Kapitän Damont hatte fast den gesamten Tag an seinem Kartentisch auf der Brücke verbracht. Seine sonst üblichen Tätigkeiten, wie die Kontrollrundgänge durchs Schiff, Essen aufnehmen oder seine Partie Schach gegen die Schiffslogikmaschine hatte er heute komplett ausfallen lassen. Nein er war die ganze Zeit vor Ort gewesen, um die neusten Daten und Vorgänge auf dem Planeten gleich aus erster Hand zu erfahren. Das hatte die Brückenbesatzung ziemlich nervös gemacht, da auch sie so einen Großteil ihrer gewöhnlich üblichen Tätigkeiten ausfallen lassen mussten, wenn der Chef ein wachsames Auge auf sie hatte. Sie waren heute alle etwas aufgeregter und penibler als sonst, da ihnen der Kapitän schon die ganze Zeit gereizt auf die Finger schaute. Mit der lässigen Gemütlichkeit der letzten ereignislosen Monate war es schlagartig vorbei gewesen, als Leutnant Ovalis Enterkommandos auf dem Planeten abgestürzt waren. Erst in den letzten Zwei Stunden hatte sich der Kapitän etwas entspannt und war auch ein wenig umgänglicher geworden, als die zur Rettung gesandte Scout-Kompanie wieder Kontakt mit Ovalis Männern hergestellt hatte.
Nun bewegten sich alle imperialen Truppen, die bis jetzt auf dem Planten gelandet waren, auf die von den Enterkommandos entdeckte Bunkeranlage zu, die wohl noch ein Überbleibsel aus besseren Zeiten war, bevor dieser Planet von den Orks heimgesucht worden war. Die Anlage schien groß genug zu sein, um sämtliche Truppen der drei Raumschiffe aufzunehmen. Das machte sie zu einer idealen Basis, von der aus man die Rückeroberung des Planeten angehen konnte.
„Kapitän, wir haben soeben Nachricht von der PATRONUS erhalten. Sie wird zusammen mit der NOVISSIMUM morgen im System eintreffen. Die Scout-Kompanie soll mit der Erkundung des Geländes fortfahren und alles für die Ankunft der PATRONUS-Truppen vorbereiten. Ende der Befehle und der Nachricht.“, meldete der Kommunikationsoffizier. Dam Damont horchte überrascht auf. Die NOVISSIMUM würde schon so früh mit den anderen beiden Schiffen der Streitmacht zusammen treffen? Das war äußerst ungewöhnlich. Normalerweise versuchten doch die hohen Tiere vom Flaggschiff immer sich möglichst weit von den unteren Rängen und dem Abschaum der beiden anderen Schiffe fern zu halten. Jedenfalls taten sie immer so. Was war denn an diesem Einsatz so anders? Wahrscheinlich schienen sich auch die adligen und hoch gekauften Offiziere des Oberkommandos schon seit geraumer Zeit ziemlich arg zu langweilen, wenn sie sich dazu herab ließen, der Erstürmung dieses Planeten schon so zeitig beizuwohnen.
Aber vielleicht lagen ja auch wirklich dringende Gründe vor, von denen Damont noch nichts ahnte, oder wie gewöhnlich, vom Oberkommando im Ungewissen gelassen wurde. Erneut verfluchte er den Umstand keinen eigenen Astropaten an Bord zu haben, der telepatische Nachrichten direkt vom Oberkommando bekam. Aber Damont tippte doch eher auf die Langeweile. Die Typen vom Flaggschiff kochten schließlich auch nur mit heißem Wasser. Er hatte sich schon des Öfteren gefragt, womit sich die blaublütigen Adligen die Zeit vertrieben, während die in ihren Augen niedrigen Truppen der beiden anderen Schiffe die Außeneinsätze durchführten. Er nahm den Ausdruck der Nachricht von seinem Offizier entgegen und überflog die Zeilen nochmals, während er wieder zu seinem antiken Kartentisch schlenderte. Vielleicht sollte er sich diesen Zettel einrahmen? Schließlich glich es schon einem kleinen historischen Ereignis, wenn die NOVISSIMUM, sich zusammen mit den beiden anderen Schiffen in einem System zeigte. Die mit einem seelenlosen Servitor bemannten Spionagesatteliten, welche die OCULUS inzwischen ausgesetzt hatte, lieferten kaum neue Daten, die Damont nicht schon in den letzten Stunden gesehen hatte. Mittlerweile kannte er viele Eigenheiten des Geländes und des Planetenklimas besser als einige Bereiche seines Schiffes. Wie erwartet war nichts passiert, seit er vor ein Minuten das letzte Mal nachgesehen hatte. Ovalis Leute hatten begonnen in den letzten Stunden den Brückenkopf noch weiter auszubauen und die nun nachrückende Scout-Kompanie hatte alle Orkaktivitäten in unmittelbarer Nähe zu dieser neuen Basis unterbunden. Fast alle Enterkommandos waren wieder vollzählig aufgetaucht und hatten sich der Kompanie wieder angeschlossen.
