Ich hoffe, keinen Spam-Bann zu bekommen, wenn ich (wie üblich) ein bisschen Theorie einbaue. Mir persönlich hilft das, Stil-Entscheidungen zu treffen, insbesondere bei der stets heiklen Balance zwischen Fantasy und realweltlich-historischen Vorbildern. Ich schreibe da immer viele Stichpunkte auf, eigentlich nur für mich, aber am Ende fand ich es doch sinnvoll, es hier zu posten und der Möglichkeit von Kritik, Ergänzungen und Diskussionen auszusetzen.
Meine Grundfrage bei diesem Projekt war: Wenn ich eine historische Anlage der Maya kopiere, ist das überhaupt mit dem Hintergrund der Echsenmenschen zu vereinbaren – oder zu wenig Fantasy?
Dazu ein paar Stichpunkte, die ich mir nach der Lektüre zur Kultur der Maya gemacht habe.
Die Bauwerke der mesoamerikanischen Hochkulturen ähnelten sich alle, sodass man die Maya gut als klassischen „Durchschnitt“ nehmen kann. Bestimmte Elemente wurden von den frühesten (Olmeken) bis zu den spätesten (Azteken) weitergereicht und eigentlich immer nur weiter variiert und verfeinert. Folgende typische Dinge konnte ich herausfinden und versuche sie zu berücksichtigen:
Ausschließlich eckige Strukturen. Die alten Kulturen Mesoamerikas kannten keine Rundbögen, Gewölbe, Kuppeln oder ähnliche Elemente; stattdessen wurde ausschließlich mit rechteckigen Blöcken und allenfalls mit angeschrägten Kanten gebaut. Dächer z.B. sind im Grunde bloß aufgesetzte Quader; es gibt keine First- oder Satteldächer. Daraus resultiert ein sehr „kubistischer“ Stil, als würde man sozusagen mit Bauklötzen bauen.
Keine Fenster: So etwas kannte man nicht, weder in den Behausungen des einfachen Volkes noch in den Steinbauten. Einzige Lichtquelle waren die türlosen Eingangsöffnungen. Deshalb findet man auch oft viele Eingänge nebeneinander – unnötig zum Hineinkommen, aber sinnvoll als Fenster-Ersatz. Die Innenräume waren dementsprechend schummerig und eher notdürftig mit Öllampen oder Feuerstellen erleuchtet.
Fast alle Bauten sind Sakralbauten. Es gibt nur ganz wenige Gebäude, die als Paläste von Herrschern (Palenque) oder als Wohnanlagen (Tiahuanaco) gedeutet werden. Der Aufwand, riesige Steinkonstruktionen zu erschaffen, blieb offenbar ausschließlich den Göttern – und Gottkönigen – vorbehalten. Auch finden sich so gut wie nie Spuren von Mobiliar, denn die weitaus meisten Räume waren eben heilige Räume, nichts zum Verweilen oder gar zum Wohnen. Die Tempel durften sogar überhaupt nur von Priestern betreten werden.
Pyramidenprinzip. Der Stufen- oder Pyramidentempel kommt an vielen Orten auf der Welt vor und hat scheinbar auch überall die gleichen zwei Motivationen: Zum Einen steht ein pyramidenförmig gestuftes Bauwerk besonders fest und (Erdbeben-)sicher; zum Zweiten symbolisiert der Aufstieg zu seiner Spitze die Annäherung an die Götter. In Mesoamerika versah man viele Bauwerke sogar mit „Scheintreppen“, die viel zu steil zum Ersteigen waren, aber die spirituelle Symbolfunktion behielten, nämlich zum Himmel zu weisen.
Schlangenmaul. Der „Schlangenmaul-Eingang“ gilt als ein bleibendes Merkmal mesoamerikanischer Sakralbaukunst seit den Maya. Der Tempeleingang wurde so gestaltet, dass die Ornamente ringsherum ein geöffnetes Schlangenmaul darstellen – wobei man sich gut in der Ornamentalsymbolik der Maya auskennen muss, um eine Schlange darin zu erkennen. (Ich musste es erst nachlesen und wäre nie darauf gekommen). Teilweise sind sogar auf dem Vorplatz steinerne Zähne in Reihen gesetzt, was dann dem waagerecht ausgestreckten Unterkiefer entspricht. Man musste also sozusagen in den Schlund der Schlange hineingehen, um den Tempel zu betreten. Zur Bedeutung der Schlange ist zu sagen, dass alle Kulturen Mittelamerikas eine heilige (oft gefiederte) Schlange als Gottheit kannten (Kukulkan, Quetzalcoatl und unter zig anderen Namen).
Symbolische Ornamente. Die Außenwände der Gebäude wurden gerne sehr reich mit Ornamenten bedeckt, die teils gemauert, meistens aber aus Stuck, also nassem Mörtel geformt wurden. Für heutige Betrachter sehen die meisten dieser Spiralen, Rauten und Voluten wie bloße Ornamente aus; in Wahrheit jedoch hatten sie glyphenartigen Charakter in einer Art mittleren Position zwischen Bild und Schrift. Eine bestimmte eingerollte Form z.B. bedeutete Haare oder Fell, aber auch wachsendes Gras; eine andere Form stand für Augen, wieder eine andere für Krallen. So ist das, was wie sinnfrei verspielter Schmuck aussieht, oft eine Art „Bilder-Text“, der Attribute von Tieren oder (tiergestaltigen) Göttern darstellt. Nichts ist bedeutungslos; alles hat einen Sinn.
