln entschieden und niemand würde jemals Lieder über seine Tapferkeit singen. Für die seinen war er von der Dunkelheit verschlungen und auf immer verloren.
Und doch hielt er stand, ein kleines Licht im Herzen der Finsternis, das nur allzu leicht verlöschen mochte. Sein Tod würde kommen, doch noch lag es in seiner Hand, dessen Umstände zu bestimmen. Noch hatte er die Waffen, um seine Schlachten weiterzuführen. Also kämpfte er.
Sie waren in der Dämmerung des frühen Morgens gekommen und hatten die Dunkelheit mitgebracht. Feucht und eisig kroch der Nebel über die sanften, grünen Hügel und erhob sich zwischen den Reihen der stolzen Verteidiger Ulthuans. Der sonst so hellen und freundlichen Sonne ihrer Heimat fehlte die Kraft, sich gegen diese Hexerei zu stemmen und ihre Strahlen konnten den tapferen Seelen, die hier standen, keine Wärme spenden. Weder ihren Leibern noch ihren Herzen.
Um sich herum wusste er seine Gefährten, seine Krieger, doch der sonst so stolze Anblick der schimmernden silbernen Rüstungen, der wehenden blauen Umhänge, der knatternden, hoch erhobenen Banner und der makellosen, stolzen Gesichter der Söhne Ulthuans verschwamm im Nebel zu einer Wand aus blaugrauen Konturen. Hinter ihm waren Hunderte, doch er fühlte sich allein.
Als die ersten Laute an sein Ohr drangen, zog er das Schwert aus der Scheide. Der helle Silberton durchdrang schwächlich die feuchtklamme Luft und statt glitzernder Reflexionen liefen nur einige Tropfen über die lange gerade Klinge. Dennoch schenkte ihm das vertraute Gewicht Ruhe und Sicherheit. Vielleicht nur eine Illusion, aber dennoch stärkte er sein Herz mit diesen Gefühlen und dem gerechten Zorn auf jene, die ihn bedrohten, ihn und alles, das ihm etwas bedeutete. Elfenprinz, Erbe seines Hauses, Verteidiger seiner Länder. Heute würde er die kranken Geister vernichten, die es gewagt hatten, das heilige Ulthuan mit ihrer verdorbenen Existenz zu besudeln.
Gerade wollte er die Stimme heben, um seine Entschlossenheit an seine Krieger weiterzugeben, als sich die ersten Bewegungen im finsteren Nebel abzeichneten und sich plötzlich deutliche Konturen aus den Schwaden bildeten. Er sandte ein Gebet zu den Göttern des Lichts, dass sie seine Klinge und seinen Arm segnen und seine Kämpfer beschützen mochten, dann setzte er sich in Bewegung, um dem Feind zu begegnen.
Jetzt hörte er sie auch. Schwere, unbeholfene Schritte, keuchende Atemgeräusche, panisch, verzweifelt, das leise Rascheln von Stoff, das Knirschen von Leder, selten das Klirren von Metall. Und er roch sie. Schmutz, Blut und Tod schienen ihnen anzuhaften und sich wie eine erstickende Wolke den Streitern von Licht und Reinheit entgegen zu werfen. Selbst der Nebel konnte dem Gestank nichts anhaben.
Dann sah er sie. Grobschlächtige, ungewaschene Gestalten, die nackten Oberkörper und Beine bedeckt mit geronnenem Blut und Narben von den Peitschen und Messern ihrer Herren, in den Händen grobe Keulen, Äste, Messer, Beile oder schartige Schwerter. Doch das Schlimmste waren ihre Augen. Tief in den Höhlen liegend sprachen sie von unsäglichem Schmerz und unaussprechlicher Verzweiflung. Gebrochene Seelen. Diese Augen baten nicht um Gnade oder Rettung. Für diese Gequälten war der Tod die einzige Erlösung. Menschen waren es und einige seines Volkes. Verlorene Gestalten, die den Kindern der Nacht in die Hände gefallen waren. Jetzt liefen sie den Verteidigern entgegen, den Tod vor Augen, noch größeren Schrecken im Rücken.
Er spürte tiefe Trauer und gerechten Zorn in sich aufsteigen. Wie von selbst beschleunigten sich seine Schritte und sein Schwert durchschnitt den Nebel, beschrieb einen silbergrauen Bogen und fügte dem ersten der Sklaven einen weiteren feinen Schnitt zu, den letzten, endgültigen. Hinter ihm brach der Mensch zusammen, während sein Blut das unschuldige, lebensfrohe Gras der Elfenreiche beschmutzte.
