Es ist wieder Sonntag, zeit die Rheinländer übern platz zu scheuchen
Kapitel 4
„Hoffe auf das Beste, aber bereite dich auf das Schlimmste vor.“
-Auszug – Taktisches Handbuch der Imperialen Armee-
Im Zwielicht der Dämmerung setzte sich der kleine, aus Spähern, Offizieren und Kommissaren bestehende Stoßtrupp in Marsch. Zurück ließen sie einen zerbrechlichen Brückenkopf, welcher in den nächsten Stunden die Verantwortung für das ganze Bataillon tragen musste.
Trotz seiner isolierten Plattenrüstung und dem ABC Mantel merkte Rossmann doch immer wieder wie kalt und nass die Nächte in diesem verdammten Sumpfloch wurden. Schon jetzt, in der Dämmerung zupfte die Kälte in ihren ersten Ansätzen an ihm. Die wärme des Tages begann zu weichen und ihren Platz nahm der Nebel ein.
Sie kamen gut voran und nutzen die letzten Strahlen der Sonne nach Möglichkeit aus. Doch Rossmann spürte neben der Kälte auch die wachsende Spannung seiner Männer. Jeder rechnete damit, das hinter der nächsten Ecke eine blutrünstige Kultistenhorde auf sie wartete und das Lichtspiel des Zwielichts war alles andere als Hilfreich.
Nach einer Stunde gedeckten Vorrückens hatten sie den Halben Weg zum Rathaus zurückgelegt und waren auf keine weiteren Spuren des Kampfes oder des Erzfeindes gestoßen, was Hoffnung in Rossmann aufkeimen ließ. Vielleicht war es wirklich nur ein Ausfall der Kommunikation, der Hinterhalt an der Brücke nur eine Zusammenrottung von versprengten Überlebenden. Es wäre zu schön gewesen.
Sie waren im Viertel der Ekklesiarchie angekommen und Rossmann ließ abrupt anhalten. „Was ist los Herr Major? Warum halten wir?“, Kirovs Stimme war u ein Flüstern an Rossmanns rechter Schulter. „Etwas stimmt hier nicht“, auch Rossmanns Antwort war nur ein Hauchen. Beim Anblick der hohen, teils schwer zerschossenen Kirchtürmen heulten bei Rossmann mehr als ein Jahrzehnt militärischer Felderfahrung auf. Hinter einer zerstörten Mauer geduckt ließ er seinen Blick über die hohen Türme schweifen. Er kannte diese Situation. Er hatte schon zu viele Makropolen gestürmt um sie nicht zu kennen. Irgendwo musste...
Es war ein kurzer, fast nicht sichtbarer Blitz aus einem der nächsten Türme. Kein Donner folgte. Rossmann wurde von einer plötzlichen Kraft zur Seite gerissen und auf dem Boden geworfen.
Das rettete ihm das Leben.
Kirovs Junior hatte Rossmann aus der Schussbahn gerissen, nur einen Augenblick, bevor die Kugel wie eine Hornisse durch den Bereich zischte, an dem sich vorher noch der Kopf des Majors befunden hatte.
Kraft rief sofort „Deckung“ und Jägers Leute nahmen das Loch in der Mitte des Turms unter Feuer, aus dem der Attentäter geschossen hatte, während Jäger selbst sich dem Turm in Schatten gehüllt näherte.
Rossmann war noch wie benommen, als der Junior von ihm runter stieg und ihm die Hand zu aufstehen reichte. Rossmann nahm sie an. Der stille Schatten von Kirov hatte ihm soeben das Leben gerettet. Wie hieß er noch? Rossmann versuchte sich zu erinnern. Northfield? Nein, Nietfeld das wars. Der schweigsame Junior war ihm bisher noch gar nicht aufgefallen, es war ds erste Mal, dass er ihn genauer betrachtete. Rossmann schätzte ihn auf ungefähr 20 Jahre. Ein brauner Haarschopf, der sich verstohlen unter seiner Mütze zeigte, rundete ein schmales, sehniges Gesicht ab, dem man durchaus Sympathie entgegenbringen könnte, wenn da nicht die Uniform wäre.
