Angefangen habe ich im September. Während den Wartezeiten zwischen zwei Filmen auf dem Fantasy Film Fest nahm die Geschichte langsam Form an. Eigentlich dachte ich, fünfzehn Seiten, dann bin ich fertig. Kein großes Ding. Aber während dem schreiben kamen mir immer mehr Ideen und mögliche Verwicklungen. Die Bücher sind so konzipiert, dass ich jederzeit aufhören kann, wenn ich keine Lust mehr habe und das meiste ist trotzdem erzählt.
Die Zeit? Ich nehm sie mir einfach. Ich arbeite Dreischicht und nach Acht Stunden ist halt Tutti. Dann habe ich noch meist vier Tage Woche wegen Kurzarbeit, weil Freitag ab 14.00 Uhr läuft nix mehr.
Wieder mal vielen Dank an Sarash für seine Mühe, sich durch meine Rechtschreibfehler zu quälen und sie zu korrigieren. :thumbsup:
Die Zeit? Ich nehm sie mir einfach. Ich arbeite Dreischicht und nach Acht Stunden ist halt Tutti. Dann habe ich noch meist vier Tage Woche wegen Kurzarbeit, weil Freitag ab 14.00 Uhr läuft nix mehr.
Wieder mal vielen Dank an Sarash für seine Mühe, sich durch meine Rechtschreibfehler zu quälen und sie zu korrigieren. :thumbsup:
Kapitel III
Position:
Imperium
Segmentum Pacificus
Pilgerschiff „Gesegnete Erlösung der wahren Gläubigen“
Zeit: 2 245 996.M41
Person: Gavri Pilgerstochter
Sie sah auf einem hohen Hügel stehend in den strahlenden Sonnenaufgang einer gelben Sonne, keine Wolke trübte den klaren Himmel, wo gerade die Sterne der Nacht erloschen. Das Land unter ihr war karg, von der Sonne verbranntes Gras. Im Osten konnte sie einen großen See erkennen, zwei Städte waren zu sehen, eine davon lag direkt am See, die andere weiter im Innenland. Es waren primitive Städte, alle Gebäude, aus luftgetrockneten Lehmziegeln bestehend, hatten nur ein Erdgeschoss, die Straßen ungepflastert, die Stadtmauern nicht mehr als aufgeschüttete Wälle. Es gab einige mühsam bewässerte Gärten. Hirten, die kleine Herden auf verödete Weiden trieben. Das frühmorgendliche Leben erwachte gerade in den Städten. Mütter jagten ihre Kinder aus den Schlaflagern zu ihren Pflichten. Sie sah auf die Höhe der Sonne und wusste, dass es nun Zeit war. Sie zog ihr flammendes Schwert aus der Scheide. Die Zeit des Tötens war gekommen.
Gavri schreckte auf, knallte wie üblich gegen den Schaumstoff, den sie an die Decke ihrer Koje angebracht hatte und federte zurück auf ihr Kissen. Es war nicht der erste Traum dieser Art, aus dem sie abrupt aufschreckte. Ihr Körper bebte und war nassgeschwitzt. Ihr Blick suchte die Leuchtziffern ihres neuen mechanischen Chronos, es war kurz vor dem Ende des Nachtzyklus. Saphira lag wie ein Kätzchen zusammengerollt zu ihren Füßen, schlief aber weiter. Die anhängliche Kleine schlich sich immer wieder zu ihr in die Koje, wenn Gavri eingeschlafen war.
In letzter Zeit hatte sie diesen seltsamen Traum schon öfter gehabt. Ein anderer war, wie sie durch unendliche Labyrinthe aus Korridoren und Hallen irrte, gefüllt mit Mutanten und gewaltigen Kämpfern in schweren Rüstungen, die sie auf ihrer Suche allesamt erschlug. Manche Irrgänge enthielten auch nur mechanische Absonderlichkeiten, mit vielen scharfen Klingen und äußerst bizarren Waffen. Oder Träume von epischen Schlachten, riesige Maschinen ließen die Oberfläche von Planeten erbeben, gewaltige Armeen prallten im infernalischen Chaos der Schlacht aufeinander und der Tod hielt reichlich Ernte. Oder sie kämpfte gegen Wesen, die wirklich in einen Albtraum passten und hoffentlich niemals Realität werden würden.
Auf den Tag genau waren nun zwei Jahre seit den seltsamen Ereignissen vergangen. Noch immer wusste Gavri nicht, was in den sieben verlorenen Tagen passiert war. Nur, dass sie weitere Minuten, teilweise Stunden verloren hatte, an die sie keinerlei Erinnerung hatte. Bald nach ihrer wundersamen Rückkehr hatte das angefangen und in den letzten Monaten wurden diese Momente immer zahlreicher. War es früher nur einmal alle paar Wochen gewesen, wurde daraus schließlich einmal in der Woche. Inzwischen passierte es fast jeden Tag, dass es Momente gab, in denen sie einfach nicht wusste, was sie gerade getan hatte oder was sie hier eigentlich wollte. Wurde sie wahnsinnig? Hatte sie etwas aus der Gruft mitgebracht, dass niemals dort hätte raus dürfen? Und wie war sie überhaupt dort heraus gekommen? Fragen, auf die sie keine Antworten hatte. Fragen, die sie nie jemandem stellen durfte, wollte sie nicht im vernichtenden Feuer der Inquisition enden.
