Kapitel 2
„Man sollte seine Ziele verfolgen, bis man sicher weiß, dass man sie zur Strecke gebracht hat.“
-Leutnant Jäger, 2.Zug, Späherkompanie, 1.Rheinland-
Die Atmosphäre im Büro des Obersts war locker und wenn Kraft ein wenig zurück dachte, konnte er nicht sagen, ob er mit Kommissar Nietfeld überhaupt schon so viele Worte gewechselt hatte. Man scherzte, tauschte sich über Erfahrungen auf dem Schlachtfeld aus und versuchte rauszufinden, wer der größte Schürzenjäger war. Natürlich gehörte es zum guten Ton, dass man maßlos übertrieb. Das ging etwa eine halbe Standardstunde so, bis Nietfeld auf sein Chronometer schaute: „Wie lange glauben sie braucht Oberst Rossmann wohl noch?“ De Vall zuckte mit den Schultern: „Vielleicht sitzt sein Shuttle fest, keine Ahnung wie lang der Alte noch braucht.“ Nietfeld stutzte: „Der Alte?“ Kraft gab dem langen Rheinländer einen Hieb mit dem Ellenbogen, doch der Schaden war schon angerichtet. „Das ist ein sehr merkwürdiger Spitzname für einen so jungen Oberst. Wenn ich schätzen müsste würde ich Rossmann höchstens auf siebenunddreißig Jahre schätzen.“ Kraft warf De Vall noch einen finsteren Blick zu und nahm dann den Gesprächsfaden auf: „Er ist sechsunddreißig und er hört diesen Spitznamen auch nicht sehr gern, aber sie wissen ja wie dass mit Spitznamen ist.“ Nietfeld nickte zustimmend: „Ja in der Tat. Mich würde aber wohl interessieren, wie es den zu diesem Spitznamen kam? Wenn ich mich nicht irre gibt es eine Handvoll Männer in diesem Regiment, die sogar noch deutlich älter sind als der Oberst.“
„Die Sache ist in diesem Fall etwas komplizierter. Rossmann war immer der Schützling vom Alten De La Rey und der hat von ihm auch etliche Angewohnheiten und Marotten übernommen. Aber dass er sich benimmt wie „der Alte“ ist nur der eine Grund. Sie wissen es wahrscheinlich nicht, aber Rossmann ist schon seit zwanzig Jahren im Dienste des ersten Rheinlands und damit auch der Dienstälteste.“ Das ließ den jungen Kommissar schmunzeln: „Ich glaube jetzt versuchen sie mir ein Grox aufzubinden Hauptmann. Selbst ich weiß, dass das erste Rheinland erst vor sieben Jahren gegründet wurde.“
Kraft schüttelte nur mit dem Kopf: „Es wurde vor sieben Jahren ‚neu’ gegründet Kommissar. Unsere Regimenter bekommen zwar stetigen Ausgleich für Verluste, aber nur solange es sich auch lohnt. Der Alte war vor acht Jahren als Leutnant unter Oberst von Richtberg beim Vorgängerregiment im Kolonialdienst. Es gab damals eine Großoffensive, um einen vom Chaos überrannten Mond namens Eisbach zurück zu erobern. Der Kolonialsektor war nie wirklich sicher. Rebellionen und Aufstände in den westlichen Gebieten, größere Orkpopulationen in den östlichen Systemen und ab und an auch Xeno Piraten, aber eine Chaosinvasion hatte es noch nicht gegeben. Wir fühlten uns damals als Rheinländer in unserer Ehre verletzt und es gab deswegen zum ersten mal seit Jahrhunderten eine Generalmobilmachung, obwohl der Mond an sich vollkommen unbedeutend war.
Insgesamt nahmen damals neben dem ersten noch über vierzig andere Rheinländische Regimenter teil.