„Ich danke ihnen, Herr Junior. Sie haben einen gut bei mir.“
Nietfeld schaute etwas verlegen drein und nickte höflich. Das amüsierte Rossmann etwas, aber er machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Es war einfach der falsche Zeitpunkt, über so etwas nachzudenken, wenn der Feind einen im Visier hatte.
Nachdem Jägers Jungs das Deckungsfeuer eingestellt hatten und Jäger im Schatten verschwunden war, lag pure Anspannung auf dem kleinen Stoßtrupp, der sich so gut es ging hinter Mauern kauerte. Zehn Minuten verharrten sie in dieser Position und gaben keinen Laut von sich.
Es war ein leises Knirschen vor ihrer Position, dass sie alle hoch schrecken ließ. Die Waffen im Anschlag zielten alle schussbereit in die Dunkelheit, bis ein Komklick die Entwarnung gab. Jäger hatte es geschafft. Zäh wie Klebstoff löste sich die Gestalt aus den Schatten. Jäger schlenderte lässig zu ihnen rüber und hielt dabei den Kopf des Scharfschützen am Haarschopf in seiner Hand. Er Pfiff leise für sich eine alte Siegeshymne.
Die Dunkelheit hatte sie umhüllt und zu Schatten gemacht und der Nebel verschluckte ihre Geräusche.
Der Angriff des Heckenschützen hatte die kleine Gruppe unter Major Rossmann wachgerüttelt. Vorsicht war von nun an geboten, weshalb man sich dazu entschieden hatte, erst bei Nacht weiter zu marschieren. Obwohl die Spezialität des ersten definitiv nicht in der Heimlichtuerei lag und eigentlich nicht einmal die Ausrüstung auf Stille ausgelegt war, machte sich das Einsatzkommando recht gut, vor allem unter den Witterungs- und Lichtumständen.
Kraft prüfte noch einmal seinen Auspex. Sie standen mittlerweile nur noch knapp fünfhundert Meter vor dem Domplatz, einer großen Freien Fläche, vor der Hauptkirche der Stadt.
Kraft erinnerte sich noch dunkel an den St. Celestine Dom. Ein gewaltiger Bau, über dreihundert Meter hoch. Zwar überwältigte Kraft so etwas nicht, immerhin war er in der Mittelschicht einer gewaltigen Makropole aufgewachsen und kannte noch weit gewaltigere Bauwerke, doch nichts desto trotz war diese Kirche Eindrucksvoll. Auch hier musste Kraft sich wieder schmerzhaft an das war erinnern. Das Imperiale Bombardement und die Luftangriffe hatten peinlichst, geradezu minutiös darauf geachtet, dass keine Imperiale Granate eine der ältesten Imperialen Kirchen dieses Planetens beschädigen würde, nur um heraus zu findet, dass der Erzfeind sie bei seinem Rückzug mitsamt des Munitionsdepot, welches er sicher und trocken in der Kirche untergebracht hat, gesprengt hatte. Von da an war das Gebäude nur noch eine schwelende Ruine.
Der Auspex zeigte nichts an und Kraft wusste nicht, ob er nun beruhigt oder verunsichert sein sollte. Seit dem letzten Zwischenfall waren sie auf kein weiteres Lebenszeichen, weder Freund noch Feind gestoßen und in wenigen Minuten würden sie gezwungener Maßen einen der gröten offenen Plätze der Gesamten Stadt überqueren müssen, wenn sie zum Rathaus wollten.
