@M.Calgar: Ich schreibe gerade an einigen Kurzgeschichten, die den Hintergrund der verschiedenen Protagonisten und meines Regiments noch ein wenig besser ausleuchten sollen. Den ersten Teil habe ich schon gepostet und weitere werden folen, wenn ich endlich meine Klausuren hinter mir habe. So gesehen werden die Charaktere noch in anderen Storys erscheinen. Das ist auch nötig, da ich Modelle von z.B. Marcks und Flint in meiner Armee habe.
Das Erste, was Baron Flint sah, nachdem er mit seinem Zug die Straße zu ihrem Ziel gestürmt hatte, war ein in Grau und Schwarz geschecktes Fahrzeug, das am Ende der Fahrbahn vor dem Zielgebäude wartete. Dem massiven Panzer haftete groteskerweise etwas Elegantes an, mit seiner sanft geschwungenen Linienform und aufgrund der Tatsache, dass er etwa einen halben Meter über dem Boden schwebte.
Das Fahrzeug stand mit der Seite zu den Männern des Zweiten Zuges und bewachte eine Querstraße. Trotzdem schwenkte unverzüglich eine der in der breiten Schnauze montierten Sekundärwaffen zu den anrennenden Infanteristen herum.
Der Ansturm kam ins Stocken, als die vordersten der Männer, die den feindlichen Panzer zuerst gesehen hatten, ihre Geschwindigkeit verringerten.
Flint reagierte sofort: „Runter von der Straße! Verteilt euch!“
Der imperiale Angriff löste sich in einem Chaos auseinandersprengender Soldaten auf, die alle versuchten, rechtzeitig in Deckung zu gelangen. Mitten in dem Durcheinander legte die Gatlingkanone des Tau-Fahrzeuges los. Mehrere Landsknechte wurden von den Beinen geholt und blieben reglos auf der schuttübersäten Fahrbahn liegen.
Der Oberleutnant wurde von einem der flüchtenden Soldaten angerempelt, strauchelte unsicher, schaffte es aber doch, sich irgendwie auf den Beinen zu halten. Er stolperte auf die ihm am nächsten stehende Häuserruine zu und warf sich durch ein Loch in der eingestürzten Außenwand. Es gelang ihm, sich mehr oder weniger elegant abzurollen, dennoch konnte er nicht verhindern, mit der Schulter schmerzhaft gegen einen schuhkartongroßen Trümmerbrocken zu stoßen. Grunzend stemmte er sich wieder hoch.
Hinter ihm polterte ein weiterer Soldat in das zerstörte Gebäude, dann kam noch einer, der knapp außerhalb der rettenden Mauern von einem hellblauen Energiebolzen getroffen wurde. Das Geschoss trennte ihm das linke Bein knapp oberhalb des Knies ab. Der Mann fiel schreiend hin, den Oberkörper schon in Deckung, während sein Unterleib noch auf die Straße ragte. Sein Kamerad packte den um sich Schlagenden am Mantelkragen und zog ihn in Sicherheit. Flint kam hinzu und schlug die kleinen Flammen aus, die sich auf dem verbrannten Teil des blaugrauen Mantels gebildet hatten. Er warf einen schnellen Blick auf die Wunde seines Soldaten. Die hochenergetische feindliche Waffe hatte den Beinstumpf sofort kauätherisiert, weshalb keine unmittelbare Lebensgefahr bestand. Der Baron zog eine kleine Ampulle eines Schmerzmittel aus einer Tasche an seinem Gürtel und injizierte es dem Verletzten.
Eigentlich waren solche Mittel nur Offizieren vorbehalten, doch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sah der Oberleutnant keinen Sinn darin, die Medikamente in einer Anzahl zu horten, die ihn zweimal an die Seite des Imperators befördern konnte, während seine Männer vor Schmerzen verrückt wurden. Hastig riss der Zugführer einen Feldverband aus seinem Erste-Hilfe-Paket und begann, die Wunde zu verbinden.
