Eine halbe Stunde später hatte er alle einsatzbereiten Männer um sich gescharrt und zog mit ihnen los, um die anderen Entertorpedos zu finden. Es war für ihn ungewohnt, die lange entbehrte Schwerkraft eines Planeten zu spüren aber auch irgendwie angenehm. Besonders die frische und ungefilterte Waldluft erfrischte ihn. Er hatte gar nicht geahnt, wie sehr er das vermisst hatte. Seinen Männern würde4 es genauso gehen. Nach Monaten in den metallenen Räumen eines Raumschiffs, war es geradezu aufputschend endlich mal wieder richtige Sonne auf der Haut zu spüren. Doch Ovalis fing sich schnell wieder. „So schön es hier auch ist, Leute. Es ist Feindesland. Irgendwo müssen auch die Grünhäute runtergekommen sein und werden sicherlich eine Stinkwut auf uns haben. Und wer weiß, was hier sonst noch alles in diesen Wäldern rumstrolcht? Also werdet nicht unvorsichtig sondern achtet auf euere Umgebung!“ Sein Appell brachte ihm einige schiefe Blicke ein aber alle Männer luden die Waffen durch und nahmen eine perfekte Marschformation ein. Jeder Ork der es jetzt wagen sollte, aus dem Dickicht zu springen, würde unweigerlich von Laserstrahlen zerschnitten werden.
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Die Rebellen hatten nicht mehr wirklich viel bergen können, was sich noch verwerten lies. Auch waren keine Toten oder Überlebenden der Explosion gefunden worden. Darum hatte Jules fast die Hälfte der Männer wieder zurück in die Basis geschickt, damit sie Bericht erstatten konnten. Er selbst plante mit einigen Suchtrupps die Wälder nach Spuren zu durchkämmen, die vielleicht auf imperiale Verbündete hinwiesen. Aber vielleicht war die Gelegenheit auch günstig, für einen Angriff auf eines der Orklager. Er konnte nicht genau sagen woher, aber er hatte das starke Gefühl, heute noch etwas Wichtiges zu erleben. Und wenn es dann soweit war, wollte er natürlich vorbereitet sein. Da er nun mit einer großen Truppe unterwegs war, würden sie die Waldbestien nicht zu fürchten brauchen. Er hatte vor, erst einmal in die Richtung eines der Orklager zu marschieren, um heraus zu finden, wie sie auf die Vernichtung ihrer Todes-Station reagierten.
Nachdem sie aus dem Wirkungsbereich der verstrahlten Trümmer waren, hatte ihn ein Funkspruch von der Basis erreicht, das man beobachtet hatte, wie sich ein Ork-Raumtransporter kurz vor der Zerstörung in Richtung Planetenoberfläche abgesetzt hatte. Diese Orks würden schwer angeschlagen sein und vielleicht leicht zu überwältigen, wenn es Jules gelänge, sie früh genug abzufangen, bevor sie Verstärkung aus einem der anderen Lager bekamen. Es wurde Zeit den Grünhäuten klar zu machen, dass eine neue Zeit angebrochen war. Die Menschen auf diesem Planeten würden nicht mehr länger tatenlos zusehen, wie sie von außerirdischen Sklaventreibern ausgebeutet wurden. Sie mussten von nun an in ständiger Angst vor neuen Angriffen gehalten werden. Jules wollte das Überraschungsmoment, das durch die Zerstörung der Ork-Raumstation entstanden war, solange wie möglich ausnutzen. Und auch wenn er noch keinen einzigen imperialen Soldaten auf dem Planeten gesehen hatte, so wollte er den Orks doch genau dies vorgaukeln. Mit fast allen verfügbaren schweren Waffen und der jahrelang gehorteten Munition würde er nun kämpfen, um seinen Bluff noch zu unterstützen. Vielleicht irrte er sich ja und alles war nur ein dummer Zufall. Aber wenn nicht, würde er heute die ersten Schritte zur Befreiung seiner Welt einleiten. Er wusste, dass es vielen seiner Männer genauso ging und schaute zurück in die Gesichter der Rebellen die ihn begleiteten. Er kannte jeden und würde für sie sein Leben opfern, genau wie sie es für ihn taten. Dann stutzte er. Dort war ein Gesicht, das nicht hierher gehörte. Es war der Junge, den man im Wald gefunden hatte. Probio hatte ihn die ganze Zeit über unauffällig beobachten lassen, als er in der Basis aufgenommen worden war, doch bisher hatte er sich nicht ungewöhnlich verhalten. Er war also kein Orkspion. Aber ganz sicher war sich Jules Probio nicht. Irgendetwas war ihm unheimlich an diesem Jungen und er wollte ihn nicht in seiner Nähe wissen. Nicht bei solch einem wichtigen Einsatz. Mit versteinertem Blick ging er auf den Jungen zu.