Vier weitere Planeten hatten die Pilger besucht. Vom letzten, dem ehrwürdigen Chiros, der Heimatwelt des heiligen Konfessors Dolan, waren sie erst vor drei Tagen gestartet. War sie früher eine inbrünstige Gläubige gewesen, hegte sie jeden Tag mehr Zweifel am imperialen Glauben. Viele der Rituale erschienen ihr unnötig grausam und blutig. Früher hatte sie Stolz ihre eingebrannten Buchstaben mit der Bitte um Erlösung getragen und hatte sich sogar gefreut, als sie mit acht Jahren endlich gebrandmarkt worden war. Es war eine religiöse Verzückung gewesen, als Buchstabe um Buchstabe die Bitte um Erlösung an den Gottimperator der da war auf Terra auf seinem Goldenen Thron für Ewig in die Haut ihres Rückens eingebrannt worden war, begleitet von inbrünstigen Gebeten und aufpeitschenden Gesängen, welche den brennenden Schmerz in heilige Verzückung transformierten. Jetzt ekelten sie diese Zeremonien nur noch an, wenn einem Kind das angetan wurde, egal ob es damit nun wider besserem Wissens einverstanden war oder nicht. Oder die Selbstgeißelungen mit Geißeln, die manchmal Widerhaken an den Enden hatten und stark blutende Wunden und später tiefe Narben hinterließen. Manche geißelten sich ekstatisch bis zur Bewusstlosigkeit und manchmal bis zum Tod. Hatte sie früher freudig mitgemacht, auf den erlösenden Schmerz gehofft, der sie von ihren Sünden und Unzulänglichkeiten befreite, denn das Gebet läuterte den Geist, der Schmerz den unreinen Körper, drückte sie sich inzwischen vor diesen Zeremonien. Das waren alles Auswüchse, die so nicht toleriert werden durften, aber doch als Ideal auf diesem Deck galten. Und auch sonst so in vielen Erlösergemeinden mehr oder weniger im Imperium im Namen des Gottimperators praktiziert wurden.
Die letzten zwei Jahre waren wie im Flug vergangen. Es schien, als würde sie seitdem alles bewusster wahrnehmen. Hatte sie früher alles als gegeben akzeptiert, versuchte sie nun Dinge zu ändern, wenn sie dazu in der Lage war. Sie hatte den desolaten Zustand dieses Bereiches beendet, allein indem sie sich darüber Gedanken gemacht hatte, wie sie verhindern konnte, dass unablässig Kondenswasser durch die Kabine tropfte und alles rosten oder schimmeln lies. Sie kaufte eine Plane, hing sie unter das Rohr, setzte am tiefsten Punkte eine Öffnung, in dem sie einen Schlauch mit einem Filter steckte, der das Wasser in eine Kanne lenkte, und so hatte sie auch immer Trinkwasser für ihre Kinder. Dann hatte sie sich entsprechendes Werkzeug von den Matrosen der Instandsetzung geliehen, hatte den ganzen Schimmel entfernt, den Rost abgekratzt, Teile der maroden Decke ersetzen lassen, das ganze verspachtelt und dann mit blauer Farbe gestrichen. Mit bunten Farben hatten ihre Kleinen dann Fische dazu gepinselt, sodass das Ganze wie ein Aquarium wirkte. Auch hatte sie für alle Kojen des Waisenhauses neue Matratzen, Laken und Decken von ihrem Geld besorgt. Minimaler Aufwand, große Verbesserung der Lebensumstände.
Auch das die gemeine Havilah nicht mehr bei den Erzieherinnen war, hatte einiges an Lebensqualität gebracht. Da dieses Mädchen das älteste der Erzieherinnen war, hatte sie gemeint, dass sie das Recht hatte, auch in anderen Gruppen mitreden zu dürfen. Der üppig gebaute Brünette hatte es überhaupt nicht gefallen, dass Gavri soviel änderte und auch andere Mädchen dazu brachte, die Probleme mit ihren Schutzbefohlenen erst mal in aller Ruhe zu bereden und nicht so lange drauf zu schlagen, bis das Problem vor Schmerz aus der Welt war wie es Havilah schon mehrmals praktiziert hatte. Schon kurz nach ihrer Rückkehr hatte sie die Lage zugespitzt, als Havilah die Renovierungsarbeiten verbieten wollte. Gavri hatte sogar zu Vater Medad müssen, der theoretisch für die Waisenbetreuung zuständig war, aber sich selten persönlich um seinen eigentlichen Arbeitsbereich kümmerte. An das Gespräch hatte sie keinerlei Erinnerung, aber danach war Havilah als zu alt eingestuft worden und hatte eine Dienststelle als Müllsammlerin bekommen, die niedrigste Arbeit auf dem Schiff. Nur Latrinendienst war noch mieser, aber das machten nur Missetäter als Buße.
Die Schiffsglocken hallten dreimal durch das Schiff, der Weckruf. Zeit für das Morgengebet. Leben kam in die Kojen um sie herum und sie begann mit dem morgendlichen Gebet, sie war die Vorsprecherin, die Kinder sprachen ihr nach. Hatte sie früher dieses Gebet mit heiligem Eifer zelebriert, kamen ihr die Verse des Rituals nur noch wie leere Worthülsen vor. Sie fand im Gebet keinen Glauben, keine Erlösung, keinen Trost. Ketzerische Gedanken quälten sie stattdessen, weil sie den Glauben an den Imperator bei sich hinterfragte. Sie konnte es sich nur so erklären, dass diese Bewusstseinsänderung mit den Erlebnissen in der Gruft zu tun haben musste. Nicht mal in ihren Träumen kamen Visionen davon aus ihrem Unterbewusstsein hoch.
Nachdem die letzten Worte verklungen waren, scheuchte sie ihre Schutzbefohlenen aus dem Bett, brachte Ordnung in den wuselnden Haufen und schaffte es, als eine der Ersten mit ihrer Gruppe den Hygieneraum zu betreten. Da es nur einen Raum in diesem Bereich gab und es keine wirkliche Geschlechtertrennung oder einen Sichtschutz gab, waren Zeiten vorgeschrieben, wo entweder nur Frauen oder nur Männer die Räume betreten durften. Eine laut tickende mechanische Uhr zeigte jeweils das Geschlecht an, das gerade Einlass bekam. Bei Kindern bis zu sieben Jahren gab es keine Trennung. Das Wasser war kalt und mit rostigen Partikeln durchsetzt, aber mehr war auf dem D Deck nicht zu bekommen. Und man musste schon froh sein, dass überhaupt Wasser aus den Hähnen floss. Sie achtete darauf, dass ihre Kleinen sich alle die Zähne putzten, sich das Gesicht wuschen und ihren Körper wenigstens oberflächlich an den Stellen reinigten, wo sie verschwitzt waren.