Es sind nie wirklich viele Informationen über diese Operation nach Hause durchgesickert, aber obwohl wir den Mond schließlich eingenommen hatten, weiß jeder Rheinländer, dass die ganze Angelegenheit ein einziges Fiasko war. Es soll über siebzig Prozent Verluste gegeben haben, weil der Erzfeind den Mond für einen Truppenaufmarsch nutzte. Eine ganze militärische Generation, bereit für den Dienst in der Imperialen Armee, wurde damals in den weiten Städten und Tälern Eisbachs ausgelöscht.“ Obwohl Kraft zu dieser Zeit nur ein Kind war, wusste er noch genau wie hart die Zeit für ihn war. Auch in seiner Familie gab es einige Todesopfer, doch Nietfeld wollte mehr wissen: „Das ist zwar fürchterlich, doch verstehe ich nicht, was das mit dem Oberst zu tun hat.“ „Ist das denn nicht offensichtlich? Rossmann hatte Überlebt. Das erste war eines der Regimenter, die es am härtesten getroffen hatte.
Von Richtberg gab ihnen den Befehl, einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt bei einer kleinen Stadt ein zu nehmen und zu halten. Was damals jedoch keiner wusste, war dass dieser Knotenpunkt mitten im feindlichen Vormarschgebiet lag.
Das Oberkommando hatte nie mit starken Angriffen in diesem Bereich gerechnet und dort deshalb auch kaum Verstärkung gehabt, weil die Frontlinie nach der Landung sowieso Überdehnt war.
Die Position wurde fast überrannt, aber von Richtberg weigerte sich die Stellung auf zu geben. Vier Tage hielten sie Stand, obwohl der Erzfeind ihnen alles entgegen geschmissen hatte. Am fünften Tag gab der Feind den Angriff auf und umging die Stadt einfach. Es dauerte noch drei weitere Tage, bevor unsere Truppen die Offensive wieder so weit vorangetrieben hatten, dass das erste entsetzt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt, waren nur noch ungefähr einhundert Mann am Leben und Rossmann war als Leutnant der Ranghöchste Offizier. Die Überlebenden gingen später in der Neugründung auf, zumindest die, die noch einsatzfähig waren. Ich glaube außer Rossmann gibt es heut nur noch sieben oder acht von ihnen im ersten. Aber sprechen sie Rossmann bitte nicht darauf an, er redet nicht gerne darüber.“
„Worüber rede ich nicht gerne Hauptmann Kraft.“ Kraft drehte sich zur Tür um: „Wenn man vom Paladin spricht, steht er dort in voller Rüstung. Schönen guten Abend Herr Oberst!“
Oberst Rossmann stand in seiner vollen Ausgehuniform in der Tür und sah fürchterlich aus. Eine blasse Haut, blutunterlaufene Augen und schwere Tränensäcke verunstalteten das ansonsten gut gebaute Gesicht. Dazu kam dann noch das dunkelblonde Haar, welches dick und strähnig am Kopf lag und ein leicht säuerlicher Geruch, der vom Regimentskommandeur ausging. „Nun gaffen sie doch nicht so blöd meine Herren! Ich möchte sie mal sehen, wenn sie nach über neun Stunden aus einem kleinen, viel zu heißen und überfüllten Raum gelassen werden! Beim Imperator, wenn ich auch nur halb so beschissen aussehe, wie ich mich fühle, sollte ichs eigentlich verstehen, dass sie so gucken.“ Während die Rheinwächter vor der Tür warteten schlurfte der Alte zu seinem Schreibtisch, warf seinen Mantel in die Ecke und ließ sich in seinen Sessel fallen. Die Blicke der versammelten ruhten immer noch auf ihm, doch er ließ sich nicht irritieren: „Bevor hier heute noch irgend etwas passiert, brauche ich erst einmal einen Kaffe! Außerdem wäre es nett, wenn sie mir sofort eines meine Lohstäbchen geben würden Kraft, heute ist nicht der Tag für Zigarren… Man ich bin müder als nach dieser Scheiße in Goldtorstadt…“ Kaum hatte Rossmann seinen Satz beendet, sprang De Vall auch schon auf zur Offiziersmesse, um den Kaffe zu holen und Kraft gab Rossmann mit einem schuldigen Ausdruck die Lohs zurück.
