Allerdings waren diese anderen Welten taktische Ziele eines großen Kreuzzugs gewesen. Wichtige Welten deren Wert den weiteren Verlauf des Kreuzzuges bestimmte. Und man war sicher, dass unzählige Truppen als Verstärkungen folgen würden. Jetzt allerdings waren sie auf einer unbedeutenden Grenzwelt gelandet, von der sie noch nie etwas gehört hatten und die alles andere als wichtig war. Und ob die hohen Tiere von der NOVISSUMUM wirklich Verstärkungen schicken würden, blieb ein Glücksspiel. Die Mannschaften und Besatzungen der drei Raumschiffe, aus der die kleine Streitmacht bestand, konkurrierten untereinander. Und die Offiziere der NOVISSIMUM hatten immer das letzte entscheidende Wort in Angelegenheiten der Armeeaufstellung. Je nach Laune der Oberkommandierenden, konnte die Schlacht ein effektives und erfolgreiches Unternehmen werden oder eine fatale Verschwendung von Mensch und Material. Dieser Umstand hatte dazu geführt, dass fast jeder kommandierende Offizier sein eigenes Süppchen kochte, und den Rest der Armee in den meisten Fällen über seine Entscheidungen im Dunkeln beließ. Nur in wirklich wichtigen Angelegenheiten arbeiteten die einzelnen Teile der Streitmacht wirklich zusammen. Hier am Rande des Imperiums verwischten die Grenzen zwischen militärischer Ordnung und intrigantem Balzverhalten und Gerangel um die Befehlsgewalt recht schnell. „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“, war das Motto. Und alle in der kleinen Patrouillen-Flotte hatten sich mehr oder auch weniger gut mit diesem Motto angefreundet.
Die Scout-Kompanie verteilte sich rasch in unterschiedlich große Gruppen und begann damit den Wald in Richtung der möglichen Landezone der Einsatzkommandos zu durchqueren. Die drei Sentinels trennten sich dabei rasch von der restlichen Truppe und suchten als eigenständige Einheit weit vor der Kompanie nach Spuren und Auffälligkeiten, die auf den Verbleib von Leutnant Ovalis und seinen Männern oder der Anwesenheit von Orks hinwiesen. Durch ihre Konstruktion waren sie mit Abstand die schnellsten und geländegängigsten Fahrzeuge der Einheit und somit die besten Späher. Sergeant Tramson befehligte die Schwadron und war froh darüber mal wieder etwas Grün zu sehen. Nach all den Monaten im Schiffsrumpf der PATRONUS juckte es ihm schon gewaltig in den Fingern, endlich wieder hinter den Kontrollen seines Sentinels zu sitzen und mit ihm die Weiten einer neuen unbekannten Welt zu erforschen. Der Wald war herrlich und das genaue Gegenteil von dem, was er als seinen größten Misserfolg bezeichnen würde. Während er den Waldboden mit weit greifenden Schritten des zweibeinigen Läufers überwand, dachte er wieder an das Fiasko, dem er den Aufenthalt in dieser zweitklassigen Armee-Streitmacht verdankte. Sein Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an und er war wieder zurück in der Hölle. Die Erinnerung hatte ihn erneut in ihren Bann geschlagen.
