Lilith wachte langsam aus einem Zustand zwischen Schlaf und Meditation auf. Auf einer roten
Samtwiese in den schillernden Gärten des Palasts, streckte sie ihren zarten Körper. Sie blieb noch eine
Weile liegen und starrte gebannt auf die seltsamen Gebilde am lila Nachthimmel. Zeit hatte im Reich
des Slaanesh keine Bedeutung.
Als sie sich sattgesehen hatte am wunderbaren Tanz der Himmelskörper ließ die junge Dämonin ihre
Essenz treiben, so flog sie sanft durch Wolken und farbenprächtige Regenbogen, bis sie andernorts
einen noch schöneren Palast gefunden hatte. Entfernung war im Reich des Slaanesh ohne Belang.
Hier wollte Lilith ihre unstillbare Gier nach neuen Emotionen austoben. Sie landete wie so behutsam
ein Schmetterling auf einem Grashalm und betrachtete die Szenerie. Ihre dämonischen Schwingen
verschwanden wie durch Zauberhand im Nichts, als sie durch den großen offenen Saal schritt. Ringsum
waren Säulen in reinem Weiß, die sich nach oben hin zu schlängeln begannen und in perfekten Formen
miteinander verschmolzen. Überall im Tempel wurden allen nur erdenklichen Freuden nachgegangen.
Ein niemals endendes Fest zu ehren ihres Gottes, Vaters, Geliebten und Gebieter Slaanesh. Lilith hatte
ihren Meister noch nie selbst zu Gesicht bekommen, doch sie hatte bereits von anderen Dämoninnen
gehört, welch unbeschreibliches Vergnügen es sei. Die Dämonin lächelte verloren, beim Gedanken daran.
"Lilith, meine Schöne, geselle dich zu uns. Wo warst du denn schon wieder? Du verpasst das Freudenfest!"
Die Stimme des Wesens war Gesang und süßlicher Duft zugleich.
"Ich träumte, Manduru." entgegnete Lilith, deren Stimme ebenso melodisch durch die Luft glitt.
"Du träumst immer von den Sterblichen, Lilith. Nicht wahr? Was können sie dir schon geben. Sieh' dich hier
um, du bekommst alles, was du dir je vorstellen kannst in unserem Reich. Legibus soltus. Vergiss die Sterblichen."
in Mandurus Stimme schlich etwas bezaubernd bedrohliches mit. Lilith wusste, dass sie sich nicht mit einer
Ranghöheren Dienerin ihres Meisters anlegen durfte.
"Naja." zögerte sie. "Ich denke sie könnten Antworten auf meinen Ursprung haben."
"Das ist Unsinn, mein Kind. Du wirst hier mit uns tanzen und feiern." Mandurus Worte schnitten nun scharf
und klangvoll durch die Luft. Rundherum wurde es für einen kurzen Moment totenstill. Alle erstarrten.
Alle Augen ruhten auf Lilith.
Die eingeschüchterte Dämonin ergab sich dem Drang ihrer Schwestern und füllte die Leere mit einem
engelsgleichen Gesang zu dem sie schleichend einen Tanz begann. Das Fest ging weiter. Eine Ewigkeit
lang tanze Lilith versunken in ihren Träumen, gab sich ihren dämonischen Schwestern hin und lauschte
in Trance der Musik im Wind.
Lilith erwachte aus ihrem sinnlichen Halbschlaf zwischen hunderten sich räkelnden Dämoninnen. Ein
Gedanke quälte sie. Ein Gedanke, der sie das groteske doch anmutende Liebesspiel umsie herum
vergessen und langsam aufstehen ließ. Der Duft von Rosenblättern stieg ihr langsam in die Nase und
verband sich vor ihrem geistigen Auge zu einem Bild. Es war das Bild einer jungen Sterblichen mit rotem
Haar. Lilith erschauderte kurz. Für eine Dämonin aus dem Reich des Slaanesh war jede noch so schöne
sterbliche Frau ein Dorn im Auge. Zu unvollkommen, zu fehlerhaft und voller Makel für eine Dienerin des
unsterblich Perfekten. Und doch hielt Lilith an ihrem Gedanken an dieses Bild fest. Da war etwas, dass sie
noch nicht begreifen konnte. Für Lilith stand fest, sie musste diese Frau finden.