Der Alte ließ währenddessen seinen Blick über seinen Schreibtisch streifen, welcher dann bei dem großen Aktenhaufen stehen blieb: „Haben sie eine Ahnung was dass ist das Kraft?“ Kraft, der Rossmann gerade Feuer anbot, schaute auch kurz auf den Stapel: „Dass ist der Bericht, den sie von Schenk haben wollten. De Vall hat ihn mitgebracht.“ Rossmann ließ ein zustimmendes Grunzen erklingen, schaute sich ein paar Seiten kurz an und ließ den ganzen Haufen dann sofort im Mülleimer verschwinden: „Was bringt es, wenn ich der Pfeife sage, dass sie gute zwei Tage Zeit hat, wenn der sich dann nur noch mehr beeilt? Fällt ihnen noch irgendein Papierkram ein, der den Kerl für mindestens drei Tage beschäftigen sollte?“ Kraft überlegte kurz: „Wie wäre es, wenn wir ihn damit beauftragen, Klasse 3 Nahrungsmittel für alle Ränge ab den Feldwebeln beim Munitorum zu beantragen?“ Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Rossmanns Gesicht aus: „Wir sollen ihn einen Antrag an das Munitorum anfertigen lassen? Mensch Kraft, ich wusste gar nicht, dass sie Sadist sind! Ist auf jeden Fall genehmigt, wenn ihn das nicht längere Zeit ablenkt, weiß ich auch nicht was wir noch tun können“, er hielt kurz inne, weil De Vall mit einer großen Kanne Kaffe zurück kam. Er schenkte allen Anwesenden einen Becher voll ein und setzte sich dann wieder. Kraft wollte gar nicht so genau wissen, wie De Vall es geschafft hatte, um die Uhrzeit noch so viel frischen Kaffe aufzutreiben.
Rossmann nahm einen tiefen Schluck und fuhr fort: „Ahhh sehr gutes Zeug De Vall! Also, eigentlich wollte ich mit ihnen noch eine kurze Einsatzbesprechung machen, um das Ergebnis dieser achtstündigen Qual zu präsentieren, dieser Plan hat sich aber allein schon durch die Uhrzeit erledigt. Fakt ist jedoch, dass wir innerhalb von zwei Wochen an unserem Einsatzziel sein werden und die Landung beginnen. Kraft, ich möchte, dass sie schon einmal Übungspläne für gemäßigtes Klima vorbereiten und ab Morgen Nachmittag durchführen. Die zwei Wochen, die uns noch bleiben, sollen so effektiv wie nur irgendwie möglich genutzt werden. Nähere Informationen bekommen sie dann morgen bei der offiziellen Lagebesprechung.
Womit wir bei ihrer Aufgabe wären De Vall. Bis morgen Mittag möchte ich, dass alle Kompaniekommandeure in einem großen Raum versammelt sind, wo man in Ruhe die Einsatzbesprechung abhalten kann. Ein wenig Verpflegung wäre auch nicht schlecht, aber da verlass ich mich auf sie.