Der nächste kam heran, die Keule erhoben und einen wilden, fast kreischenden Kriegsruf ausstoßend. Doch seine Bewegungen waren langsam. Der Elf duckte sich, schlug ihm mit der gepanzerten Faust in den Bauch und hieb dem sich zusammenkrümmenden dann mit der Klinge in den Nacken. Der Nebel dämpfte das Geräusch berstender Krochen und verschluckte bald darauf die niedergestreckte Gestalt, doch der Elf würde ihn niemals vergessen. Keinen von ihnen, die hier unter seiner Klinge fielen, bis er diese Schuld ihren grausamen Meistern aufladen konnte.
Um ihn herum wurde gekämpft, die Schlacht im Nebel entfaltete sich. Er hörte Schreie, deren Stimmen er zu kennen glaubte, panische, zornige, blutrünstige und erleichterte. Seine Krieger brachten den Sklaven den erlösenden Tod, auf dass die Götter des Lichts ihren gebrochenen Seelen Frieden schenken mochten. Doch nicht alle fielen, ohne vorher ihren Zweck zu erfüllen. Immer wieder brach eine Stimme, deren Klang sein Herz berührte, für immer ab.
Doch er lief weiter. Sein Schwert hinterließ blutige Schnitte auf nackten, feucht glänzenden Oberkörpern, öffnete Kehlen, zerteilte Kniesehnen und parierte stümperhafte Angriffe. Blut vermischte sich auf seiner Rüstung mit den Tropfen des kondensierenden Nebels und verzerrte die stolzen, meisterlichen Gravuren darauf zu traurigen Karikaturen.
Und plötzlich gab der Nebel ihn frei. Von einem Augenblick auf den anderen blinzelte er in die tief stehende, warme Sonne seiner geliebten Heimat und stand im Antlitz jener, die sie zu erobern trachteten. Die Kinder der Nacht warteten auf ihn. Er fühlte, wie sein Herz einen Moment aussetzte, als ihm die ganze Heimtücke seiner Gegner aufging.
Sie waren nicht, wie erwartet, ihren Sklaven in den Nebel gefolgt, um den Kampf mit den Söhnen Ulthuans zu suchen. Nein, sie warteten hier auf ihren Feind, seelenruhig und so kalt wie die Nacht. Dunkle, blaue und schwarze Rüstungen, glänzende Klingen, finstere Banner. Und Gesichter, makellos und fein gezogen wie die seinesgleichen und doch so kalt und grausam wie der Tod.
Doch was ihn am meisten entsetzte, waren die sechs schweren Speerschleudern und die lange, doppelte Reihe schussbereiter Armbrustschützen. Oh ja, sie hatten nur auf sie gewartet. Auf ihn, genauer gesagt, denn sein Auftauchen gab das Zeichen. Wo er stand, mussten seine Krieger bald hinter ihm sein, verwickelt in Kämpfe mit den bedauernswerten Sklaven, ihre Formation ungeordnet, ihre Sinne abgelenkt.
All das wurde ihm klar, schon warf er sich nach vorn und rollte sich über den taufeuchten Boden ab. Das Klacken der Armbrüste, das Peitschen der Geschütze und das Pfeifen der Geschosse drangen an seine Ohren. Er spürte den Luftzug der Bolzen. Einige fegten dicht über ihn hinweg, doch die meisten verschwanden auf todbringender Mission in den dichten Nebelschwaden. Gellende Schreie und das dumpfe Geräusch, mit dem Fleisch den Flug eines Bolzens beendete, erklangen hinter ihm, eigentümlich fern, als wären es nicht seine Gefährten, die dort ihr Leben ließen. Wieder überkam ihn das Gefühl der Einsamkeit. Für sie konnte er nichts mehr tun, doch seine Schlacht war noch nicht vorbei.
Er rappelte sich auf und stürmte los. Nicht weit von ihm, im Zentrum der feindlichen Linie sah er einen Mann in prächtiger Rüstung, hoch auf einem gepanzerten Streitross. Nackte Schädel baumelten an seinem Sattel und seine Hände steckten in Handschuhen aus der Haut getöteter Feinde. Jetzt hob er sein rubinbesetztes Schwert und brüllte in seiner finsteren Sprache. Augenblicklich wichen die Schützen zwischen ihnen zur Seite.