Dann richteten sie gemeinsam ihren Tisch und das Frühstück aus Brot und Wasser. Das Brot war zwar hart, aber wenigstens nicht verschimmelt. Natürlich dankten sie vorher dem Imperator und der Ekklesiarchie für diese üppige Mahlzeit. Jadon und zwei andere Jungen unterhielten sich mit vollem Mund über den Film, den sie gestern ihren Kleinen spendiert hatte. In einem der kleinen Kinos des Schiffes war "Die Helden von Höhe 495" gezeigt worden. Dort hatte ein Rekrutenzug der planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Boonhaven eine ganze Orkhorde samt dem Waaghboss vernichtet. Am Ende waren bis auf einen Rekruten alle als Märtyrer gefallen. Der Film war ein einziges Gemetzel gewesen, Welle auf Welle von Grünhäuten, zu Fuß oder mit Fahrzeugen, war gegen die Höhe angestürmt und im peitschendem Lasergewitter oder vernichtendem Trommelfeuer gefallen. Gavri und die Mädchen ihrer Gruppe hatten sich gelangweilt, die Jungs der Gruppe waren jetzt noch Feuer und Flamme und waren zu der Erkenntnis gelangt, dass sie unbedingt in die Imperiale Armee mussten, um ebenfalls Grünhäute in Massen sterben zu lassen. Der einzige praktikable Weg, wie man mit Xenos zu verfahren hatte.
"Wenn ich sechzehn bin, gehe ich zur Imperialen Armee und töte Millionen von Grünhäuten!" verkündete Jadon im Brustton vollster Überzeugung, wie sie nur zehn Jahre alte Jungen haben können.
"Und ich werde ein Space Marine und töte noch mehr Grünhäute!" Saphira machte den Imperialen Adler vor ihrer Brust.
"Dumme Nuss! Mädchen können nämlich gar keine Space Marines werden. Die sind nämlich viel zu schwach und mickrig dazu", konterte Jadon mit vollem Mund.
"Gar nicht wahr! Oder Gavri?" Die Mädchen ihrer Gruppe schauten sie aus großen Augen fragend an.
"Jadon hat in dem Punkt recht, dass Mädchen wirklich keine Space Marines werden können. Aber er hat unrecht, wenn er Mädchen als klein und mickrig bezeichnet."
"Und warum können Mädchen keine Space Marines werden?"
"Weil der Imperator nur Neun Söhne hatte, davon stammen alle Space Marines ab." Das war das, was man in der Schule lernte, aber sie wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Auch wenn sie nicht sagen konnte, was daran nun genau falsch war.
"Ja, die großen neun heiligen Pirmarchen! Der engelsgleiche Sanginius von den Blood Angels, der ritterliche Lion el Johnson von den Dark Angels, der ehrenhafte Roboute Guillaume von den Ultramarines, der listenreiche Jaghatai Khan von den White Scars, der edle Rogal Dorn von den Imperial Fists, der starke Vulkan von den Salamanders, der wilde Leman Russ von den Space Wolves, der trickreiche Corax von der Raven Guard und der eiserne Ferrus Manus von den Iron Hands!" zählte Jadon begeistert auf.
"Das ist gut Jadon! Wirklich gut! Ich sehe, bei Themen die dich interessieren, bleibt ab und zu mal was hängen." Jadon schaute sie an und man konnte ihm ansehen, dass er überlegte, ob das nun ein Lob oder ein Tadel war. Dann grinste er, da er ihre Worte für ein Lob hielt.
"Dann gehe ich halt auch zur Imperialen Armee und werde mehr Grünhäute platt hauen als du, Ätsch!" Saphira griff das ursprüngliche Thema wieder auf und streckte Jadon die Zunge heraus.
"Du bist dann immer noch ein mickriges Mädchen!"
"Gar nicht wahr! Gavri sagt nämlich, dass ich gar nicht mickrig bin!"
"Streitet euch nicht, Kinder, esst lieber auf, was die Gemeinde uns in ihrer unendlichen Güte gespendet hat."
Sie mussten sich beeilen, da die nächste Gruppe unter der rabenhaarigen Rhoda schon auf den Tisch wartete. Ihre Gruppe wusch gemeinsam das Geschirr in einem Eimer, trockneten es ab und stellte es in den Schrank zurück. Gavri las den Tagesablauf für diesen Tag durch.
5.00 Wecken, Morgengebete
5.05 Waschen und Ankleiden
5.15 Frühstück, Dankesgebet und Abwasch
5.45 Aufbruch zur Morgenmesse
6.00 Morgenmesse, Teilnahme am Chor
7.15 Körperertüchtigung und Kampftraining in verschiedenen Nahkampfdisziplinen bei Schwester Gerechter Zorn
9.30 Schule für ihre Schutzbefohlenen:
Heutige Fächer:
1 Stunde Lesungen über das Leben des Sebastian Thor,
1 Stunde Praktisch angewandte Mathematik,
1 Stunde Hochgotik,
1 Stunde Religionskunde, die Gebote 25 bis 36. Sie würde in der Zeit in der hintersten Reihe sitzend Bücher handschriftlich kopieren, da sie mit Vierzehn Jahren schon zu alt für die Schule galt.
13.30 Essen im großen Saal auf Deck 4
14.00 Dankesgebete
14.15 Arbeitsdienst, Reinigung der Lüftungsschächte auf dem C Deck, Sektionen 5 bis 8.
18.00 Abendmesse, Teilnahme am Chor
19.15 Anschließend Chorprobe für den nächsten Tag
20.00 Abendessen
20.30 Arbeitsdienst, gemeinschaftliches Kopieren heiliger Schriften in der Bibliothek
21.30 Freizeit
21.45 Waschen und Abendgebet
22.00 Nachtruhe
Glocken wurden zum Gottesdienst geläutet, es wurde Zeit aufzubrechen. Sie eilte mit ihren Schutzbefohlenen, die sie diszipliniert in einer Zweierreihe laufen lies, in die Hauptkathedrale Sankt Quaglia des Schiffes, die penetrant nach Weihrauch stank, um den Gestank der über zehntausend Gläubigen zu übertünchen, von denen manche sich das Gebot auferlegt hatten, sich erst wieder am Ziel ihrer Pilgerreise zu waschen. Die Kathedrale Sankt Quaglia bedeckte den größten oberen Teil des Schiffes. Sie war hundertfünfzig Meter lang und an der breitesten Stelle mit den Seitenschiffen fünfundsiebzig Meter breit. Im Kreuzungspunkt der Kirchenschiffe erhob sich auf einem Stufenförmigen Absatz der Altar. Über dem Altar erhob sich die Kanzel des obersten Predigers, des Pontifex Astral dieses Schiffes. Mehr als zehntausend Gläubige fasste diese Kathedrale. Zwei Emporen, auf denen weitere Gläubige aus den C und B Decks Platz hatten, waren an den hohen Wänden angebracht. An den Eckpunkten der Emporen waren steinerne Engel im Flug geformt, ihre Schwingen bildeten die Geländer der Emporen. Sie hielten mächtige Posaunen, in denen leistungsstarke Lautsprecher untergebracht waren.
