Diese Hitze! Ich backe hier beim Schreiben wirklich gut durch. gestern hat es ja geregnet und gehagelt, aber irgendwie hat das auch nichts gebracht. ich hoffe jedenfalls mal, dass mein Gehirn nicht völlig überhitzt ist und ich nicht nur Stuss zusammengeschrieben habe. Die Episode ist zumindest etwas länger als die letzte geworden.
Strauß verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. Er lag, nur durch seine Trage und eine grobe Felddecke vom Erdboden getrennt, im Befehlsstand der Mörserkompanie, eingezwängt zwischen dem Reservefunkgerät und zwei Kisten mit Mörsergeschossen. Der Befehlsstand war brusthoch ausgebaut, seine Wände mit Brettern und Sandsäcken verstärkt. In der Stellung herrschte emsiges Treiben. Melder eilten hinein und hinaus, um dem befehlshabenden Offizier – Oberleutnant Gerner, den Strauß flüchtig kannte – Lageberichte zu geben. Zwei Soldaten waren mit einem leistungsstarken Funkgerät beschäftigt, notierten Zielkoordinaten und Unterstützungsanfragen auf Meldeblockpapier. Ein Korporal war damit beschäftigt, jeden abgefeuerten Mörserschus auf einer Strichliste zu verzeichnen. Ein Gefreiter stemmte sich gegen einen schweren Bolter, der auf dem Stellungsrand auflag, und hielt über die Visiereinrichtung der Waffe das Vorfeld im Blick. Die Stiefel des Mannes drückten sich in den harten Boden. Der Munitionsgurt der Waffe hing bis zu seiner Hüfte herab.
Von überall um Strauß herum wummerten die Mörserschüsse. Als die Sanitäter ihn in zum Befehlsstand getragen hatten hatte er die Waffen gesehen. Sie waren in kleineren, weniger ausgebauten Deckungen rund um den Befehlsstand aufgebaut, fast wie Waben eines Bienenstocks. Es waren acht Mörser, und die Soldaten der Mörserkompanie arbeiteten mit anerkennenswerter Schnelligkeit und Effizienz. Sie erhielten eine Feuerrate im Drei-Sekunden-Takt aufrecht, sobald sie Zielkoordinaten hatten. Strauß hätte die Eldar, die unter diesem Beschuss lagen, bedauert, hätte die Wunde in seiner brust ihn nicht an die Bösartigkeit und Gefährlichkeit der Xenos erinnert.
Er wusste, dass die Position der Mörserkompanie keineswegs sicher war. Die Sanitäter waren umsichtig genug gewesen, ihm bei seiner Verlegung vom Lazarett hierher seine persönliche Handwaffe zu belassen. Die Laserpistole drückte kantig und hart in seine Hüfte. Seine Finger lagen bereits am Griff. Strauß war nicht in der verfassung, die Waffe ernsthaft gebrauchen zu können, aber sie beruhigte ihn etwas. Er hatte in den Wochen auf Orellion erlebt, wozu die Eldar fähig waren, wie plötzlich sie auftauchen und ganze Kompanien abschlachten konnten. Wenn sie hierher kamen, so würde er zumindest nicht ohne Gegenwehr sterben.
Strauß Gedanken wanderten, während er das Geschehen im Befehlsstand, das in seinem begrenzten Sichtfeld lag, beobachtete. Er versuchte nicht an das lazarett zu denken, doch die Gewalt der Erinnerungen war stärker. Er hörte noch immer die Schreie der Sanitäter und Ziemkes, als Calponia sie in der Luft zerrissen hatte. Strauß war durch einen Vorhang vom geschehen getrennt gewesen, doch die entsetzlichen Schreie, das widerwärtige Geräusch reißenden Fleisches waren schlimmer gewesen als jeder Anblick, den er sich vorzustellen vermochte. Er hatte gekämpft, hatte Verwundete und Tote gesehen, hier auf Orellion wie auch auf Kalopulos III, doch das Grauen im Lazarett würde ihn bis zu seinem Tod in seinen Träumen verfolgen.
