@Dr.Imba: Wahrscheinlich hast du recht, dass Space Marines technisch nicht weiter entwickelt sind als der Rest des Imperiums, allerdings dürfen sie die besten verfügbaren Waffen und Ausrüstungen benutzen und sind somit besser ausgestattet als der Rest. Ist auch irgendwo logisch. Wenn ich die Wahl habe, einen wahnsinnig seltenen Plasmawerfer einem normalen Menschen zu geben, der dreimal vorbeischießt und sich dann selbst grillt, oder einem genetisch manipulierten Übermenschen, dann wüsste ich, wie ich mich entscheide 😉
„Sie müssen wahnsinnig sein, wenn Sie so etwas ernsthaft vorschlagen!“, ereiferte sich Oberst Harden. Mit verkniffenem Gesicht fuhr er zu Hauptmann Graf Marcks herum.
„Wo haben Sie einen wie den nur ausgegraben? Und sagen Sie mir nicht, das sei das Ergebnis einer Ihrer Offiziersschulen!“ Er deutete mit dem Daumen über die Schulter auf Hauptmann Portner von der Blauen Kompanie, dem sein Missfallen galt.
Der Graf zuckte nur mit den Schultern. Er hätte auch keine Gelegenheit zu einer weitergehenden Antwort gehabt, denn der Taloner polterte praktisch ohne Pause weiter: „Warum sollten wir versuchen, den Feind aus diesem Gebäude herauszuholen, wenn wir genau wissen, dass sie ausschließlich da drinnen sitzen?“
Er sah die anderen Anwesenden nach Bestätigung heischend an. Hauptmann Portner, Fürst von Vulling von der Gelben Kompanie, die nun zwischen der Roten Kompanie und den Talonern stand, Inquisitor Gerret, niemand sagte etwas. Alle warteten gespannt darauf, was Graf Marcks, noch immer der offizielle Befehlshaber der lokalen Operationen, zu den verschiedenen Standpunkten zu sagen hatte. Doch auch er schwieg nach wie vor.
Harden hieb frustriert gegen die Flankenpanzerung seines Kommando-Salamanders, in dem die kleine Versammlung stattfand.
„Das kann doch nicht so schwer sein.“, grollte er, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkend. „Nehmen Sie sich ein beliebiges Handbuch zu Feldtaktiken und schlagen Sie den Belagerungsteil auf. Da steht drin: Wenn der Feind sich freiwillig in ein einzelnes Gebäude setzt, sei bloß vorsichtig. Jedenfalls sinngemäß.“
„Wir können nicht riskieren, dass einige von ihnen entkommen!“, hielt der heißblütige Portner dagegen, was ihm einen abfälligen Blick seines Offizierkollegen der Gelben Kompanie einbrachte. „Wenn wir das Bauwerk gestürmt haben, können wir sicher sein, dass die Arbeit getan ist.“
Der Oberst warf die Arme in die Luft.
„Wir haben einen undurchdringlichen Sperrriegel gebildet. Alle unsere Vorausabteilungen haben bestätig, dass sich die feindlichen Kräfte nur in und um diesen einen Komplex befinden können. Warum also gehen wir nicht einfach auf Abstand, beordern einige Marauders her und lassen sie das Gebiet so richtig aufräumen?“
„Weil wir“, meldete Hauptmann Graf Marcks sich zu Wort. „keine Ahnung haben, wie tief der Komplex unter die Erde reicht. Womöglich kratzen wir den eigentlichen Bereich, in den sich der Feind zurückgezogen hat, noch nicht einmal an.“
„Ganz richtig, und genau weil wir nichts über das Gebäude wissen, will ich meine Soldaten nicht einfach aufs Geratewohl dort hineinschicken. Wir wissen auch nicht, wie viele der feindlichen Streitkräfte den Kampf überlebt haben. Wenn wir jetzt hineingehen, wird es in einem Massaker enden!“
„Ich muss dem Oberst zustimmen.“, brummte Reinhold von Vulling. „Wir können nicht sofort stürmen.“
„Danke sehr.“, nickte Harden, überrascht, ausgerechnet von Seiten eines Gotfrieders Unterstützung zu erfahren.
