So, hier der nächste Teil. Unser lieber Eiken nähert sich langsam seiner Feuertaufe...
@Battle: Cool, ich hätte nie gedacht, dass ich mal jemanden zu einer Armee inspirieren würde 😉
Nachdem er keine Antwort bekam, fuhr er nach einer kurzen Kunstpause fort: „Jetzt fragt ihr euch bestimmt, warum ich euch nicht anbrülle, schlage, trete oder gleich erschießen will, weil ihr hier herumhängt und nicht strammsteht.“
Die Rekruten nahmen sofort Haltung an. Der Soldat begann die Gruppe langsam zu umrunden.
„Nun, die Antwort auf diese berechtigte Frage ist einfach. Die weise Führung des mächtigen Militärs unserer herrlichen Heimatwelt Gotfried hat entschieden, dass frisch rekrutierte Soldaten am effektivsten in Gruppen zu zwanzig eingesetzt werden. Diese Gruppe soll von einem erfahrenen Sergeant geleitet werden. Also, ihr seid die Rekruten, ich bin der Sergeant.“
Inzwischen hatte er seine Umrundung beendet und kam wieder vor den Männern zum Stehen.
„Mein Name ist Emmich. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass ein Gotfrieder Landsknecht, wie ihr es nun auch seid, lange genug leben kann, um befördert zu werden. Ich diene schon seit zehn Jahren und bis jetzt hat es nichts und niemand geschafft, mich umzulegen. Während dieser Zeit wurde mein Regiment zwei mal aufgerieben. Viele Soldaten, Offiziere, Kommissare und Kleriker sind in dieser Zeit gegangen, aber ich bin noch hier. Und das bringt uns zum Kern der Sache. Ihr werdet mir folgen, wohin ich auch gehe. Ihr werdet tun, was auch immer ich tue. Ihr werdet lernen und euch einprägen, was ich euch sage. Wenn ihr diese simplen Regeln beherzigt, schafft ihr es vielleicht durch den einen oder anderen Einsatz. Denkt immer daran: Ich bin der einzige Freund, den ihr in diesem Höllenloch hier habt.“
Die Rekruten starrten Emmich an. Niemand rührte sich, kein Laut war zu vernehmen.
„Kommt schon, schaut mich nicht so erschreckt an. Richtet euer Auge lieber auf das hier.“ Er griff nach hinten und zog ein kurzläufiges, vollmetallisches Gewehr von seiner Schulter. Dann hielt er es den Männern vor die Nase, sodass sie es gut sehen konnten.
„Ich habe ein wenig übertrieben. Ich bin nicht euer einziger Freund. Das hier ist ein Serie III Standard-Lasergewehr mit verkürztem Lauf und ohne Schulterstütze. Wir nennen es „Grabenfeger“, warum, das werdet ihr noch früh genug herausfinden. Dieses Gewehr kann euch besser beschützen als ich, und gewiss besser als jeder Offizier. Es ist auf die Entfernung nicht besonders treffsicher, dafür ist es handlich und ihr könnt es sogar einhändig abfeuern. Es ist nahezu unverwüstlich. Ihr könnt es vergraben, versenken, einen Feind damit erschlagen und noch ein Dutzend andere Dinge tun, die ihr euch jetzt nicht einmal vorzustellen wagt, und es wird immer noch funktionieren. Das ist auch gut so, denn sich ein neues bei eurem Offizier zu kaufen ist ziemlich teuer. Geht mit der Munition sparsam um, die ist auch nicht ganz billig. Allerdings könnt ihr eine solche Energiezelle auch aufladen, indem er sie einfach ins Feuer werft. Praktisch, wenn ihr mal knapp bei Kasse seid. Gut, das war jetzt ein bischen viel auf einmal, aber man kann nicht früh genug anfangen zu lernen. Man kann ja nicht wissen, wie viel Zeit man noch hat, nicht wahr?“
„Emmich!“, schrie plötzlich jemand außerhalb des Blickfeldes der Rekruten und unterbrach damit den Vortrag des Sergeants. Ein Offizier, dessen grüne Uniform mit roten Insignien versehen war, stapfte auf die Gruppe zu. Sein gut geschnittenes, glatt rasiertes Gesicht brachte Ungeduld und Ärger zum Ausdruck. Emmich wandte sich ihm zu und salutierte zackig.
