voila...
Unwillkürlich musste 5513 stoppen. War das nicht erst vor Stunden passiert? Wann waren sie denn auf diesem Planeten gelandet? 5513 konnte sich nicht erinnern ob es bei der ungeplanten Landung auf der Oberfläche hell oder dunkel gewesen war. Jedenfalls waren sich schon mindestens einen halben Tag unterwegs und er hatte noch nicht bemerkt, ob es hier so etwas wie eine Abenddämmerung gab. Offenbar waren sie wohl am frühen Morgen gelandet und bis jetzt im hellen tageslicht unterwegs gewesen. Noch dazu in der wohl wärmsten und angenehmsten Jahreszeit, wie es schien, denn der Tag war sehr lange hell. 5513 versuchte einen Blick auf die Sonne zu erhaschen, doch das Blätterdach der Waldbäume verhinderte jeden freien Ausblick auf den Himmel. Nur an ein stetes Halbdunkel, wie es für Wälder üblich war, konnte er sich erinnern. Aber er wusste auch, dass der Gebrauch von Kampfdrogen und die Anspannung, während und nach einem Kampf, seine Wahrnehmung verzerren konnten. Was wusste er denn schon, was ihm dieses verdammte Sprenghalsband injizierte, nur damit er ja ordentlich spurte. Jedenfalls kam ihm der Aufenthalt auf diesem neuen Planeten schon sehr lange vor. Was wohl aus den anderen Entertrupps geworden war? Würden auch sie von Orks angegriffen werden? Hatten sie vielleicht sogar schon Kontakt zu einheimischen Truppen der PVS-Truppen des Planeten? 5513 wusste wieder einmal nur das Nötigste über die Mission. Jedenfalls das, was die Offiziere für das Nötigste hielten, dass die Sträflinge überhaupt zu wissen hatten. Sie hatten ein imperiales System entdeckt, das von Orks heimgesucht worden war und nun wurden sie zur Verstärkung der Bevölkerung im Kampf gegen die Invasoren in den Kampf geworfen. Dazu musste erstmal eine Raumstation der Orks geentert werden, welche wohl wichtige Überwachungsanlagen und Orbitalwaffen enthielt. All das hatte nach einem relativ normalen Einsatz geklungen. 5513 wusste aus Erfahrung, dass Raumbesatzungen nur von einem kleinen Kontingent Soldaten beschützt wurden, welche nur mit leichten Waffen ausgerüstet waren, damit die Außenhüllen von Raumschiffen und Stationen nicht beschädigt wurden, was zu fatalen Druckabfällen und Schäden führen konnte.
Aber an Bord der Raumstation hatte es angefangen schwierig zu werden. Die Orks schienen nichts von leichten Waffen zu halten und nahmen auch keine Rücksicht auf die Außenwände der Station. Nein, sie hatten mit allem geschossen was sie wohl an Bord hatten und dazu hatten auch Raketenwerfer und schwere Maschinenkanonen. Und wenn er sich nicht sehr getäuscht hatte, hätte 5513 schwören können, zwischen den Kampfgeräuschen die Stampfgeräusche eines Orkkampfläufers gehört zu haben. Was er für reinen Wahnsinn hielt, da diese Maschinen meist so unzuverlässig waren, wie der ganze Rest der Orktechnologie. Von berichten anderer Sträflinge die schon in großen Schlachten gegen die Orkoiden gekämpft hatten, wusste er von diesen grotesken Kampfmaschinen, welche mit grob angeschweißten Waffen und hydraulischen Armen, gegen die Menschen kämpften. So schwer gepanzert die meisten dieser Konstrukte auch waren, so träge wurden sie auch von ihren Lenkern gesteuert. Wenn man erst mal in den toten Winkel der mörderischen Waffenarme gelangt war, stellte es angeblich kein größeres Problem mehr da, so einen primitiven Kollos auszuschalten. Aber das konnte 5513 nun nicht bestätigen, der Läufer war mit der ganzen Raumstation explodiert. Aber noch vor diesem verheerenden Untergang orkischer Pfuscherei, hatte ihr fürchterlicher Anführer Drakken, einen wahren Blutrausch erlebt und die meisten der Orks im Alleingang erledigt. Von da an hatte 5513 gewusst, dass er diesen Einsatz höchst wahrscheinlich nicht überleben würde und seine zeit nun wohl gekommen war. Selbst nach der Notlandung gab sich Drakken ja allergrößte Mühe, diese Schicksal so schnell, wie es ihm möglich erschien, zu erfüllen.