Über dem Altar erhob sich hoch die Kuppel, in der sich die Schiffsbrücke und der Ausguck des Navigators befanden. Logen waren knapp unter der Kuppel befestigt worden, wo die privilegierte Brückenbesatzung den Gottesdienst verfolgen konnte. Servoschädel mit Lautsprechern, welche Gläubige mit Psalmen erquickten und geflügelte Cherubim mit qualmenden Weihrauchgefäßen in den Händen flitzten hektisch im Raum hin und her.
Beleuchtet wurde die Kathedrale der St. Quaglia von zehn mächtigen Kronleuchtern, auf denen unzählige Kerzen brannten. Die Kronleuchter waren gleichmäßig im Raum verteilt und jeder bestand aus einem anderen Material. Verarbeitet worden waren nur die edelsten Materialien wie Gold, Elektrum, Platin, Silber und andere wertvolle Edelmetalle. Einige Cherubim taten die ganze Zeit nichts anderes, als die makellosen Leuchter zu polieren, die abgebrannten Kerzen auszutauschen, Wachsflecken zu entfernen oder die neuen Kerzen wieder anzuzünden. Von den Kränzen der Leuchter hingen unzählige kleine Reliquien, wie in Kunststoff eingegossene Fingerknochen, Zähne und Knochensplitter von Märtyrern verschiedenster Welten und Epochen des Imperiums, herab. Oder auch Gebetsstreifen, Liturgiebänder und Glücksamulette.
Der Boden bestand aus mehreren bunten Mosaiken, deren bunte Steinchen von den Glasfenstern der Basilika St. Thor von der Welt Coronis Agaton stammten, die von Grünhäuten zerstört worden war. Die Scherben der zerborstenen Buntglasfenster waren gesammelt, in kleine gleichmäßige Stücke zerbrochen und als Mosaiksteinchen wieder verwendet worden. Vier mächtige Mosaikbilder bedeckten den Boden, das größte im südlichen Hauptschiff zeigte die Galaxis an den Grenzen des Imperiums. Hervorgehoben waren die heiligen Planeten, welche das Schiff auf seiner Route besuchte. So konnten Pilger den Pfad des Imperators abschreiten, in der Reihenfolge wie das Schiff die Systeme ansteuerte.
Das nördliche Mosaik zeigte die Welt Coronis Agaton, mit der Stadt Nordhafen im Zentrum. In dieser Stadt hatte die Basilika des St. Thor gestanden. Die Welt wurde von Gebetsbändern eingerahmt, auf denen dem Imperator für die Rettung der Stadt Nordhafen gedankt wurde. Dazu musste man wissen, dass vor knapp 850 Jahren eine gewaltige Orkinvasion die Welt Coronis Agaton heimgesucht hatte. Der Gouverneur rief um Hilfe und das Imperium schickte Dutzende von Regimentern, die sich zunächst vergeblich gegen die grüne Flut stemmten. Die Regimenter wurden zum Rückzug gezwungen und bald war Nordhafen die letzte Stadt im Besitz des Imperiums auf dem südlichen Kontinent von Coronis Agaton.
An die Basilika St. Thor war ein Hospital der Sororitas Hospitalerinnen angeschlossen und schon bald war die gesamte Basilika ein gewaltiges Verwundetenlager. Verteidigt wurde die Basilika von zehn greisen Kriegernonnen des Adeptus Sororitas, die als zu alt eingestuft worden waren, um aktiv noch im Feld kämpfen zu können. Es war ausgerechnet an Imperator Himmelfahrt, als die Orkhorde die äußeren Verteidigungsstellungen der Stadt durchbrach und die blutrünstige Meute in die, mit Flüchtlingen überfüllte, Stadt strömte. Auf ihrem Weg lag die Basilika. Die zehn verbliebenen Schwestern nahmen ihre heiligen Bolter auf und stellten sich der Grünen Flut entgegen. Hinter ihnen richteten sich die schwer verletzten Verwundeten und nur zum Sterben hergebrachten Soldaten des Imperiums auf, nahmen ihre Gewehre und bildeten eine undurchdringliche Schützenlinie. Kriegerbanden der Orks brandeten gegen die geheiligten Mauer, nur um von peitschenden Lasergewehrsalven getötet zu werden.
Immer mehr Grünhäute bestürmten die strategisch unwichtige Basilika, nur um im Lasergewitter zu vergehen, von Geschossen aus geheiligten Boltern niedergestreckt zu werden oder ihr verdientes Ende im feurigen Atem der Flammenwerfer zu finden. Das verschaffte den Verteidigern der Stadt die notwendige Zeit, einen Gegenangriff zu starten, der jedoch schon bald stecken blieb und zurückgeworfen wurde. Aber die Verteidiger der Basilika kämpften verbissen weiter, bereit, lieber zu sterben, als einer schmutzigen Grünhaut zu erlauben, den heiligen Ort zu entweihen, wo einst Sebastian Thor selbst gepredigt hatte. Ein Oberst des 7. Valhalla, der beide Beine, den linken Arm und ein Auge verloren hatte, lies sich an einen Sergeanten schnallen, der keine Arme mehr hatte. Aus seiner erhöhten Position koordinierte er die Verteidigung, streckte mit seiner Boltpistole Orks nieder, die es bis fast in die Kathedrale geschafft hatten.
