Huch, ein tolles Thema um sich gegenseitig totzudiskutieren ^_^
Nu kommt von mir ziemlich viel Blabla um das ganze Thema, aber ohne Relativierung und ohne viele verwandte Bereiche anzuschneiden kommt man nicht durch.
Also, zu erwarten waren dabei ja die dummen Kommentare von wegen "Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg" - hab ich bis vor nem Jahr oder so ja genauso gemacht ^_^ (evtl bin ich sogar noch in ner StudiVz-Gruppe, die so heißt, aber dazu müsst ich ja nu nachgucken ^^).
Mittlerweile bin ich aber recht kritisch gegenüber sehr vielem geworden was mit Konsum und Industrie allgemein zu tun hat, aus ökologischen und ethischen Gründen. Ich will da gar nicht zu weit ausholen, sondern meine Haltung mal so zusammenfassen: "Eigentlich müsste man" das meiste was mit Konsum zusammenhängt ablehnen, aber das führt dazu, dass man sich in die Isolation und/oder in den Wahnsinn treibt. Daher denke ich, dass jeder sich 1W3 Lebensbereiche (z.B. Nahrung, Fortbewegung, Wohnen, Kleidung, Urlaub) aussuchen sollte in denen er stark auf hohe Qualität und ethische Maßstäbe achtet. Bei mir ist das eben unter anderem die Ernährung, weshalb ich mir darüber einigermaßen viele Gedanken mache.
Der Fleischkonsum in den Industriestaaten ist so hoch, dass es nicht mehr feierlich ist. Das führt zum einen zu ökologischen und sozialen Problemen, zum anderen zu Massentierhaltung. Und auch wenn es sich stereotyp anhört, gerade die Massentierhaltung kann ich einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, also esse ich solches Fleisch nicht mehr. Da 98% der Fleischproduktion aber aus Massentierhaltung kommen bedeutet das: Wenn ich keine Information darüber hab wo das Fleisch herkommt, ess ich es nicht. Wenn es nicht aus Massentierhaltung kommt, steht das dabei und ist am Preis erkennbar. Und in der empirisch erlernten Konsequenz: Wenn ich Fleisch essen will, koche/brate/grille ich selbst oder lass mich von Mama bekochen
😉 (das muss dann nicht zwangsläufig Bio sein, aber vereinfacht gesagt isses das)
Blöderweise ergeben sich daraus ein Widerspruch und eine Inkonsequenz. Widersprüchlich ist, dass ich dadurch oftmals auf Milchprodukte umsteigen muss, ich also davon spürbar mehr mampfe. Das ist uncool, denn unabhängig von der Qualität sind Milchprodukte nicht sooo viel besser, denn nicht nur eine menschliche Frau "gibt Milch" nur nach der Schwangerschaft - bei Tieren ist das nicht anders und dadurch werden viele Kälber nach der Geburt gleich mal geschlachtet weil man die ja gar nicht braucht. Den Effekt will ich ja eigentlich nicht noch verstärken, denn vom ethischen Standpunkt gewinne ich nicht übermäßig viel.
Inkonsequent ist es sozusagen in einer Gesellschaft zu leben in der ich eine Minderheitenmeinung vertrete. Die Firma in der ich arbeite sitzt in nem Gewerbegebiet in dem ich nicht sonderlich viel Essensauswahl zur Mittagspause hab (hab ja auch kein Auto *hust*), und ich will ja aus sozialen Gründen auch mit den Kollegen gehen, also gehts meistens in Kantinen in der Umgebung wo ich dann vegetarisch esse. Vegetarisch heißt in 99% aller Fälle nicht vegan, also esse ich halt "böse" Eier und Käse weil es sich nach Abwägung von Vor- und Nachteilen nicht anders machen lässt.
Ganz korrekt hab ich mich noch nicht ausgedrückt, denn zur Massentierhaltung zähle ich untrennbar die industrielle Verarbeitung dazu. Es ist einfach unwürdig wenn die Viecher in Sekundenschnelle zerlegt werden und danach kommt auch schon das nächste und immer so weiter, und das Tier ist dort eben reine Ware wie ein Sack Kartoffeln (wer mal gesehen hat wie insbesondere Geflügelvieh behandelt wird, kann mir da vll zustimmen). Da die Überspitzung sowieso kommen wird: Nein, ich will keine Bauern-Romantik, wo das einzelne Tier liebevoll totgestreichelt wird. Aber es gibt ja auch ein verträgliches Mittelmaß.