Nach wenigen Schritten schreckte 5513 hoch, wie aus einem Traum. Hatte er geträumt? Wie viel Zeit war vergangen, seit er sich in Gedanken gefragt hatte, seit wann sie schon auf diesem Planeten waren? Er konnte es nicht sagen. Die Landschaft um ihn herum hatte sich nicht großartig geändert und er konnte auch nicht sagen, ob er schon weit weg vom Kampfplatz oder erst ein paar Meter vor sich hingetrottet war. Die Nachwirkungen der Drogen schienen ihn diesmal besonders schlimm erwischt zu haben und nicht enden zu wollen. Krampfhaft versuchte er bei klarem Kopf zu bleiben und nicht wieder in die deprimierenden Gedanken über sein künftiges Schicksal zu verfallen. Stattdessen wollte er nun wieder die nochneuen Eindrücke dieses Planeten genießen und sich für später aufheben. Dann, wenn es ihm am schlimmsten erging, konnte er sich an diesen ort zurück erinnern und an den ruhigen und grünen Bildern des Waldes erquicken. Als er sich umsah, bemerkte er dass auch die anderen Sträflinge unter den Folgen der Kampfdrogen zu leiden hatten. Sie waren sie einfach nicht mehr gewohnt gewesen. Nach Monaten in den rümpfen der Raumschiffe, ohne Kampf und Aufregung hatten sich ihre Körper von den ungeliebten Wirkstoffen entwöhnt und waren zu einer relativ normalen Körperchemie zurückgekehrt. Nun traf sie der erneute Gebrauch natürlich alle wie eine Keule. Aber die Bänder um ihre Hälse waren ja auch nicht dafür gedacht, sie zu verwöhnen sondern sie gewährleisteten den meist problemlosen und nützlichen Einsatz der Sträflinge in der Schlacht. Wer Schwierigkeiten machen wollte, konnte mit Stromschlägen und Drogen wieder gefügig gemacht werden. Wer abhauen wollte oder wem es sogar gelang sich über eine bestimmte Distanz von seinen Aufsehern und ihren Funkarmbändern zu entfernen, verlor schnell den Kopf. Und das war wörtlich gemeint. Denn der Hauptbestandteil des Halsbandes war eine Ladung explosiven Stoffes, der vielfach verwendbar, meistens aber durch einen Knopfdruck zur Reaktion angeregt wurde. Es gab viele unterschiedliche Varianten von diesen Sprenghalsbändern und 5513 war nicht besonders stolz darauf, eine der höherwertigen um den Hals zu tragen. In seinem Fall beinhaltete der mörderische Schmuck auch Sensoren zur besseren Ortung seiner Position, unterschiedlichste Injektoren für die verhassten Kampfdrogen und die, nie in ausreichender Menge vorhandenen, Schmerzmittel und auch eine Minilautsprecher-Sendereinrichtung zur Kommunikation mit dem Funkarmbandträger, meistens ein übellauniger Offizier, der seine Befehle brüllte. Einige Funkarmbänder waren sogar in der Lage die Sensoren der Halsbänder, als sehr primitives Scannersystem mit sehr beschränkter Reichweite zu nutzen. Und die meisten Offiziere und Truppführer machten davon auch regen Gebrauch, wenn sie konnten. Drakken schien jedoch keinen Wert auf diese Funktion zu legen und schritt lieber selbst an der Spitze seiner jeweiligen Sträflingseinheit. So schien er mit seinen bionischen Augen keine Rücksicht auf störende Sträflinge nehmen zu müssen, die ihm ins Sichtfeld rannten. Jedenfalls glaubte 5513, dass es so war. Um sich von den Sprenghalsbändern abzulenken beschloss er, Drakken anzustarren und ihn für das Viele, was er den Sträflingen in den letzten Stunden zumutete, zu hassen. 5513 war sich sicher, dass er nicht der einzige war, der Drakken hasserfüllt anstarrte.
