II4
Wie er im Nachhinein erfuhr, hatte sein geschwächter Körper zwei Rotaa lang mit dem Tod gerungen. Der Himmlische Shas´Is war vollkommen außer sich, erklärte es wäre ihm unbegreiflich, warum der Austritt aus der Matrix bei Frostherz zu solchen Komplikationen geführt hatte. Ein weiteres Mal innerhalb kurzer Zeit entschuldigte sich der Aun bei Frostherz, eine sehr seltene Geste für einen solchen Würdenträger. Shas´Is versprach eine umgehende Überprüfung des Falls, bevor weitere Tau aus den Stasistanks entlassen würden. Aloh´Kan wollte wütend auf den Himmlischen sein, doch stets wenn der Zorn daran war in ihm aufzukeimen, erinnerte er sich an das unbeschreibliche Gefühl der der Energie, die durch ihn hindurch geflossen war, als Shas´Is sein Leben gerettet hatte, und er konnte dem Aun nicht weiter zürnen. Der schwache Abdruck von vier Fingern zeichnete nun Frostherz Brust. Fast weiß verlief er über die blaue, von den Spuren vieler Kämpfe übersäte Haut, als Symbol eines Aktes, den er nicht in seiner Gänze begreifen konnte. Nachdenklich fuhr der Commander mit der Hand über dieses neue Zeichen, welches knapp über seiner Ta´lissera-Narbe verlief. Bis auf Eines waren alle Mitglieder dieses vor langer Zeit geschlossenen Blutbundes nicht mehr am Leben. Nun war für ihn ein neuer Lebensabschnitt angebrochen und der Handabdruck des Himmlischen markierte dessen Beginn, brachte ihn jedoch auch gleichsam dazu, über vergangene Ereignisse nachzudenken.
Es dauerte 5 weitere Rotaa, bis er wieder so weit zu Kräften kam, dass er laufen konnte. In dieser Zeit besuchten ihn mehrere Male sowohl Shas´Is als auch sein alter Freund Kor´o Navah auf der Krankenstation. Navah, auf dessen Schiff er sich befand, wie Frosherz erfuhr, schien die gesamte Situation sehr unangenehm zu sein. Konversation war noch nie seine Stärke gewesen und er war es auch nicht gewohnt, mit Kranken oder Verletzten zu tun zu haben. Zudem schien er wegen irgendetwas beschämt zu sein, auch wenn Frostherz nicht heraus finden konnte, was es war. Doch gerade diese Unbeholfenheit, welche der Admiral zeigte, rührte den langsam genesenden Feuerkrieger und er war dankbar für die Gesellschaft. Navah kümmerte sich auch darum, dass Frostherz mit allem versorgt wurde was er wünschte. Dazu gehörte unter anderem ein Holoprojektor, mit dessen Hilfe er begierig alle Informationen darüber, was während der letzten zwei Tau´Cyr geschehen war, in sich aufsaugte. Geschlagene Schlachten, technologische Neuerungen, politische Veränderungen… einfach alles interessierte ihn. Und doch verspürte er eine merkwürdige Distanz zum Sternenreich der Tau, als ihm langsam aber sicher bewusst wurde, dass er niemals wieder ein vollständiger Teil der Gesellschaft sein würde. Aus den Gesprächen mit dem Himmlischen kristallisierte sich heraus, dass der Commander und sein „Geheimes Kader“, wie es der Aun nannte, künftig unbemerkt von den Tau-Bürgern operieren würden. Sie würden auf besonders gefährliche Missionen gesendet und auf solche, von denen die Öffentlichkeit nichts erfahren sollte. Auf Frostherz Einwände hin sicherte ihm der Himmlische modernste Ausrüstung und die Unterstützung der „Schattenreich“ zu, die dank ihres Tarnfeldes für Kommandooperationen wie geschaffen war. Bei Weitem nicht mehr so schlagkräftig wie ein gewöhnliches Schlachtschiff seiner Klasse verfügte es immer noch über genügend Feuerkraft, um ein Kader im Notfall unterstützen zu können.
Am sechsten Rotaa wagte er in Begleitung des Himmlischen den ersten Spaziergang durch die Gänge der Schattenreich.
Am achten Rotaa war er so weit genesen, dass Navah dem Commander eine umfassendere Führung durch das Schlachtschiff angedeihen lassen konnte. Der war beeindruckt von diesem gewaltigen Wunderwerk der Technik und besonders fasziniert vom Tarnfeldgenerator, dessen Systeme beinahe die Hälfte des umgerüsteten Schlachtschiffes für sich beanspruchten. Auch wenn solcherlei Anlagen eher zum Aufgabengebiet der Erd- und Luftkaste gehörten, so hatte er doch schon immer ein besonderes Faible für Technik gehabt und stellte viele Fragen zu Funktionsweise und Effizienz, einige davon so fundiert, dass selbst der Kor´o sie nicht beantworten konnte. Während des Rundganges erfuhr Frostherz auch Navahs Version der vergangenen zwei Jahre. Der Admiral erzählte ihm, wie sehr es an seinem Ehrgefühl genagt hatte, Teil einer Operation zu sein die er verabscheute und über die er offiziell nicht einmal etwas wissen durfte. Während sie in einem abgeschirmten Bereich einen EMP aussendenden Teil des Generators besichtigten, berichtete Navah davon, wie er die Himmlischen belauscht hatte und wie schwer es ihm gefallen war, sich sein Wissen nicht anmerken zu lassen. Umso erleichterter war er vom Ende des Katharsis-Projektes. Aun Shas´Is hatte ihn nun offiziell eingeweiht, nur so war es ihm überhaupt möglich gewesen, seinen Freund auf der Krankenstation zu besuchen.
Später schlenderten sie durch die hydrophonischen Gärten des Schiffes und Navah unterhielt den Commander mit kurzweiligen Geschichten von seiner draufgängerischen Schwester Njakalli, die ein brillianter Kampfpilot war und erzählte amüsante Episoden von den ersten Fehlversuchen mit dem Tarnfeld der Schattenreich.
Der Admiral beendete die Führung in einem luxuriös ausgestatteten Trainingsraum. Frostherz grinste. Hier würde er wieder in Form kommen.