Der Hochelf verstand und ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Der Anführer wollte ihn persönlich, vielleicht sogar lebend. Ein weiterer Sklave, bald ebenso gebrochen und willenlos wie jene, die hinter ihm ihr Blut über das Gras der Elfenreiche ergossen.
Er beschleunigte seine Schritte, sein Ziel vor Augen. Sollten die Schützen ruhig leben, solange es ihnen noch vergönnt war. Ihr Tod wäre kein Sieg. Doch noch standen zwei Gegner zwischen ihm und dem Feind. Schwer gerüstet, mit grimmigen Schädelmasken vor ihren Gesichtern. Leibwachen vielleicht. Ruhig und furchtlos kamen sie auf ihn zu, die langen Schwerter bereit.
Er wechselte ein wenig die Richtung, ging den rechten an. Eine dunkle Klinge fegte auf ihn zu. Er deutete eine Parade an, bemerkte, wie sein Gegner mehr Gewicht in den Hieb legte, wich im letzten Augenblick aus. Sein Feind taumelte vorbei und versuchte, sich herumzudrehen. Er war flink, kein Vergleich zu den unbeholfenen Sklaven, doch der Elfenprinz war schneller. Schon fand die silberne Elfenklinge eine Lücke in der Rüstung, glitt anmutig in den Hals des Verdorbenen und ließ dunkles Blut über dunkles Metall strömen.
Ein Schlag traf ihn, streifte ihn, hinterließ einen Schnitt an seinem Arm. Schlecht geführt, aber dennoch beeindruckend. Der zweite Gerüstete ging ihn wieder an, stieß tief zu, schlug gleich darauf von der anderen Seite zu, trieb ihn zurück, landete einen Treffer an seinem Oberschenkel und endete gleich darauf an einer langen Klinge, die sich durch seinen Bauch bohrte.
Er hörte Hufgetrappel hinter sich und warf sich zur Seite. Eine glänzende Klinge strich über seinen Rücken, doch statt seiner Haut nahm seine Rüstung den Schnitt auf sich. Dem nächsten Sturmlauf begegnete er frontal, wich der gepanzerten Pferdebrust um Haaresbreite aus und fügte dem armen Tier einen tiefen Schnitt an der Flanke zu. Das Pferd schrie, seine Hufe kamen aus dem Takt, der Reiter brüllte wütend, seine Rüstung schepperte, als er von seinem hohen Sattel auf den tiefen Boden stürzte. Genau vor die Füße seines Feindes.
„Die Ehre, dort zu sterben, wo Eure Vorfahren das Licht der Welt erblickten, ist mehr, als Ihr verdient, Druchii.“, flüsterte der Sohn Ulthuans und versenkte seine Klinge in der Brust des Liegenden. Seine Waffe befreiend blickte er sich um, bereit, so viele Feinde in diesem einsamen Kampf niederzustrecken, wie ihm vergönnt war, bevor ihn sein unausweichliches Schicksal ereilen mochte.
Doch hinter dem Toten wartete … sie. Tiefe schwarze Augen glitzerten in dem perfekten, kalten Gesicht, die vollen roten Lippen leuchteten darin und verzogen sich zu einem einladenden Lächeln. Ihr hauchdünnes Kleid ließ die Vollkommenheit ihres Leibes erahnen, betonte ihre Reize, lockte mit weiteren Geheimnissen. Er sah die Knospen ihrer Brüste, fast verborgen unter langem, schwarzem Haar, erhaschte Blicke auf lange glatte Schenkel durch kunstvolle Schlitze des seidenen Stoffs.
Damals wie heute konnte er nicht verhindern, dass er ihrem Zauber erlag. Während die Erinnerung allmählich verblasste, ließ er die Klinge sinken, während aller Hass und aller Zorn aus ihm herausflossen und nur noch Verehrung übrig ließen. Der Verlust seiner Gefährten, der Schmerz seiner eigenen Wunden, die Trauer um seine Heimat verblassten zur Bedeutungslosigkeit. Es gab nur noch sie und ihn. Er sank auf die Knie und neigte das Haupt vor ihr, erschauderte unter ihrer Berührung und ihrem hungrigen Blick. Furchtlos nahm sie ihm das Schwert ab und ließ ihn dann aufstehen.
