@Megalon, danke für den Hinweis, mein Beitrag (
https://www.gw-fanworld.net/threads...an-iii-nach-terra.160682/page-10#post-3349873) passt hier vermutlich besser rein.
jetzt da ich noch einmal darüber nachdenke, kann ich die Gedanken eher prägnant ausdrücken:
ich vermute die Firmenpolitik von GW bewegte sich von einer Zielgruppe zu einer anderen Zielgruppe. Die Produktreihe Horus Heresy bediente eher die Mentalität der Zielgruppe, welche zu Beginn der meisten Szenen stehen. Diese ist begrenzt und
nicht als Masse zu verstehen.
Unter
Masse verstehe ich im Sinne von Elias Canettie (Masse und Macht), Gutave le Bon (Die Psychologie der Massen) und Ortega ye Gasset (Der Aufstand der Massen), ein gemeinsames Merkmal des Menschen. In der Masse, bzw. ein wenentliches Merkmal eines Massenmenschen ist seine Massigkeit, im Sinne einer Trägheit und emotionalen Erregbarkeit. Politische und wirtschaftliche Bewegungen verstehen es im 20/21 Jahrhundert Menschen als Massenmenschen zu aktivieren. so auch eine Firma wie GW. Nur dass diese zu Beginn ihrer Marktetablierung sich nicht an Massenmenschen wandte, sondern an Überschussmenschen, welche für Ihre geistige und kreative Individualität ausdrückbare Formen suchen. Diese sind als Zielgruppe aber nur begrenzt nutzbar, da jene Menschen eher vereinzelt, denn als Masse, auftreten.
Die Firma GW, als wachsende Firma und schließlich als Aktiengesellschaft reiht sich nur in das die Forderung nach Kapitalakkumulation ein (Gewinnmaximierung) und richtet verstärkt die Firmenaktivitäten auf die Kundengruppe der Massenmenschen aus. Legitim und nachvollziehbar. Konkret befürchte ich, durch den neuen Release der H.H. Produkte einen Schritt auf die Bedürfnisse des vermassten Menschen aus. Eben eines Menschen, dem eine gewisse Trägheit eigen ist (ja, eine große Trägheit liegt im Kaufen des Angeboten).
Daher habe ich ein wenig die Sorge, dass
- die Komplexität der Regeln sinkt
- einfache kindliche Prinzipien für marktkonformes Verhalten aktiviert werden (ich schieße alles mit allem kaputt, mein neues Modell ist besser als Dein altes Modell...)
- die Anzahl derjenigen Menschen steigt, deren Kaufverhalten emotional gesteuert wird
- sinkende Kreativität vs. markterwünschtem Handeln (Kaufen der neuen Produkte) weiter ausmäandert
Na ja und noch etwas grundlegender finden sich diese Gedanken in dem an anderer Stelle bereits geposteten Text
In meinem BWL Studium begegnete mir der sogenannte Produktlebenszyklus. Vereinfacht gesagt, besteht bei jedem Produkt, bei der Einführung des Produktes auf den Markt ein Risiko, dass das Produkt nicht von den Marktteilnehmern angenommen wird. Wird dieses Risiko erfolgreich überwunden, greifen die Kunden das Produkt auf und Stück für Stück kann man die Produktionsmenge erhöhen. Irgendwann ist jedoch der Markt gesättigt und man muss neue Eigenschaften, bzw. Verbesserungen mit dem Produkt verbinden um dieses wieder für den Markt mal attraktiver zu machen.
In einer ähnlichen Form begegnete mir dieser Zyklus im Soziologiestudium. Hier erfasst man die Etablierung eines neuen Trennendes zu Beginn der Etablierung als gesellschaftliches Risiko. Diejenigen Akteure, die sich mit dem neuen Trend die Defizite identifizieren gehen auf der einen Seite das Risiko der mangelnden Akzeptanz oder Blamage ein, auf der anderen Seite ergibt sich hier eine Chance sich besonders positiv hervorzuheben. Jene Akteure die dieses Risiko eingehen bezeichnet man gerne als Pioniere. Wenn die Pioniere innerhalb einer Szene einen Trend etablieren, so erhalten Sie Zulauf von sogenannten Mitwirkenden. Diese Mitwirkenden sind zumeist enthusiastisch und hochmotiviert. im Zusammentreffen der risikofreudigen Pioniere und der enthusiastischen und hochmotivierten Mitwirkenden wird zumeist ein neuer Trend/ eine neue Szene auf. An diesem Aufblühen möchten nun „Herr und Frau Jedermann" teilhaben. Anders ausgedrückt, „Herr und Frau Jedermann" möchten als erfolgreicher Pioniere oder Mitwirkender wahrgenommen werden, denn diese handeln erfolgreich in der blühenden neuen Szene/Trend. Dort wo Pioniere und Mitwirkenden durch einen Einsatz von Kreativität und Können generisch wirken, greift die Kommerzialisierung der Szene/des Trends ein. In anderen Worten, es entsteht ein Feld, in dem Akteure die Teilhabe an der Szene/Trend immer stärker verkaufen. Die Teilhabe durch Kauf zeichnet sich dadurch aus, dass der Käufer sich weniger durch den Einsatz von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgreich in der Szene etabliert, sondern durch den Kauf und den Konsum von Produkten.
Hierzu gesellt sich eine dritte Überlegung. Je geringer der Anspruch an ein Produkt ist, desto höher die Zugänglichkeit für potentielle Käufer.
Wie passt das jetzt mit der Horus Heres zusammen?