Graf Marcks erging es ähnlich und er zog fragend die Brauen hoch.
„Seit wann setzen Sie sich für das Wohl des gemeinen Soldaten ein, Hauptmann?“
„Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Graf.“, gab der Fürst zurück. „Es ist eine ganz simple Rechnung. Wir sind praktisch ohne Genehmigung hier. Sollten wir so viele Männer verlieren, dass wir die Sache nicht zuende bringen können, wird man uns keine Verstärkung schicken. Wir müssen mit unserem Material pfleglich umgehen, wollen wir sicher gehen.“
Oberst Harden wurde bei dieser nüchternen Analyse beinahe übel, aber so lange er ihm half, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, würde er dem Führer der Gelben Kompanie nicht widersprechen.
„Aber aus genau dem selben Grund wird auch die Navy keine Angriffe mehr fliegen.“, gab Hauptmann Portner zu bedenken.
„Wir können einfach behaupten, wir könnten uns nicht vom Feind lösen, solange das Ziel nicht zerstört ist.“, erwiderte der Taloner Offizier.
„In Ordnung.“, stellte der Hauptmann der Roten Kompanie fest. „Wir können es versuchen. Wir werden-“
Der Inquisitor, der bis jetzt völlig teilnahmslos an der Seitenwandung des Kommandofahrzeugs gelehnt hatte, räusperte sich geräuschvoll.
Alle Augen fuhren zu ihm herum. Gerret schenkte ihnen sein mühevolles Lächeln, während er sich bedächtig über den sauber gestutzten Bart strich.
„Es wäre für mich von Bedeutung, wenn Sie das Gebäude unbeschädigt einnehmen würden.“
„Wonach suchen Sie?“, erkundigte sich Graf Marcks
„Sie werden sicher Verständnis haben, wenn ich diese Kleinigkeit für mich behalten möchte.“, sagte der Inquisitor liebenswürdig. „Aber ich darf Ihnen versichern, dass es sich dabei um Stücke von aller größtem Wert für mich handelt.“
„Aber natürlich. Und zur Erreichung dieses Ziels schlagen Sie vor...?“
„Sie werden das Gebäude stürmen. Wie Sie das bewerkstelligen, überlasse ich Ihrem militärischen Sachverstand. Ich bin mir sicher, dass Sie mich nicht enttäuschen werden.“
Mit diesen Worten wandte sich der Abgesandte des Ordo Xenos ab und verließ den Salamander. Die versammelten Offiziere blieben verblüfft zurück.
„Ich bin nicht bereit, meine Männer auf dieses Selbstmordkommando zu schicken“, ergriff Oberst Harden trotzig das Wort, obwohl er sich im Klaren war, dass er sich im Ernstfall nicht gegen Gerret würde durchsetzen können.
Graf Marcks fuhr zu ihm herum und starrte ihn verächtlich an: „Es ist mir klar, dass Sie so denken, Oberst, und ich möchte Ihnen versichern, dass Sie Ihre geliebten Männer nicht werden damit behelligen müssen. Das war von Anfang an meine Operation und Sie sind hier bestenfalls mein ungebetener Gast. Also werden meine Truppen diese Aktion zu Ende führen. Meine Soldaten werden das Gebäude stürmen. Sie können hier auf uns warten und unsere Rückendeckung übernehmen. Wie gefällt Ihnen das, Oberst Harden?“
Der Taloner zuckte nur die breiten Schultern, bevor er antwortete: „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Graf. Ich werde Sie in diesem Punkt bestimmt nicht davon abhalten.“
Ohne ein weiteres Wort stieg Harden von der Ladefläche des leichten Kommandopanzers und ließ die Gotfrieder Offiziere hinter sich zurück. Er wünschte Hauptmann Graf Marcks inbrünstig Erfolg bei seinem Tun, um nicht weiter in diese langsam eskalierende Situation hineingezogen zu werden.