Als sich der Landsknecht zu seinen Füßen beruhigte, sah Flint sich hektisch um und entdeckte dessen Waffe, die noch immer halb auf der Straße lag. Er griff sich den Raketenwerfer, konnte jedoch nirgends Munition dafür finden. Imperator sei Dank, befand sich wenigstens eines der Geschosse im Lauf.
Baron Flint sah sich gründlich in ihrer Deckung um und fand eine noch intakte Treppe, die noch in ein oberes Stockwerk führte. Er tippte den zweiten Soldaten in seiner Begleitung an.
„Los, komm! Mal sehen, ob wir den Mistkerl nicht erwischen.“
„Was ist mit ihm, Oberleutnant?“, fragte der Landsknecht und deutete auf den Verwundeten, der inzwischen in seiner ganz privaten Traumwelt weilte.
„Der ist versorgt, komm schon!“
Die beiden bewegten sich so schnell, wie die Vorsicht es zuließ, über den Aufgang in das Obergeschoss. Flint suchte sich das nächste Loch zur Straßenseite hinaus, konnte den Panzer von dort jedoch nicht eindeutig sehen. Fluchend hielt er nach einer weiteren Treppe Ausschau, musste jedoch feststellen, dass diese der allgemeinen Zerstörung innerhalb der belagerten Stadt zum Opfer gefallen war. Dort, wo sie einmal gewesen war, klaffte lediglich eine gezackte Öffnung im Boden des zweiten Stocks. Einige Überreste lagen darunter auf einem Haufen.
Der Zugführer deutete mit seinem behandschuhten Finger darauf, wobei er seinen Begleiter anstieß.
„Da! Du stellst dich auf den Haufen und hilfst mir, ins obere Stockwerk zu klettern. Dann reichst du mir den Werfer rauf. Was ist denn?“
Die Augen des Angesprochenen hatten sich ungläubig geweitet.
„Aber Oberleutnant, Sie sind zu schwer für mich.“, wiegelte er ab.
„Willst du jetzt vielleicht über so unwichtige Dinge wie Schwerkraft oder deine eigene Stärke mit mir diskutieren?“
„Natürlich nicht, Oberleutnant.“
„Dann beweg dich!“
Baron Flint scheuchte den Landsknecht unter das Loch in der Decke, dann befreite er sich von aller Ausrüstung, auf die er verzichten konnte. Angesichts der schwächlichen Statur seines Begleiters wollte er nicht mehr wiegen als unbedingt nötig.
Der Soldat verschränkte ungeschickt die Hände, um seinem Offizier eine Art Steigbügel zu bieten, auf den dieser klettern konnte. Der Oberleutnant packte seinen Untergeben an den Schultern und begann den Aufstieg. Obwohl er keinerlei Höhenangst verspürte, wurde es ihm bei diesem wackeligen Vorgang beinahe übel, als er versuchte, sich auf die Schultern des Mannes zu erheben. Der ächzte unter der Belastung und erweckte den Eindruck, jeden Moment zusammenzubrechen. Flint schnappte während einer besonders heftigen Schwankung reflexartig die Kante des Loches in der Decke. Unter Aufbietung all seiner Kräfte gelang es ihm, sich und seinen Untermann zu stabilisieren und sich durch die Öffnung zu ziehen. Oben angekommen, blieb er zuerst einige Sekunden auf dem Rücken liegen und schnappte nach Luft. Dann ließ er sich den Raketenwerfer reichen.
Fast die komplette straßenwärtige Wand dieses Stockwerks war eingestürzt, womit sich ein hervorragender Blick auf die weiter unten liegende Szenerie bot. Der Panzer hatte sich mittlerweile gedreht, um sein Hauptgeschütz und die komplette Sekundärbewaffnung zum Tragen zu bringen. Hinter seinem Heck hatten sich darüber hinaus einige schwer gepanzerte Fußsoldaten versammelt, die mit ihren langläufigen Energiewaffen das Feuer des Panzer unterstützten. Von den übrigen Mitgliedern des Zweiten Zuges schlug ihnen sporadischer, ungezielter Beschuss aus den Ruinen entgegen. Offensichtlich hatte es noch niemand sonst geschafft, eine schwere Waffe in Stellung zu bringen
Baron Flint kniete sich hin, hob den Werfer auf die Schulter und zielte sorgfältig durch das primitive, etwas verzogene Visier. Er hatte nur diesen einen Schuss. Der musste sitzen. Langsam beruhigte er seine Atmung. Dann hielt er die Luft an, sein Finger krümmte sich um den Abzug. Plötzlich stockte er. Er spürte dieses grausame Prickeln, das Gefühl, beobachtet zu werden.
