Das Warpportal der Eldar glühte wie eine schwärende Wunde im Dunkel. Wie die Oberfläche eines Sees, in den man einen Stein geworfen hatte, schlug das bläuliche Energiefeld des Portals fortdauernd Wellen. Eingefasst war das kreisrunde, vielleicht zwanzig Meter im Durchmesser betragende Feld von einem ringförmigen Bogen aus fremdartigem, knochenfarbenem Material, das von zahlreichen Ranken überwuchert war und an einigen Stellen mit dunklen, edelsteinartigen Kristallen besetzt schien.
Gorekil pfiff angesichts der Bewachung des Portals leise durch die Zähne. Zwei Trupps schwarzgerüsteter Gardisten patrouillierten auf festgelegten Wegen um das Portal, passierten dabei eine in Richtung Wald postierte Antigravplattform mit Shurikenkanone und die eigentlichen Wächter des Portals, eine Gruppe in schwere grüne Ganzkörperpanzer gekleideter Xenos. Gorekil hatte von den sogenannten Skorpionkriegern gehört, und ihre Anwesenheit bereitete ihm Sorge, sogar noch mehr Sorge als die Gegenwart zweier offensichtlich abgestellter Serpent-Antigravtransporter, die weiter weg vom Portal standen.
Für ihre Nähe zu den imperialen Linien hatten die Eldar an diesem Ort eine sehr beeindruckende Streitmacht versammelt. Und es war noch nicht einmal absehbar, ob sie im nahen Wald noch Reserven hatten oder zusätzliche Kräfte schnell durch das Portal heranführen konnten.
An der Unterlippe kauend beobachtete Gorekil die Bewegungen der Skorpionkrieger. Die Xenos bewegten sich kaum aus dem lockeren Kreis heraus, den sie um das Portal gebildet hatten. Sie trugen Kettenschwerter und Shurikenpistolen, die sie ohne sichtliche Mühe in Händen hielten. Ihre hohen, leicht gebogenen Helme schwenkten langsam und suchend hin und her. Sie machten nicht den Eindruck, als wäre von ihnen ein Moment der Unachtsamkeit zu erwarten.
Eine ihm bisher verborgen gebliebene Gestalt inmitten der Skorpionkrieger zog durch eine Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich. Gorekil vergrößerte schnell die Auflösung des Restlichtverstärkers, um den in weite, dunkle Roben gehüllten Xenos nicht wieder zu verlieren. Der Eldar schien von einer Art Kraftfeld umgeben zu sein, das ihn fast vollständig vor Entdeckung schützte, indem es die Konturen seines Trägers mit der Umgebung verschmelzen ließ.
Offensichtlich hatten sie Glück und neben dem Warptor auch noch einen hochrangigen Kommandanten der Xenos vor sich. Gorekil beschloss noch im selben Augenblick, dass ein schneller und überraschender Handstreich die einzige Möglichkeit für sein Kommando darstellte, mit den Eldar fertig zu werden. Die Xenos durften keine Gelegenheit bekommen, ihre Serpents oder die Antigravplattform zum Einsatz zu bringen. Gleichsam musste verhindert werden, dass die Skorpionkrieger in das zu erwartende Handgemenge eingreifen konnten oder zusätzliche Eldartruppen aus dem Portal herauskamen.
Er öffnete die Kommunikationsverbindung zu seinem nächsten Spezialwaffenteam.
Auf zitternden Beinen schleppte sich Calponia vorwärts, fort von der Spur der Zerstörung, die die Sentinels durch den Wald gezogen hatten. Sie musste es schaffen, irgendeine imperiale Einheit zu erreichen, bei der sie vorübergehend in Sicherheit war und medizinisch versorgt werden konnte, ansonsten würde sie in diesem Wald eines langsamen und qualvollen Todes sterben.
Sie hielt die Arme um den Leib geschlungen, um zu verhindern, dass das, was von ihrem Inneren noch übrig war, durch den Riss in ihrer Rüstung hervorquoll. Von dem Geschoss in ihren Eingeweiden strahlte eine peinigende Kälte in ihren ganzen Körper ab. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, und auch Ys’ijan’khar schien sich dessen bewusst zu sein.