Wenn man als Ziel hätte, den gesamten deutschen Fleischkonsum mit heimischem (Bio-)Futtermittel auf Bio-Niveau zu decken, müsste dieser Konsum um 70% sinken. Ich denke das ist im Wesentlichen ein erstrebenswertes Ziel (Disclaimer: Nicht durch Zwang von oben sondern durch eine freiwillige Einstellungsänderung in der Bevölkerung). Ich selbst bin von fast täglichem totem Tier auf grob einmal alle 2 Wochen, also etwa um 90% runter und kann nicht sagen, dass ich allzuviel vermisse, obwohl ich an sich sehr gerne Fleisch mampfe. Die wesentliche Einschränkung ist, dass praktisch sämtliche Fressbuden auf totes Tier ausgerichtet sind; Portionsgrößen von vegetarischen Gerichten sind oft an Frauen ausgerichtet, die sowieso nix essen, und Tomate-Mozzarella als Standard-Verlegenheits-Vegetarier-Essen kann ich solangsam nicht mehr sehen
😉
Ich will mich da aber gar nicht als Maßstab anlegen, sondern nur ausdrücken, dass ich das für durchaus machbar halte ohne dass das Abendland untergeht. Diesen Artikel find ich dazu gar nicht schlecht:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-01/fleischkonsum-sonntagsbraten
Wo ich hier schon Zeug wie "wir sind Allesfresser, da hat die Evolution bestimmt was dabei gedacht" lese: Ja, wir können alles essen. Aber müssen wir das auch? Und in beliebigen Mengen? Und hat sich die Evolution nicht vielleicht auch was dabei gedacht als sie uns Verstand und Gewissen mitgegeben hat mit denen wir erkennen können, dass wir uns so selbst und unserer Welt schaden? Mit der Evolution lässt sich alles begründen, also halte ich das Argument einfach für Unsinn. Wer vegan lebt muss sehr durchdacht essen und insbesondere Frauen bekommen dann gerne mal Probleme mit der Eisenversorgung, aber gegen eine großteils vegetarische Ernährung hat die Evolution bestimmt nichts einzuwenden.
Fisch ess ich btw auch praktisch nie, aus 2 Gründen: Entweder er kommt aus Aquakulturen, die ebenfalls vielfach unwürdig/ökologisch fragwürdig sind (Antibiotika, Zerstören des Meeresbodens, teils lebensgefährliche Arbeitsbedingungen, insbesondere in Südamerika). Oder er wird aus dem Meer gefischt, und mittlerweile sind die meisten essbaren Fischarten an der Schwelle ausgerottet zu werden.
Noch ein Disclaimer: Ich kann mir einen gewissen Luxus finanziell leisten und weiß, dass das auch anders aussehen kann. Dann geht natürlich vor, sich und seine Familie überhaupt versorgt zu bekommen. Aber insgesamt wird dieses Argument gerne überstrapaziert. Der prozentuale Anteil der Ernährung an den Gesamtausgaben ist im Bevölkerungsdurchschnitt in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Stark gestiegen sind z.B. Ausgaben für Unterhaltungselektronik - ich kann es nicht objektiv beurteilen, aber subjektiv bin ich der Ansicht, dass viele mittlerweile einfach erwarten, dass sie mehrmals im Jahr in Urlaub fahren können oder sich dicke Fernseher und sonstigen Kram kaufen können, und im Gegenzug eher "freiwillig" an der Ernährung sparen. Aber das wär schon wieder ein eigenes Thema ^_^
Ich könnt in die Richtung noch nen ganzen Roman schreiben (Stichworte Schwächen der Bio-Verordnung, Gentechnik, Regenwaldabholzung für den Futtermittelanbau, Überzüchtung von Nutzvieh, systembedingte Lebensmittelskandale, industrielle Nahrungsherstellung allgemein vs. bäuerliche Landwirtschaft, was tun wenn man zum Essen eingeladen wird oder mit der anders denkenden Freundin zusammenzieht, usw.), aber ich glaub nu hör ich besser langsam mal auf :lol:
edit: Nachdem ich hier so viel Platz vollschreiben muss um meine Meinung auszudrücken, hab ich natürlich auch für keine der beiden Möglichkeiten gestimmt ^_^