Ich möchte mich auch noch entschuldigen, dass ich sie so lange wach gehalten habe. Das wäre dann alles meine Herren.“
Kraft und De Vall standen auf, salutierten zackig und verließen dann den Raum. Auch Nietfeld wollte sich auf den Weg machen, wurde aber von Rossmann abgehalten: „Sie bitte nicht Herr Kommissar, mit ihnen wollte ich etwas anderes Besprechen.“ Nietfeld drehte auf dem Absatz um: „Herr Oberst?“ „Es geht unter anderem um ihre Position im Regiment“, ob es nun am Kaffe, Selbstbeherrschung oder Schauspielkunst lag, Rossmann schien wieder hellwach „Ich hatte in den Letzten fünf Monaten nicht die Zeit, mit ihnen gebührlich zu reden. Dass lag leider auch größtenteils daran, dass ich gar nicht wusste was ich mit ihnen machen sollte“, Nietfeld setzte sich wieder und Rossmann fuhr unbeirrt fort: „Sie dürften wohl mittlerweile selbst bemerkt haben, dass das Einsatzfeld eines Kommissars bei uns eher beschränkt ist, daher würde ich sa…“, Nietfeld schnitt ihm dass Wort ab: „Geben sie mir einfach einen Zug an die Hand.“ Rossmann war regelrecht baff, wie selbstverständlich der junge Kommissar ihm ins Wort viel. Er musste demnächst daran denken, dass er es immer noch mit einem ausgebildeten Kommissar zu tun hatte, auch wenn dieser noch jung war. „Gut, sie machen mich neugierig Nietfeld. Angenommen ich gebe ihnen einen meiner Züge direkt „an die Hand“, was haben sie dann damit vor? Ich habe Kirov damals versprochen, dass ich sie als Kommissar aufnehme und nicht als Offizier.“ Nietfeld blickte Rossmann entschlossen in die Augen: „Ich bin der einzige Kommissar dieses Regimentes und brauche Unterstützung. Wenn sie mir dabei helfen, verspreche ich ihnen, werden ich und diese Einheit für sie wertvoll genug auf dem Schlachtfeld sein.“ Rossmann überlegte kurz, nickte dann aber zustimmend: „Gut, meinetwegen, aber nur unter der Bedingung das der Zug auf dem Felde im Zweifelsfall immer noch dem jeweiligen Kompaniekommandeur untersteht. Ich denke Leutnant Gruber von der zehnten sollte für die Rolle gut geeignet sein, seine Leute sind erfahren genug um sie bei ihrem Vorhaben zu Unterstützen.“ „Ich will Leutnant Brinkner und seinen Zug Herr Oberst!“, Rossmann legte die Stirn in Falten: „Sie sprechen für mich in Rätseln Nietfeld. Sie wollen für mich einen Anker in der Schlacht spielen und suchen sich dann gerade den Zug aus, der bei jeder Übung mit Abstand am schlechtesten abschneidet, weil er aus nicht genügend erfahrenen Kolonialnachschub besteht und von einem frisch ernannten Leutnant geführt wird, der ein steigendes Alkoholproblem hat? Und gucken sie bitte nicht so verdutzt. Natürlich weiß ich über Brinkners Probleme bescheid, immerhin ist das mein Regiment.“ „Heißt das, dass ich Brinkner nicht bekomme?“ Rossmann musste lachen.
„Scheiße nein! Natürlich bekommen sie ihn Junge! Beim Thron ich bin viel zu neugierig, auf das was sie vorhaben, um ihnen so einen Antrag zu verweigern. Brinkner ist ein guter Mann, sonst hätte Kraft ihm nicht diesen Posten gegeben. Er war immer ein vorbildlicher Truppführer gewesen und wenn ich sehe, dass er im Moment so einen Kurs fährt macht mich das krank. Leider befürchte ich, dass es die Situation nur noch schlimmer machen würde, wenn ich Brinkner ins Gewissen rede. Kümmern sie sich bitte gut um in Nietfeld.“ Nietfeld stand auf und salutierte, glücklich, dass alles so gut geklappt hatte: „ich danke ihnen Herr Oberst und ich werde sie nicht enttäuschen!“