Wie ein einheimisches Raubtier bewegte sich dieser durch das Unterholz und schien dabei jede Spur der Orks zu analysieren. Mit der fürchterlichen Kettenwaffe, die er erbeute hatte und mit der er immer wieder störende Äste und Lianen zur Seite schob, bahnte er seinem Trupp einen Weg. Noch immer war er im vergleich zu seiner Einheit, der frischeste Kämpfer und schien auch keinerlei Spuren von Müdigkeit und schwäche zu zeigen. Woher nahm dieser Mann die Kraft? Was trieb ihn an und zwang ihn, dass eigene Verderben zu suchen? War er wirklich ein noch Mensch oder eine Maschine mit dem Aussehen eines Menschen, die zufällig, oder durch einen Defekt dazu veranlasst, auf der Seite der imperialen Armee kämpfte? 5513 wurde nicht schlau aus diesem Mann und bedauerte sich selbst am meisten, diesem Schinder ausgeliefert zu sein. Drakken war der Funkarmbandträger. Und wenn es irgendwann vorher einmal je die Chance bestanden haben sollte, einem der Aufseher die Kontrolle über dieses Armband zu entreißen, so war sie in Drakken Fall einfach unmöglich geworden. Niemand würde ernsthaft versuchen, diesen Mann anzugreifen. Es wäre reiner Selbstmord. Dann lieber mit dem Sprenghalsband weiterleben! Aber in 5513 keimte nun doch ein kleiner Hoffnungsschimmer. Wenn Drakken sich weiterhin so selbstmörderisch in jeden wilden Nahkampf stürzen würde, bestand doch eine ziemlich kleine aber nicht gänzlich unmögliche Chance, dass er im Kampf fiel. Und dann musste man nur noch die Fernbedienung in die Finger bekommen, notfalls am abgetrennten Arm, und versuchen, die Halsbänder zu öffnen. 5513 betrachtete den Arm mit der Fernbedienung genau und bemerkte, wie sich dieser plötzlich hob. Wie ein Mann warfen sich die Sträflinge in den Dreck und verschwanden zwischen den niedrig wachsenden Farnen in Deckung. Nur Drakken blieb stehen und hielt das riesige Kettenschwert vor sich.
Jetzt raschelte es vor ihm und drei Männer in den Farben des Waldes lösten sich aus dem Gehölz. Sie sahen gut genährt und ausgeruht aus. In ihren Händen Gewehre aus einer anderen Zeit. 5513 erinnerte sich, solche Schusswaffen einmal während seiner Ausbildungszeit an der Akademie in einer Vitrine gesehen zu haben. Ein begriff kam ihn ins von Drogen umnebelte Gedächtnis. Musketen! Ja, das war die Bezeichnung, welche den Waffen dieser Männer wohl noch am nächsten kam. Nachteile, sehr laut, harter Rückstoß und relativ ungenau beim Treffen der ausgewählten Ziele. Vorteile, sehr durchschlagskräftig, Waffe und Munition waren billig in der Herstellung, relativ primitive Handhabung und beachtliche Reichweite. Natürlich waren diese Vor- und Nachteile abhängig von der Tagesform und dem geübten Umgang des Schützen. 5513 konnte sich schon vorstellen, mit einer solchen Waffe zu schießen, zu treffen und zu töten, wenn er in deren Umgang geübt war und alle ihre Eigenheiten kannte. Auch offenbarte ihm ein zweiter noch genauerer Blick auf die drei Männer, dass sie ihre Musketen erheblich umgebaut und ihren Bedürfnissen entsprechend angepasst hatten. Er sah gummierte Rückstoßdämpfer, lange Mündungsfeuerdämpfer, massive Zielvorichtungen auf erschütterungsfreien Halterungen und eine verbesserte Munitionszufuhr. Auch waren die verwendeten Materialien eine Mischung aus leichten Metallen und Kunststoffen. Doch die langen Läufe und der auffällig große Durchmesser der Mündungen wiesen diese Waffen immer noch als sehr großkalibrig aus. Der wohl größte Unterschied zu den antiken Waffen, an die sich 5513 erinnerte, war wohl dass die drei Männer ihre Musketen nicht mehr von vorne laden mussten. Doch all diese Erkenntnisse und die Tatsache, dass die drei Männer offensichtlich keine Orks waren, änderten nichts daran, dass ihre Waffen immer noch in Richtung Drakken und seiner Männer zeigten. Einer der Männer hatte seine Waffe mittels eines straff gespannten Schulteriemens einhändig in der Hüfthalte, während er mit der anderen eine massive Granate zum Wurf bereit hielt, die 5513 stark an die Granaten der Orks erinnerte. Nun es war zwar nicht wirklich ein Patt, aber er fand, dass die drei Männer das Beste, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen, aus der Situation gemacht hatten. Würden sie allerdings Drakken genauer kennen, hätten sie sich bestimmt nicht so nah vor ihm postiert.
