WHFB Erwählte des Khaine - PDF komplett online

Ich hoffe Nerglot hat doch noch ne Überraschung, ansonsten wäre er mir nach dem ganzen hin und her letztendlich zu schnell gestorben...

die Antwort, ob und wie er überlebt, steckt im letzten Teil. Man muss nur ein bisschen überlegen, dann ist es eigentlich klar ^^

lass mich nicht soooo lange auf die nächsten Teile warten bin doch son ungeduldiga Orkzä!

ich versuchs. Aber gerade, weil jetzt Pause ist, wäre das ne gute Stelle. Allerdings hab ich meine Reserve ja ein bisschen vergrößern können. Ich gebe mir Mühe, das zu halten, und dann geht es hier auch bald weiter.
 
So, wollte nun auch mal hier was beitragen. Bin zwar erst auf Seite 102 des Threads(Kapitel: Ins Innere der Stadt) und muss sagen ich bin begeistert.
Ich muss sagen, ich bin erst auf deine Geschichte gestoßen, nachdem ich deine Signatur angeklickt hatte, als ich "Das Schwinden" gelesen hab.
Und was hat mich da erwartet? Auf der ersten Seite eine PDF-Datei mit knapp 950 Seiten Story, die einfach genial ist.
Also du hattest am Anfang deiner Geschichte schon einen guten Schreibstil aber mit der Zeit wurde er immer besser.
Gut, du hast es auch gesagt aber dein Stil Kampfszenen zu beschreiben und zu konstruieren ist wirklich sehr gut, da hab ich für Geld schon schlechteres gelesen.
Zwar sind manche Passagen, vor allem am Anfang, etwas schwächer als der Rest und es wiederholen sich Situationen, was aber dem Gesamtbild keinen Abbruch tut.
Auch das du dich vom Warhammerhintergrund entfremdest ist auch nicht weiter schlimm, da deine Geschichte so groß geworden ist, dass sie ruhig was eigenständiges darstellen kann, gerade zu muss.
Auch stört in keinster Weise, dass deine DElfen zu nett eig sind, aber wie gesagt, im Laufe der Geschichte hab ich eig auch immer weniger Warhammer im Hinterkopf gehabt sondern eher deine Geschichte um Sisrall, Yetail usw..., die wirklich wirklich hohes Niveau hat. Klar ist es einfacher, wenn du sagst Gott XY, Einheit XZ, da weiß jeder was gemeint ist, aber das sollte auch zu machen sein, wenn du die Geschichte iwann ganz vom Warhammerhintergrund lösen solltest.
Am besten muss ich sagen, bist du darin, Bilder in den Köpfern deiner Leser zu erschaffen. Vor allem die jetzigen Kapitel des 6. Teils, da kann man doch eine Qualitätssteigerung wahrnehmen. Du kannst wirklihc gut Situationen beschreiben und zwar auch so, dass sie keine epischen überkomplizierte verschachtelte Sätze bilden, die mal gerne mehrere komplette Seiten in Beschlag nehmen, wie es manch ein Fantasyautor gerne mal macht, sondern gut, präzise aber auch nicht zu kurz gestaltest.
Also alles in allem, einfach nur ein großes Lob an dich, dass nun schon seit über 3 Jahren uns eine so tolle Geschichte präsentierst.
 
Hey! Vielen Dank für das große Lob. Das hebt meine im Moment doch etwas eingeschlafene Motivation doch wieder gewaltig. ^^ Freut mich, dich als neuen Leser gewonnen zu haben. Ich hoffe, du bleibst mir treu und meldest dich auch regelmäßig, wenn du dann den aktuellen Stand erreicht hast.
Und es bedeutet mir sehr viel, dass du zuversichtlich bist, dass die Geschichte auch als solches unabhängig vom Warhammer-Hintergrund funktioniert.

Ich werde dieses Wochenende wohl mal den nächsten Teil posten.
 
So meine lieben Leser. Heute gibt es mal wieder in etwas längeres Kapitel. Ich hoffe, dass ich über Ostern dazu komme, mal wieder ein bisschen was zu schreiben. Wenn ja, gibts vielleicht nächstes Wochenende schon den nächsten Teil als Osterüberraschung 😉

Ich habe überlegt, ob ich dieses lange Kapitel (8 Seiten) teilen soll, aber ich konnte keine geeignete Stelle finden.