„Oberleutnant!“
„Was glauben Sie, was das hier ist?“
„Ich weise die Rekruten ein, Oberleutnant!“
„Sehr richtig. Sie weisen sie ein und statten sie aus. Sie sind nicht dazu da, diesem Pack die Welt zu erklären! Die werden noch früh genug lernen, worauf es ankommt. Also nehmen Sie sich diese Männer und machen Sie sie abmarschbereit, verstanden?“
„Jawohl, Oberleutnant!“
„Sofort, sonst mache ich Ihnen Beine, das würde Ihnen nicht gefallen!“
„Zu Befehl, Oberleutnant!“
Der Offizier machte auf dem Absatz kehrt und rauschte davon. Emmich wandte sich wieder den Rekruten zu.
„Also, ihr habt den Oberleutnant gehört. Jetzt kommt mit, damit ihr euch euer Gewehr und das Bajonett abholen könnt.“ Der Sergeant stutze kurz, so als müsste er überlegen. „Achja, noch eine gute Nachricht. Ihr gehört zu den letzten, die noch gefehlt haben. Morgen früh wird eingeschifft.“
Damit drehte er sich um und marschierte zielstrebig auf den Burgfried zu, die baffen Rekruten im Schlepptau.
Am nächsten Morgen ging es schon vor Morgengrauen los. Die Rekruten waren sämtlich übermüdet, nachdem Emmich ihnen den restlichen Vortag seine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Zunächst hatten sie ihre Gewehre und das dazugehörige Bajonett abgeholt. Außerdem hatte der Sergeant ihnen eröffnet, dass sie nun der Roten Kompanie ihres Regiments zugeteilt worden waren, weshalb die Ärmelaufschläge ihrer Mäntel mit roten Bändern versehen wurden. Zudem durfte sich jeder von ihnen aus einer großen Kiste einige Insignien nehmen, um ihre Zugehörigkeit weiter zu verdeutlichen. Eiken hatte sich für ein verbeultes, rot lackiertes Stück Blech in der Form eines dreieckigen Schildes entschieden, auf das eine schwarze drei gemalt war. Er befestigte es an seinem Gürtel, direkt neben der Scheide seines Bajonetts.
Dann hatte Emmich sie auf eine Schießbahn mitgenommen, damit sie sich ein wenig mit ihren neuen Waffen vertraut machen konnten. Auf den Hinweis eines der Männer, dass sie damit teure Munition verschossen, erwiderte er grinsend, dass es sie nicht sofort umbringen werde, einmal einen leeren Bauch zu haben. Sich mit den Gewehren nicht auszukennen, dagegen schon. Nach der Hälfte des Einschießens war Eiken fest davon überzeugt, dass sein Truppführer recht hatte. Das Lasergewehr war um einiges schwerer als die Holzattrappen, mit denen sie in der Ausbildung zu tun gehabt hatten. Es hatte zwar so gut wie keinen Rückstoß, war aber schwer zu kontrollieren, da man es wegen der fehlenden Schulterstütze nicht richtig anlegen konnte. Die meisten seiner Schüsse verfehlten das Ziel, dennoch schnitt er um einiges besser ab als die meisten seiner Kameraden. Woher sollten sie auch schießen können? Leibeigenen waren Schusswaffen allgemein verboten, außer sie nahmen an einer Jagd teil, was so gut wie nie vorkam. Der Sergeant versuchte sie aufzumuntern und meinte, ein richtiger Gegner sei leichter zu treffen als die kleine Zielscheibe auf der Schießbahn. In einem ungewohnten Anfall von Redseligkeit bemerkte Flick verdrießlich, dass die Scheiben wenigstens nicht zurückschossen.
