Nach fünfzehn Minuten waren vier weitere Commandos getroffen. 2nd Lieutenant Cooper schoss einem Korenier in die Brust, schaltete auf Vollautomatik und gab eine Salve ins Gebüsch ab, aus dem der Feind gekommen war. Er wurde prompt mit einem weiteren Schmerzensschrei belohnt. Dann ließ sich der junge Zugführer in die Deckung eines Baumstamms sinken. „Corporal Deglan zu mir!“, rief er in sei Helmkom. Deglan war Coopers Komoffizier. Schüsse sausten über den bulligen Soldaten mit dem Komgerät auf dem Rücken hinweg, als der seinen Kopf etwas aus der Deckung streckte, um zu Cooper zu sprinten. Etwa zwei Meter vor Cooper ging Deglan zu Boden, als er an der Schulter getroffen wurde. Kriechend setzte er seinen Weg fort, bis er schnaufend vor seinem Offizier lag. „Alles klar mit ihnen?“, fragte Cooper.
„Nur ein Streifschuss. Wurde vom Schulterpanzer abgelenkt.“, antwortete Deglan knapp in seinem typischen scotischen Akzent.
„Holen sie mir Major Williamson ans Rohr. Wir müssen hier weg!“
Deglan fummelte an den Reglern der Komeinheit herum, lauschte einen Augenblick in seine Kopfhörer und reichte Cooper dann das Sprechgerät.
„Bravo HQ, hier Bravo drei. Bitten um Erlaubnis, uns zurückfallen zu lassen.“, versuchte Cooper den Kampflärm zu übertönen.
„Bravo drei, hier Bravo HQ. Erlaubnis erteilt. Erstes Battailon in Stellung, wir sind etwa hundertfünfzig Meter nördlich von ihnen. Wir können Schüsse von hieraus hören. Setzen sie sich in Bewegung, unsere Mörser nehmen ihre Position in zwei Minuten unter Beschuss, um ihren Rückzug zu decken.“, kam es knisternd zurück.
„Verstanden Bravo HQ. Wir ziehen uns zurück.“, sagte Cooper und gab Deglan das Sprechgerät zurück. Der befestigte es wieder an seinem Komgerät und sah Cooper fragend an.
„Was sehen sie mich so belämmert an, setzen sie ihren blöden Arsch in Bewegung.“, blaffte Cooper und grinste ihn an. Dann sprach er erneut in sein Helmkom.
„Zweiter Zug, wir ziehen uns umgehend zurück. Möserbeschuss durch eigene Truppen unmittelbar bevorstehend.“
Fluchend gab Lorin noch einen letzten Schuss ab und lief dann blind in das Gebüsch hinter ihm. „Bewegung dritter Trupp, oder wollen sie ein paar schwarze Kreuze verursachen?“, brüllte er ins Kom. Nacheinander rannte der Rest seines Trupps los und brach durch das Gestrüpp. Auf der anderen Seite hatten sie etwa hundert Meter mehr oder weniger freies Feld zu überqueren. Nach wenigen Schritten merkte Lorin, dass es kein freies Feld sondern viel mehr ein Gewirr aus Tümpeln war, das da vor ihnen lag. Andere Soldaten des zweiten Zuges stapften an ihm vorbei, er sah Lieutenant Cooper als letzten durch das Gebüsch brechen. Dann schlugen auch schon die ersten Mörsergranaten in die Stellung ein, die sie nur wenige Augenblicke zuvor verteidigt hatten. Lorin richtete seinen Blick wieder nach vorne. Hinter den Sümpfen erhob sich ein großer, recht Steil ansteigender Erdwall. In der Dämmerung meinte er, Gestalten auf dem Wall zu erkennen. Das musste der Eisenbahndamm sein, der die natürliche Verteidigungslinie bildete, an der sich die Commandos verschanzt hatten. Seine Vermutung wurde bestätigt. Hinter ihm ertönte ein Schuss, einige Korenier waren heil durch das Mörserfeuer gekommen und brachen nun durch das Dickicht. Weit kamen sie nicht. Lorin zuckte zusammen, als schwere Bolter und Maschinenkanonen auf dem Damm loslegten und Leuchtspurgeschosse über ihre Köpfe hinweg zuckten. Endlich hatte er es aus den Tümpeln herausgeschafft. Nun musste er nur noch den verdammten Damm hinauf. Verdammter Damm. Lorin musste unwillkürlich grinsen. Beinahe auf allen Vieren und ab dem Knie abwärts triefend vor Nässe und Schlamm kämpfte er sich die Erhebung hinauf. Hände packten ihn von hoben und halfen ihm, während links und rechts von ihm weitere Soldaten den Damm hoch krochen. Der Lärm, den die schweren Waffen der Feuerunterstützungskompanie des ersten Battailons verursachten, war ohrenbetäubend. Oben angekommen blieb der zweite Zug praktisch geschlossen erschöpft liegen. Sie hatten nur hundert Meter zurückgelegt, hundert Meter allerdings, die aus einem Gewirr von Tümpeln bestanden hatten. Da sie keine Zeit gehabt hatte, auf ihre Schritte zu achten, waren manche Soldaten bis zur Hüfte eingesunken und nur mit Mühe vorwärts gelangt. Lorin erhob sich in die Hock und blickte auf den Sumpf hinab. Dann drehte er sich um und stellte fest, dass die Sümpfe hinter dem Bahndamm so gut wie zu Ende waren. Etwas zweihundert Meter Sumpf, dann eine Wiese, flankiert von Waldstücken und in einiger Entfernung dahinter das Plateau, auf dem ihr Regiments HQ und ihre Artillerieunterstützung positioniert war. Der Bahndamm selbst schien wie geschaffen für eine nordwärts gerichtete Verteidigungslinie, denn Richtung Süden fiel er sehr viel sanfter ab, sodass der Hauptteil der Commandos es einfach haben würde, einen gegnerischen Angriff im Nahkampfzurückzuschlagen, wobei fraglich war, ob es der Feind überhaupt auch nur zehn Meter weit vordringen konnte. Der gesamte Damm war ausschließlich von den schweren Waffen des Regiments gedeckt, die normalen Infanteriekompanien, die zwei Drittel des Regiments ausmachten, warteten hinter dem Damm, um gegebenenfalls eine Angriff zurückschlagen zu können. Die hinterste Linie bildeten die Mörser, die indirekt schossen. Lorin kam in die Hocke und sah sich nach seinem Zugführer um. Sein Kom knisterte, und Lorin hörte, wie Cooper den Befehl zum Sammeln auf der anderen Seite des Dammes gab. Der junge Sergeant setzte sich in Bewegung und ging schließlich den sanft abfallenden Hang hinunter. Hier und da begrüßten ihn die Soldaten, die überall am Hang herumsaßen. Die Hauptlast des Kampfes trugen ab jetzt die Unterstützungskompanien. Lorin gesellte sich zu seinem Zug. Cooper sah ihn erschöpft an, klopfte seinem jüngsten Unteroffizier auf die Schulter und fiel dann ins Gras. Lorin ließ sich ebenfalls nieder und schlief sofort ein.