Die letzten Vertrauten


„Die Meinungen bezüglich der Freunde mächtiger Personen gehen weit auseinander. Feinde können diese Schwachstelle nutzen, sie als Geiseln nehmen oder gegen dich aufbringen. Gleichzeitig mag ein Freund die letzte Rettung sein, wenn du dir selbst einmal nicht helfen kannst.
Der einzig sinnvolle Rat ist daher: Wähle deine Gefährten mit Bedacht.“
[FONT=&quot]— [/FONT]Aus ‚Lehrschriften‘ von Kouran, Herr der Schwarzen Garde

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Vollmond (5.Tag)
8 Stunden nach Sonnenaufgang


Viverla’atar biss krampfhaft fest die Zähne zusammen, als sengend heiße Luft über sie hinwegfegte und glühenden Schmerz hinterließ. Die Druckwelle wirbelte tonnenschwere Steinbrocken durch die Luft und sprengte einen wahren Splitterhagel in alle Richtungen davon. Sie hörte, wie sie gegen die Ruine des Turms schlugen, in dessen Kellergewölbe sie sich versteckt hatte.
Als sie gesehen hatte, wie Bluthand auf ihrem Drachen, einen strahlenden Zauber vorbereitend, auf den Schutthügel hinabgestürzt war, hatte sie das Erste getan, was ihr eingefallen war: Sie war in das Loch zurückgesprungen, aus dem sie kurz zuvor geklettert war. Sie hatte gehofft, dass der Turm sie vor dem Schlimmsten beschützen würde.
Bisher hatte er das getan. Die Hitzewelle war schmerzhaft gewesen, doch sie wollte sich nicht vorstellen, was aus ihr geworden wäre, wenn sie näher am Zentrum der Explosion gestanden und keine dicken Steinmauern als Schutz gehabt hätte. Und auch den Geschosshagel aus kleineren Steinen hatte die alte Befestigung abgehalten.
Doch als über ihr die Spitze dessen, was von dem Turm noch übrig war, von einer gewaltigen Steinmasse weggesprengt wurde und in sich zusammenstürzte, ging Viverla’atar auf, dass es vielleicht doch nicht die beste Idee gewesen war, sich in einem Loch zu verstecken, während über ihr halbe Berge versetzt wurden. Rasch und ohne auf ihre schmerzende, angesengte Haut zu achten, löste sie sich aus ihrer erstarrten Haltung und rannte tiefer in die Gewölbe, die einst den Keller des Turms gebildet hatten.
Nur dank der Geschwindigkeit, die ihr unsterblicher Körper ihr ermöglichte, entkam sie dem Steinschlag. Schon prasselten hinter ihr Tonnen von Steinen nieder. Splitter jagten in alle Richtungen davon. Mehrmals wurde sie schmerzhaft in den Rücken getroffen, bevor sie sich flach auf den Boden warf.
Das Krachen der herabfallenden Steine verstummte überraschend schnell und Viverla’atar erhob sich wieder. Anscheinend hatte sie die Größe des Steinschlags überschätzt. Der Haufen, der sich auf dem Kellerboden angesammelt hatte, reichte ihr gerade mal bis zu Hüfte und bestand überwiegend aus faustgroßen Splittern. Der große Stein hatte anscheinend lediglich die obersten Spitzen der Turmruine getroffen.
Da es oben mittlerweile auch ruhig war, kletterte sie wieder in das Erdgeschoss des Turms und lugte vorsichtig aus dem Torbogen. Was sie vor sich sah, ähnelte in keinster Weise der Trümmerlandschaft, in die Bluthand den Khainetempel verwandelt hatte. Wo sich eben noch ein meterhoher Berg aus gewaltigen Steinen aufgetürmt hatte, lag jetzt nur noch ein riesiger Krater aus geschmolzenem Gestein, das bereits erstarrte. Es stank nach Asche und Feuer. Um sie herum flimmerte die Luft über glühend heißen Steinen. Ja, sie hatte verdammt viel Glück gehabt, dass sie es bis in die Turmruine geschafft hatte. Hier draußen wäre sie einfach verbrannt worden.
Und sie wusste, dass es noch nicht vorbei war. Irgendwie musste Nerglot diesen gewaltigen Angriff überlebt haben, sonst würde sie, Viverla’atar, nicht mehr existieren. Sie war an seine Magie gebunden, die ihren Körper am Sterben hinderte. Außerdem fühlte sie tief in ihrem Innern, dass er noch nicht tot war.
