Salve,
ich habe, wenn ich ehrlich bin, ein wenig hin und her überlegt, ob ich etwas zu der entbrannten Diskussion über die Qualität der Übersetzungen beitragen soll oder nicht. Allerdings möchte ich doch kurz die Gelegenheit ergreifen, meinen Standpunkt darzulegen, obwohl ich im Grunde bereits zu wissen glaube, wie der größte Teil der Kommentare ausfallen wird.
Ich bin für die Übersetzung von "Prospero burns" verantwortlich (und nein, ich bin nicht hier, um mich zu entschuldigen) und werde euch gerne die Grundsätze nahebringen, warum und wie ich mich (in Absprache mit der Black Library) für den einen oder anderen Begriff oder Formulierung entschieden habe.
Grundsätzlich werden Übersetzungen für Leser angefertigt, die sich nicht mit dem englischen Text befassen können oder möchten. Insbesondere bei Literaturübersetzungen gilt es, eine gewisse Balance zu finden, die darin besteht, den Absichten und Intentionen des Autors gerecht zu werden, und einen Text in eine andere Sprache zu übertragen, womit in erster Linie ein gewisses Gefühl und ein Bild für den Leser transportiert werden soll.
Gerade Dan Abnett hat einen markanten Schreibstil und ich versuche diesen als Übersetzer ins Deutsche zu transportieren, seien es die recht knappen, prägnanten Sätze, die Art und Weise, wie er mit Hilfe von nachgestellten Adjektive eine bestimmte Sache oder Situation zusätzlich unterstreicht oder seine eigenwilligen (und mMn recht schönen) Wortschöpfungen. Ich denke, das Ergebnis ist weder bei mir noch meinen Kollegen missverständlich oder weißt in grammatikalischer, stilistischer oder inhaltlicher Sicht eklatante Mängel auf. Es wird mit Sicherheit nicht den Geschmack jedes einzelnen treffen, aber das ist und war auch nie die eigentliche Intension von Unterhaltungsliteratur.
Ein Beispiel: Mir ist aufgefallen, dass von mancher Seite die Übersetzung der Quietude als Tranquillität und ihrer Kriegerkaste als Robuste bemängelt wurde. Natürlich hätte man den englischen Begriff "Quietude" beibehalten können, allerdings läuft das dem Ziel der Übersetzung zuwider, die in erster Linie auf Leser abzielt, die des englischen nicht mächtig sind (sowohl was die Aussprache als auch das erfassen eines inhärenten Sinns anbelangt). So ist der Begriff Tranquillität eine Bezeichnung, die der Bedeutung des vom Autor gewählten englischen Begriffes entspricht und sich zudem im Duden wiederfindet, also dem deutschen Sprachschatz angehört.
Es wurden auch Formulierungen bemängelt, wie die "Energierülpser". Ich verweise zunächst auf den englischen Text:
These weapons were louder. They made noises like whips cracking, underscored by oddly modulated burps of power.
Was ich folgendermaßen übersetzt habe:
Diese Waffen waren lauter. Sie klangen wie ein Peitschenknall, untermalt durch seltsam modulierte Energierülpser.
Auch wenn manchem die Vorstellung einer rülpsenden Waffe nicht gefällt, dass ist es, was Dan Abnett geschrieben hat und es gibt an dieser Stelle keine Notwendigkeit, davon abzuweichen. Es wird damit im Englischen wie auch im Deutschen der Klang eines gewissen Geräuschs beschrieben (anders als bei "made noises like", was in der direkten Übersetzung "Sie machten Geräusche wie knallende Peitschen …", was sich im Text zu sperrig und ungebräuchlich liest und daher umformuliert wurde).
Ich gehe hier nicht auf jeden einzelnen Kritikpunkt ein, sondern möchte lediglich darlegen, dass der Übersetzer zwar die Sprache "glattbügeln" könnte, dadurch jedoch einem Roman auch seines Stils beraubt, den der Autor (vermutlich) absichtlich für einen Text gewählt hat. Ich gebe zu, dass sich "Prospero burns" anfangs ungewöhnlich liest (das tut es auch im Englischen, möchte ich euch versichern), man sich jedoch einem Werk in seiner Gesamtheit annehmen sollte, will man an ihm Kritik üben.
Nebenbei bemerkt, ich bin mittlerweile kein "Interner" von GW mehr, habe allerdings einige Jahre im deutschen Übersetzungsteam gearbeitet und kenne mich mit dem Hintergrund entsprechend aus. Ich spreche mehrere Sprachen, habe studiert und bin kein ungelernter Aushilfsübersetzer und mache das auch nicht nebenbei in meiner Freizeit. Wenn sich ein englischer Autor jedoch dazu entscheidet, eine Sache mit anderen Begriffen zu umschreiben/sie anders zu benennen, als es in den offiziellen Codices/Armeebüchern von GW usw. getan wird, dann sollte dem auch in der Übersetzung Rechnung getragen werden.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, dem möchte ich gratulieren. Wenn ich einigen vielleicht nahebringen konnte, das sich die Übersetzer zu bestimmten Formulierungen auch Gedanken machen, umso besser.
Ich ahne leider, was folgen wird und werde daher nicht auf jeden Kommentar eingehen. Insbesondere nicht auf solche, die mir Tippfehler oder grammatikalische Unsauberkeiten in diesem Posting vorhalten möchten.
Ein Gruß an meine Kollegen, positives Feedback wird leider nur selten gegeben. Audi, vide, tace, si tu vis vivere pace. Dem einen oder anderen hier wünsche ich dann trotzdem viel Spaß, sollte er sich den übersetzten Romanen widmen wollen.