Nochmal zum Topic:
1. Dar Argument mit dem Umschulen oder sonstwas zieht einfach nicht... oder auch das andere beliebte Argument, "das weiß man vorher, dass man sich damit in die sichere Armut begibt!" lässt in mir blanken Hass aufsteigen.
Nehmen wir mal die beliebtesten Personengruppen: Frisöre, Servicekräfte der Gastronomie, Pflegedienstleistungssektor (welcher immer bedeutsamer wird, gerade beim überalternden Deutschland!!!) und Schutzkräfte für Schutz und Sicherheit, also die Türsteherfraktion und schwarze Sherrifs...
Alles Berufe, die wichtig sind und ihre Existenzberechtigung haben. Aber was bleibt übrig? Ich habe mal ein paar Durchschnittslöhne zusammengetragen, basierend auf den realen Gehältern NACH der Ausbildung und einer, auf dam Papier zumindest, 40 Stunden Woche: dabei komme ich auf einen Bruttowert von 7,83€ pro Stunde, macht einen grundsätzlichen Bruttowert von 1.252,80€ pro Monat.
Davon zieht man pauschal gut 20% für die ganzen Versicherungen, denen man als regulärer Arbeitnehmer unterworfen ist, also 250,56€. Bleiben noch gut 1.000,24€ übrig.
Noch die Lohnsteuer, Kirchensteuer und Soli runter: jeden Monat noch einmal 135,25€ weniger.
Damit bleiben noch 864,99€ pro Monat für Wohnen, Essen, Trinken, Kleidung, eventuell ein Auto, sonstige Fahrtkosten. Ich habe eine große Menge an Freunden un Bekannten in diesem Lohnbereich... die sind ALLE am knappsen. IMMER! Jeden Monat! Trotz festem Job und Ausbildung. Manche gehen einem Zweitjob nach, um wenigstens etwas Kohle zurück zu legen falls das Auto mal kaputt geht, oder um sich eventuell tatsächlich mal 5 Tage Urlaub zu leisten. Partyabende oder Kino ist da höchstens 3-4 Mal im Jahr drin. Diese Menschen arbeiten also hart, können aber gerade so alleine überleben...
864,99€ minus 320€ Warmmiete für eine mickrige kleine Wohnung oder eher ein Einzimmerappartement..., bleiben noch 544,99€... die notwendigen Telekommunikationskosten (Internet, Telefon, Satellit oder Kabelfernsehen noch einmal gut 80€, ein Rest von 464,99€...
464,99€ also übrig für einen Monat, klingt doch gar nicht so schlecht... Aber jetzt geht´s los! WAS wenn man dringend ein Auto braucht, um zu seiner Arbeit zu gelangen?!? Von der Anschaffung gar nicht zu reden, aber das sind wir bei Minimum 300 im Monat!
Wovon will man leben? Nur Dosenravioli? Man ernährt sich von 3€ am Tag, also nie ein Brötchen kaufen beim Bäcker, kein Kaffee to go... nochmal 100€ weg für billigste Nahrung pro Monat für eine Person.
Noch 64,99€ Euro übrig... und da ist kein Geld für Klamotten, Reparaturen, besondere Vorkommnisse und so weiter mit eingerechnet. Vielleicht 60€ im Monat private Vorsorge, die ja inzwischen immer mehr verlangt bzw. erwartet wird vom Staat?!?
Steigern wir das ganze noch, ich habe ein Paar, die sind beide in diesem Lohnsektor angesiedelt. Die meinen ganz knallhart, sie würden gerne ein Kind haben, sind aber der festen Überzeugung, sich das nicht leisten zu können. LEIDER!!! Sie wohnen immerhin schon günstig zusammen, brauchen aber leider beide jeweils ein Auto, um zu ihrer jeweiligen Arbeitsstätte zu kommmen. Die Verbrennen ihr ganzes Geld, um ihren Job überhaupt ausüben zu können!
2. Bei 8,50€ Bruttolohn kommen wir auf ein Jahresbrutto von 16.320€. Davon müssen wir wieder ca. 20% für die gesetzlichen Versicherungen abziehen (3.264€) und für Steuer, KiST und Soli noch einmal 1.991€ runter... bleiben für´s Jahr 11.065 duch zwölf = 922,08 pro Monat. Meine Bekannten hätte also 60€ mehr im Monat. *wohooo*
3. Von diesen Gehältern kann man nur akut leben, aber man keine Familienplanung betreiben, keine Urlaube und um Gottes Willen bloß keine unerwarteten Ausgaben... man lebt trotz festem Job in einer ständigen Angst, dass man irgendeine Rechnung nicht bezahlen kann.
4. Daraus ergeben sich mehrere Schlußfolgerungen für mich:
- Die in Deutschland gezahlten Gehälter ermöglichen trotz 40 Stunden Woche in einem ausgelernten Beruf oftmals nur ein dahinexistieren. Aber keine aktive Lebensplanung, von Familienplanung ganz zu schweigen...
- 8,50€ Mindestlohn sind eigentlich immer noch zu wenig, ab 10€ reden wir davon, dass sich Arbeit lohnt!