„Irgendwelche Ausschläge Kraft?“, die Stimme des Majors ließ auch ein wenig Nervosität erkennen wenn Kraft sich nicht verhört hatte. „Nein Sir, nicht ein einziges“ „Verdammt, dass gefällt mir nicht. Egal ob die Imperialen Einheiten überrannt worden sind oder nicht, wir hätten doch Mittlerweile auf irgendwelche weiteren Lebenszeichen stoßen müssen.“
„Wieso verunsichert sie dieser Platz so Herr Major? Was erwarten sie dort zu finden und vor allem, warum umgehen wir ihn nicht?“, Kirovs Stimme hatte einmal mehr einen Ton, in dem sämtliche Zeichen von Bewertung fehlten, es war einfach nur eine offene Frage, was Kraft an diesem Mann auch schätzte. „Das ist leider nicht so einfach, wie es aussieht Herr Lordkommissar. Zum einen, müssen wir über diesen Platz, weil von dort aus der einzige Weg zum Rathaus führt, von dem ich weiß. Und das, was mich beunruhigt, ist die Tatsache, dass ich nicht weiß, was ich da finden werde. Als ich diesen Platz zum letzten Mal besucht habe, war dort ein großes Lager der Remourburger. Wenn alles gut läuft, werden wir schon dort wissen, was los ist. Wenn es schlecht läuft, stehen wir dort auf offenem Felde dem Tod gegenüber.“
„Dann würde ich vorschlagen, dass wir keine Zeit mehr mit tratschen verlieren und uns endlich Gewissheit verschaffen“, Kraft sah Rossmann das Unbehagen richtig an, als er Krieger zustimmte. „Uns wird wohl nichts anderes übrig bleibe.
Als Leutnant Rüter die Mission vom Major angenommen hatte, hätte er nicht gedacht, dass es so hart werden würde.
Sie waren gerade einmal vier Stunden hier und mussten schon fünf harte Angriffe abwehren, welche ihnen schon jeder für sich zahlenmäßig überlegen waren. Als der Major abgezogen war, hatte Kraft zusammen mit den zwanzig Gardisten und den paar schweren Waffenteams die er hatte, gerade einmal fünfundsiebzig Mann. Mittlerweile war diese Truppe auf dreiundfünfzig gesunken.
Es war einfach brutal. Besonders der erste Angriff hatte sie schwer getroffen. Sie hatten sich noch nicht verschanzen können und wurden mehr oder weniger überrascht, weil der Gegner es geschafft hatte die vorgeschobenen Posten zu meucheln. Es war als würden einhundertfünfzig eitrige Halbnackte wie aus dem Nichts auftauchen. Sie hatten diesen Angriff nur aus zwei Gründen überlebt. Zum einen war Rüter so geistesgegenwärtig gewesen, zuerst die Stellungen für die schweren Bolter ausheben zu lassen und zum anderen hatten die Gardisten ihnen den Arsch gerettet.
Rüter schritt den Graben ab und schaute in eine leer wirkende Gasmaske nach der anderen. Er wusste, dass unter jeder einzelnen ein absolut erschöpftes Gesicht war. Nur durch das noch im Körper befindliche Adrenalin waren seine Männer überhaupt noch bei Bewusstsein und damit noch am Leben. Trotzdem fragte Rüter sich, wie lange sie es noch schaffen würden. Er wusste nicht, woher der Gegner in diesem Bereich so viele Reserven mobilisieren konnte, aber bei jedem Angriff schienen es mehr Feinde zu werden, während seine eigene Einheit rapide schrumpfte. Beim Imperator, wenn nicht bald die Verstärkung vom Hauptmann kommt, können wir uns selbst einsargen. Dieser Gedanke schoss ihm nunmehr immer häufiger durch den Kopf. Das Kom war vollkommen ausgefallen, daher konnte er nicht einmal erfahren, ob der Bote es geschafft hatte.
Der schrille Pfiff einer Trillerpfeife riss Rüter jäh aus seinen Gedanken. Um ihn herum rammten müde Arme frische Magazine in ihre Waffen und zitterige Hände arbeiteten an den Entsicherungshebeln ihrer Waffen.
Ein neuer Angriff.
Als Rüters ermüdetes Gehirn diesen Gedanken endlich verstanden hatte, hatten seine immer schwerer werdenden Arme schon längst die Boltpistole einsatzbereit gemacht und das Kettenschwert gezogen und zu surrendem Leben erweckt.
Wahrscheinlich wäre Rüter über diese eiskalte Automatisierung erschreckt gewesen, wäre er nicht zu Müde gewesen, sie zu bemerken.