Entschuldigt die Verspätung, meine treuen Leser! Ich wurde von solchen Nebensächlichkeiten wie meinem Studium aufgehalten 😉
hier der nächste Teil:
Hauptmann Graf Marcks hatte mit den Resten seines Ersten Zuges die Mörserstellung der Roten Kompanie erreicht. Er befahl der Abteilung, das Feuer einzustellen und widmete sich dann einer Bestandsaufnahme der ihm verbliebenen Kräfte. Eine rasche Zählung ergab, dass ihm noch etwa fünfundzwanzig kampffähige Infanteristen geblieben waren, weniger als die Hälfte des Zuges. Die Übrigen waren entweder in der Gefechtszone geblieben, was wohl gleichbedeutend mit ihrem Tod sein durfte, oder so schwer verletzt, dass sie nicht mehr eingesetzt werden konnten. Um das Übel zu vervollständigen, hatten sie in dem wilden Nahkampf, der sich an Kleriker Fajders improvisierten Sturmlauf angeschlossen hatte, so gut wie alle schweren Waffen verloren. Zur Verfügung standen lediglich ein schwerer Bolter und zwei Granatwerfer. Manche der Männer hatten nicht einmal mehr ihr Lasergewehr. Sie mussten sich nun mit Reservepistolen, Messern, Knüppeln, Grabenkeulen und allerlei anderer inoffizieller Ausrüstung bewaffnen, die jeder Landsknecht für Notfälle mit sich führte.
Der Graf bemerkte einige Meter entfernt sogar einen Soldaten, der unbeholfene Probeschwünge mit seinem Schanzwerkzeug ausführte.
Marcks befahl seinem Leibwächter, einige Posten aufzustellen und ließ sich dann schwer auf einem stuhlgroßen Trümmerbrocken nieder, der neben der Straße lag.
„Und suchen Sie einen Sanitäter, damit dieses Geschrei aufhört.“, setzte er hinzu.
Danach nahm er seinen Helm ab und sog gierig die vergleichsweise kühle Luft ein. Ihm ging auf, dass er selbst auch keine Waffe mehr hatte. Er würde sich eine leihen müssen. Hoffentlich verfügte sein Leibwächter noch über eine Ersatzpistole. Es käme einer direkten Erniedrigung gleich, bei einem gemeinen Soldaten anfragen zu müssen.
Doch zuerst brauchte er einen Plan. Klar war, dass er mit seinem Zug alleine so nicht weitermachen konnte. Sie waren zu geschwächt und hatten zu viel an Ausrüstung verloren, um noch etwas ausrichten zu können.
Der Hauptmann warf einen Blick auf seinen Armbandchronometer. Kurz nach elf. Bis ihre Reserven eintrafen und in den Kampf eingreifen konnten, würde es noch mindestens weitere zwei Stunden dauern. Vor seinem inneren Auge konnte er diese unsägliche Bulldogge von Vulling sehen, der ihn vor einem Festfahren des Angriffes gewarnt hatte. Doch er würde nicht aufgeben, konnte es jetzt nicht mehr. Realistisch betrachtet war die Geschichte gelaufen. Wie sollte er den schnellen Sieg erringen, den er versprochen hatte? Sein Zug hatte sich zurückfallen lassen müssen. Oberleutnant Baron Flint steckte ebenfalls fest. Der Dritte Zug war bei ihm gewesen und nach dem Rückzug verschwunden. Vielleicht existierte er überhaupt nicht mehr. Der Vierte befand sich hinter Flints Zweitem und war somit wahrscheinlich ebenfalls aus dem Spiel. Es wäre mit Sicherheit das Vernünftigste, den Angriff abzubrechen und sich neu zu formieren.
Doch genau das war nicht möglich. Wenn Marcks sich jetzt davonschlich, konnte er ein schnelles Erklimmen der Karriereleiter vergessen. Bei den Versprechungen, die er General von Krechtel gemacht hatte, würde er vermutlich froh sein können, seine jetzige Position behalten zu dürfen, vom Oberbefehl an diesem Frontabschnitt ganz zu schweigen. Diese Aussicht verlieh ihm neue Energie. Er stand ruckartig auf.
„Funker!“, blaffte er.
Unverzüglich kam ein Landsknecht mit einem Feldkom angespurtet. Doch es war nicht der Funker seines Kommandotrupps.
„Wo ist mein Komsoldat?“, erkundigte sich der Kompanieführer ungehalten.