Oberleutnant Baron Flint spielte nervös an seinem Armbandchronometer herum. Vor etwa zehn Minuten hatte die Artillerie den Beschuss der mutmaßliche Feindposition und deren näherer Umgebung eingestellt. In weiteren zehn Minuten würde der Angriff beginnen.
Der Plan war denkbar einfach. Auch wenn diese Schlichtheit den Zugführer mit Sorge erfüllte, wäre ihm selbst auch nichts Originelleres eingefallen.
Die gesamte Strategie basierte darauf, dass die Xenos einfach nicht mehr genügend Kräfte übrig hatten, um einem konzentrierten Angriff von mehreren Seiten widerstehen zu können. Also würden sämtliche Gotfrieder Teile des imperialen Belagerungsringes zugleich vorrücken. Wenn sie eine ausreichend hohe Geschwindigkeit dabei vorlegen konnten, so die Ansicht der leitenden Offiziere, würden sie in der Lage sein, die erste Verteidigungslinie der Aliens so gründlich zu überrennen, dass diesen nur noch wenige Kämpfer blieben, um den eigentlichen Komplex zu verteidigen.
Allerdings befürchtete der Baron, dass der Feind es genau darauf angelegt haben könnte, sich in das Bauwerk, das er da verteidigte, zurückzuziehen und um jede einzelne Tür zu kämpfen. Je nach Bauweise würde dadurch der zahlenmäßige Vorteil der Imperialen einfach aufgesaugt. Aber eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht.
Flint seufzte resigniert und kratzte sich seinen Bart. Angewidert zog er die Hand zurück, während er die Finger aneinander rieb. Auf ihnen hatte sich eine Schicht aus Ruß, Staub, Schweiß und Blut abgesetzt, die, so wurde ihm jetzt klar, seinen gesamten Körper bedeckte.
Er sah sich um und stellte fest, dass sämtliche seiner Soldaten ebenso verdreckt waren. Er unterdrückte ein Lachen. Jedes mal, wenn er dachte, sie könnten nicht mehr schäbiger aussehen, wurde er eines Besseren belehrt.
Der Oberleutnant nahm seine Männer nochmals genauer in Augenschein. Kein einziger von ihnen, nicht einmal der sonst immer tatkräftige Sergeant Rickers, schien noch wirklich kampffähig zu sein. Fast alle hatten Verletzungen aus dem harten Kampf davongetragen, den sie ausgefochten hatten, um hierher zu gelangen. Er sah verbundene Gliedmaßen, nässende, schmutzige Wunden und verdreckte Verbände, bei deren Anblick jedem einigermaßen seriösen Arzt schlecht geworden wäre. Wer nicht körperlichen Schaden davongetragen hatte, war dennoch nicht ungeschoren davongekommen. Nahezu sämtliche Landsknechte trugen den gleichen leeren Gesichtsausdruck zur Schau, die Augen tief in den Höhlen, von selbst unter der Patina aus Schmutz sichtbaren Augenringen umgeben.
Am auffälligsten hatte sich jedoch das Verhalten der Soldaten geändert. Vor dem Angriff auf die Stadt war da diese mühsam beherrschte Nervosität, bisweilen auch Furcht gewesen. Diese Gefühle hatten sich in überschüssiger Energie ausgedrückt, die von den Männern mit den verschiedensten Aktivitäten zurückgehalten wurde. Jetzt saßen, standen oder lagen sie einfach nur herum. Sie sprachen kaum miteinander, die meisten starrten einfach nur vor sich hin.
Baron Flint sah wieder auf seinen Chronometer. Noch fünf Minuten. Zeit, sie ein wenig wachzurütteln.
Er klatschte kräftig in die Hände. Seine gepanzerten Handschuhe verursachten dabei ein lautes, metallisches Geräusch, das die Landsknechte aufhorchen ließ. Erschöpfte Blicke richteten sich auf ihn.
„Auf, auf Jungs, gleicht geht es los!“, rief er so zuversichtlich, wie er es zustande brachte. Die Männer erhoben sich ächzend und stöhnend. Flint war froh, dass Politoffiziere und Kleriker noch bei ihrer eigenen Einweisung waren, so konnten sie ihm wenigstens nicht in die Quere kommen.