Das Spielen von SF und Fantasy Games war war vor 20 Jahren durchaus mit sozialen Risiken verbunden. Man musste sich gegen die Vorurteile und Ressentiment von Klassenkameraden und Freunden durchsetzen. Da dieses Hobby nicht sehr stark verbreitet war, konnte man auch an anderen Hobbyteilnehmern nicht so gut andocken. Gewissermaßen müsste man als Pionier stark überzeugen, warum dieses Hobby ein gutes und schönes Hobby ist. So konnten Pioniere Mitwirkende aktivieren. Gleiches galt für die Firma Games Workshop (oder Wizzards of the ???, Fanpro, Feder und Schwert...).
Irgendwann irgendwann ist dann das Hobby so stark etabliert, dass das soziale Risiko geringer wird sich zu blamieren. schließlich spielen immer mehr Menschen in diesem Hobby mit Figuren, bzw. basteln und Malen fleißig. Hier greift dann die Kommerzialisierung, da immer mehr Menschen dieses Hobby ausüben möchten. Mit der Kommerzialisierung steigt die Produktpalette und infolgedessen sind die Anforderungen an das Hobby. Der Kauf ersetzt mehr und mehr das Setting von Kreativität und Fertigkeit. Gleichzeitig sinken kontinuierlich die Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten, denn dies hebt die Anzahl der potentiellen Käufer. Stichwort Contrastfarben/Regeln... Auf der einen Seite führt dies dazu, dass ein Hobby sich weiter weitaus prägt, auf der anderen Seite führt es jedoch auch dazu des immer mehr Menschen in das Hobby hineinströmen, deren Potenziale er auf dem Niveau des „kaufen Könnens“ zu finden sind, statt des Niveaus des „aneignen, verstehen und handeln Könnens“. Dies verorte ich schon im Hobby. Die Horus Heresy Produktreihe hat sich dagegen schon ein wenig abgegrenzt, als Elemente der Abgrenzung möchte ich folgende Stichworte nennen: Komplexität des Regelwerks, der Kampagnenbücher und des Fluffs. Gerade durch das Nichtvorhandensein von deutschen Übersetzungen. Der Mensch, der eher den Typen des Pioniers oder des Mitwirkenden verkörpert, liest eher ein paar 100 Seiten einer Fremdsprache und prägt sich umfangreiches Regelmaterial ein. Der Mensch, der er den Typen des „Herrn vor Jedermann“ entspricht, versucht durch Kaufverhalten an dem Verhalten von Pionieren und Mitwirkenden teilzuhaben.
Warhammer Fantasy und Warhammer 40.000 wurden in ihrer Komplexität massiv reduziert und immer mehr massenkompatibel generiert. Letztlich an ein einfach strukturiertes menschliches Verhalten angepasst: Mit dem Vorteil X bin ich besser als Du mit Deinem Vorteil Y. Wenn ich mit A auf B schließe, dann geht es kaputt. Wenn ich das neueste konsumieren (Kodex, Armee...), dann bin ich potenziell besser als Du, denn das Neueste ist das Beste.
o. k. ich weiß, kommt die Kritik: das ist elitäres Gequatsche von alten Männer. Früher war alles besser... Aber diese Gedanken sind stark in mir vorhanden und bestätigten sich durch ein jahrelanges Erleben. Klar gibt es Ausnahmen! Durch ein Anwachsen der Anzahl jener die Analogie teilnehmen, werden Ausnahmen auch zu einer größeren Anzahl von Menschen die das Hobby ausüben.
An dieser Stelle möchte ich mich klar verorten: ich möchte mit Menschen spielen, die sich durch das auszeichnen, was ich dem Typ des Pioniers und dem Typ des Mitwirkenden attestiert habe. Ich möchte in meiner Freizeit weitgehend nicht mit "Herr und Frau Jedermann" meine Zeit verbringen. "Herr und Frau Jedermann" konsumieren in unserer heutigen Gesellschaft hauptsächlich Produkte ohne diese mit ihren eigenen Sein zu verbinden zu verknüpfen. Hier möchte ich kurz auf Hegel/Humbold... verweisen für die der Mensch in einem aktiven Schaffen und Werden zu finden ist. Etwas zu kaufen, um ein Schaffen und Werden vorzutäuschen, ist ein bloßes Haben. Interessante Gedanken hierzu findet sich in dem Werk von Erich Fromm „Haben oder Sein“.
In ganz einfachen Worten ausgedrückt, ich befürchte, dass der Relaunch der Horus Heresy, eher eine Vermassung und Kundenabschöpfung abzielt, statt das es die Möglichkeit gibt ein weiches und komplexes Hobby zu ermöglichen. in den Worten von Erich Fromm, eher Haben als Sein, bzw. meine Sorge besteht darin, dass man einfacher kaufen, einfacher spielen und einfacher gestalten können wird.
Eigendlich war ich früher sehr froh, dass ich in diesem Hobby in einer hohen Dichte kluge und kreative, angenehm freakige Menschen gefunden habe, deren Weltzugang nicht nur dann stehen bleibt und man gemeinsam eine angenehme Zeit verbringen kann. Mich sorgt über die zunehmende Kodifizierung und Kommerzialisierung des Hobbys, dass der Anteil jener Menschen eher massiv sinken wird.
Vielleicht noch eine Bemerkung: seit Jahren steigt der Anteil derer, die sagen das ist so (steht so in den Regeln!) gegenüber jenem Anteil derer die sagen, das kann man so oder so sehen. Aus den bislang geschriebenen, ist wohl erkennbar, welche Menschen mir in meiner Freizeit willkommener sind als die Anderen. Eine klare Homage an die gestalterische Möglichkeiten des Hobbys.
P.S.
Wer nun brüskiert oder sich provoziert fühlt, der möge nicht mit mir spielen. Wer nun aber neugierig oder sich in seinem Unbehagen bestätigt fühlt, der sei herzlich eingeladen auf schöne Hobbytage.