„Wird vermisst, Hauptmann. Seit dem Handgemenge hat ihn niemand mehr gesehen.“
„Verdammt. Stellen Sie nacheinander eine Verbindung mit allen Zugführern her. Dann erkundigen Sie sich nach den Fortschritten der Blauen Kompanie und fordern zwei unserer Panzer an. Wir brauchen unser schweres Gerät jetzt hier. Anschließend rufen Sie beim Divisionskommando durch, vermelden, dass wir den Feind gestellt haben und erfragen die Position unserer Reserven. Haben Sie das verstanden?“
Der Mann nickte hastig. Er wollte sich schon an die Arbeit machen, als Graf Marcks ihn aufhielt. Er schien zu lauschen. Unwillkürlich spitzte der Funker selbst die Ohren, um herauszufinden, was seinen Vorgesetzten stutzen ließ. Außer dem andauernden Rumoren des Kampfes war nichts zu hören.
Der Kopf des Hauptmannes ruckte zu ihm herum und in seinen Augen loderte kaum bezähmbare Wut.
„Und finden Sie verdammt noch mal heraus, warum beim Imperator meine Feldartillerie keinen einzigen Ton mehr von sich gibt!“
Er machte auf dem Absatz kehrt und rauschte davon. Nervös führ er sich mit der Hand durch die verschwitzen Strähnen seines ehemals gepflegten langen Haars. Auf der ledernen Innenseite seines Panzerhandschuhs blieb eine klebrige Mischung aus Schweiß, Staub und Ruß zurück. Angewidert wischte er sie an seinem Mantel ab, der jedoch auch nicht sauberer war.
Langsam beschlich Graf Marcks das Gefühl, dass er die Kontrolle über das Gefecht verlor. Er brauchte dringend ein wenig Zeit, um sein Vorgehen neu zu organisieren. Zunächst musste er an dieser Stelle eine Verteidigung einrichten. Mit einer soliden Defensive konnte er sich Zeit erkaufen, bis er die verzettelten Teile seiner Streitmacht gesammelt und sich einen Überblick über die Gesamtlage verschafft hatte. Wahrscheinlich waren sie noch immer in der Überzahl und dies galt es zu nutzen.
„He, ihr da!“, rief er die erschöpft herumlungernden Landsknechte an. „Steht nicht so nutzlos in der Gegend herum! Schnappt euch alles an Trümmern, Trägern und sonstigem Gerümpel und errichtet hier und dort drüben eine Barrikade! Na los, beeilt euch!“
Sollte der Feind nachrücken, wollte er vorbereitet sein. Die Soldaten machten sich demotiviert an die Arbeit. Der Kompanieführer teilte reichlich Tritte, Schläge und Androhungen von Exekutionen aus, um sie auf Trab zu bringen, aber ohne die einschüchternde Anwesenheit Kommissar Villars erwies sich das als schwieriges Unterfangen. Zu Marcks Erleichterung tauchte nach kurzer Zeit noch ein kleiner Trupp Soldaten mit Panzerabwehrwaffen auf. Er Erste Kanonier berichtete ihm, dass die schwere Laserkanone der Einheit einen Bruch der Achse ihrer Lafette erlitten hatte. Solche Waffen waren auf Gotfried äußerst selten, da nur eine Handvoll Rüstungsbetriebe wussten, wie man solch fortschrittliche Technologie konstruierte. Darüber hinaus verfügten noch weniger Männer über die Kenntnisse, wie die Kanonen im Feld zu warten waren. Der Truppführer hatte seine wertvolle Waffe nicht zurücklassen wollen, also hatten er und seine Mannschaft sich die Mühe gemacht, sie von ihrem Gestell zu lösen und weiter zu tragen. Dadurch hatten sie den Anschluss verloren, waren eine Weile umhergeirrt und hatten es schließlich ohne Feindberührung bis hierher geschafft.
Der Graf ließ einen Schutthaufen am Straßenrand errichten, auf dem die Laserkanone abgelegt und die Richtung abgedeckt werden konnte, aus der der Feind wahrscheinlich kommen würde. Die beiden Raketewerfer des Panzerabwehrtrupps wurden gleichmäßig auf die Barrikaden verteilt.
Während die Arbeiten noch in vollem Gange waren, bemerkte Marcks, dass jemand hinter ihn trat. Er wandte sich um und sah sich dem Funker gegenüber, den er vorhin mit der Informationsbeschaffung beauftragt hatte.
„Ja?“, fragte er ungeduldig.
„Ich habe Kontakt zu allen Trupps aufnehmen können.“, berichtete der Komsoldat. „Oberleutnant Baron Flint liegt weiterhin fest. Der Vierte Zug ist inzwischen zu ihm gestoßen, konnte aber noch nicht entscheidend eingreifen. Beide haben in etwa ein Viertel Ausfälle. Der Dritte Zug konnte sich aus dem Gefecht absetzen, ist aber versprengt. Ich habe unsere Position als Sammelstelle durchgegeben.“
Der Hauptmann nickte. Dieser Wicht schien tatsächlich so etwas wie einen Funken Verstand zu haben. Erstaunlich. „Weiter.“, forderte er.
