„Wie alt ist dies Sendung? Wann wurde sie gesendet?“, fragte Jules. Flavio drehte sich zu einer der Konsolen um und machte ein paar Eingaben. Der Rechner der Anlage begann leise summend mit der Arbeit und kurz darauf erschien eine Zahlenfolge auf einem kleinen Monitor. Flavio drückte eine weitere Taste und reichte Jules kurz darauf einen kleinen Ausdruck. Der Veteran überflog die Zeilen in klein gedruckter Schrift. Die OCULUS war gar nicht so weit entfernt, wie er zuerst angenommen hatte. War die Hilfe vielleicht doch schon näher als er ahnte? Captain Borngard Tronje würde nun alles Weitere entscheiden müssen. Vielleicht war er nun zugänglicher für Jules Idee, die Sklaven auf einen Aufstand vorzubereiten? Hier kam doch nun die Rückendeckung, auf die Tronje schon so lange wartete.
***
Es war eng und dunkel. Zwanzig Mann drängten sich auf engstem Raum und versuchten dabei sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Sie waren nun schon seit Stunden unterwegs und Hendrix fühlte sich wie eingepferchtes Stück Nutzvieh auf einem Transportwagen. Dazu kam noch diese dicke Luft und das einschläfernde Geräusch des Raketenantriebs, das ihn an die Obstbäume seiner Heimat erinnerte, wenn sie voll waren von Nektar sammelnden Insekten. Ja damals konnte so was noch sein Gemüt erfreuen. Doch solche Obstbäume hatte er schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Seit sehr langer Zeit nicht mehr.
Die Sklavenhändler trieben alle aus dem Beiboot in einen gewaltigen Raum aus Metall. Hendrix glaubte, dies müsse eine der heiligen Kathedralen sein, von denen man immer wieder hörte, wenn Fremdweltler zu Besuch kamen. Der Raum war so gewaltig, dass alle Geräusche Echos erzeugten. Neben dem Beiboot aus dem Hendrix und andere Dorfangehörige getrieben worden waren, standen noch weitere in einer langen Reihe. Überall wurden verängstigte Menschen zu größeren Gruppen zusammen getrieben und mit Peitschen und Elektroschockern in Schach gehalten. Hendrix suchte nach seiner Familie, die er seit dem Überfall nicht mehr gesehen hatte. Doch es war zwecklos. Er sah hunderte von Menschen die wie er gekleidet waren und auch aus seiner Gegend stammen konnten, aber von seiner Verwandtschaft, die sich auf der flucht in die berge befunden hatte, war niemand mit dabei. Nur einige Gesichter erkannte er wieder. Es waren Dorfbewohner, die seine Nachbarn gewesen waren oder die er des Öfteren auf dem Markt getroffen hatte. Aber gerade als er sich zu ihnen drängeln wollte, wurde die Gruppe wieder neu aufgeteilt und mit anderen Gruppen gemischt, die aus anderen beibooten gekommen waren. Offenbar wollten die Sklavenhändler, dass niemand mit ihm bekannten Leuten zusammen kam, damit man sich nicht allzu schnell sicher fühlte und einen Aufstand vom Zaun brach.
Nach Stunden, die er nun in der großen Metallhalle verbracht hatte, wurde seine Gruppe durch ein großes Tor getrieben. Die Sklavenhändler behandelten sie wirklich wie Vieh und machten sich einen Spaß daraus, immer wieder mit den Elektroschockern in die Menge zu stoßen und erfreuten sich dann an den Schmerzschreien. Die Peitschen knallten und zischten durch die Luft. Dann endlich ließen sie von ihren Opfern ab. Hendrix befand sich nun mit den anderen in einem ziemlich engen Raum. Gitterstäbe bildeten die Decke und an den Wänden befanden sich Öffnungen, die ebenfalls vergittert waren.
Alle drängten sich ängstlich aneinander und warteten, was nun als nächstes passieren würde. Frauen weinten, Kinder wimmerten, Leute riefen nach Familienangehörigen. Dann ertönte drei mal eine Sirene und durch den Raum zitterten gewaltige Beben. Das Metall ächzte und knarrte. Alle waren still und wartete gespannt. Dann erleuchteten Bildschirme jenseits der Gitterstäbe die vielen Verschläge mit den Gefangenen. Eine blaugrüne Halbkugel vor schwarzem Hintergrund war zu erkennen, die schnell kleiner wurde. Hendrix begriff, das dies seine Heimat sein musste. So sah sie aus wenn man von den Sternen kam, um auf ihr Handel zu treiben. So hatten die Fremdweltler es immer geschildert, wenn sie von einem Einheimischen Bauer auf dem Markt danach gefragt worden waren. Seine Heimat. Hendrix staunte. Doch dann ging ihm auf, dass er sich rasch von ihr entfernte und er sie wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Vielen um ihn herum Stehenden ging es genauso. Er sah Tränen auf den Gesichtern von Männern und Frauen und spürte eine kollektive Trauer, die nun auch ihn erfasste. Das war der Tag, an dem Hendrix seine Kindheit für immer hinter sich lassen würde.
