Randnoten zum Thema PID:
Die juristisch interessante Frage hierbei ist, welche Art von "Menschenwürde" einem Embryo zukommt, wann dieser als Individuum gilt und ob die potentiale Menschbildung ähnlichen Schutzmaßnahmen unterliegt.
Zunächst einmal gelten für unbefruchtete Eizellen und Spermien vor der Befruchtung keine vom Grundrecht zugesicherten Rechte, die grundlegende Potentialität wird also nicht für schützenswürdig erachtet. PID-Gegner bringen nun vor, dass diese Konstellation nicht mit der Kernverschmelzung vergleichbar sei, die dann eine Kontinuität und Reifung menschlichen Lebens vorbringt. Allein: in den ersten beiden Wochen der Kernverschmelzung ist keine Individuation zu erwarten, eine Mehrlingsbildung ist möglich. Erst die Nidation reift ein vollständig individuiertes Lebewesen heraus, für das im Sinne des Grundgesetzes auch Rechte beansprucht werden können. Die pränidative Phase bringt zweifellos ein gattungsspezifisches menschliches Leben voran, aber kein sich individuierendes menschliches Leben resp. Wesen.
Das aber anzuführen ist relevant: wer jegliche Potentialität des menschlichen Wesens für schützenswert erachtet, muss es für die o.g. unbefruchteten Eizellen auch tun (und es ist durchaus unüblich, unbefruchteten Eizellen oder Spermien in diesem Stadium den vollwerten Status eines Grundrechts zuzuschreiben), wer allerdings im tradierten Sinne individuelles Leben mit Rechten versieht, wird die pränidative Phase aus biologischen Fakten nicht relevant erklären können. Abgesehen davon: bei der natürlichen Zeugung einer Frau wandern gleichsam zwei Drittel der befruchteten Eizellen im Zuge der Monatsblutung ab, nur ein Drittel nistet sich in der Gebärmutterschleimhaut ein. Das machte eine jede Frau unwillentlich zu einem Akteur gegen das Menschenrecht, immerhin hätte jede dieser Eizellen grundrechtlichen Belang.
Ferner fällt es bei gebührender Betrachtung der Graduierung menschlichen Lebens schwer, die klaren Grenzen zu ziehen, die dafür nötig wären, ganz im Sinne des altgriechischen Sandhaufenparadoxons (das wievielte Sandkorn gibt den Ausschlag dafür, dass wir von einem Sandhaufen sprechen und nicht nur von einer Ansammlung des Sandes?): Es ist selbstredend sehr wohl möglich, einen Fötus in der 16. von einem Fötus in der 24. Schwangerschaftswoche phänotypisch zu unterscheiden, einen angenommenen Zeitpunkt, ab wann ihm allerdings ein gesondertes Menschwerdungsattribut zusteht, wird derzeit keiner hinreichend beantworten können. Diese Ausführung ist für dezidierte Standpunkte womöglich nicht ganz so relevant, sollte aber auch noch Denkanstoß geben, die menschliche Individuierung nicht allzu dogmatisch aufzufassen.
Eines allerdings ist klar: die Zulassung der PID stellt eine Zäsur zum bisherigen Recht dar, wenn es historisiert als Kontinuum aufgenommen wird. Die zweite Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht zur Abtreibung im Jahr 1993 spricht der "Leibesfrucht" ein Recht auf grundgesetzlichen Schutz i.S. der Menschenwürde zu, unter anderem hergeleitet aus dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (!). Da allerdings, wie wir wissen, die Pränataldiagnostik und die Abtreibung rechtens sind, ist es zweifelhaft, ob die juridische Stringenz sich dann auf die PID erstrecken kann oder sollte. Selektionsvorwürfe als moralische Größe sind bislang keine rechtliche Größe und nicht anzubringen, es bleibt also nur das kodifizerte Recht nach GG Artikel 1 Absatz 1 sowie GG Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 - mit, wie wir gesehen haben, zumindest zweifelhaftem Anwendungscharakter in Bezug auf die Einzigartigkeit des heranreifenden Lebens. Für mich ist die PID weder ein Bruch mit der bisherigen Rechtssprechung noch ethisch verwerflich - es wird nicht gegen den verbrieften Schutz individuellen Lebens verstoßen, Selektionsvorwürfe sind insoweit weltfremd, als es heute überhaupt nicht möglich ist, komplexe genetische Merkmale wie Körpergröße, Haarfarbe und Intelligenz zu beeinflussen, einigermaßen zynisch, als Eltern beschuldigt werden, die ein sehr aufwendiges und für die Mutter unangenehmes Verfahren auf sich nehmen, Selektion zu betreiben, wie auch belanglos, da sie juristisch nicht behandelt werden können.
Meines Wissens ist die evangelische Kirche in der Frage aber gespalten, jedenfalls gibt es keine offizielle Stellungnahme zu dem Thema - es gibt durchaus klerikale Kräfte, die positiv oder zumindest neutral dem Topos gegenüberstehen, bei den Katholiken freilich sieht's anders aus.