„Du wirst sie entfernen müssen.“, sagte die Stimme in Calponias Kopf. „Sie wird dich töten, wenn du sie nicht aus deinem Leib reißt.“
Calponia brach in die Knie. Nur gerade eben schaffte sie es, den Sturz ihres Körpers abzufangen. „Wie, Ys’ijan’khar?“, wimmerte sie. „Wie soll ich das schaffen?“
„Du kannst es. Greif die Kugel. Reiß sie heraus. Der Schmerz wird vergehen.“
Calponias Hände gehorchten ihr kaum noch. Sie verfehlte den Riss in ihrer Rüstung mehrmals, bevor es ihr gelang, zwei ihrer steifen Finger an die Bruchselle heranzuführen. Das Loch war vielleicht breit genug, um sie hindurch zu bringen.
Sie versuchte es und schrie laut vor Schmerzen auf, als die Fingerspitzen des Panzerhandschuhs das zerfetzte Fleisch ihres Bauches berührten. Von Krämpfen geschüttelt kippte sie auf die Seite, vergrub das Gesicht im Waldboden und schluchzte unkontrolliert. Tränen schossen aus ihren Augen. „Ich kann es nicht... Es tut so weh, Ys’ijan’khar.“
„Ruhig, Liebes.“, flüsterte Ys’ijan’khar. „Ich kann es für dich tun. Entspann dich. Lass mich dir helfen.“
Calponia blieb liegen, wie sie war. Sie hatte zuviel Angst vor dem Tod, als dass sie irgendetwas anderes tun würde als das, was Ys’ijan’khar sagte. Die Verkrampfung ihrer Muskeln löste sich langsam mit einem schwachen Kribbeln. Calponias Haut prickelte, als würden kleine Insekten darüber laufen. Die Schmerzen ließen für den Moment nach.
„Spürst du es?“, fragte Ys’ijan’khar. „Spürst du mich?“
„Ja.“, hauchte Calponia.
„Dann wehr dich nicht gegen das, was gleich passieren wird. Es ist zu deinem Besten.“
Das Kribbeln wurde stärker, fühlte sich nun fast an wie elektrische Spannung, die durch Calponias Körper floss. Ihre Arme begannen, sich ohne ihren bewussten Willen zu bewegen. Sie konnte nur atemlos zusehen, wie die Finger ihrer Rechten sich erneut zielstrebig auf das Loch in ihrer Rüstung ausrichteten und sich langsam darauf zu bewegten. In Erwartung neuerlichen Schmerzes hielt sie den Atem an und biss die Zähne zusammen, als die gepanzerten Fingerkuppen in den Riss vorstießen.
Der Schmerz kam, aber abgeschwächt und dumpf, so als wäre er nur ein Echo, als wäre der echte Schmerz von einer massiven Wand aufgehalten worden, bevor er Calponias Wahrnehmung erreichte. Er wurde nicht einmal stärker, als sich Calponias Finger mit einem schmatzenden Geräusch ins Innere ihres Leibes drückten und nach der Kugel tasteten.
„Du bist sehr tapfer.“, lobte Ys’ijan’khar „Mir gefällt deine Stärke.“
Calponia nickte schwach. Sie fühlte kalten Schweiss auf ihrer Stirn, und trotz Ys’ijan’khars Hilfe drehte sich die Welt um sie herum. Sie wusste, dass es eine Folge des Blutverlusts war.
„Sieh nur.“, sagte Ys’ijan’khar, als Calponias Finger die blutige Kugel aus ihrem Leib zogen und wie im Triumph in die Höhe hielten. „Sieh, was wir geschafft haben.“
Calponia betrachtete das zerdrückte, scharfkantige Stück Metall mit flatternden Lidern. Ihr Puls klang dumpf und viel zu langsam in ihren Ohren wieder. „Ys’ijan’khar... Ich... Ich kann nicht mehr...“
Ihre Beine hoben sie im selben Moment unbarmherzig in die Höhe. Ihr Oberkörper schwankte von einer Seite auf die andere, doch wie zwei Säulen hielten ihre Beine sie aufrecht. Calponia würgte und erbrach Blut.
„So schnell geben wir nicht auf.“, stellte Ys’ijan’khar fest. „Ich habe noch einiges mit dir vor. Wir haben keine Zeit, uns hier in Selbstmitleid zu verlieren.“
Dem ersten, taumelnden Schritt folgte ein zweiter, dann ein dritter. Calponia wusste nicht, wohin sie ging, aber sie hatte es auch nicht mehr zu entscheiden.