Als der Kommissar sich dann jedoch zur Tür drehen wollte, hielt der Alte ihn noch einmal auf: „Eine Sache wäre da noch.“ Rossmann stand auf um ein großes altes Buch aus dem Regal zu nehmen, auf dessen Einband in großen Lettern zu lesen war „Die Geschichte des heiligen Fausturnus“. „Aus gegebenen Anlass würde ich gerne wissen, ob sie an Zufälle glauben Herr Kommissar.“
„Man sollte seine Ziele verfolgen, bis man sicher weiß, dass man sie zur Strecke gebracht hat.“
-Leutnant Jäger, 2.Zug, Späherkompanie, 1.Rheinland-
Die Atmosphäre im Büro des Obersts war locker und wenn Kraft ein wenig zurück dachte, konnte er nicht sagen, ob er mit Kommissar Nietfeld überhaupt schon so viele Worte gewechselt hatte. Man scherzte, tauschte sich über Erfahrungen auf dem Schlachtfeld aus und versuchte rauszufinden, wer der größte Schürzenjäger war. Natürlich gehörte es zum guten Ton, dass man maßlos übertrieb. Das ging etwa eine halbe Standardstunde so, bis Nietfeld auf sein Chronometer schaute: „Wie lange glauben sie braucht Oberst Rossmann wohl noch?“ De Vall zuckte mit den Schultern: „Vielleicht sitzt sein Shuttle fest, keine Ahnung wie lang der Alte noch braucht.“ Nietfeld stutzte: „Der Alte?“ Kraft gab dem langen Rheinländer einen Hieb mit dem Ellenbogen, doch der Schaden war schon angerichtet. „Das ist ein sehr merkwürdiger Spitzname für einen so jungen Oberst. Wenn ich schätzen müsste würde ich Rossmann höchstens auf siebenunddreißig Jahre schätzen.“ Kraft warf De Vall noch einen finsteren Blick zu und nahm dann den Gesprächsfaden auf: „Er ist sechsunddreißig und er hört diesen Spitznamen auch nicht sehr gern, aber sie wissen ja wie dass mit Spitznamen ist.“ Nietfeld nickte zustimmend: „Ja in der Tat. Mich würde aber wohl interessieren, wie es den zu diesem Spitznamen kam? Wenn ich mich nicht irre gibt es eine Handvoll Männer in diesem Regiment, die sogar noch deutlich älter sind als der Oberst.“
„Die Sache ist in diesem Fall etwas komplizierter. Rossmann war immer der Schützling vom Alten De La Rey und der hat von ihm auch etliche Angewohnheiten und Marotten übernommen. Aber dass er sich benimmt wie „der Alte“ ist nur der eine Grund. Sie wissen es wahrscheinlich nicht, aber Rossmann ist schon seit zwanzig Jahren im Dienste des ersten Rheinlands und damit auch der Dienstälteste.“ Das ließ den jungen Kommissar schmunzeln: „Ich glaube jetzt versuchen sie mir ein Grox aufzubinden Hauptmann. Selbst ich weiß, dass das erste Rheinland erst vor sieben Jahren gegründet wurde.“
Kraft schüttelte nur mit dem Kopf: „Es wurde vor sieben Jahren ‚neu’ gegründet Kommissar. Unsere Regimenter bekommen zwar stetigen Ausgleich für Verluste, aber nur solange es sich auch lohnt. Der Alte war vor acht Jahren als Leutnant unter Oberst von Richtberg beim Vorgängerregiment im Kolonialdienst. Es gab damals eine Großoffensive, um einen vom Chaos überrannten Mond namens Eisbach zurück zu erobern. Der Kolonialsektor war nie wirklich sicher. Rebellionen und Aufstände in den westlichen Gebieten, größere Orkpopulationen in den östlichen Systemen und ab und an auch Xeno Piraten, aber eine Chaosinvasion hatte es noch nicht gegeben. Wir fühlten uns damals als Rheinländer in unserer Ehre verletzt und es gab deswegen zum ersten mal seit Jahrhunderten eine Generalmobilmachung, obwohl der Mond an sich vollkommen unbedeutend war.
Insgesamt nahmen damals neben dem ersten noch über vierzig andere Rheinländische Regimenter teil.