Tramson hasste diesen Planeten schon als er die verkrüppelte Vegetation durch die Bullaugen des Landetransporters gesehen hatte. Dann hatte sie der unfähige Pilot auch noch kilometerweit von der vereinbarten Landezone entfernt abgesetzt, weil er angeblich einen Maschinenschaden hatte. Und dann waren er und seine zwei Kameraden mit ihrer Sentinel-Schwadron irgendwo im Nirgendwo stehen gelassen worden. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, begann schon nach zwei Stunden die Technik zu streiken. Die Luftaustauchfilter der gepanzerten Kabinen schützten Tramsons Schwadron normalerweise vor dem heißesten Wüstensturm, doch der aggressiven Luft dieses verseuchten Klumpens, der sich ein Planet nannte, waren sie nicht gewachsen. Als nächstes war die Verbindung zur Basis abgebrochen und nur noch der Kurzstreckenfunk zwischen den drei Sentinels war noch möglich. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen. Tramson wäre ausgestiegen und hätte die mobile Hochleistungsfunkausstattung zusammengebaut, um zum nächsten Schiff oder Satteliten zu funken. Doch bei den Umweltbedingungen, die außerhalb seiner Kabine herrschten, verbot sich solch ein Vorgehen. Die Gasmasken, die der Sergeant und seine zwei ihm unterstellten Sentinelpiloten hatten, waren nur für den Notfall gedacht und keiner der drei verspürte den geringsten Anreiz sich eines der engen Dinger über das Gesicht zu ziehen, wenn es nicht dringest erforderlich war. Na jedenfalls waren sie da und mussten nun versuchen sich zu ihrer Landezone durchzuschlagen, wo sie dann auf andere imperiale Truppen stoßen würden.
„Sergeant, meine Lüftung ist ausgefallen. Meine Scheiben fangen an zu beschlagen.“, kam Kohlmanns Stimme über Funk. Er steuerte den Sentinel der Schwadron mit der Sturmkanone. Diese hatten sie bei einer Schlacht gegen Chaosinvasoren erbeutet und mangels Ersatzteilen an seine Maschine angebaut. Nach der Schlacht hatte Tramson dann „vergessen“ einen Antrag für einen neuen Multilaser zu stellen und seitdem hatte die Sturmkanone in vielen Gefechten gute Dienste geleistet.
„Ich weiß. Mir geht’s genauso. Wenn wir noch länger auf diesem Planeten bleiben sollten, werden wir irgendwann zu Fuß gehen müssen. Na ja, nach diesem Einsatz wird sich Techpriester Hagens erstmal gründlich um unsere Babys kümmern müssen.“ Tramson musste lächeln, als er an den etwas rundlichen Marsgesanten dachte, der sich um den Fuhrpark seiner Kompanie kümmerte. Der Mann war immer schlecht gelaunt und hatte auch immer etwas an den Besatzungen aller Fahrzeuge auszusetzen. Sie sollten die Maschinengeister doch mit mehr Respekt behandeln und mehr auf die Geräte achten.
„Mich wundert nur das in der Pampe da draußen überhaupt noch was wuchert. Ich denke hier ist alles „bis zum geht nicht mehr“ verstrahlt? Kann ich kaum glauben, wenn ich durch diesen Scheißdschungel auf diesem Scheißplanet stolpere. Meine Gyros quietschen schon so laut, das die Gegner uns schon mehrere Klicks gegen den Wind bemerken, weil sie sich die Ohren zuhalten müssen.“
Brams der dritte Mann in der Schwadron steuerte einen ebenfalls modifizierten Sentinel. Irgendwann war ihm die Idee gekommen, seinen Sentinel mit einem zweiten Multilaser auszustatten, der schon seit einiger Zeit in einer Ecke der Wartungshalle zustaubte. Er dachte, dadurch würde sich seine Feuerkraft verdoppeln aber in Wirklichkeit traf er nun besser als vorher. Mit dem Lichtgewitter, das er nun zu entfesseln im Stande war, musste er einfach irgendetwas treffen. Jedenfalls hatten die ständigen Hänseleien der anderen Piloten, wegen seiner schlechten Treffsicherheit, aufgehört.
„Ach du bist das. Ich dachte schon das wären die einheimischen Vögel.“ Kohlmann lachte. Innerhalb der Schwadron und wenn sie, so wie jetzt, unter sich waren, verzichteten sie auf die offizielle Funkdisziplin. Tramson hatte einfach nicht eingesehen, warum ihn die Männer, die ihm schon etliche Male das Leben gerettet hatten, nicht wie einen Freund ansprechen durften. Grade wollte er eine ebenfalls sarkastische Bemerkung machen, als ihn ein kurzes Lichtpünktchen auf dem Scanner ablenkte. Natürlich flackerte der Scannerbildschirm grade jetzt, wo er ihn brauchte. Tramson verdrehte die Augen und murmelte kurz: „Verzeih Maschinengeist, sei geehrt!“ Dann schlug er auf den flackernden Monitor ein bis das Bild wieder klarer wurde.