Nur von den Implantatkriegern und Drakkens Sträflingseinheit hatte man noch nichts gehört. Damont war sich aber sicher, dass beiden Trupps durchaus in der Lage waren, sich allein durchzuschlagen, wenn sie nicht versehentlich in der Atmosphäre verglüht waren. Die Implantatkrieger waren alles harte Hunde und bestanden sowieso zum größten Teil aus unverwüstlichen Materialien. Sie waren alte Veteranen und schon oft im Feindesland verloren gegangen. Damont war sich sicher, das Sergeant Greg gar nicht mal so unglücklich wäre, wenn die Verbindung zur Kompanie noch etwas länger unterbrochen war. So konnte er walten und schalten wie es ihm für richtig erschien, ohne sich irgendwelchen unsinnigen Befehlen von oben beugen zu müssen. Es war bekannt, das er lieber sein eigenes Süppchen kochte, als mit regulären Truppen zusammen zu arbeiten. Dieser Wesenszug hatte ihn und seine Männer ja auch in die Streitmacht am Rande des Imperiums verschlagen. Aber Damont selbst konnte das gut verstehen, Truppen wie die Implantat-Krieger-Einheiten wurden in regulären Armeen meist nur diskriminiert und angefeindet, obwohl sie für die gleiche Seite kämpften. War es da verwunderlich, wenn sich Offiziere ihre Lücken im System suchten, um ihre Arbeit am besten auszuführen? Viele Vorgesetzte konnten die Fähigkeiten und das Potential solcher Ausnahme-Einheiten oft nicht richtig einschätzen und neigten daher eher zum Unterschätzen dieser Trupps. Nun Damont wusste das Sergeant Greg nicht viel Schaden anrichten würde, jedenfalls noch nicht zu dieser frühen Phase der Rückeroberung, wenn er mal von der Leine gelassen wurde. Wenn er und seine Männer sich austoben konnten, waren sie in ihrem Element und würden den Orks am effektivsten schaden.
Was Drakken anging, konnte man sich sicher sein, dass er auf dem Planeten putzmunter sein Unwesen trieb und früher oder später wieder auftauchen würde. Schon viele Kommandeure hatten sich sinnlos Hoffnungen gemacht, dass dieser Mann bei einer seiner Missionen umkommen würde. Drakken würde wieder kommen. Unverletzt und bei bester Gesundheit. Und bei seinen Feinden gefürchtet. Damont war sich sicher das Drakken schon den einen oder anderen Orkmob aufgerieben hatte.
Seufzend erweiterte Damont den von den Satteliten bereits erfassten Bereich, um sich die weitere Landschaft des Planeten anzusehen. Bisher hatte er sich nur auf ein Gebiet konzentriert, das zwischen der Absturzstelle der Raumstation und der neuen imperialen Basis lag. Nun zog er größere Kreise und wollte sehen, ob ihn nicht etwas Interessantes oder Wichtiges auffallen würde. Bald entdeckte er ein großes Orklager, das wie eine große Wunde in der ansonsten grünen Waldvegetation wirkte. Lager war eigentlich untertrieben, da die Abmessungen dieser Siedlung schon locker die einer größeren Stadt sein könnten. Bei näherem heranzoomen konnte Damont viele einzelne Bereiche der Siedlung ausmachen und begann mit dem bezeichnen einzelner Gebäude. Gebäude war eigentlich übertrieben, da die meisten dieser Konstruktionen ehre aussahen als seien sie aus Müll und Schrott zusammen getackert worden. Ork-Architektur. Solange es vor den ärgsten Witterungsbedingungen schützte, wie Regen und Kälte schützte und nicht zusammenbrach, genügte es.
Was Damont sofort auffiel, war die große Anzahl an Mobs, sie sich in und um die Ork-Siedlung sammelten. Schnell machte er einen Abgleich mit älteren Bildern von vor ein paar Stunden, als der Satellit das Gebiet das erste Mal überflogen haben musste. Gewissenhaft ging er die verschiedenen Bilder durch und sah nun im Zeitraffer, wie sich immer mehr der Mobs aus allen Richtungen der Siedlung näherten. Damont wusste sofort, dass die Orks die imperiale Bedrohung ernst nahmen und nun ihren Truppen sammelten, um für einem Angriff gewappnet zu sein. vielleicht planten gerade in diesem Augenblick einige ihren Bosse einen mächtigen Gegenschlag, mit dem sie die Imperiale Armee besiegen wollten. Damont stellte einige Berechnungen an und erkannte, dass die Orks noch viel zu wenige waren und auch noch zu weit entfernt von der Basis, um wirklich gefährlich zu sein. Aber er würde diese Siedlung im Auge behalten müssen, wenn die Truppen auf dem Planeten nicht überraschend angegriffen werden sollten.
Damont war untröstlich das er keine Live-Bilder in realer Zeit zu sehen bekam. Aber dafür verfügte die OCULUS einfach nicht über die passende Ausrüstung. Erst wenn auch die anderen beiden Schiffe ins System kamen, würde man über ein ausreichend großes Netzwerk aus Sensoren, Satelliten und Scannern verfügen, um wirklich brauchbare Bilder zu bekommen. Bis es soweit war, und das würde noch einen ganzen Tag dauern, musste sich Damont damit abfinden, zwar einen luxuriösen Kartentisch zu besitzen, aber bei weitem nicht qualitativ ausreichendes Datenmaterial, das die Leistungen des wertvollen Gerätes in vollem Maße beanspruchte. So konnte er eben nur sehen, was schon passiert war und nicht was sich gerade auf der Planetenoberfläche tat. Zur Kartografisierung und Vermessung bestens geeignet, aber in einer taktisch überwachten Schlacht absolut nicht zumutbar. Aber Damont wollte sich nicht beklagen und dankte im Stillen den Imperator dafür, dass er überhaupt über Kartenmaterial verfügte. Er hatte schon von Schiffskapitänen gehört, die sich auf weitaus primitivere Geräte verlassen mussten, wenn sie überhaupt welche besaßen.