Der Witz ist, dass Israelkritik per se genauso wenig antisemitisch ist wie die Aussage, der Gott des alten Testaments sei ein strafender Gott.
Der Witz ist, dass aber sowohl die sogenannte Israelkritik als auch die Überzeugung der Bibel häufig mit antisemitischen Stereotypen und Bilden daherkommt. Das perfide am Antisemitismus in den westlichen Kulturen ist, dass er soweit in die Kultur eingesickert ist, dass man ihn nicht mehr bemerkt.
Ich gebe dir zwar Recht, dass nicht jede Kritik an Israel antisemitisch ist, wie auch nicht jede Kritik an Deutschland oder Frankreich Anti-Deutsch oder Anti-Französisch ist. Dennoch ist die sogenannte Israelkritik meist etwas andersgeartet, da sie häufig auch implizit die Rechtmässigkeit eines jüdischen Staates in Frage stellt.
Wer hier voreilig die Antisemitismuskeule zückt, drängt die Leute förmlich zu Sarrazin & co, wenn nicht sogar noch weiter nach rechts. Denn ist der Ruf erst ruiniert....
Um es nochmal zu sagen: Ich habe ihm nicht unterstellt ein Antisemit zu sein, sondern eine traditionelle antisemitische Aussage zu tätigen und sich auf eine alte Tradition zu stützen die im Kern einen antisemitischen Impitus hat. Und es geht nicht nur um die Absicht des Absenders, ob es sich im Kern um eine antisemitisch-gefärbte Aussage handelt, sondern auch welcher Tradition er sich bedient. Die Intention des Absenders kann zwar entscheiden, ob er Antisemit ist, aber dies ist unabhängig von der Implikation des Denkmusters, welcher er sich bedient. Als Beispiel: Die Karikatur der Süddeutschen Zeitung zur Übernahme von Whatsapp durch Facebook. Ich glaube dem Zeichner durchaus, dass er kein expliziter Antisemit ist und es nicht seine Intention war eine Karikatur zu zeichnen, die der Stürmer auch gedruckt hätte. Aber es zeigt, dass unbewusst antisemitische Traditionen weiterleben und hier und da an die Oberfläche kommen und durchbrechen. Und meines Erachtens muss man diese benennen dürfen eben als das was sie sind und woher sie rühren.
Egal welche Verrenkung ein antisemtischer Christ auch versucht, er muss einen Teil der Inhalte seines Glaubens verleugnen, um seinen Antisemitismus bewerkstelligen zu können
Hier denkst du meines Erachtens zu einfach. Denn was nun die angesprochene Erfüllung des Gesetzes ist, ist nicht klar und immer auch Definitionssache. Zudem was nun zum Glauben gehört oder nicht, ist unterschiedlich. Einen völligen allumfassenden Glauben im Sinne, dass alles berücksichtigt wird, gibt es einfach nicht. Zudem hängt auch viel von der Hermeneutik des einzelnen Gläubigen ab. Oder um es anders zu wenden: Jeder Gläubige zieht sich das aus der Schrift und aus seiner Wirklichkeit das raus, was er rausziehen will.
Und ich habe Antisemitismus hier auch nicht als Totschlagkeule verwendet, sondern habe versucht damit auch eine neue Lesart zu öffnen. Denn auch die Sicht, dass der Gott des Ersten Testaments ein strafender Gott sei, dem der gnädige Gott des Zweiten Testaments entgegengesetzt wird, verleugnet auch Teile biblischer Tradition bzw. begräbt sie unter der protestantischen Hermeneutik von Gesetz und Evangelium.
Ich bin ja nicht bei dem Punkt der antisemitischen Tradition geblieben, sondern habe auch auf die Ambivalenzen in beiden Testamenten hingewiesen und dafür plädiert, die Ambivalenzen in beiden Testamenten wahrzunehmen.