Trotz des Mörserfeuers wirkte das geschehen in der Stellung dagegen fast idyllisch. Gerner über seinem Kartentisch lächelte, als er zufällig aufsah und Strauß Blick kurz erwiderte. Der Soldat am schweren Bolter verlagerte kurz sein Gewicht von einem Bein aufs andere, um die angespannte Muskulatur zu lockern. Die Funker blieben in ihre Notizen vertieft.
Eine plötzliche Explosion erschütterte die Lichtung. Die Druckwelle ließ Gerner von seinem Kartentisch zurücktaumeln. Der Schütze des schweren Bolters wurde gegen seine Waffe gedrückt und riss dadurch den Lauf nach oben. Die Funker fielen gegeneinander. Papier wirbelte durch die Luft.
Strauß, der in seiner liegenden Position kaum etwas abbekam, dachte einen Moment lang, eine der Mörsergranaten wäre im Rohr der Waffe explodiert. Er hatte im Theorieunterricht an der Akademie gelernt, dass solche Unfälle passieren konnten. Als jemand „Sprungtruppen! Sprungtruppen!“ schrie und der schwere Bolter mit der kurzen Verzögerung, die es brauchte, um die Waffe wieder in Anschlag zu bringen, losbelferte, wurde er eines besseren belehrt.
Strauß Hand umfasste das Griffstück der Laserpistole. Er zog sie an sich, über die bandagierte Brust, legte den Schalter für die Energieeinstellung von ‚Aus’ auf ‚Maximal’.
Gerner und die Mitglieder seiner Stabsabteilung stürzten an die Stellungswände und brachten ihre Lasergewehre in Anschlag, während der schwere Bolter in kurzen Feuerstößen weiterschoss. Der Schütze schwenkte die Waffe hin und her, so als griffe der Feind auf breiter Front an – oder als wechsele er mit hoher Geschwindigkeit immer wieder seine Position.
Laserimpulse knackten in den kurzen Feuerpausen des schweren Bolters. „... einstellen!“ hörte Strauß Gerner schreien. Der Oberleutnant wurde vom Hämmern der Unterstützungswaffe immer wieder übertönt, dennoch schrie er gegen die Salven an, während er gleichzeitig über die Visierung seines Lasergewehrs Ziele aufzufassen versuchte. „... unsere eigenen...“ Es nutzte nichts, der Soldat am schweren Bolter hörte nicht auf ihn.
Ein Eldar tauchte aus dem Nichts auf dem Rand der Stellung auf, direkt neben den beiden Funkern. Der Xenos war in eine massive, rot und schwarz gemusterte Rüstung gekleidet, seine Schultern weit über das für Krieger seines Volks normale Maß unter Panzerung verborgen. Offenbar trug er neben der länglichen, sperrigen Waffe vor seiner Brust komplexe technische Vorrichtungen im Rückenteil seines Panzeranzugs. Der weiße helm des Außerirdischen schwenkte in einer flüssigen bewegung von links anch rechts, so als habe er die Situation mit einem schnellen Blick erfasst.
In der Luft war schlagartig der Gestank von Ozon, lag fast wie eine Giftgaswolke über der Stellung. Die beiden Funker sahen zu dem Eldar hoch, wollten ihre Waffen in Anschlag bringen. Auch Strauß hob seine Laserpistole, drückte die Sicherung auf Vollautomatik, doch der Xenos war schneller. Er brachte seine fremdartige Waffe wie eine Lanze herum, richtete sie grob auf die Funker. Eine düstere Wolke, die in ihrer Form fast der Feuerzunge eines Flammenwerfers glich, dehnte isch schnell unter dem Geräusch reißender Drahtseine aus und verschlang die beiden Mäner. Als fein zerstäubtes Blut durch die ganze Stellung spritzte, begriff Strauß: Eine Monofilamentwaffe!
Er drückte den Abzug seiner Laserpistole. Die Impulse hätten den Eldar treffen müssen – er konnte auf diese Distanz nicht verfehlen! Doch der Xenos war so plötzlich und spurlos wieder verschwunden, wie er gekommen war, und Strauß Schüsse gingen ins Leere.