Es sind nie wirklich viele Informationen über diese Operation nach Hause durchgesickert, aber obwohl wir den Mond schließlich eingenommen hatten, weiß jeder Rheinländer, dass die ganze Angelegenheit ein einziges Fiasko war. Es soll über siebzig Prozent Verluste gegeben haben, weil der Erzfeind den Mond für einen Truppenaufmarsch nutzte. Eine ganze militärische Generation, bereit für den Dienst in der Imperialen Armee, wurde damals in den weiten Städten und Tälern Eisbachs ausgelöscht.“ Obwohl Kraft zu dieser Zeit nur ein Kind war, wusste er noch genau wie hart die Zeit für ihn war. Auch in seiner Familie gab es einige Todesopfer, doch Nietfeld wollte mehr wissen: „Das ist zwar fürchterlich, doch verstehe ich nicht, was das mit dem Oberst zu tun hat.“ „Ist das denn nicht offensichtlich? Rossmann hatte Überlebt. Das erste war eines der Regimenter, die es am härtesten getroffen hatte.
Von Richtberg gab ihnen den Befehl, einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt bei einer kleinen Stadt ein zu nehmen und zu halten. Was damals jedoch keiner wusste, war dass dieser Knotenpunkt mitten im feindlichen Vormarschgebiet lag.
Das Oberkommando hatte nie mit starken Angriffen in diesem Bereich gerechnet und dort deshalb auch kaum Verstärkung gehabt, weil die Frontlinie nach der Landung sowieso Überdehnt war.
Die Position wurde fast überrannt, aber von Richtberg weigerte sich die Stellung auf zu geben. Vier Tage hielten sie Stand, obwohl der Erzfeind ihnen alles entgegen geschmissen hatte. Am fünften Tag gab der Feind den Angriff auf und umging die Stadt einfach. Es dauerte noch drei weitere Tage, bevor unsere Truppen die Offensive wieder so weit vorangetrieben hatten, dass das erste entsetzt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt, waren nur noch ungefähr einhundert Mann am Leben und Rossmann war als Leutnant der Ranghöchste Offizier. Die Überlebenden gingen später in der Neugründung auf, zumindest die, die noch einsatzfähig waren. Ich glaube außer Rossmann gibt es heut nur noch sieben oder acht von ihnen im ersten. Aber sprechen sie Rossmann bitte nicht darauf an, er redet nicht gerne darüber.“
„Worüber rede ich nicht gerne Hauptmann Kraft.“ Kraft drehte sich zur Tür um: „Wenn man vom Paladin spricht, steht er dort in voller Rüstung. Schönen guten Abend Herr Oberst!“
Oberst Rossmann stand in seiner vollen Ausgehuniform in der Tür und sah fürchterlich aus. Eine blasse Haut, blutunterlaufene Augen und schwere Tränensäcke verunstalteten das ansonsten gut gebaute Gesicht. Dazu kam dann noch das dunkelblonde Haar, welches dick und strähnig am Kopf lag und ein leicht säuerlicher Geruch, der vom Regimentskommandeur ausging. „Nun gaffen sie doch nicht so blöd meine Herren! Ich möchte sie mal sehen, wenn sie nach über neun Stunden aus einem kleinen, viel zu heißen und überfüllten Raum gelassen werden! Beim Imperator, wenn ich auch nur halb so beschissen aussehe, wie ich mich fühle, sollte ichs eigentlich verstehen, dass sie so gucken.“ Während die Rheinwächter vor der Tür warteten schlurfte der Alte zu seinem Schreibtisch, warf seinen Mantel in die Ecke und ließ sich in seinen Sessel fallen. Die Blicke der versammelten ruhten immer noch auf ihm, doch er ließ sich nicht irritieren: „Bevor hier heute noch irgend etwas passiert, brauche ich erst einmal einen Kaffe! Außerdem wäre es nett, wenn sie mir sofort eines meine Lohstäbchen geben würden Kraft, heute ist nicht der Tag für Zigarren… Man ich bin müder als nach dieser Scheiße in Goldtorstadt…“ Kaum hatte Rossmann seinen Satz beendet, sprang De Vall auch schon auf zur Offiziersmesse, um den Kaffe zu holen und Kraft gab Rossmann mit einem schuldigen Ausdruck die Lohs zurück.