Der südliche Turm wurde von einer Maschinengewehrstellung verteidigt, deren Schütze aller Sinne bis auf die zu hören beraubt worden war, als ein Flammenwerfer ihn in Brand setzte und sein Visier auf sein Gesicht schmolz. Seine Augen lieh ihm ein Soldat, der alle Glieder verloren hatte. Er wies den Schützen ein und gemeinsam töteten sie mehrere tausend Orks, während der Turm, auf dem sich ihr MG Nest befand, zerschossen wurde. Am Ende stand nur noch das Stück, wo sich die MG Stellung in den Stein krallte, denn die Hand des Imperators weilte schützend über ihnen und lies sie ihr heiliges Werk der Vernichtung verrichteten.
Verteidiger auf Verteidiger starb, ihre Waffen wurden von Flüchtlingen und Hospitalschwestern aufgehoben, welche verbissen weiter kämpften. Schließlich stand nur noch eine der Nonnen, ein Großteil der Basilika war durch massive Artillerietreffer eingestürzt und kaum noch ein Verteidiger war am Leben. Dann tauchte der Waaghboss persönlich auf. Groß wie ein Cybot der Space Marines, erfüllt von Wut und Kampfeslust. Er brüllte seine Herausforderung und die letzte der greisen Nonnen mit Namen Schwester Quaglia nahm an. Bewaffnet mit einem mächtigen Zweihänder, einer Reliquie aus uralter Zeit, stellte sie sich der wütenden Bestie ohne Furcht entgegen. Diese Szene zeigte das Mosaik im westlichen Seitenschiff. Die uralte Nonne stand mit hoch über den Kopf erhobenem Schwert auf einem Trümmerstück der Basilika, auf dem folgender Satz aus Sebastian Thors Predigten eingemeißelt war: "Ein einzelner Gläubiger kann über eine Legion Ungläubiger triumphieren". Das Zitat ging eigentlich noch weiter, aber mehr passte nicht auf das Trümmerstück. Darunter stapfte der Waaghboss heran, die eine Hand war eine gigantische Kralle, die andere hielt etwas, dass an die Kanone eines Panzers erinnerte. Es war ein überaus dynamisches Bild und wie jeder Gläubige wusste, zerteilte die Nonne ihn ein paar Sekunden später mit einem einzigen, mit der Kraft des Imperators geführten Hieb, sauber in zwei Hälften. Die Schwester Quaglia schritt erhobenen Hauptes zurück in die Basilika, um außer Sicht der Orks tot zusammen zu brechen. Später entfernte man aus ihrem Körper dreizehn großkalibrige Geschosse, welche sie im Laufe der vorgehenden Kämpfe um die Basilika abbekommen hatte, jedes einzelne wäre eigentlich sofort tödlich gewesen. Danach flohen die restlichen Orks panisch, verfolgt von der reorganisierten Imperialen Armee, um anschließend vor den Toren der Stadt bis auf die letzte Grünhaut niedergemacht zu werden. Auf gewaltigen Scheiterhaufen wurden die vernichteten Orks zu Asche verbrannt.
Siebzehn Verteidiger, darunter der Oberst, sein Träger und die beiden MG Schützen, hatten die Schlacht überlebt, jeder bekam den Stern von Terra verliehen, ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der Imperialen Armee. Jeder dieser Helden war mit einem Mosaik im östlichen Kirchenschiff verewigt. Neben ihren Portraits zeigte eine Schrifttafel ihre Namen und Lebensdaten. Ausnahmslos alle von ihnen waren später im Dienst bei einer großen Heldentat gefallen und weilten nun an der Seite des Imperators. Welche zuvor ihre Glieder oder Sinne verloren hatten, waren mit den besten Bionics versorgt worden, welche das Adeptus Mechanicus zu bieten hatte. Die Portraits wurden von den Wappen und Namensbändern der an der Verteidigungsschlacht beteiligten Regimenter umrahmt. Darunter so berühmte Namen wie das 405. Cadia, 7. Valhalla und 34. Tallarn, oder vollständig unbekannte, wie 2. PVS Nordhafen, 1. Miliz Nordhafen, 3. Miliz Caledonia.
Schon am nächsten Tag begannen die Gläubigen die Trümmer der Basilika teilweise mit bloßen Händen weg zu räumen. Eine gewaltige Spendenbereitschaft versetzte die Gemeinde von Nordhafen in die Lage, die Basilika größer und schöner wieder aufzubauen. Dazu noch ein neues modernes Hospital, dass fortan nun den Namen St. Quaglia Hospital trug, denn die mutige Schwester war innerhalb kürzester Zeit heilig gesprochen worden, ihre neun Schwestern sprach man selig. Am Ende blieb noch eine gewaltige Summe an Spendengeldern übrig und der Dekan der Gemeinde beschloss, davon ein Pilgerschiff bauen zu lassen, um das ganze Imperium an ihrem Wunder teilhaben zu lassen. Eben die "Gesegnete Erlösung der wahren Gläubigen". In nur zwanzig Jahren wurde das Schiff gebaut und in die Kathedrale wurden nicht nur die Scherben der Buntglasfenster der Basilika als Mosaik eingebaut, sondern auch viele der ursprünglichen Steine fanden als Innenfassade wieder Verwendung. Auf ihrer ersten Reise brachte dieses Schiff ein Buch mit dem Namen der Verteidiger nach Terra, das dann dem Imperator vorgelesen wurde, die höchste Ehre, auf die ein Untertan des Imperiums hoffen durfte. Auch wurde das Herz von St. Quaglia in einer goldenen Kugel eingeschlossen in den Imperialen Palast gebracht und zu Füßen des Throns abgelegt, auf dass auch ihr Herz beim Imperator ruhte.
Mehrere der einhundertundacht Schreinnischen enthielten Reliquien der damaligen Schlacht. Im Ostflügel gab es einen brutal aussehenden Schrein, der aus Trophäensammlungen getöteter Orkanführer gebaut worden war. Siebzehn Bajonette aus Adamantium waren so arrangiert, als ob sie gerade auf den Schrein einstechen würden. Auf jedem Bajonett war der Name eines der Überlebenden graviert. Im westlichen Flügel gab es einen Reliquienschrein, der aus über zweitausend Bolterhülsen gefertigt worden war, welche die Nonnen bei der Verteidigung abgefeuert hatten. Jede Hülse war von einem anderen Künstler von Coronis Agaton individuell graviert worden. Die Hülsen umrahmten ein steinernes Weihwasserbecken, in dem die Schwestern ihre heißgeschossenen Bolter abgekühlt hatten. Ein anderer Schrein im Nordflügel enthielt den Helm von St. Quaglia, der aber immer hinter verschlossenen, goldbeschlagenen Türen ruhte. Nur zum Gedenkgottesdienst der Schlacht um die Basilika St. Thor an Imperator Himmelfahrt wurde der Schrank geöffnet und die Reliquie auf dem Altar präsentiert. Der Transport fand jeweils mit einer prächtigen Prozession statt, die über alle Balustraden führte, was natürlich ein großer Umweg war, aber die wenigen Meter vom Schrein zum Altar ließen den würdigen Rahmen einfach vermissen.