Schweben. Gleiten. Fliegen. Lilith wusste nicht, wie sie in das Reich der Sterblichen gelangen konnte. Ihre
Essenz glitt abermals durch Slaaneshs Reich. Diesmal jedoch war die Dämonin eifrig auf der Suche nach
einer Möglichkeit, einem Weg oder Pfad. Sie sah tausend Dinge an ihr vorbeiziehen. Eine Verlockung
Slaaneshs nach der Anderen. Feier, Musik, und Festmähler überall, doch Lilith wollte keine Pause einlegen.
Ihr Drang wuchs schnell und stach tief in ihr. Sie musste diese Frau finden.
Endlich! Lilith wusste nicht woher es kam. Wie lange war sie unterwegs? Zeit gab es nicht im Reich des
Slaanesh. Sie fühlte ein seltsames Gebilde am Himmel und spürte zugleich, dass die Zeit gekommen war.
Mit kräftigem Flügelschlag steuerte sie auf den Schimmer zu. Gleich war es soweit.
Plötzlich donnerte ein Geräusch wie bei einer rießigen Explosion in Liliths Gehör. "Nein. Niemand wird mich
aufhalten." dachte Lilith und raste weiter auf das funkelnde Ereignis zu.
Noch ein Donnerschlag.
Und noch einer.
Wie das hämmern einer riesigen Uhr, mit aller Macht und stetig die Zeit mehr ermahnend dröhnte es durch
die Wolken. Immer lauter schmetterten die Uhrenschläge durch die Luft, bis Lilith es fast nicht mehr ertragen
konnte. Ihr Schicksal lag direkt vor ihr und Aufgeben war keine Option. Mit aller Kraft schlug sie mit ihren Flügen.
Beim vierzehnten Donnerhallen erreichte sie ihr Ziel.
Leere.
Die Augen der schönen Dämonin blinzelten bis sich langsam ein Bild vor ihr auftat. Sie stand in einem
seltsamen Garten. Wo sie auch hinsah fühlte sie Unvollkommenheit bis es sie schauderte. Vor ihr erkannte
sie ein junges Mädchen mit rotem Haar.
"Du..." zischend und melodisch verzerrt klirrte ihre Stimme.
Die junge Frau wurde totenbleich und brach in Panik aus. Mit weit aufgerissenen Augen schrie sie aus Leibeskräften.
Lilith war von dem abstoßenden Gekreische so hasserfüllt wie noch nie und rammte ihr blitzschnell eine
scharfe Klaue in den Bauch. Zu unerträglich war die klanglose Stimme der Sterblichen.
Was war das?! Dieser Geruch. "Die Farbe der Rosen..." dachte Lilith und sah sich um. Sie blickte auf die
Bengalien im Blumenbeet. Ihr Blick glitt zurück zu der blutüberströmten Frau in ihren Armen. Die Augen der
Sterblichen waren immer noch vor Schreck geweitet, bis sie schließlich ein letztes blutiges röcheln von sich
gab. Lilith versank im sterbenden Anglitz der Frau. "Ich?..."
"Geh nachsehen du Idiot, Na los!"
Drei Männer kamen durch die Gartentür gestürmt und erstarrten beim Anblick der Szene vor ihnen.
Langsam drehte sich Lilith um während sie mit spitzer Zunge das Blut auf ihrem Finger kostete.
Sie lächelte.
Ein kichern entfuhr ihr.
"Ich denke wir haben eine Rechnung zu begleichen." erklang ihre engelsgleiche Stimme,
während sie laut lachend auf die Männer zuging.