„Jungs! Aufpassen etwa zwei Uhr vor uns schleicht irgendwas Verdächtiges durch Gestrüpp, was sich hier wohl Unterholz schimpft. Kohlmann du scheuchst es zu der kleinen Lichtung da vorne. Brams, du schneidest ihm den Weg von Rechts ab. Ich werde warten bis es mir vor die Linse läuft und es dann mit der Laserkanone kitzeln, klar?!“
„Aye, Sir!“
„Zu Befehl, Sergeant!“ Die beiden Maschinen im Dschungeltarnschema setzten sich in Bewegung. Sie wirkten wie zwei urzeitliche Echsen, die Tramson mal irgendwann auf irgendeinem Planeten gesehen hatte. Nur Sekunden später aktivierte Kohlmann die Sturmkanone. Fast zeitgleich setzte Brams den synchronisierten Multilaser ein, um dem Ziel den Fluchtweg nach rechts abzuschneiden. Tramson rannte so schnell es auf dem sumpfigen Untergrund möglich war, zur Lichtung. Auf dem Scanner konnte er sehen, wie sich der Lichtpunkt auf die scheinbar sichere Lichtung retten wollte.
„Jetzt bist du fällig!“, rief Tramson, als er den einzelnen Soldaten mit dem großen Gewehr durch seine Zieloptik erkennen konnte. Er hatte den Daumen schon auf dem Auslöser der Laserkanone, als ihm sein Unterbewusstsein die Frage stellte, was denn ein einzelner IMPERIALER Soldat mit Gasmaske in dieser Wildnis zu suchen hätte? Doch seine Reflexe, die ihm schon in vielen Kämpfen das Leben gerettet hatten, wurden ihm nun zum Verhängnis. Der grelle Strahl der Laserkanone erfasste den Soldaten mit der Präzision einer computerunterstützten Sensorik und verdampfte den armen Mann zu einer Wolke mikroskopischer Molekühle. Auf dem Radar sah er weitere Punkte auftauchen und wieder verschwinden, als Brams und Kohlmann ihren Job taten und auf alles feuerten, was ihnen vor die Waffensensoren kam. Und warum auch nicht? Sie befanden sich schließlich im Feindesland und waren die einzige imperiale Einheit, weit und breit in diesem Sektor. Jedenfalls hatten so die Informationen vor Beginn der Mission gelautet.
Der damals zuständige taktische Datenerfasser hatte die Koordinaten verwechselt und etliche imperiale Truppen in die falschen Sektoren entsandt. Nur so konnte es geschehen, dass Tramsons Schwadron in das Aufmarschgebiet einer Elite-Späher-Einheit geraten war, die schon seit einiger Zeit Daten über die geheimen Truppenstärken und unbekannten Aufstellungen des Feindes sammelte. Diese wichtigen Daten gingen mit der Einheit verloren. Der Datenerfasser wurde noch am gleichen Abend standrechtlich erschossen und Tramson zu einer Strafexpedition verdonnert, die ihn und seine zwei Untergebenen weit weg vom Ort des unrühmlichen Geschehens brachte. Schon bald fand er sich an Bord eines umgerüsteten ehemaligen Handelsschiffes mit dem recht großkotzigen Namen PATRONUS zwischen Metamenschen, Sträflingen und zwielichtigen Einheiten wieder, die wohl hier zum Rande des Imperiums abgeschoben wurden, um Aufgaben zu übernehmen, die regulären imperialen Truppen zu unwichtig erschienen.