Krüger schrie. In freiem Fall stürzte er dem Boden entgegen, um ihn herum die Dunkelheit der Nacht. Während der Wind ihm Tränen in die Augen trieb, schienen seine Gedärme weit hinter ihm zurückbleiben zu wollen. Die Baumwipfel kamen näher und näher. Nur noch Sekunden, und er würde als blutiger Fleck auf der Planetenoberfläche enden. Gorekil hatte ihn belogen, der Gleitschirm würde nicht öffnen. Es war völlig unvorstellbar, dass ihn jetzt noch irgend etwas vor dem sicheren Tod bewahren würde. Krüger machte heulend und wimmernd seinen Frieden mit dem Imperator
Ein plötzlicher Schlag riss ihn zurück, presste die Luft hart aus seinen Lungen. Für einen Sekundenbruchteil sah er seine Stiefelspitzen in seinem Blickfeld auftauchen, dann hing er zitternd und schluchzend an seinem Gleitschirm, plötzlich in unerträglicher Leichtigkeit schwebend. Die automatische Auslösung hatte seinen Fall doch noch gebremst.
„Krüger?“, knarrte Gorekils Stimme aus dem Kopfhörer. „Alles in Ordnung?“
Krüger verfluchte den Gardistenoberst laut und blasphemisch, bevor er die Sprechverbindung aktivierte und mit einem kläglichen „Jawohl.“ antwortete.
Gorekils Lachen erklang. „Kopf hoch, Hauptmann. Beim ersten Sprung geht es jedem so. Wir sehen uns am Boden. Gorekil Ende.“
Krüger wandte seine Aufmerksamkeit dem Gleitflug zu. Der Oberst hatte ihm erklärt, dass die Landung einer der kritischsten Momente des ganzen Sprungs war, und Krüger war nur zu bereit, das zu glauben. Er sah sich bereits hilflos in einem Baum hängen, hoffnungslos in den Leinen seines Schirms verheddert. Unruhig hielt er Ausschau nach einer Freifläche und versuchte, seinen Gleitflug so gut es ging zu steuern. Weil er in der Dunkelheit kaum etwas sah, aktivierte er schließlich gegen Gorekils Anweisung das Nachtsichtgerät.
Das hellgrüne Bild der integrierten Zieloptik war gleich um einiges besser, als sich der Nacht nur mit bloßem Auge stellen zu müssen. Krüger atmete auf, als er eine Lichtung entdeckte, die groß genug für einen ungeübten Springer wie ihn schien. Vorsichtig steuerte er in die Richtung. Langsam näherten seine Füße sich den emporragenden Ästen der Bäume. Unangenehm lautes Rascheln erklang, als seine Stiefelspitzen die ersten Zweige berührten.
Natürlich scheiterte es. Krüger fluchte gepresst, als mit dem scharfen Geräusch reißenden Stoffs und dem Ächzen belasteten Holzes sein Gleitschirm in einer Baumkrone hängen blieb und ihn gute zwei Meter über dem Boden in der Luft baumeln ließ. Tastend suchte er das Kampfmesser an der Koppel, fand es schließlich und schnitt sich mit der Entschlossenheit eines Mannes, der schon längst genug von diesem Einsatz hatte, los. Er landete unsanft auf den Füßen und beeilte sich, von der Lichtung herunter in de Deckung der dichtstehenden Bäume zu kommen. Mit pochendem Herzen ließ er sich ins Unterholz gleiten, überprüfte mit schnellen Blicken erst die Umgebung, dann seine Ausrüstung. Es schien, als wäre seine Landung unbemerkt geblieben. Langsam schob er das noch immer bereit gehaltene Messer in seine Scheide zurück und entnahm dafür einer der zahlreichen Gürteltaschen das Auspex. Er legte das Gerät vor sich ab, bevor er es aktivierte, um die Hände notfalls für das Ziehen seiner Waffe frei zu haben.
„Krüger, hier Gorekil. Wo sind sie?“, rauschte es aus dem Kopfhörer.
Krüger überprüfte die glimmende Anzeige des Auspex. „Einen guten Kilometer westlich von ihrer Position.“, antwortete er.
Ein kleiner Pfeil blinkte auf dem Display des Scanners auf. „Unser Rendevouzpunkt.“, verkündete Gorekil im selben Moment. „Wir sehen uns dort. Beeilen sie sich und seien sie vor allem vorsichtig, Hauptmann.“ Gorekil zögerte kurz. „Kincade meint, dass wir nicht allein sind.“
Krüger nickte überflüssigerweise, nahm das Auspex auf und griff nach der Boltpistole in ihrem Holster, hielt aber m letzten Moment inne, um sich für die schallgedämpfte Automatikpistole vor seiner Brust zu entscheiden. Heimlichkeit ging dieses mal vor Durchschlagskraft.
Er setzte sich in Bewegung, nicht zum ersten Mal in dieser Nacht darüber nachdenkend, dass er eigentlich zu schwer beladen war mit Waffen, Munition und Ausrüstung. Diese Art von Operation völlig auf sich allein gestellt hinter Feindlichen Linien war ihm nur wenig vertraut. Er hoffte darauf, dass Gorekil und Kincade ihn möglichst bald zu seiner Kompanie zurückbringen würden, so wie sie es ihm vor dem Absprung angekündigt hatten. Alles andere wäre eine äußerst fahrlässige Gefährdung der Mission der Gardisten.