Ohne zu überlegen warf er sich zur Seite. Eine Salve hellblauen Schnellfeuers, von irgendwo schräg unten kommend, zerschnitt die Luft dort, wo er eben noch gewesen war. Hektisch krabbelte er auf das Loch im Boden zu. Ein hohes Pfeifen ließ ihn herumfahren.
Eine undeutlich erkennbare, nahezu durchsichtige Gestalt flog von der Straße nach oben und landete geschmeidig in der dem Oberleutnant gegenüberliegenden Ecke des Stockwerks. Ein schwach erkennbares rotes Leuchten schien ihn direkt anzustarren. Ohne nachzudenken riss er den Raketenwerfer herum und drückte ab. Der ungedämpfte Rückstoß der Waffe katapultierte den Offizier förmlich durch das Loch im Boden. Auf halbem Weg nach unten detonierte das Geschoss mit einer Wucht, die das gesamte Gebäude erschütterte. Ein Feuerball schoss durch die Öffnung in der Decke, dann schlug Flint auf. Ein heißer Schmerz fuhr durch seinen rechten Knöchel, während ihm der Aufprall die Luft aus den Lungen trieb. Sein rechter Arm verdrehte sich in einem unnatürlichen Winkel und gab unter der Belastung nach. Er versuchte aufzuschreien, brachte jedoch nicht mehr als ein ersticktes Keuchen zustande. Dann gingen ihm für ein paar Sekunden die Lichter aus.
Als er wieder zu sich kam, sah er das besorgte Gesicht seines Begleiters über sich. Der Mann versuchte ihm so behutsam wie möglich aufzuhelfen. Der Baron wollte etwas sagen, musste jedoch zuerst mehrmals ausspucken, um seinen Mund von Staub und Dreck zu befreien. Als er sich in eine sitzende Haltung aufgerichtet hatte, signalisierte er dem Soldaten, von ihm abzulassen. Sein Knöchel schmerzte wie die Hölle, doch in seinem Arm hatte sich eine besorgniserregende Taubheit ausgebreitet. Wahrscheinlich gebrochen, worauf der gesplitterte Knochen einige Nerven verletzt hatte, mutmaßte er mit einer Nüchternheit, die ihn selbst erstaunte.
„Was haben Sie da oben getrieben?“, fragte der Infanterist, der sich nicht mehr länger beherrschen konnte.
„Ich habe den Feind bekämpft, was denn sonst?“, krächzte der Zugführer mürrisch. „Und jetzt nimm dir eine Binde aus meinem Verbandszeug und binde meinen Arm so fest vor meinen Oberkörper, wie du kannst. Dann hilf mir hoch.“
Der Mann tat, wie geheißen. Flint wartete ungeduldig. Er musste unbedingt wissen, was da draußen vorging. Er konnte hören, dass das Feuergefecht an Intensität zugenommen hatte, war jedoch nicht in der Lage festzustellen, welche Seite im Vorteil war. Eine heftige Explosion mischte sich zwischen die kleineren Entladungen der Hand- und Unterstützungswaffen.
Als der Landsknecht sein Werk vollendet hatte, half er Flint aufzustehen. Der musste sich schwer auf seinen Untergebenen stützen, da er sein rechtes Bein kaum belasten konnte. Gemeinsam torkelten die beiden zu einer Öffnung in der Außenwand des ersten Stocks und sahen auf das Gefecht hinunter. Die Imperialen schienen sich langsam einen Vorteil erkämpft zu haben, nachdem sich mehrere schwere Waffen in den Schusswechsel hatten einschalten können. Der Panzer war ein ausgebranntes Wrack, aus dem hier und da noch einige kleine Flammen züngelten. Die überlebenden feindlichen Infanteristen nutzten es als Deckung und leisteten weiter verbissen Widerstand.