Die juristisch interessante Frage hierbei ist, welche Art von "Menschenwürde" einem Embryo zukommt, wann dieser als Individuum gilt und ob die potentiale Menschbildung ähnlichen Schutzmaßnahmen unterliegt.
Zunächst einmal gelten für unbefruchtete Eizellen und Spermien vor der Befruchtung keine vom Grundrecht zugesicherten Rechte, die grundlegende Potentialität wird also nicht für schützenswürdig erachtet. PID-Gegner bringen nun vor, dass diese Konstellation nicht mit der Kernverschmelzung vergleichbar sei, die dann eine Kontinuität und Reifung menschlichen Lebens vorbringt. Allein: in den ersten beiden Wochen der Kernverschmelzung ist keine Individuation zu erwarten, eine Mehrlingsbildung ist möglich. Erst die Nidation reift ein vollständig individuiertes Lebewesen heraus, für das im Sinne des Grundgesetzes auch Rechte beansprucht werden können. Die pränidative Phase bringt zweifellos ein gattungsspezifisches menschliches Leben voran, aber kein sich individuierendes menschliches Leben resp. Wesen.
Das aber anzuführen ist relevant: wer jegliche Potentialität des menschlichen Wesens für schützenswert erachtet, muss es für die o.g. unbefruchteten Eizellen auch tun (und es ist durchaus unüblich, unbefruchteten Eizellen oder Spermien in diesem Stadium den vollwerten Status eines Grundrechts zuzuschreiben), wer allerdings im tradierten Sinne individuelles Leben mit Rechten versieht, wird die pränidative Phase aus biologischen Fakten nicht relevant erklären können. Abgesehen davon: bei der natürlichen Zeugung einer Frau wandern gleichsam zwei Drittel der befruchteten Eizellen im Zuge der Monatsblutung ab, nur ein Drittel nistet sich in der Gebärmutterschleimhaut ein. Das machte eine jede Frau unwillentlich zu einem Akteur gegen das Menschenrecht, immerhin hätte jede dieser Eizellen grundrechtlichen Belang.
Ferner fällt es bei gebührender Betrachtung der Graduierung menschlichen Lebens schwer, die klaren Grenzen zu ziehen, die dafür nötig wären, ganz im Sinne des altgriechischen Sandhaufenparadoxons (das wievielte Sandkorn gibt den Ausschlag dafür, dass wir von einem Sandhaufen sprechen und nicht nur von einer Ansammlung des Sandes?): Es ist selbstredend sehr wohl möglich, einen Fötus in der 16. von einem Fötus in der 24. Schwangerschaftswoche phänotypisch zu unterscheiden, einen angenommenen Zeitpunkt, ab wann ihm allerdings ein gesondertes Menschwerdungsattribut zusteht, wird derzeit keiner hinreichend beantworten können. Diese Ausführung ist für dezidierte Standpunkte womöglich nicht ganz so relevant, sollte aber auch noch Denkanstoß geben, die menschliche Individuierung nicht allzu dogmatisch aufzufassen.
Eines allerdings ist klar: die Zulassung der PID stellt eine Zäsur zum bisherigen Recht dar, wenn es historisiert als Kontinuum aufgenommen wird. Die zweite Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht zur Abtreibung im Jahr 1993 spricht der "Leibesfrucht" ein Recht auf grundgesetzlichen Schutz i.S. der Menschenwürde zu, unter anderem hergeleitet aus dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (!). Da allerdings, wie wir wissen, die Pränataldiagnostik und die Abtreibung rechtens sind, ist es zweifelhaft, ob die juridische Stringenz sich dann auf die PID erstrecken kann oder sollte. Selektionsvorwürfe als moralische Größe sind bislang keine rechtliche Größe und nicht anzubringen, es bleibt also nur das kodifizerte Recht nach GG Artikel 1 Absatz 1 sowie GG Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 - mit, wie wir gesehen haben, zumindest zweifelhaftem Anwendungscharakter in Bezug auf die Einzigartigkeit des heranreifenden Lebens. Für mich ist die PID weder ein Bruch mit der bisherigen Rechtssprechung noch ethisch verwerflich - es wird nicht gegen den verbrieften Schutz individuellen Lebens verstoßen, Selektionsvorwürfe sind insoweit weltfremd, als es heute überhaupt nicht möglich ist, komplexe genetische Merkmale wie Körpergröße, Haarfarbe und Intelligenz zu beeinflussen, einigermaßen zynisch, als Eltern beschuldigt werden, die ein sehr aufwendiges und für die Mutter unangenehmes Verfahren auf sich nehmen, Selektion zu betreiben, wie auch belanglos, da sie juristisch nicht behandelt werden können.
Meines Wissens ist die evangelische Kirche in der Frage aber gespalten, jedenfalls gibt es keine offizielle Stellungnahme zu dem Thema - es gibt durchaus klerikale Kräfte, die positiv oder zumindest neutral dem Topos gegenüberstehen, bei den Katholiken freilich sieht's anders aus.