Der Bolterschütze feuerte weiter, hatte den Tod seiner Kameraden vielleicht nicht einmal bemerkt. Gerner wandte sich um, einen Ausdruck des Grauens im gesicht blickte er zu Strauß. Eine weitere Monofilmantwolke schoss unvermittelt an ihm vorbei, erfasste den Oberkörper des Bolterschützen und zerriss ihn zu rotem Sprühnebel. Der Unterleib des Mannes fiel in die Stellung, die stiefelbewehrten Füße noch zuckend in den letzten Impulsen der von Agonie verzehrten nerven. Strauß schoss wieder, auf den Alien hinter gerner, doch auch dieser verschwand wieder.
Gerner schrie in Panik. Soweit Strauß sehen konnte, war der Oberleutnant unverletzt, doch das bedeutete wenig. Schlachtfeldtraumata waren gerade unter Soldaten, die nicht den Einsatz an vorderster Front gewohnt waren, häufig. Strauß spürte die Situation auch an seinen nerven angen, obwohl er bisher fast übermenschlich ruhig geblieben war. Er schob es auf die Schmerzmittel, die ihm verabreicht worden waren, doch nun schlug auch ihm das Herz wie eine pauke in der Brust, und kalter Schweiß stand auf seiner Haut. Für einen Moment war es gespenstisch ruhig. Jeglicher Kampfeslärm hatte aufgehört. Gerner stand inmitten der Stellung, seine glasigen Augen in Panik hin und her huschend, seine zitternden Finger um das Lasergewehr geklammert. Zu seinen Füßen und über die Wände der Stellung lagen die Überreste seiner Stabsabteilung, außerhalb der Stellung die Leichen seiner Kompanie. Uniform und Gesicht des Oberleutnants waren mit dunklem Blut besudelt.
Ein Eldar materialiserte hinter Gerner. Strauß schrie eine Warnung, spürte, wie es ihm dabei fast die Brust zerriss. Der Oberleutnant fuhr herum, den Kolben seines Lasergewehrs hochbringend.
Der Außerirdische war anders bewaffnet als seine Waffenbrüder. Statt der Monofilamentwaffe führte er an jedem seiner gepanzerten Unterarme eine lange Klinge. Wie eine risiege heuschrecke griff er gerner an, mit den Klingen in langen, schneiden bewegungen zuschlagend. Gerner parierte den ersten Schlag, auch den zweiten. Einen Moment lang schien es, als könne der Oberleutnant, wie ein Wahnsinniger schreiend und vom Mut der Verzweiflung angetrieben, den Kampf gewinnen, doch der Eldar war zu schnell für ihn. Ein Klingenschlag trennte Gerners rechten Unterarm ab, ließ den Oberleutnant in die Knie brechen und das Lasergewehr aus kraftlosen Fingern zu Boden fallen. Ein ersticktes, in den Tod verheißendes Gurgeln übergehendes keuchen war das Letzte, was der befehlshabende Offizier der Möserkompanie von sich gab, als der Eldar in einer Geste des Triumphs seine Kehle durchschnitt.
Der Außerirdische stand einfach nur da, sah Strauß über Gerners Leiche hinweg an, wiegte den weißen helm von einer Seite auf die andere. Strauß hielt die Laserpistole auf ihn gerichtet. Der Lauf der Waffe zitterte. Strauß drückte ab.
Nichts.
Er betätigte erneut den Abzug.
Wieder nichts. Die Energiezelle der Waffe war verschossen. Strauß heulte auf. Tränen schossen in seine Augen. Wieder und wieder riss er den Abzug durch.
Der Eldar stand einfach nur da, beobachtete den Leutnant in seiner Qual. Schließlich, als Strauß endlich aufgehört hatte, den Abzug seiner Waffe zu betätigen, kam er auf ihn zu. Einen Schritt, dann noch einen. Noch einen. Drei Schritte vor dem liegenden Verwundeten blieb er stehen. Er kreuzte die Unterarme vor der Brust. Die bluttriefenden Klingen rahmten seinen schneeweißen Helm ein. Der Xenos verbeugte sich.
Dann verschwand er. Strauß blieb allein zurück.