Durch die flimmernde Luft blickte Viverla’atar in den Himmel und suchte nach Bluthand. Sie hatte sie schnell entdeckt. Dort oben kreiste der rote Drache und ihre scharfen Augen konnten auch die Zauberin auf seinem Rücken mühelos erkennen. Stolz und schön ragte sie zwischen den gewaltigen Flügeln auf, ihr Haar und ihr Umhang flatterten hinter ihr im Flugwind. Entsetzt stellte Viverla‘atar fest, dass Bluthand bereits den nächsten Zauber vorbereitet hatte.
Schon löste sich die glitzernde Kugel aus reiner Macht und schoss in die Tiefe. Sie zielte direkt in den Krater, dorthin, wo sich vermutlich Nerglot befand. Viverla’atar wusste, dass es zu spät war. Sie würde es nicht rechtzeitig zurück in den Turm schaffen. Und eigentlich war es auch zwecklos. Wenn Nerglot starb, spielte es keine Rolle, wo sie sich befand. Irgendwie gefiel ihr die Vorstellung auch besser, gemeinsam mit ihm in einer magischen Explosion vernichtet zu werden, als miterleben zu müssen, wie ihr Körper von seiner Sterblichkeit eingeholt und quälend langsam verschlungen wurde.
Gebannt beobachtete sie, wie sich die arkane Attacke dem Erdboden näherte. Sie war kaum zwei Herzschläge unterwegs, aber trotzdem kam es ihr wie eine Ewigkeit vor. Die Unsterbliche hielt den Atem an. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen, aber sie wollte dem Ende offen entgegen treten.
Von einem Augenblick zum anderen brach sie in die Knie, als ihrem Körper alle Kraft entzogen wurde. Nerglot ist tot, dachte sie schockiert und Verzweiflung brach über sie herein. Die glitzernde Kugel, von der sie den Blick trotz aller körperlicher Schwäche nicht gelöst hatte, verpuffte ein paar Meter über den Boden einfach. Vierla’atar blinzelte ungläubig. Sollte das ein grausamer Spaß von Bluthand sein? Das Verschwinden der Kugel passte absolut nicht zu dem Schrecken, für den sie gestanden hatte. Es gab keine Explosion, keine Feuerwalze, nicht einmal einen Lichtblitz. Sie zerplatzte einfach wie eine Seifenblase.
Vielleicht hat Bluthand auch bemerkt, dass Nerglot schon tot ist, suchte sie eine Erklärung. Andererseits passt es überhaupt nicht zu der arroganten Hexe, ihre eigene Magiekugel zu zerstören. Sie hätte sie bestimmt trotzdem detonieren lassen, nur um ihre Überlegenheit zu zeigen. Außerdem hätte sie mich entdecken müssen.
Und dann hörte Viverla’atar das Brüllen. Panisch riss sie den Kopf hoch, bereit, ihrem Ende in Form eines herabstürzenden Drachens und einer blendenden Flammenzunge zu begegnen. Doch dann klappte ihr der Mund auf, als sie das gewaltige grüne Monster erblickte, das kaum zwanzig Meter über ihr den vergleichsweise kleinen roten Drachen angriff. Bluthand tauchte nur ganz knapp unter den zuschlagenden, messerscharfen Krallen hindurch, bevor sie ihrem Reittier die Sporen gab und panisch davonjagte.
Ihre verhasste Feindin vor einem Gegner fliehen zu sehen, ließ Viverla’atar grinsen. Sie hatte es verdient, nach allem, was sie getan hatte. Sie hoffte nur, der grüne Drache, wo auch immer er herkam, würde sie sehr langsam sterben lassen.
Erst allmählich dämmerte es ihr, dass sie zwar geschwächt, aber noch immer unsterblich war. Und sie fühlte noch immer tief in ihrem toten Innern, dass Nerglot am Leben war. Aber was war dann geschehen? Wieso war Bluthands Angriff fehlgegangen? Sie versuchte, Nerglots Diener zu rufen, doch sie fand keine Untoten mehr. Es schien, als wären sie alle vernichtet worden. Das bedeutet, irgendetwas hat sämtliche Magie in dieser Stadt innerhalb eines Augenblickes abgezogen. Und zwar zeitgleich mit … mit dem Erscheinen dieses Monsters. Erkennen und Erstaunen zeichneten sich auf ihren Zügen ab. Es muss über gewaltige Kräfte verfügen. Sie bleckte die Zähne zu einem gemeinen Grinsen. Das würde Bluthand niemals überleben.