Dieser schien ihn fast sofort bemerkt zu haben und blieb stehen, als er den Mann, vor dem alle kuschten, auf sich zu kommen sah. Grun war die ganze Zeit nicht wirklich wohl dabei gewesen, als er sich aus der Basis geschmuggelt hatte. Doch die Gelegenheit war günstig gewesen. Wie selbstverständlich hatte er sich mit auf dem Laster geschwungen, als die schweren Munitionskisten verladen worden waren. Keiner hatte ihm gesagt, er solle weg bleiben oder sich davon machen. Im Gegenteil. Er hatte dabei geholfen, seltsame Trümmerstücke zu verladen, die wohl vom Himmel gefallen sein mussten. Dann waren viele der Rebellen in den Wald aufgebrochen und Grun hatte sich ihnen einfach angeschlossen. Vielleicht würden sie jetzt wieder einen der Überfälle auf die Orks durchführen und das wollte er auf keinen Fall verpassen. Wenn möglich würde er alles tun, um sie zu unterstützen, wenn es den elenden Sklaventreibern endlich an den Kragen ging. Wie lange hatte er davon geträumt, es den Orks endlich heimzuzahlen? Er wusste nicht mehr, wie viele Jahre er unter der Knute der Groben Invasoren gelebt hatte. Aber heute würde er endlich Gelegenheit bekommen, sich zu rächen. Seine Eltern zu rächen. Und wenn er überlebte, würde er nun an jedem Überfall teilnehmen, den die Rebellen auf die Orks durchführten. Doch nun schien sich sein Chance zur Rache in Luft aufzulösen, als der Rebellenanführer Jules Probio auf ihn zukam. In der wenigen Zeit, die er in den Höhlen der Rebellen gewesen war, hatte er schon viel von diesem Mann gehört. Er war ein Harter Mann, der nie lächelte und immer wütend zu sein schien. Jeder respektierte ihn und gehorchte seinem Befehl. Und auch Grun spürte wieder diese Aura aus Autorität und Führungsgewalt. Der Mann verursachte bei ihm sofort ein schlechtes Gewissen. Es war unheimlich aber Grun war wie gelähmt, als er den Blick von Probio auf sich spürte.
„Was machst du hier?“, fauchte Probio den Jungen an. Wie hatte es der schmächtige Kerl bloß geschafft, sich aus den Höhlen zu stehlen? Am liebsten hätte er ihn sofort zurück geschickt, doch dazu war es jetzt schon zu spät. Die meisten Transporter waren schon längst wieder auf den Weg zur Rebellenbasis und die wenigen noch zurück gebliebenen waren bis obenhin mit geborgenen Trümmern und Personal beladen. Alle andern Rebellen hatte er schon in Trupps eingeteilt und losgeschickt. Nur seine Gruppe war noch fast bis zu letzt geblieben. Er hatte den Jungen an der Backe.
„Ich will gegen die Orks kämpfen!“, antwortete Grun bissig. Er hatte all seinen Mut zusammen genommen, um dem Rebellenführer diese sechs Worte entgegen zu schleudern. Er wollte sich auf keinen Fall abwimmeln lassen.
Probio schaute einen Augenblick lang verdutzt in das entschlossene Gesicht des Jungen bevor er sich wieder im Griff hatte und seine übliche Miene der Autorität aufsetzte. „Was kannst du schon dazu beitragen? Wir müssen uns nicht noch zusätzlich mit einem schwachen Jungen belasten. Die Wälder sind so schon gefährlich genug! Du bist nur Ballast für uns!“ Mit jedem Satz, den Probio dem Jungen entgegen stellte, schien dieser ein Stück kleiner zu werden. Dann herrschte einige Sekunden Stille zwischen den Beiden, während Grun fieberhaft über die Worte seines Gegenübers nachdachte.
„Und wer von ihren Männern kennt sich in den Lagern aus? Wer kann ihnen zeigen, wo die Orks nicht so genau hinschauen? Wer weiß, wo sie meistens ihre Waffen und Treibstoffvorräte lagern? Wer könnte sich für sie in eines der Lager schleichen ohne sofort aufzufallen?“ Die letzten Worte hatten immer verzweifelter geklungen. Wollte denn dieser Probio nicht einsehen, wie wertvoll Grun für die Rebellen sein konnte? Auch ohne Waffe in der Hand würde der ehemalige Orksklave alles tun, um den Grünhäuten zu schaden. Und wenn es sein musste, würde sich Grun auf eigene Faust auf den Weg machen. Diesmal hatte er bessere Kleidung und sogar einige Vorräte in einem Rucksack. Wenn er sich unauffällig hinter den Rebellen hielt, würden sie ihn schon zu einem der Orklager führen.
Vielleicht konnte Probio Gedanken lesen oder er hatte die echte Entschlossenheit hinter Gruns Worten in dessen Augen erkannt. Jedenfalls wandte sich der Mann um und schritt davon. Nach einigen Metern drehte er sich aber noch einmal um. „Na gut. Aber steh uns nicht im Weg rum und halte dich im Hintergrund wenn es gefährlich wird. Ich kann keinen der Männer der entbehren, nur um für dich das Kindermädchen zu spielen.“
Gruns Herz tat einen Sprung und mit neu erwachter Energie folgte er dem Rebellenanführer.