Das saftige grüne Gras war verschwunden, ersetzt durch harten trockenen Sand. Statt der lieblichen Sonne Ulthuans schien die kalte, harte Sonne über Naggaroth auf ihn herab. Es gab keinen Nebel mehr, keine Armbrustschützen, keine Speerschleudern. Das ständige leise Wispern und Zischeln um ihn herum war keine finstere Hexerei, sondern die geflüsterten Gespräche einiger hundert Druchii, die um das Kampffeld herum auf bequemen Rängen saßen, wetteten, sich unterhielten und das Schauspiel genossen. Hinter ihm sickerte das Blut von sechs getöteten Sklaven, eines niederen Hochgeborenen und seiner zwei Leibwächter in den Arenasand. Die Schlacht hatte es nur in seiner Erinnerung gegeben. Heute hatte er allein gekämpft, einsam wie stets seit jenem Tag.
Als sie sich abwandte, folgte er ihr wie von selbst. Er konnte überhaupt nicht anders. Sie war alles, was es in seinem Leben noch gab. Sie hatte ihn gebrochen, ihn den Tod seiner Krieger miterleben lassen, ihn ausgehungert, ihn gefoltert, ihn wieder aufgebaut und wieder gebrochen. Noch bevor ihr Schiff Naggaroth erreicht hatte, hatte er ihr gehört. Vollkommen mit Leib, Seele und Verstand. Er begehrte sie, er liebte sie, er verzehrte sich nach ihr und konnte nicht einmal sagen, ob es dunkle Hexerei war, die ihn trieb, oder nicht.
Und sie zeigte sich dankbar. Er hatte dafür gesorgt, dass ihr Verlobter in der Schlacht fiel, vor genug Zeugen, dass kein Zweifel daran bestand, dass er nicht durch ihre Hand umgekommen war. Sodass sie sein Vermögen erbte und seine Familie keinen Grund für Vergeltung hatte. Er, der wahre Mörder, brauchte keine Rache fürchten. In den Augen der Druchii war er kein Elf. Nicht einmal ein Lebewesen. Er war ein Sklave, ein Ding. Und niemand setzte einen Mörder auf ein Ding an.
Doch für sie war mehr. Niemand, dessen Leben einen Wert hätte, aber ein Sklave mit Fähigkeiten. Seit er ihren Partner getötet hatte, tötete er weiter für sie, kämpfte in der Arena für ihr Ansehen, folgte ihr als Teil ihrer Leibwache und beriet sie in ihren Strategien im Kampf um die Macht. Fünfte Tochter des Kriegsmeisters ihrer Stadt, hochgeboren aber wenig beachtet, vermögend und gelangweilt. Gefährlich ehrgeizig. Sie strebte nach der Macht, war skrupellos genug, sich mit dunklem Wissen zu beschäftigen und seinen klaren Verstand einzusetzen. Er brachte ihr Erfolge und sie zeigte sich dankbar.
So auch an diesem Abend. Als er ihr Schlafgemach betrat, wartete sie bereits auf ihn. Ihr langer, schlanker Leib lag nackt und geschmeidig wie der einer Schlange auf den Decken ihres verschwenderischen Bettes. Mondlicht floss durch die seidenen Vorhänge und ließ ihre makellose Haut wie Silber glänzen. Dunkle Schatten lagen zwischen ihren Beinen und lockten mit unergründeten Geheimnissen.
Ihre dunklen Augen musterten ihn hungrig, während er seine Rüstung ablegte und sich entkleidete. Als er auf sie zu kam, lächelte sie verheißungsvoll. „Komm, mein tapferer Elfenprinz.“, flüsterte sie ihm mit kalter, perfekter Stimme ins Ohr, während ihre Finger über die Narben auf seinen Armen und Beinen fuhren und eisige Schauder durch seinen Körper jagten. Narben, die sie ihm zugefügt hatte in Nächten, in denen sie weniger zufrieden gewesen war. Heute würde es keine Messer geben und ein Teil von ihm verspürte Bedauern. Sie hatte ihn gelehrt, Lust und Schmerz zu verbinden.
Ihre Fingernägel kratzten über die frischen Wunden des heutigen Tages und entlockten ihm ein leises Zischen, als sanfte Pein durch seinen Körper schoss. Sie lachte und leckte ihren blutigen Finger ab. „Ich gehöre ganz dir.“, raunte sie und ließ sich zurücksinken. Er spürte, wie seine Erregung aufloderte und schob sich langsam über sie, auch wenn er es besser wusste. Sie ließ sich von ihm nehmen, statt ihn zu dominieren, aber sollte ihr nicht gefallen, was er mit ihr tat … Nun, er zog es vor, nicht darüber nachzudenken.
