Ui, da hab ich hier ja was verpasst übers lange Wochenende. ^_^
Meine Meinung zum Thema Mindestlohn ist sehr gespalten. Ich kenne die VWL-Modelle dazu und sie entbehren nicht einer gewissen mathematischen Grundlogik, die sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen lässt. Ich stecke aber manchmal auch meinen Kopf durch die Tür und atme eine Brise von der Welt da draußen, die etwas komplexer ist, als drei sich schneidende Linien in einem stark idealisierten Diagramm.
Nach dem Abi habe ich seinerzeit zwei Jahre in einem Behindertenwohnheim gearbeitet und - ehrlich - es hätte mir wirklich Spaß gemacht, diesen Beruf auf Dauer auszuüben. Aber nicht zu diesen Arbeitsbedingungen und nicht für dieses Gehalt. Gut, ich bin danach meinen eigenen Weg auf der Angebotskurve des Arbeitsmarktes gegangen, aber ist sowas nicht schade? Es ist ja nicht so, dass die Welt keine Menschen in sozialen Berufen brauchen würde. Dieses hübsche Beispiel mit dem Friseur stimmt da einfach nicht, die Nachfrage nach den Leistungen ist durchaus da und wird weiter steigen, nur der Preis stimmt nicht. Das soziale System funktioniert trotzdem, weil es eben auch Menschen mit einem sozialen Gewissen gibt, das sich ausbeuten lässt aber sowas ist kein freier Markt, das ist einfach nur Scheiße.
Die Debatte um Mindestlöhne ist ideologisch aufgeblasen und wird das vermutlich auch immer sein. Das finde ich aber auch vollkommen ok, denn letzten Endes ist es eben wirklich eine Frage der Ideologie und nicht eine der Mathematik. Wer mit blankem Sozialdarwinismus an die Sache ran geht und fordert, Friseure mögen für 4 € die Stunde arbeiten wenn der Markt nicht mehr her gibt, darf sich auch nicht wundern, wenn er mit einer Glatze aus dem Friseurladen wieder raus kommt. Und wer fordert, wem das Mietniveau in München zu hoch ist, der möge wegziehen, der möge die Frage beantworten wer dann hier in der schönen bayrischen Landeshauptstadt eigentlich noch abends die Bürogebäude sauber macht oder im Supermarkt an der Kasse steht.
Das eigentliche Problem, welches dahinter steht ist doch, dass Arbeit an sich vielerseits gar nicht mehr wertgeschätzt wird. Die Leute sollen ihr klägliches Gehalt einstecken, die Klappe halten und gefälligst ihre Arbeit ordentlich machen. Aber Letzteres tun sie dann eben nicht mehr. Wenn man dann schon damit argumentiert, dass mittelständische Unternehmen einen Mindestlohn nicht mit tragen könnten muss man doch auch einmal anders herum die Frage stellen, ob so ein Betrieb überhaupt wirtschaftlich arbeitet. Ganz ehrlich, wenn die Schreinerei ums Eck nicht in der Lage ist jedem regulären Mitarbeiter (keinen Aushilfen und Lehrlingen) mindestens 8-10 € die Stunde zu zahlen, geht die früher oder später sowieso pleite. Sollte es sich um ein kurzfristiges Auftragstief handeln ließen sich immer noch Sonderregeln finden, die sind von der Prämisse eines Mindestlohns vollkommen unberührt. Aber wenn der Laden auf Dauer nicht tragbar ist, wird der mit oder ohne Mindestlohn zugrunde gehen. Wer weiß, vielleicht würde er sogar besser laufen wenn die Mitarbeiter besser bezahlt und besser motiviert wären? Das ist jetzt natürlich eine andere Form von Darwinismus und auf ihre Weise auch wieder zu radikal, aber ich möchte sie mal als Denkanstoß stehen lassen.
Fakt ist jedoch, dass ein Mitarbeiter, der sich konstant mit grundexistenziellen Fragen beschäftigen muss keine gute Arbeit machen wird. Das ist eine ganz simple und bestechende Logik, dennoch haben viele Arbeitgeber diese Grundgleichung nicht auf dem Schirm - und das ist in meinen Augen der eigentliche Fehler im System.