„Nun kommt schon, nicht so müde.“, fuhr er fort, während er zwischen ihnen umherging, einigen auf die Beine half oder aufmunternd auf die Schulter klopfte. „Wir haben es bis hierher geschafft, dann werden wir uns jetzt nicht aufhalten lassen. Noch eine letzte Anstrengung, dann sind wir dieses Höllenloch los. Lasst mich jetzt nicht hängen, denn ich werde den ganzen Weg bei euch sein. Also seid ihr bei mir?“
Wenig euphorisches Zustimmungsgemurmel antwortete ihm.
„Was soll das? Soll das etwa der Dank dafür sein, dass ich mich für euch verprügeln und anschießen lasse? Wollt ihr etwa so kurz vor dem Ziel schlappmachen? Dann hätten diese aufgemotzten Mustersoldaten in ihren schicken schwarz-weißen Uniformen am Ende doch recht! Die haben uns den Job hier von Anfang an nicht zugetraut, aber ich wusste, dass wir das schaffen, wie wir es bis jetzt noch jedes mal geschafft haben. Ja, richtig, wir zusammen. Ich gemeinsam mit euch. Und so wird es auch dieses mal sein. Wir werden die Xenos in den Hintern treten. Zusammen! Und? Seid ihr bei mir?“
Diesmal kam die Antwort der Soldaten kräftiger, entschlossener. Immer noch nicht so, wie der Oberleutnant es sich gewünscht hätte, aber mehr war nicht möglich. Und genau darauf kam es an. Das beste herauszuholen. Doch wer mit Gewalt mehr als das versuchte, das hatte Flint gelernt, der würde unweigerlich das Gegenteil davon erreichen.
Also verbrachte er die letzten drei Minuten damit, seine Männer aufzustellen und mit jedem noch ein paar Worte zu wechseln. Als er bei Sergeant Rickers angelangte, drehte er den Veteranen an der Schulter zu sich herum und sah ihm tief in die geröteten Augen.
„Hör zu Eiken.“, sagte er so leise, dass ihn keiner der Umstehenden hören konnte. „Ich brauche dich. Ich kann auf deine Fähigkeiten nicht verzichten. In einem Kampf wie dem, der uns jetzt bevorsteht, ist es völlig unmöglich, eine anständige Befehlskette aufrecht zu erhalten. Du musst die Männer führen, wenn ich nicht dazu in der Lage bin. Hast du das verstanden?“
„Ja, Baron.“, erwiderte der Sergeant.
„Und pass verdammt noch mal auf dich auf. Dort drinnen draufzugehen, wäre eine Verschwendung.“
„Ich werde mein Bestes geben, Oberleutnant.“
„Ja, ich weiß. Halt einfach den Kopf unten.“
Baron Flint warf einen Blick auf den Chronometer und sah die letzten Sekunden bis zum festgesetzten Angriffszeitpunkt herunterticken. Buchstäblich im letzten Augenblick erreichten der Kommissar und der Kleriker des Zweiten Zuges die Aufstellungszone. Mit dieser Unterstützung konnte ja nichts mehr schief laufen, stellte der Zugführer sarkastisch im Stillen fest.
Auf die Sekunde genau schossen mehrere rote Leuchtraketen in den Himmel. Das vereinbarte Zeichen. Der Oberleutnant zog seine Boltpistole aus dem Halfter und setzte sich in Bewegung, während rings um ihn plötzlich Leben in die versammelten Soldaten kam.
„Los, los!“, schrie er, so laut er konnte. „Bewegt euch! Zeigen wir’s ihnen! Los!“
Die Gotfrieder Infanteristen stürmten in die Straße, die sie direkt zur feindlichen Stellung führen würde, während sie aus vollem Halse brüllten. Der Baron befand sich mitten unter ihnen, als sie um die Ecke bogen. Der letzte Akt hatte begonnen. Doch was ihn eröffnete, ließ Flint wünschen, nicht daran teil zu haben.