In den äußeren Wänden der Kirchenschiffe waren Runde Glasfenster angeracht. Das waren natürlich keine richtigen Fenster, da hinter ihnen der Stahl der Schiffshülle war. Das mächtigste Glasfenster im Nordschiff zeigte den doppelköpfigen Adler, welcher die Schlange Horus in seinen Schnäbeln und Klauen zerfetzte. Das Fenster im Osten zeigte den großen Reformator Sebastian Thor als noch jungen Ekklesiarchen, bekleidet mit einem einfachen weißen Gewand, als einziger Schmuck sein bescheidenes, silbernes Aquila auf der Brust. Das westliche zeigte den geschundenen Konfessor Dolan mit blutigem Oberkörper, der mit seinem Martyrium die Bucharis Häresie beendete. Das Fenster im Süden zeigte den stehenden Imperator, auf sein mächtiges Schwert gestützt. An seiner rechten Seite stand, stark verkleinert, die heilige Schwester St. Quaglia, wie sie wohl in jungen Jahren ausgesehen haben mochte, ebenfalls auf ein Schwert gestützt. Zur linken Seite stand der Dekan Lionus der St. Thor Basilika zu Coronis Agaton, welcher dieses Schiff hatte bauen lassen. Natürlich stützte er sich auch auf ein Schwert, was für einen Dekan eine recht merkwürdige Pose war.
Der Adel und die Betuchten hatten in den Seitenschiffen ihre eigenen Emporen, wobei die privilegierten Adligen sogar gepolsterte Sitze hatten, um die Messe zu verfolgen. Der Rest der Gläubigen hatte zu stehen. Gavri und ihre Schutzbefohlenen waren, wie alle halbwegs talentierten Waisen, Mitglieder des Kinderchors. Es gab vier Chöre, die jeder einen eigenen Platz auf der obersten Empore des Hauptschiffes hatten. Hier war auch die gewaltige Orgel untergebracht und bot sogar noch Platz für ein Orchester, welches erbauliche Stücke spielte.
Die Orgel spielte einen Eröffnungsakkord, dann sang der Kinderchor das erste Lied des Tages. Danach begrüßte der Pontifex Astral Nadab, ein spindeldürrer Mann jenseits der Sechzig mit einer viel zu großen Nase, seine Gemeinde und verlas die Namen heiliger Märtyrer und Heiliger, was meist das Gleiche war, die an diesem Tag einst für ihren Glauben, das Imperium und den Gottimperator gestorben waren. Dann sang der Frauenchor ein Trauerlied, um diesen Helden zu gedenken. Danach kam die eigentliche Morgenpredigt, diesmal ging Domherr Nadab auf den Märtyrertod ein. Das Fundament des Imperiums war auf dem Blut der Märtyrer errichtet und jetzt, in dieser wie immer schweren Stunde, wo die Imperiale Armee sich Heldenhaft gegen die Verräter, Ketzer und Xenos stemmte, war diese Opferbereitschaft mehr gefordert, denn je. Seit sie denken konnte, waren es schwere Stunden und die imperiale Armee schlug tapfer Aufstände und Revolten nieder, bekämpfte verbissen Xenos, verteidigte heldenhaft die Grenzen des galaxisweiten Imperiums vor schier übermächtigen inneren wie äußeren Bedrohungen.
Gavri verfolgte mit halbem Ohr die flammende Ansprache des Obersten Predigers des Schiffes und versuchte interessiert zu wirken. Aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab und sie folgte der Predigt nicht wirklich, mochte sie noch so einpeitschend sein. Sie hatte auch kein Auge für die wirklich prächtige Räumlichkeit, die mit Menschenknochen einstiger Pilger ausgekleidet war und in deren Nischen sich wertvolle goldverzierte Reliquienschreine von Heiligen aus dutzender besuchter Welten befanden. Ihre Gedanken drehten sich eher um sie selbst und was langsam aus ihr wurde. Das nahm alles bedenkliche Züge an.
Vor einem Jahr hatte sie angefangen, die Lehre der Ekklesiarchie in Frage zu stellen. Viele Passagen in den heiligen Schriften kamen ihr verdreht vor, falsch, nicht in sich schlüssig. Als wäre einst alles ganz anders gemeint gewesen, aber die Lehre im Laufe der Zeit einseitig zu Lasten des einfachen Gläubigen verändert worden sei. Der normale Mensch hatte nur zu glauben und zu geben, seine weltlichen Güter, sein Blut und letztendlich auch sein Leben. Das heilige Buch der Ekklesiarchie war in der ganzen Galaxis gleich aufgebaut. Das erste Drittel war die Imperatorgeschichte, also seine Geburt, sein Aufstieg zum Imperator von Terra, sein Kreuzzug und die Überwindung des Bösen in Form der Schlange Horus, für dessen Sieg er seinen sterblichen Körper opfern musste. Er saß nun für ewig auf dem goldenen Thron, erleuchtete die Galaxie mit seinem ewigen Licht und beschützte die Menschen seines Imperiums vor dem Bösen. Der heilige Senat herrschte nun in seinen Namen unter dem Vorsitz des Ekklesiarchen über Terra und das Imperium, den Willen des Imperators interpretierend und umsetzend.