„Die Verbindung zur Blauen Kompanie war stark gestört. Anscheinend sind sie in heftige Kämpfe verstrickt und kommen nur langsam voran. Die Division konnte ich nicht erreichen. Auch nicht die Kompanieartillerie. Dazu ist mein Komgerät zu schwach, wir bräuchten das leistungsfähigere Ihres Funkers.“
„Versuchen Sie es trotzdem weiter. Und bleiben Sie bei mir, Sie sind ab sofort mein neuer Funker.“
„Jawohl, Hauptmann.“
„Und-“, Graf Marcks unterbrach sich. Über den Lärm der in den Straßen tobenden Schlacht konnte er plötzlich ein weiteres Geräusch ausmachen. Eines, dessen Vertrautheit ihn schockierte. Er fuhr herum und bemerkte, dass die an den Barrikaden arbeitenden Männer ihre Tätigkeit eingestellt hatten. Sie starrten allesamt in die selbe Richtung. Die Straße hinunter in den Qualm. Dem Kompanieführer fiel auf, dass in der improvisierten Straßensperre noch ein beachtliches Loch klaffte.
Er riss sich zusammen und brüllte: “Los, bewegt euch! Trupp eins und zwei an die Barrikade! Der Rest in die Lücke! Geschlossene Formation, Schulter an Schulter!“
Er packte einen vorbeihastenden Landsknecht am Ärmel seines Mantels. „Haben Sie noch eine Waffe?“
Die Augen des Mannes weiteten sich überrascht. „Ja, Hauptmann.“
„Na los, geben Sie sie mir!“, schnauzte Marcks ihn an.
Der Soldat fasste nach hinten und zog eine halbautomatische Pistole aus seinem Gürtel.
Der Graf riss sie an sich. Es war eine alte Waffe, verrostet und schmutzig. Der Griff war mit rissigen grauen Stoffstreifen umwickelt, weil sein ursprünglicher Belag sich mit der Zeit abgelöst hatte. Sie war um einiges schwerer als eine Laserpistole. Irgendwie bezweifelte er, dass dieses Ding ausschließlich für den Feind gefährlich war.
„Die Munition auch, machen Sie schon!“
Nachdem noch zwei Magazine den Besitzer gewechselt hatten, stieß Marcks den Mann in Richtung der Barrikade davon. Die Schande, auf die Ausrüstung eines gemeinen Soldaten angewiesen zu sein, war ihm völlig gleichgültig.
Jenseits der durch Rauch und Staub begrenzten Sichtweite steigerte sich das Krächzen der Kroot.
Willbur Harden trat auf den auffällig gekleideten Neuankömmling zu. Er versuchte dessen bedrohliche Begleiter nach Kräften zu ignorieren. Solchen Männern Aufmerksamkeit zu schenken, brachte unausweichlich Ärger mit sich.
„Mr. Harden?“, erkundigte sich der Anführer der kleinen Gruppe, den Rang des Taloners provokativ übergehend.
„Ich bin Oberst Harden, Sir!“, korrigierte dieser höflich.
Ein kleines Lächeln huschte durch den Bart des Anderen. In seinem ansonsten unbewegten Antlitz wirkte es seltsam fehl am Platze, so, als müsse er sorgfältig überlegen, welche Muskeln er zu dieser Art Mimik benötigte.
„Mein Name ist Gerret. Inquisitor Gerret, um genau zu sein.“, stellte sich der Mann vor, während er zwei Schritte auf sein Gegenüber zutrat. Obwohl er dem Sprungsoldaten gerade bis zum Kinn reichte, strahlte er eine einnehmende Präsenz aus, die ihn größer wirken ließ.
Die Hände hatte er noch immer in die Hüften gestemmt, das Kinn leicht vorgereckt, was durch den säuberlich gestutzten Bart noch betont wurde.
„Meine beiden Begleiter und ich wurden vom Ordo Xenos geschickt. Wir werden Sie ein Stück begleiten.“
„Darf ich mich erkundigen, zu welchem Zweck, Sir?“, fragte der Oberst.
Wieder dieses unechte Lächeln.
„Aber natürlich dürfen Sie.“, erwiderte Gerret liebenswürdig, drehte sich um und kletterte auf die Ladefläche des Kommando-Salamanders. „Kommen Sie Oberst, Sie haben keine Zeit zu verlieren.“
Harden schnaubte unterdrückt und wandte sich ab. Hinter ihm röhrten die Motoren der Sturmtransporter stotternd auf. Er musste das Aufsitzen seiner Männer organisieren. Während er Anweisungen brüllte, sank seine Laune auf einen neuen Tiefpunkt. Das konnte heiter werden.