Ein Pipen riss ihn aus seinen trüben Erinnerungen. Es war das Signal des Näherungssensors. Die Entertorpedos kamen nun in Waffenreichweite der Orkstation. Ab jetzt würde es heiß hergehen. Nur noch wenige Momente und die Implantatkrieger würden nach Monaten des Nichtstuns endlich wieder etwas für ihren Sold zu tun bekommen. Als er sich umsah, bemerkte er die Anspannung auf den Gesichtern seiner Kameraden. Niemand sagte ein Wort. Alle starrten auf den kleinen Bildschirm, der an der Decke angebracht war und die Annäherungsdaten zeigte. Dort war ihr Ziel angezeigt, dass sich nun nur wenige Klicks entfernt befand. Sein Blick glitt zum hinteren Teil des Entertorpedos. Hier warteten ebenfalls angespannte Männer auf ihren Einsatz. Sie gehörten zu Leutnant Ovalis Leuten und waren mit Flammenwerfern und Meltern ausgestattet, um den Implantatkriegern den Weg durch die Station zu brennen. Im Gegensatz zu Hendrix Einheit waren diese Männer aber alles andere als zuversichtlich. Sie besaßen nur ihre normalsterblichen Fähigkeiten und ihren Glauben an den Imperator. Sie würden sich nicht auf verstärkende Implantate verlassen können, sondern nur auf ihren Willen zu überleben. Hendrix konnte sie gut verstehen. Seine Einheit genoss nicht den besten Ruf unter den regulären Truppen. Keiner wollte mit ihnen zusammen in den Kampf ziehen. Aber dennoch hatten sich diese zehn Männer lieber zu den Implantatkriegern in den Torpedo gequetscht, als mit Drakkens Einheit auf engstem Raum zusammen sein zu müssen. Bisher hatte Hendrix nur unglaubwürdige Geschichten über diesen Mann gehört, aber durch das ganze Getue, was alle machten, wenn Drakken in der Nähe war, war Hendrix sich immer sicherer das fast alles stimmte, was er gehört hatte. Nun heute würde er selbst sehen, was an diesem Mann dran war und was nicht. Fakt war, das nur zwanzig Sträflinge in seinen Torpedo gezwungen worden waren. Niemand sonst wollte unter ihm dienen. Auch würde Drakken an einer weiter entfernten Stelle der Station mit dem Entertorpedo andocken und so für die nötige Ablenkung und Verwirrung sorgen.
Ein weiter Piepton ertönte. „Also gut Jungs.“ Sergeant Greg richtet sich zu seiner vollen Größe auf und überragte nun auch locker Gorgos und Berglaf. Sein rechtes Augenimplantat leuchtete in der Dunkelheit grünlich. Es war auf Restlichtverstärkung eingestellt, wie Hendrix registrierte. „Macht eure Waffen scharf und stellt das Rauchen ein. Lunge leg endlich den verdammten Schleifstein weg, ich bin sicher deine Waffen sind jetzt scharf genug! Also, gleich werden wir auf die grüne Plage treffen, klar? Ich möchte, dass jeder von euch daran denkt, dass der Leutnant diese Station intakt entern möchte. Also zerstört nichts von der Einrichtung! Das gilt besonders für euch beide!“ Sein Blick fixierte Gorgos und Berglaf. „Alles andere, was grüne Haut hat, laut brüllt und stinkt wie ein verwesendes Stück Fleisch ist zum Abschuss frei gegeben. Keine Gefangenen, klar? Und gebt mir ein wenig acht auf unsere Gäste da hinten. Sie gehören zu uns und werden den Orks hoffentlich gehörig einheizen, oder?“ Seine rechte Pranke deutete auf die zehn Soldaten in hinteren Teil des Torpedos, die ihm gebannt gelauscht hatten. Korporal Vellows nickte kurz und aktivierte die Energiezelle des Melters in seiner Armbeuge. Ein ansteigendes Summen zeugte von der Einsatzbereitschaft der gefährlichen Waffe. Und als hätte er das Signal gegeben, war nun im ganzen Entertorpedo das Klicken und Scheppern von entsicherten Waffen zu hören. Greg nickte anerkennend und drehte sich wieder zum kleinen Bildschirm an der Decke um. Der Näherungssensor begann nun mit einem beständigen Pipen, dessen Abstände sich mehr und mehr verringerten, je näher der Torpedo dem Ziel kam. Bald wurde es zu einem nervtötenden Stakkato, bis ein massives Messer den Lautsprecher traf und dort stecken blieb. „Danke!“, sagten einige Männer und Berglaf langte nach oben um Lunge sein Messer wieder zu geben. Plötzlich ging ein Ruck durch den Torpedo. Die Orks hatten die Angreifer entdeckt und versuchten sie auszuschalten. „Ruhig Blut Jungs. Wann hat ein Ork schon einmal ein Scheunentor getroffen?“, fragte Korporal Vellows laut in die Runde. Jeder kannte diesen Witz über die schlechte Zielgenauigkeit der grünhäutigen Xenos. Hendrix fand Vellows nun eine Spur sympathischer. „Achtung Jungs! Es geht los! Zehn,...Neun,...Acht,...“, zählte Sergeant Greg runter. Hendrix spürte wie Adrenalin in sein Blut flutete und fasste sein Sturmgewehr fester. Lunge legte ihm von hinten beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Sieben,...Sechs,...Fünf,...Vier,...“ Vor ihm hob Kubert sein Schwert in die Höhe. Er würde damit heute etliche Kehlen aufschlitzen. „Drei,...Zwei,...“