„Wer seit ihr? Woher kommt ihr?“, fragte der Kleinste der Männer mit einem unbekannten Dialekt des Imperialen Gotisch. Seine Muskete zielte direkt auf Drakkens Herz. Die Augen des Mannes lagen im Schatten einer erdfarbenen Schirmmütze. Der Rest von ihm lag unter einem weiten Mantel verborgen, welcher die Farbe von feuchter Erde hatte. Doch an verschiedenen Stellen war dieser Mantel verdächtig ausgebeult und 5513 ging systematisch die Ausrüstungsoptionen durch, die solche Beulen verursachen konnten. Er kam zu dem Ergebnis, das diese drei Männer, wohl schon mehrere Tage in den Wäldern unterwegs gewesen sein mussten und alles dabei hatten, was man zum überleben brauchte. Vielleicht waren es Späher der hier ansässigen PVS-Kräfte, die das Gebiet auf die Stärke der aktuellen Ork-Präsens untersuchten. Drakken gab keine Antworten und senkte stattdessen ganz langsam das mächtige Kettenschwert. Er hatte wohl seine eigene Einschätzung der drei Männer abgeschlossen und sie als ungefährlich eingestuft. Jedenfalls für ihn ungefährlich. 5513 zweifelte nicht daran, dass Drakken die drei jederzeit angreifen und besiegen konnte, noch bevor diese einen Schuss abgegeben hätten.
„Wer seit ihr? Woher kommt ihr?“, wiederholte der Mann seine Worte. Diesmal langsamer und besser verständlich. Aber auch mit etwas Ärger in der Stimme. Drakken legte das Schwert auf dem Waldboden ab und gab das Signal zum Aufstehen. 5513 reagierte ohne nachzudenken und erhob sich mit dem Gewehr in Hüfthalte. Einige Sekunden später verfluchte er diese verdammte Indoktrinierung durch die Aufseher, die ihn zu einer solch dummen Vorgehensweise veranlasst hatte. Was wäre denn gewesen, wenn die drei Männer sehr schreckhaft gewesen wären und vor Panik in die menge gefeuerte hätten. Auch der Typ mit der Handgranate, hätte bestimmt nicht daneben geworfen auf diese Entfernung. 5513 stand ziemlich weit vorne und er zweifelte nicht, dass ihn eine der großen Kugeln aus den Musketen getroffen hätte. Aber die drei Fremden bewiesen, dass sie Nerven aus Stahlseilen hatten und zuckten nicht mal mit der Wimper, als Drakken ihnen die Übermacht seines Trupps vor Augen hielt.
„Wer seit ihr und wo kommt ihr verdammt noch mal her?“, fauchte nun der kleine Mann. Er schien nun ernsthaft erbost über das beständige Schweigen der unbekannten und verlottert aussehenden Krieger vor ihm, die ganz offensichtlich keine Orks waren. Aber wer zum Teufel waren sie dann? Mit der Linken machte nun auch er ein Handzeichen für seine zwei Begleiter, welche schnell ihre Musketen schulterten und unter ihren Mänteln ebenso schnell kompakte Maschinenpistolen mit langen Magazinen hervorzauberten, die sie auf die Truppe fremder Menschen richteten.
Oh, dummer Fehler, dachte 5513 bei sich und schüttelte warnend den Kopf.
Ganz dummer Fehler.