Das zweite Drittel enthielt Psalmen, Gebote, Verbote und Pflichten der Gläubigen. Der Ritus der Gottesdienste wurde hier beschrieben und der Stand der einzelnen Menschen im Imperium definiert. Diese ersten beiden Abschnitte waren überall gleich, ein Buch vom westlichen Rand des Imperiums war identisch mit einem aus dem östlichen. Nur das letzte Drittel enthielt die regional genehmigten Abweichungen zum Ritus, band regionale Heilige oder zu Heiligen degradierte Götter in die Heilslehre ein. Oft gab es noch zusätzliche Bücher, wenn das letzte Drittel nicht ausreichte. Auf manchen Planeten, meist waren diese noch nicht so lange in der Familie des Imperiums, gab es das erste Buch gar nicht, sondern man hielt sich an die zusätzlichen, vom Ministorum abgesegneten, Bücher, die nur noch recht wenig mit der eigentlichen Imperatorgeschichte zu tun hatten. Diese Diözesen hatten meist die Auflage, ihren Ritus und Glauben im Laufe der Zeit an das erste Buch anzugleichen. Manchmal gab es im letzten Drittel des ersten Buches auch noch Abschnitte aus den Schriften des Sebastian Thor, des größten Ekklesiarchen, der jemals gelebt hatte. Der große Reformator, welcher das Imperium aus dem schrecklichen Zeitalter der Apostie geführt hatte, in welchem ein gar schrecklicher Usurpator den Willen des Gottimperators absichtlich missinterpretiert hatte.
Manches in der Imperatorgeschichte hörte sich für sie so unglaublich falsch an, als wüsste sie es aus irgendeinem Grund einfach besser. Sie hatte darüber mit der einzigen Erwachsenen geredet, die sie gut genug kannte, um so ein heikles, so ein todbringendes Thema zu erörtern, war doch Zweifel am Glaube gleichzusetzen mit Ketzerei. Mit Schwester Gerechter Zorn, die für eine Nonne ein recht umgänglicher Mensch war, besonders ihr gegenüber. Gavri sprach darüber, wie die Lehre sein sollte und was sie alles falsch fand. Während diesem Gespräch verlor sie wieder Zeit. Ihre fehlte eine komplette halbe Stunde, in der sie nicht wusste, was geschehen war. Das Verhalten von Gerechter Zorn ihr gegenüber war seitdem etwas reservierter, aber auch respektvoller.
Als sie sich das nächste mal mit Schwester Gerechter Zorn zu einem solchen Gespräch traf, waren weitere Nonnen aus dem kleinen Freundeskreis ihrer Lieblingsschwester anwesend und wieder verlor sie Zeit. Sie wagte nicht, die anderen zu fragen, was in der Zeit passiert war. Leise Zweifel an der Auslegung der Lehre zu haben und darüber zu debattieren war das eine, aber zuzugeben, nicht zu wissen, was man in der letzten Viertelstunde getan hatte, etwas ganz anderes. Wurde sie wahnsinnig? War sie verrückt? War sie etwa gar besessen? Darauf hatte sie keine Antworten.
Die Gespräche fanden in einem immer größeren Kreis statt. Einige ausgesuchte Pilger nahmen bald daran teil. Schon bald brauchten sie einen geeigneten Raum für ihre Zusammenkünfte, den sie in einer unverschlossen Lagerhalle im Unterdeck für Ersatzplatten für die Schiffsummantelung fanden. Alle drei Tage trafen sie sich und jedes mal wurden es mehr Zuhörer und die verlorene Zeit wurde immer größer. Eigentlich sollte dieser sehr gefährliche Gedankenaustausch in einem sehr kleinen Rahmen stattfinden und niemand sollte etwas darüber erzählen, aber mit jeder Zusammenkunft gab es trotzdem immer mehr Teilnehmer. Waren es zuerst nur Nonnen und Pilger des D Decks gewesen, kamen mit der Zeit auch Matrosen, ihre Angehörigen und sogar Pilger der höheren Decks hinzu. Auch ihre kleinen Schutzbefohlenen hatten irgendwann zu diesem Kreis gehört. Was sie da taten, war Ketzerei, sie stellten die Lehren in Frage, debattierten darüber, wie wohl die Gebote einst ausgesehen haben könnten und warum sie so strickt verändert worden waren. Ein Verbrechen, für das die Prügelstrafe nicht ausreichte, ein Verbrechen, das nur im Feuer gesühnt werden konnte. Im Büro des Zuchtmeisters Weißkopf gab es einen Rost, auf dem Ketzer verbrannt werden konnten und darauf wollte Gavri nicht enden.
Heute würden sie wieder eine Zusammenkunft haben. Und Gavri hatte Angst, dass diese Häresie bald auffliegen würde. Inzwischen gingen die Teilnehmer in die Hunderte und allein durch diese große Anzahl, musste doch das irgendwann den Glaubenswächtern auffallen. Die waren sicherlich nicht die hellsten, da sie eher nach körperlicher Größe und Stärke ausgesucht worden waren, aber so blöd waren die auch nicht. In der letzten Zusammenkunft waren sogar Pilger des A Decks anwesend gewesen. Und damit meinte sie nicht nur die Bediensteten, die dort wohnten, sondern Angehörige der imperialen Adelskaste. Sie hatte nur den Anfang und das Ende der Zusammenkunft mitbekommen. Als sie wieder da war, küsste gerade eine leibhaftige Tochter eines planetaren Gouverneurs ihre Hände und bat sie um ihren Segen. Gavri hatte geglaubt, sie müsste Ohnmächtig werden, hatte sich aber zusammengerissen und eine Segensformel gesprochen. Was tat sie nur in dieser Zeit?
Der Männerchor sang nun das Lied vom opferbereiten Märtyrer. Danach wurde ein Gebet gesprochen, in dem der Gottimperator angefleht wurde, den tapferen Truppen des heiligen Imperiums den verdienten Sieg zu schenken. Jetzt war wieder der Kinderchor dran und sie sangen ein Siegeslied über eine längst vergessene Schlacht. Danach wurden die Namen der Pilger verlesen, die seit gestern verstorben waren. Es waren nur zwei Namen, da es zu keinen Auseinandersetzungen gekommen war. Ein weiteres Trauerlied später, wurde daran erinnert, das es heute Nachmittag noch eine freiwillige Messe für einen herausragenden Heiligen geben würde und natürlich die tägliche Abendmesse. Der Gedanke des Tages wurde verlesen: Selbst ein Mensch der nichts besitzt, kann für das Imperium immer noch sein Leben geben. Der Satz wurde mehrmals immer lauter von der Gemeinde wiederholt. Zu guter Letzt sprach der Pontifex Astra Nadab sein Segen, die Gemeinde war entlassen, ihr heiliges Tagwerk zu beginnen, dann setzten Orgelmusik und die Glocken ein.