Im Anschluss an die Schießübungen erklärte Emmich seinen Rekruten noch ein paar Grundlagen für den Nahkampf.
„Hört zu, Jungs.“, hatte er beschwörend gesagt. „Die meisten Scheusale, gegen die man euch kämpfen lassen wird, werdet ihr nicht aus der Nähe sehen wollen. Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden, und dann werdet ihr wissen müssen, wie man überlebt. Vergesst den Mist, den sie euch bis jetzt beigebracht haben.“
Gut, hatte sich Eiken gesagt, das war ohnehin nicht viel.
„Euer Gewehr mit dem Bajonett sieht vielleicht gefährlich aus, aber ich würde es nicht benutzen wollen, wenn es richtig heiß hergeht.“ Der Sergeant fasste nach hinten und zog eine klobige Holzkeule aus seinem Gürtel, deren dicker Kopf grob mit Metallbändern beschlagen war. „So etwas ist da wesentlich besser. Ein Bajonett kann in einem Gegner stecken bleiben. Dann müsst ihr es erst wieder herausziehen. In der Zeit, die ihr dafür braucht, könnt ihr euch nicht wehren. Das kann euch mit einer anständigen Keule nicht passieren. Also besorgt euch so schnell wie möglich so ein Ding. Schnappt euch einfach jede Waffe, die ihr kriegen könnt. Kann man nie genug von haben. Bis ihr so eine formschöne Keule wie ich habt, könnt ihr auch euren Spaten benutzen. Und jetzt passt gut auf, dann zeige ich euch wie.“
Eiken konnte sich nicht vorstellen, unter welchen Umständen er derart brutal sein könnte, einen anderen Menschen – oder ein anderes Wesen, je nachdem – mit einem Spaten zu erschlagen. Aber gleichzeitig war ihm nur allzu bewusst, dass er das früher herausfinden würde, als ihm lieb sein konnte.
Nach dem Training mit den Spaten und dem aufgepflanzten Bajonett hatte der Truppführer sie sich noch zwei Stunden lang hinwerfen und aufspringen lassen. Er hatte gesagt, darin Übung zu haben, könne sie sicherer am Leben erhalten als ein ganzer Waffenschrank.
Jetzt befanden sie sich in Lastwagen auf dem Weg zum Flugfeld von Vellhingen, um sich einschiffen zu lassen, was auch immer das bedeutete. Eiken hatte noch nie zuvor eine Flugmaschine gesehen, geschweige denn benutzt. Eine gewisse Aufregung und Neugier konnte er daher nicht verleugnen. Den anderen schien es ähnlich zu ergehen und sie versuchten sich mit lockerem Geschwätz davon abzulenken. Nur Sergeant Emmich wirkte völlig entspannt. Der junge Rickers überlegte kurz, dann nahm er sich ein Herz und fragte: „Sergeant, wissen Sie, wohin man uns bringt?“
Der grauhaarige Soldat zog die Braue über seinem gesunden Auge in die Höhe, eine für ihn typische Geste, wenn einer der Männer eine dumme Frage stellte. In diese Kategorie fielen für ihn anscheinend die meisten Fragen.
„Nein, mein Junge, ich habe keine Ahnung. In der Regel erfährt man das erst, wenn man dort ist Und dann meistens auch nur aus Zufall. Spielt aber keine Rolle. Es wird ein Ort sein, von dem ihr noch nie gehört und dessen Namen ihr nach fünf Minuten wieder vergessen habt.“ Er richtete sich auf der schwankenden Ladefläche auf und rief: „Los, los, ihr müden Krücken! Haltet eure Sachen bereit, wir sind gleich da. Dann macht ihr euch auf, die unendlichen Weiten der Galaxis zu erkunden, ihr Glücklichen!“