- Die "Mobilitätslüge": Arbeitnehmer sind zu unflexibel! Stimmt nicht... aber es reicht leider nicht mehr, sich innerhalb eines Bundeslandes zu orientieren, man muss das schon nationalweit machen, besser international.
- Die "Leistungslüge": Habe viele Hochqualifizierte im Bekanntenkreis, die stecken in der Praktikumsfalle oder kriegen trotz zweier universitärer Abschlüsse 1.100€ im Monat für eine 50-60 Stunden-Woche...
- Die Taktik, "Verluste zu sozialisieren, Gewinne zu privatisieren"... es wundert mich wirklich, dass nicht täglich irgendwelche Deutsche Bank Filialen mit Molotowcoktails bombardiert werden...
- Die Gier der Arbeitgeber...
- Die "Außenhandelslüge", wonach es Deutschland dank unserer Automobilindustrie und Chinas sowie Indiens Verlangen nach dicksten Autos echt gut geht, davon nur leider ÜBERHAUPT nichts bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen ankommt, sprich, der Binnenmarkt hat nichts davon. Außer natürlich, man ist Zulieferer der Automobilindustrie.
Etwas zu meiner Legitimation: Meine Erstausbildung/ Duale Ausbildung war zum Diplom-Finanzwirt (FH) bzw. Steuerinspektor. Danach erfolgte ein Wirtschaftswissenschaftsstudium, also BWL/VWL und so weiter... nebenbei noch ein Jura-Grundstudium absolviert und außerdem noch Psychologie, Philosophie und Ethik vertieft studiert sowie Evangelische Theologie mit Abschluß als Staatsexamen. Nun Berufsschullehrer, da auch noch SV-Lehrer.
Ich stecke total drin in dieser Problematik! Die Ausbeutung junger Menschen, die in den Arbeitsmarkt wollen, und WISSEN, dass sie ausgebeutet werden, ist dramatisch! Gleichzeitig ist auch ein Studium längst keine Garantie mehr für einen real bezahlten Job.
Das Problem ist der Glaube, dass es am besten ohne staatliche Eingriffe funktioniert. Und das Privatisierungen immer das Günstigere für den Endverbraucher bedeuten... LÜGEN! Nichts als LÜGEN!!! Muss ja auch so sein, denn das oberste Ziel jeder PRIVATEN Unternehmung ist das Erwirtschaften von Gewinn. Gewinn = Einnahmen - Ausgaben bzw. Erträge - Aufwand. Löhne und Gehälter sind Aufwand! Man kann da am einfachsten sparen, indem man sich billigste Arbeitskräfte holt.
Darum sollten die wichtigsten Funktionen in einem Staat auf gar keinen Fall privatisiert sein! Dazu gehört die Stromversorgung, Wasserversorgung, Müllabfuhr und Krankenversorgung, eigentlich inzwischen auch die Altenbetreuung. Denn staatliche Unternehmen sollten zwar keine Verluste einfahren, aber sie sind halt auch nicht dazu verdammt, möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. Aber ich schweife ab...
Darum, wenn meine Schülerinnen und Schüler klagen ob ihrer Ausbildung und ihrem späteren Gehalt, was ihnen eine gesicherte Armutszukunft ermöglicht, dann kann ich immer nur dazu raten, zuerst einmal Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Und sich immer dringend zu überlegen, ob man wirklich ein KFZ braucht.
Als letztes hilft nur der Wegzug in ein anderes Land, zum Beispiel Dänemark oder Norwegen. Aufgrund dessen bietet meine Schule in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer eine Zusatzqualifikation an, die interessierte Leute in´s Ausland bringt. Erstmal zum Schauen, aber bei Einigen wird da mehr draus.
Ein letztes Beispiel: Ein Kollegin ist gelernte Altenpflegerin, 41 Stunden Woche in Wechselschicht, BruttoLohn 1.200€. Konnte und wollte nicht mehr so arbeiten, hat ihren Mann und ihre Kinder genommen, ab nach Dänemark. Verdient dort für weniger Arbeitszeit ziemlich exakt das doppelte, 2.400€. Okay, die Lebenshaltungskosten sind in Dänemark auch ca. 16% höher, aber bei 100% mehr Gehalt ist das zu verkraften...
Es könnte noch stundenlang so weiter gehen, aber das sollte erstmal reichen.
Nur als allerletztes: die Vergütung einer ordentlichen Tätigkeit hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun. Soviel bin ich wert bzw. das, was ich tue. Da MUSS es in meinen Augen eine Untergrenze geben, denn durch seine Entlohnung erfährt der Mensch Wertschätzung für sein Handeln. Das, was momentan teilweise gezahlt wird, ist der Arbeit, und damit auch dem Menschen gegenüber, unwürdig. Da ist es Aufgabe des Staates, per Gesetz einen Mindestlohn festzusetzen, der garantiert, dass die Würde des Menschen auch, besser, gerade bei der Zahlung eines Mindestlohns gewahrt bleibt.
Gruß
General Grundmann