Entschlossen drang er in sie ein und bewegte sich kräftig auf ihr. Sie stöhnte und er hörte sich selbst keuchen. Unwillkürlich dachte er an seine Heimat, seine Frau und andere Nächte, bevor er die Erinnerung verbannte. Dies hier war anders. Wilder, primitiver, aber er konnte nicht anders, als es zu genießen. Was sie ihm bot, was sie von ihm verlangte, war so viel … erfüllender. Mit ihr gab es keine Hemmungen, keine Grenzen, keine Verbote. Solange er sie zufrieden stellte, ließ sie ihm Freiheiten.
Und er konnte nicht anders, als alles für sie zu tun. Er dachte nicht an seine Frau, wenn er mit ihr schlief. Seine Vergangenheit hatte sie ihm genommen. Unwiderruflich ausgelöscht. Sie hatte ihm erlaubt, einen Abschiedsbrief zu schreiben, in den all seine Gefühle und seine Liebe zu seiner Gefährtin geflossen waren. Sie hatte ihn gelesen, gelacht und das Papier vor seinen Augen verbrannt.
Nein, wenn er mit ihr schlief, dachte er nur an sie. Sie war alles in seinem Leben. Es gab keine Alternative. Ihr Tod wäre sein Untergang, denn ohne Herrin war er nichts in der Gesellschaft der Druchii. Also schützte er sie, liebte sie, stärkte sie. Sie war klug und mächtig und mit jedem Tag wuchs ihr Einfluss.
Doch irgendwo ganz tief in seinem Innern gab es einen Teil, der nicht ihr gehörte. Der letzte Rest des Elfs, der einst über die lieblichen grünen Wiesen seiner Heimat geritten war, für den es nichts Größeres gegeben hatte, als das Wachsen und Gedeihen der Natur und seines Volkes zu beobachten, der sich nach Licht und Wärme sehnte, wie man sie hier im kalten Naggaroth nicht zu finden vermochte.
Und dieser Teil hatte größere Pläne. Er unterstützte sie, ja, er verteidigte sie, kämpfte für sie, tötete für sie, beobachtete ihre Feinde, beriet sie, förderte ihre Macht, doch nicht um des Überlebens willen allein. Dieser Teil in ihm hatte vor, eines Tages zu sterben. Dann, wenn seine Mission erfüllt war. Dann, wenn er sie und ihre Macht weit genug gestärkt hatte, um sie in die Schlacht zu führen. Er würde die sechs großen Städte gegeneinander in den Krieg treiben und sie sich vielleicht sogar gegen den Hexenkönig selbst auflehnen lassen.
Sie hatte das Potential dazu und mit ihrer Hilfe würde er die Druchii an ihrer eigenen Kaltblütigkeit ersticken lassen. Er machte sich keine Illusionen, dass sie all diese Schlachten gewinnen und sich zur neuen Herrscherin aufschwingen würde. Es ging ihm nicht um den Sieg. Es ging ihm allein um den Tod. Tausende, zehntausende, vielleicht hundertausende Kinder der Nacht würden sterben, sich in sinnlosem Ehrgeiz gegenseitig zerfleischen, wenn seine Pläne sich erfüllten. Das Volk von Naggaroth wäre geschwächt und seine Heimat sicher. Das war alles, was er für sein Volk tun konnte und es wäre das größte Opfer wert.
Deshalb kämpfte er seit jenem Tag seine einsamen Schlachten. Seit jenem Tag kämpfte er allein, aber niemals würde er aufgeben. Die Regeln hatten sich verändert, nur die Einsamkeit war geblieben. Ihr Bett war jetzt sein Schlachtfeld und ihre Lust seine Waffe. Nicht mehr die Vernichtung seiner Feinde war sein Ziel, sondern die Erringung ihrer Gunst. Seine Schlachten wurden zwischen ihren Schenkeln entschieden und niemand würde jemals Lieder über seine Tapferkeit singen. Für die seinen war er von der Dunkelheit verschlungen und auf immer verloren.
Und doch hielt er stand, ein kleines Licht im Herzen der Finsternis, das nur allzu leicht verlöschen mochte. Sein Tod würde kommen, doch noch lag es in seiner Hand, dessen Umstände zu bestimmen. Noch hatte er die Waffen, um seine Schlachten weiterzuführen. Also kämpfte er.