Der Alte ließ währenddessen seinen Blick über seinen Schreibtisch streifen, welcher dann bei dem großen Aktenhaufen stehen blieb: „Haben sie eine Ahnung was dass ist das Kraft?“ Kraft, der Rossmann gerade Feuer anbot, schaute auch kurz auf den Stapel: „Dass ist der Bericht, den sie von Schenk haben wollten. De Vall hat ihn mitgebracht.“ Rossmann ließ ein zustimmendes Grunzen erklingen, schaute sich ein paar Seiten kurz an und ließ den ganzen Haufen dann sofort im Mülleimer verschwinden: „Was bringt es, wenn ich der Pfeife sage, dass sie gute zwei Tage Zeit hat, wenn der sich dann nur noch mehr beeilt? Fällt ihnen noch irgendein Papierkram ein, der den Kerl für mindestens drei Tage beschäftigen sollte?“ Kraft überlegte kurz: „Wie wäre es, wenn wir ihn damit beauftragen, Klasse 3 Nahrungsmittel für alle Ränge ab den Feldwebeln beim Munitorum zu beantragen?“ Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Rossmanns Gesicht aus: „Wir sollen ihn einen Antrag an das Munitorum anfertigen lassen? Mensch Kraft, ich wusste gar nicht, dass sie Sadist sind! Ist auf jeden Fall genehmigt, wenn ihn das nicht längere Zeit ablenkt, weiß ich auch nicht was wir noch tun können“, er hielt kurz inne, weil De Vall mit einer großen Kanne Kaffe zurück kam. Er schenkte allen Anwesenden einen Becher voll ein und setzte sich dann wieder. Kraft wollte gar nicht so genau wissen, wie De Vall es geschafft hatte, um die Uhrzeit noch so viel frischen Kaffe aufzutreiben.
Rossmann nahm einen tiefen Schluck und fuhr fort: „Ahhh sehr gutes Zeug De Vall! Also, eigentlich wollte ich mit ihnen noch eine kurze Einsatzbesprechung machen, um das Ergebnis dieser achtstündigen Qual zu präsentieren, dieser Plan hat sich aber allein schon durch die Uhrzeit erledigt. Fakt ist jedoch, dass wir innerhalb von zwei Wochen an unserem Einsatzziel sein werden und die Landung beginnen. Kraft, ich möchte, dass sie schon einmal Übungspläne für gemäßigtes Klima vorbereiten und ab Morgen Nachmittag durchführen. Die zwei Wochen, die uns noch bleiben, sollen so effektiv wie nur irgendwie möglich genutzt werden. Nähere Informationen bekommen sie dann morgen bei der offiziellen Lagebesprechung.
Womit wir bei ihrer Aufgabe wären De Vall. Bis morgen Mittag möchte ich, dass alle Kompaniekommandeure in einem großen Raum versammelt sind, wo man in Ruhe die Einsatzbesprechung abhalten kann. Ein wenig Verpflegung wäre auch nicht schlecht, aber da verlass ich mich auf sie.
