Es wurde eine Frage gestellt und ihr habt eine Antwort gegeben. Aber leider auf eine ganz andere, nämlich: Sollen Sozialschmarotzer Geld für Alkohol und Tabak bekommen. Die Antwort ist offensichtlich.
Aber gehen wir mal etwas logischer an die Sache ran. Die Frage war, ob sie das Recht auf Alkohol und Tabak haben, ist ebenso einfach zu beantworten: nein, haben sie explizit nicht, genauso wenig wie jeder andere Bürger Recht auf irgendein Konsumgut hat. Mit der Frage war aber sicher auch zum teil folgende Frage gemeint: Sollte Geld für Alkohol und Tabak in den Hartz-IV-Satz mit eingepflegt werden?
Und bei der Beantwortung dieser Frage machen viele den Fehler, dass sie dann mit den Schmarotzern im Hinterkopf argumentieren. Dafür ist die Sozialhilfe aber gar nicht gedacht, sondern für die Leute, die Arbeiten wollen, aber keine Arbeit finden.
Wenn man darüber diskutiert, wie hoch der Satz sein sollte, muss man anhand dieser Leute diskutieren, denn diese sind alleine maßgeblich. Dass es Leute gibt, die das dann ausnutzen, ist ein Riesenproblem, aber das sollte man primär mit anderen Mitteln lösen - und vor allem bloß nicht, die eine Problematik mit der anderen vermischen. Bei der Frage nach der Höhe der Zuwendung sollte es erstmal keine Rolle spielen, wie man Mißbrauch eindämmen kann. Denkt eher an den Werftarbeiter in Wismar mit zerschundenem Rücken, der wahrscheinlich niemals wieder eine Arbeit findet, als an Jürgen (43) aus Berlin-Marzahn, der keinen Bock auf (Nicht-Schwarz-)Arbeit hat. Das entemotionalisiert die Debatte dann auch.
Ich finde es grundsätzlich richtig, wenn man auch den ärmsten einen gewissen Betrag für Genussmittel zur Verfügung stellt. Schlecht ist hingegen das Aufsplitten nach Tabak, Schokolade, Kino, etc. Das macht schlichtweg keinen Sinn, da jeder die Mittel eh für das benutzt, was ihm passt. Außerdem läuft man Gefahr, dass die Gesamtkosten aller Genussmittel schnell astronomisch hoch werden, wenn alle Genussmittel abgedeckt werden sollen. Stattdessen sollte es einen Topf für alles geben. Wer sich 2-3 Bierchen in der Woche gönnt, der kann dann keinen Nachtisch kaufen und umgekehrt.
Das wird ja auch im Prinzip so gemacht, da das Geld ja bar und nicht in Form von zweckgebundenen Gutscheinen ausgeteilt wird. Die ganze Fragestellung ist deswegen dämlich. Die Bundesregierung streicht den Arbeitslosen ja nicht den Tabak und den Alkohol, sondern 10 Euro, die andere für etwas ganz anderes verwendet haben*. Die ganzen Schlagzeilen um Alkohol und Tabak sind also nur Augenwischerei.
Um zu verstehen, wieso das auf einmal in den Medien auftauchte, sollte man sich die Methodik der Bundesregierung anschauen. Sie hatte ja vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag, anstatt den Hartz IV willkürlich festzulegen, eine genaue Berechnung durchzuführen, wieviel Geld denn nötig sein, um das Existenzminimum zu sichern (das beinhaltet dann auch explizit etwas Teilhabe am kulturellen Leben - ob es einen nun passt oder nicht). Anstatt jetzt ohne Vorbedingungen zu prüfen: x Euro für Lebensmittel, y Euro für Kommunikation, z Euro für Transport, etc. hat es sich die Bundesregierung leicht gemacht und sich eine Statistik erstellen lassen, wieviel die jetzigen Hartz-Empfänger für welche Sachen ausgeben und hat dann aus diesem Durchschnitt einfach die nicht genehmen Sachen gestrichen. Diese Methodik ist aber genau wieder die Willkür, die vom Gericht angeprangert wurde.
Stellt Euch mal vor, 10 Leute hätten das gleiche Geld und man würde untersuchen, wofür sie es im Durchschnitt ausgeben. 5 Leute leben gesund, rauchen nicht und versuchen sich ihr soziales Umfgeld zu bewahren, auch wenn an Reisen, gemeinsame Ausflüge etc. nicht zu denken ist. Die anderen 5 verzichten auf teures Obst und rauchen und saufen lieber dafür. In der Statistik erscheint dann, dass diese 10 einen bestimmten Betrag für Obst und einen bestimmten Betrag für Tabak ausgeben. Wenn jetzt der Tabakbetrag gestrichen wird, können die Säufer nicht mehr rauchen und die Gesunden kein Obst mehr essen, obwohl der Betrag für Obst gar nicht angetastet wurde. Diese Methodik ist also ganz offensichtlich ziemlich dumm.
Die Art, wie die Bundesregierung vorgeht (und die Bild-Zeitung und ihr natürlich gleich drauf anspringt), ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert wenn man jemanden Statistiken in die Hand gibt, der keine Ahnung davon hat, wie man damit umgeht.
Die Frage, wieviel ein Arbeitsloser von der Allgemeinheit erhalten soll, ist eine wichtige und schwierige - letztendlich ist sie wohl auch unbeantwortbar. Die Fragestellung hier im Thread ist aber schlichtweg methodisch falsch. Da niemand kontrolliert, wofür die Leute ihr Geld genau ausgeben, macht es auch keinen Sinn, Einzelposten aus den Zuwendungen zu streichen, umzudeklarieren oder hinzuzufügen.
PS: Ich finde nicht, dass das hier in den Politikthread gehört, da dort nach kurzer Zeit eh keiner mehr reinschaut. Und man stelle sich das Kuddelmuddel vor, wenn das Islam- und der Hartz-IV-Thema gleichzeitig in einem Thread behandelt würden.
* Am Ende kam ja trotzdem noch mehr raus als vorher, also passt es ja am Ende. Ein Beleg mehr, warum die ganze Diskussion Spiegelfechterei ist. So hat die Bundesregierung mit der Erhöhung geschickt den linken Flügel beruhigt (oder zumindest versucht), mit der Wir-Streichen-Tabak-Und-Alkohol-Propaganda geschickt den rechten Flügel. Und die SPD entblödet sich auch noch, die Regierung dafür zu kritisieren, dass diese den Satz im Vergleich zum SPD-Entwurf angehoben haben. Das einzige, was auf der Strecke bleibt, ist das Urteil des Verfassungsgerichtes. Das wurde - mal abgesehen der ganzen Kindergeschichte - geflissentlich ignoriert.