„Los, mein Junge.“, befahl der Baron. „Hilf mir nach unten zu den anderen.“
Shas’vre Vior’la Oni’Sho lag auf dem Rücken und konnte durch das von Streifen und Störungen durchsetzte Bild seiner Sensorbank den verräucherten Himmel sehen. Eigentlich hatte er beabsichtigt, den Gue’la mit der Panzerabwehrwaffe auf kurze Distanz und auf engem Raum zu stellen und so den Hammerhai-Kampfpanzer seines Kaders zu retten. Es war auch alles nach Plan verlaufen, bis der feindliche Krieger in geradezu selbstmörderischer Absicht seine Raketenwaffe auf Oni’Sho abgefeuert hatte. Es war so gut wie unmöglich, dass der Gue’la die Explosion in diesem engen Raum überlebt hatte und der Tau musste ihm widerwillig für seine Todesverachtung Respekt zollen.
Auch wenn die schwere Panzerung seines Geist-Kampfanzuges verhindert hatte, dass die Detonation der Rakete den Teamführer tötete, hatte der Gue’la sein Ziel wohl erreicht. Das Geschoss war knapp neben und hinter dem Geist in die Wand eingeschlagen, hatte ihm einen Arm abgetrennt, seine Panzerung auf der selben Seite aufgerissen und ihn seitlich aus dem Gebäude zwei Stockwerke tief in die ruinierte Straße geschleudert. Eine rasche Injektion seines Schmerzunterdrückersystems hielt den Shas’vre zwar trotz seiner schweren Verletzungen bei klarem Verstand, aber der wild blinkenden Schadensanzeige in seinem HUD konnte er sehr genau entnehmen, wie es um ihn stand. Mit einer auf die schwere Medikation zurückzuführenden unnatürlichen Klarheit registrierte Oni’Sho, dass er nichts mehr tun konnte. Sowohl sein Anzug als auch sein Körper waren zerstört, er konnte sich nicht befreien und hatte keine Chance, zu entkommen oder gerettet zu werden. Er war in einer Situation, die sich jedem Krieger in einem aussichtslosen Kampf früher oder später präsentiert, sollte er nicht sofort getötet werden.
Trotz seiner Lage musste der Tau lächeln. Jetzt würde er seinen ganz persönlichen Gegner, jenen Gue’la, dem er schon mehrfach begegnet war, nicht mehr im offenen Kampf bezwingen können. Sie würden nicht herausfinden, wer von ihnen der bessere Krieger war. Vielleicht war dies das einzige, was Oni’sho wirklich am Ausgang dieses Gefechts bedauerte.
Ihm blieb jetzt nur noch eines zu tun, eine letzte Pflicht. Er wollte sie erfüllen, bevor die Wirkung der Schmerzunterdrücker nachließ oder er aus anderen Gründen nicht mehr in der Lage war, es selbst zu erledigen. Jeder Kampfanzug der Tau, gleich welcher Baureihe, war mit einem kleinen Sprengsatz ausgestattet, der verhindern sollte, dass seine hochentwickelte Technologie in die falschen Hände geriet. Wurde der Pilot des Anzuges getötet oder fielen seine Lebensfunktionen in einen Bereich, in dem der Tod wahrscheinlich war, wurde der Sprengsatz automatisch gezündet. Er konnte aber auch jederzeit vom Piloten selbst aktiviert werden.
Shas’vre Vior’la Oni’Sho hatte nicht die Absicht, so lange zu warten, bis sich der Mechanismus automatisch in Gang setzte. Er wollte das tun, was nach allgemeiner Ansicht der Feuerkaste jedem Krieger zur Ehre gereichte. Sich Ort und Zeit seines Todes auf dem Schlachtfeld selbst zu wählen. Mit einem Gedankenimpuls löste er die Einleitungssequenz des Selbstzerstörungsmechanismus aus und schloss beruhigt die Augen.