Gavri sorgte dafür, dass ihre Kinder wieder eine Reihe bildeten und schleuste sie durch das Gedränge in eine der Trainingshallen im Hauptdeck. Auch andere Kinder, nicht nur Waisen, hatten sich in der Halle versammelt und Gruppen nach Alter wurden gebildet. Nach einem Gebet, in welchem sie der Ekklesiarchie für ihre Großzügigkeit dankten, hier trainieren zu dürfen, fingen sie mit den Aufwärmübungen an. Danach begannen die eigentlichen Übungen, Unterweisungen und Trainingskämpfe.
Schwester Gerechter Zorn machte heute Morgen einen fröhlichen und beschwingten Eindruck, deswegen fingen die Aufwärmübungen vergleichsweise milde an. Fünfzig Liegestützen auf den geballten Fäusten, gefolgt von zweihundert Kniebeugen zum ausruhen, dann noch vierzig Klappmesser in sechzig Sekunden. Wer das nicht schaffte, durfte nochmal vierzig dran hängen. Nicht zur Strafe, nur zur Übung. Danach kamen dreißig Minuten lange verschiedene Kraftübungen, gefolgt von ein paar leichten Übungen am Balken, um den Gleichgewichtssinn etwas zu trainieren. Anschließend begannen individuelle Übungen.
Gavri übte gerade eine Kata mit einem Schwert, das in Form und Gewicht dem Schwert aus der Gruft glich. Diese Kata nannte man den unbarmherzigen Schlaghagel des Leman Russ. Eine recht brutale Abfolge kraftvoller Hiebe, die in kurzer Zeit auf ein Ziel niederhagelte. Die Drillnonne lies sie die Kata gerade zum vierundzwanzigsten Mal wiederholen, weil da mal ein Hieb nicht mit der notwendigen Stärke geführt wurde, da stimmte mal der Winkel um mindestens ein Grad nicht oder sie war etwas zu langsam, als ein Servoschädel in die Halle hinein geflogen kam und nach kurzem umsehen auf sie zugeschwebt kam.
„Gavri Pilgerstochter, folgen sie mir!“ plärrte der Schädel durch einen Lautsprecher, den er anstelle eines Unterkiefers trug. Es kam öfters vor, dass sie gerufen wurde. Bis jetzt ging es meist um administrative Aufgaben in Bezug auf ihre Waisenkinder. Es konnte reine Routine sein, aber auch bedeuten, dass sie in argen Schwierigkeiten steckte. Sie legte ihr Übungsschwert in den Ständer und folgte mit einem mulmigen Gefühl dem Schädel, der sie in Richtung des vorderen Teil des Schiffes führte. Über die große Haupttreppe betraten sie den Bereich des Schiffes, welcher der Verwaltung der Ekklesiarchie vorbehalten war. Dies hier war ein Bereich verwinkelter Schreibstuben voller Schreiber, staubiger Bibliotheken und klackender Cogitatoren. Sie entspannte sich, als sie den gewohnten Weg erkannte, der zu Priester Medad führte, dem Verantwortlichen für die Verwaltung der Waisen auf dem Schiff. Blicken lies der sich in den eigentlichen Bereichen nie, sondern zitierte die Erzieherinnen immer zu sich in sein kleines Büro.
Aber dann sah sie den obersten Zuchtmeister Weißkopf, dem dritthöchsten Vertreter der Ekklesiarchie nach dem Pontifex Astral und dem Dekan auf dem Schiff vor sich im Gang stehen. Zuchtmeister Weißkopf war ein großer, breit gebauter Mann, ihm fehlte offensichtlich ein Auge, da die leere Höhle gut sichtbar war. Gerüchten zufolge hatte er es sich selbst herausgerissen, weil er aus Versehen einen ketzerischen Satz gelesen hatte. Wo einst seine Nase gewesen war, befand sich jetzt eine nässende Wunde. Über den Verlust seiner Nase gab es ein Dutzend wilder Geschichten, eine unglaubwürdiger als die andere. In seine Wangen waren die heiligen Symbole seines Amtes eingebrannt. Er trug immer ein schweres Buch der erweiterten Gebote, Gesetze und Regeln der Ekklesiarchie für ihre Pilgerschiffe an einer Eisenkette um seine Schulter geschlungen mit sich herum. Seine einfache, vor Dreck starrende, ehemals weiße Kutte, die durch nie heraus gewaschene, unzählige Blutspritzer von Geißelhieben vorne nun dunkelrot war, wurde nur von einer ausgefranzten Schnur zusammen gehalten, in der eine schwere Geißel steckte. Mit der peitschte er nicht nur seine unreine Haut von dem Rücken, sondern auch von denen, die es an der nötigen Inbrunst missen ließen. Er war dafür berüchtigt, schon ein Dutzend Menschen zu ihrem eigenen Besten zu Tode gepeitscht zu haben, teilweise wegen nichtiger vergehen, wie dem Zuspätkommen bei der Morgenandacht. Und Gavri wusste, dass sie viel mehr als das getan hatte.
Sie war aufgeflogen, nur so war sein flammender Blick aus seinem verbliebenen Auge und eine wütende Haltung erklärbar. Alles in ihr schrie, wegzulaufen, sich zu verstecken. Aber wohin? Das Schiff war sicherlich riesig, aber endlich. Bevor sie aber überhaupt reagieren konnte, bekam sie von hinten eine Kapuze über den Kopf gestülpt, ein harter Schlag in die Kniekehle lies sie zu Boden stürzen, dann waren mehrere schwere Körper über ihr und hielten sie erbarmungslos fest. Der Schädel hatte sie offensichtlich in einen Hinterhalt gelockt, ihre Angreifer mussten sich in dem dunklen Schottbereich versteckt haben, den sie gerade passiert hatte. Sie spürte, wie ihr ein schwerer eiserner Kragen angelegt wurde, der ihre Hände vor sich fixierte. Solche Krägen hatten einen ganz speziellen Namen, nämlich Hexenkragen.