Als er aufwachte, war die Sonne aufgegangen und er wurde von Lieutenant Cooper gerüttelt, der ihn leicht verärgert, aber sichtlich belustigt ansah. „Der Feind hat sich verzogen, Sergeant, und wir erwarten Luftunterstützung, die die Vegetation vor uns abfackelt. Außerdem verschwinden wir von hier. Wir werden abgelöst, von einem scotischen Infanterieregiment, soweit ich weiß. Wie zur Bestätigung der Worte Coopers tönte laute Dudelsackmusik zu ihnen herüber. Mehrere Männer rollten entnervt mit den Augen. Die Commandos waren es gewohnt und darauf trainiert, zu jeder Zeit ruhig und wachsam zu sein. Die Infanteristen aus dem scotischen Hochland waren es nicht, und so fand eine fast schon pompöse Wachablösung statt, in deren Folge sich die drei Battailone der Commandos auf den Weg durch die Sümpfe zur Wiese dahinter machten. Anscheinend wurden sie ausgeflogen, denn es landeten bereits erste Valkyrie-Transporter auf der Wiese. Immerhin mussten sie jetzt nicht weitermarschieren.
Diesmal kam Lorin sehr viel besser voran. Es war hell und er konnte sich die zeit nehmen, auf seine Schritte zu achten. Zügig erreichte er mit seinem Trupp die Wiese und stieg dann über die Heckluke in einer der Valkyries. Immer noch erschöpft ließ er sich auf einen harten Metallsitz fallen und legte den Gurt an. Der Schütze, der den schweren Bolter an der linken Seitenluke bediente, nickte ihm freundlich zu. Der Rest von Lorins Trupp bestieg jetzt die Valkyrie, ließ sich nieder und schnallte sich ebenfalls an. Die Heckluke wurde geschlossen, und selbst durch den Lärm der anlaufenden Turbinen konnte Lorin deutlich hören, wie der Verschluss des schweren Bolters nach vorne schnappte. Ganz ungefährlich würde der Flug also nicht, obwohl die gepanzerten Gegenschläge wohl sehr erfolgreich verlaufen waren. Ein Grollen wie von einem Gewitter war plötzlich zu vernehmen, und aufgeregte Schreie ertönten. Corporal Vern öffnete die Heckluke noch einmal. Das Gebiet jenseits des Bahndammes stand lichterloh in Flammen. Jetzt ertönte Jubel. Der Corporal schloss die Luke wieder und Lorin lehnte sich entspannt zurück. Ein Ruck ging durch das Fluggerät, als es abhob und langsam beschleunigte.
Rawke döste in der Valkyrie vor sich hin und fragte sich, wie es wohl an anderer Stelle um die Verteidigung bestellt war. Angeblich hatte der Feind eine massive Luftlandeoperation gegen Londia gestartet, und in den Ebenen südlich der Stadt war es zu einer ordentlichen Panzerschlacht gekommen. Wie auch immer, die Commandos würde jetzt erstmal auf das Trägerschiff Royal Dutie ausgeflogen. Endlich gab es eine Pause und die Gelegenheit, wirklich zu schlafen.
Während Rawke sich auf ein Bett freute, summte auf einmal sein Kom. „Hier Rawke.“, meldete er sich knapp.
„Ah, Colonel. Sie scheinen wohlauf zu sein. Wir brechen auf.“, tönte eine wohlbekannte Stimme aus dem Kom. Thoren.
„Nova Britia wir nicht fallen, deshalb wenden wir uns nun wichtigeren Aufgaben zu. Ich hoffe, sie sind bereit für eine längere Reise.“, fuhr Inquisitor Thoren fort.
„Sie werden das galaktische Zentrum besuchen, soviel sei gesagt. Ich habe eine sehr heiße Spur. Nun, eigentlich ist es mehr die Chance, eine Falle für unseren Freund Tel’zaar zu stellen, aber darüber reden wir später.“
Rawke wollte etwas erwidern, doch es rauschte bereits wieder im Kom und Thoren hatte die Leitung anscheinend abgebrochen. Großartig. Und dabei hatte ich mich so auf die Heimat gefreut…