Was hat all das nun mit den Echsenmenschen zu tun? Wie passt es zusammen?
Beim Hintergrund der Echsenmenschen hat Games Workshop bewusst mit dem „Prä-Astronautik“-Mythos gespielt, also der Vorstellung, dass frühe Hochkulturen von Außerirdischen gegründet oder zumindest inspiriert wurden. Derlei wurde bereits von der altägyptischen Kultur behauptet, und ebenso von derjenigen der Maya und Inka. Und was macht man im Fantasy-Genre mit Mythen? Man lässt sie einfach buchstäblich wahr sein.
Die Rolle der Außerirdischen spielen dabei die mysteriösen Alten, die ja offensichtlich aus dem Weltraum oder einer anderen Dimension kamen und Planeten-Ingenieure waren, die planmäßig „Terraforming“ betrieben und Lebensformen schufen oder veränderten. Die Kultur der Echsenmenschen wäre dann eine Art „Gedächtnispflege“, bei der Erinnerungen an die Alten und ihre Werke quasi durch den Filter des Echsen-Verstandes gingen. Die Architektur enthält wahrscheinlich Anklänge an Dinge, die die Alten selbst geschaffen hatten, z.B. ihre Stützpunkte und Unterkünfte, womöglich Raumschiffe oder andere Transportmittel (fliegende Sänften?), Artefakte und Waffen. Ein beliebtes Motiv in der Prä-Astronautik ist ja die Vorstellung, dass die Raumschiffe der Außerirdischen pyramidenförmig aussahen, und dass die Pyramidenbauten das dann nachahmten. Ich glaube, ungefähr so kann man es sich auch bei den Echsenmenschen vorstellen.
Unklar ist, ob die Städte der Echsenmenschen unter direkter Aufsicht der Alten gebaut wurden, also deren Vorstellungen und Pläne exakt wiedergeben. Anfangs mag es so gewesen sein; viele spätere Bauten könnten aber auch bloße Nachahmungen und Variationen bestimmter Stilelemente sein, die in den Köpfen der Slann – und der Skinks als ausführender Architekten – entstanden sind. Dann würde es sich mit dem Baustil etwa so verhalten wie mit den weltpolitischen Plänen der Alten: Die Echsenmenschen haben sie nur so halb und halb begriffen und versuchen einfach, „im Sinne“ ihrer einstigen Meister zu handeln bzw. zu bauen. Deshalb können wir nicht genau wissen, welche Elemente in der Architektur von Lustria wirklich auf die Alten zurückgehen, und welche dem Echsen-Verstand entspringen, der sie zu verstehen und nachzubilden versucht. So wirken z.B. viele Glyphen der Echsenmenschen recht primitiv, und man kann nur raten, ob sie auf ein uraltes Schriftsystem der Alten zurückgehen, oder ob sich in ihnen eher die begrenzte Kunstfertigkeit von Echsenklauen mit Hammer und Meißel ausdrückt.
Ich habe mich letztlich entschieden, viel Maya-Architektur zu übernehmen und damit quasi den Pseudohistorischen Mythos umzusetzen – eher wenig Fantasy also. Nun muss ich begründen, warum das trotzdem zu den Echsenmenschen passen könnte:
Was das Überwiegen von Sakralbauten betrifft: Passt, denn die Echsen haben ja mit dem Dschungel ihren natürlichen Lebensraum um sich und brauchen eigentlich keine Gebäude. Wo sie also welche schaffen, geschieht es zur Verehrung ihrer Götter, die ja mit den verschwundenen Alten identisch sind, oder zur Verteidigung bzw. sicheren Aufbewahrung wertvoller Artefakte.
Die Schlangensymbolik: Passt ebenfalls. Sotek, der Schlangengott, ist eine der wichtigsten Göttergestalten bei den Echsenmenschen, und seine Symbolik darf man eigentlich überall erwarten.
Viele Ornamente: Passen auch, wenn man sie eben nicht als bloßen Schmuck, sondern als symbolische oder magische Bildsprache begreift.
Eckige Strukturen: Das könnte eine Art kubistisch-futuristischer Stil sein, in dem Erinnerungen an die überlegene Technologie der Alten weiterleben – oder es ist Ausdruck der schwerfälligen, grobschlächtigen Natur des Echsen-Verstandes, der eher das Bauen mit „Klötzen“ bevorzugt, als sich verschlungene und filigrane Strukturen auszudenken. Zur Erinnerung: Die Skinks mögen zwar die Planer und Denker sein, aber Steine auftürmen müssen die Kroxigore, und von denen kann man wahrscheinlich keine allzu komplexen Bauleistungen verlangen.
Pyramidenbau: Könnte man auch rechtfertigen, denn die Alten kamen ja (aus der Sicht der Echsen) „vom Himmel“, weshalb es Sinn macht, ihre Tempel hoch oben anzulegen, um ihnen symbolisch näher zu sein.
Fazit: Ich glaube, dass ich einigermaßen „im Recht“ bin, wenn ich die Echsenmenschen relativ streng in einem pseudohistorisch-mesoamerikanischen Stil darstelle. Es gibt trotzdem einige Fantasy Elemente, die nur für die Echsenmenschen typisch sind, und die ich gerne noch unterbringen würde:
Brutteiche
Eine gehörnte Säule oder Steele
Einen aufgehängten Signal-Gong
Eventuell so etwas wie Brustwehren, die andeuten, dass die Anlage gegen Feinde verteidigt werden musste
Fehlt sonst noch etwas Wichtiges…?