Ich möchte mich auch noch entschuldigen, dass ich sie so lange wach gehalten habe. Das wäre dann alles meine Herren.“
Kraft und De Vall standen auf, salutierten zackig und verließen dann den Raum. Auch Nietfeld wollte sich auf den Weg machen, wurde aber von Rossmann abgehalten: „Sie bitte nicht Herr Kommissar, mit ihnen wollte ich etwas anderes Besprechen.“ Nietfeld drehte auf dem Absatz um: „Herr Oberst?“ „Es geht unter anderem um ihre Position im Regiment“, ob es nun am Kaffe, Selbstbeherrschung oder Schauspielkunst lag, Rossmann schien wieder hellwach „Ich hatte in den Letzten fünf Monaten nicht die Zeit, mit ihnen gebührlich zu reden. Dass lag leider auch größtenteils daran, dass ich gar nicht wusste was ich mit ihnen machen sollte“, Nietfeld setzte sich wieder und Rossmann fuhr unbeirrt fort: „Sie dürften wohl mittlerweile selbst bemerkt haben, dass das Einsatzfeld eines Kommissars bei uns eher beschränkt ist, daher würde ich sa…“, Nietfeld schnitt ihm dass Wort ab: „Geben sie mir einfach einen Zug an die Hand.“ Rossmann war regelrecht baff, wie selbstverständlich der junge Kommissar ihm ins Wort viel. Er musste demnächst daran denken, dass er es immer noch mit einem ausgebildeten Kommissar zu tun hatte, auch wenn dieser noch jung war. „Gut, sie machen mich neugierig Nietfeld. Angenommen ich gebe ihnen einen meiner Züge direkt „an die Hand“, was haben sie dann damit vor? Ich habe Kirov damals versprochen, dass ich sie als Kommissar aufnehme und nicht als Offizier.“ Nietfeld blickte Rossmann entschlossen in die Augen: „Ich bin der einzige Kommissar dieses Regimentes und brauche Unterstützung. Wenn sie mir dabei helfen, verspreche ich ihnen, werden ich und diese Einheit für sie wertvoll genug auf dem Schlachtfeld sein.“ Rossmann überlegte kurz, nickte dann aber zustimmend: „Gut, meinetwegen, aber nur unter der Bedingung das der Zug auf dem Felde im Zweifelsfall immer noch dem jeweiligen Kompaniekommandeur untersteht. Ich denke Leutnant Gruber von der zehnten sollte für die Rolle gut geeignet sein, seine Leute sind erfahren genug um sie bei ihrem Vorhaben zu Unterstützen.“ „Ich will Leutnant Brinkner und seinen Zug Herr Oberst!“, Rossmann legte die Stirn in Falten: „Sie sprechen für mich in Rätseln Nietfeld. Sie wollen für mich einen Anker in der Schlacht spielen und suchen sich dann gerade den Zug aus, der bei jeder Übung mit Abstand am schlechtesten abschneidet, weil er aus nicht genügend erfahrenen Kolonialnachschub besteht und von einem frisch ernannten Leutnant geführt wird, der ein steigendes Alkoholproblem hat? Und gucken sie bitte nicht so verdutzt. Natürlich weiß ich über Brinkners Probleme bescheid, immerhin ist das mein Regiment.“ „Heißt das, dass ich Brinkner nicht bekomme?“ Rossmann musste lachen.
„Scheiße nein! Natürlich bekommen sie ihn Junge! Beim Thron ich bin viel zu neugierig, auf das was sie vorhaben, um ihnen so einen Antrag zu verweigern. Brinkner ist ein guter Mann, sonst hätte Kraft ihm nicht diesen Posten gegeben. Er war immer ein vorbildlicher Truppführer gewesen und wenn ich sehe, dass er im Moment so einen Kurs fährt macht mich das krank. Leider befürchte ich, dass es die Situation nur noch schlimmer machen würde, wenn ich Brinkner ins Gewissen rede. Kümmern sie sich bitte gut um in Nietfeld.“ Nietfeld stand auf und salutierte, glücklich, dass alles so gut geklappt hatte: „ich danke ihnen Herr Oberst und ich werde sie nicht enttäuschen!“
Als der Kommissar sich dann jedoch zur Tür drehen wollte, hielt der Alte ihn noch einmal auf: „Eine Sache wäre da noch.“ Rossmann stand auf um ein großes altes Buch aus dem Regal zu nehmen, auf dessen Einband in großen Lettern zu lesen war „Die Geschichte des heiligen Fausturnus“. „Aus gegebenen Anlass würde ich gerne wissen, ob sie an Zufälle glauben Herr Kommissar.“