Doch noch hatte sie keine Zeit, ihrem Triumph zu genießen. Sie stand am Rande eines riesigen Feldes aus Trümmern. Es würde nicht lange dauern, bis irgendjemand sie hier bemerken würde. Und vielleicht war der grüne Drache doch nicht so mächtig, wie sie dachte. Wer wusste schon, ob Bluthand hier nicht gleich wieder auftauchen würde? Dann wollte sie hier lieber nicht so ungeschützt herumstehen.
Doch bevor sie sich zurückzog, musste sie etwas erledigen. Sie sah sich noch einmal um, nahm ihre Armbrust in die Hand und rannte los. Beinahe erwartete sie, Rufe oder das Sirren von Geschossen zu hören, doch alles blieb ruhig. Die Zerstörung, die Bluthand hier angerichtet hatte, hatte wahrscheinlich alles Lebendige im Umkreis vertrieben. Wer die Explosion überlebt hatte, würde sich vermutlich nicht so schnell wieder ins Freie wagen.
Die Trümmer waren tückisch und glühend heiß. Immer wieder stolperte sie, wenn Steine unter ihren Tritten wegrutschten, und ihre Sohlen schmerzten unglaublich. Sie kam sich quälend langsam und unbeholfen vor. Immer, wenn sie den Kopf hob, rechnete sie damit, Bluthand auf ihrem roten Drachen zu sehen, die sie beobachtete, wie sie sich verzweifelt abmühte. Ihre Panik machte es ihr noch schwerer, auf ihre Füße zu achten.
Doch sie hatte keine andere Wahl. Wenn es auch nur die geringste Chance gab, dass Nerglot noch lebte, dann musste sie ihn in Sicherheit bringen. Nicht nur, um ihr eigenes Leben zu retten. Er war der einzige, der ihr noch blieb. Der einzige, der sie nicht verraten hatte.
Blutklinge, den sie geliebt hatte, hatte ihre gesamte Familie und einen nicht geringen Teil des Stammes auf dem Gewissen. Und dann hatte er sich diesem Dämon von einer Hexe hingegeben. Ihr eigener Vater, zu dem sie stets aufgeblickt hatte, hatte sie mit einem Mann verheiraten wollen, der ihr nichts bedeutete, und sie von Sisrall getrennt, der immerhin offen zu ihr gehalten hatte. Ihre Brüder hatten ihn dabei unterstützt. Selbst Darmal, in dem sie nicht mehr gesehen hatte, als einen Freund, war nicht dagewesen, als sie ihn brauchte. Er hatte der Stimme des Chaos nachgegeben und letztendlich sogar versucht, sie zu töten.
Was aus Yerill geworden war, konnte sie nicht sagen. Doch es bedeutete ihr erschreckend wenig. Sie mochte ihre Tochter sein, doch Viverla’atar konnte das Mädchen, zu dem sie innerhalb weniger Stunden geworden war, nicht mit etwas in Verbindung bringen, das in ihrem Leib gewachsen war. Vielleicht auch, weil sie nicht einmal eine richtige Schwangerschaft gehabt hatte. Nein, Yerill war im Grunde eine Fremde für sie, deren vollkommener Anblick sie mehr verwirrte und erschreckte als mit Freude erfüllte.
Es blieb also nur Nerglot übrig. Am Anfang war er einfach nur ein mächtiger Beschwörer gewesen, mit dem sie einen finsteren Pakt geschlossen hatte. Doch sie beide teilten ein Schicksal der Einsamkeit. Sie verstand ihn und akzeptierte ihn dafür, wie und was er war. Er gab ihr dafür ein neues Leben, ein fantastisches, grenzenloses Leben. Doch egal, wie mächtig ihr Körper jetzt war, geblieben war die Furcht vor der Einsamkeit. Die Furcht, wieder verraten zu werden. Und deshalb brauchte sie ihn. Deshalb musste sie ihn retten.
Endlich erreichte sie den Rand des Kraters und lief den Hang auf der Innenseite wieder hinunter. Sie konnte die Gestalt sehen, die dort unter einem kaum erkennbaren magischen Schild lag. Halb rutschte, halb stolperte sie und als sie unten ankam, brach sie in die Knie und ließ die Armbrust fallen. Doch sie krabbelte weiter, zu erschöpft, um aufzustehen. Ihre Handflächen verbrannten ebenso wie ihre Füße, doch das war ihr egal.
Als sie endlich bei der Gestalt ankam, die sie vom Kraterrand aus gesehen hatte, stockte ihr der Atem. Sie musste den Blick abwenden und mehrmals tief durchatmen, um den Würgreiz zu unterdrücken. Ihr unsterblicher Körper konnte sich zwar nicht übergeben, aber der Reflex war immer noch da.
Schließlich wandte sie sich Nerglot wieder zu und versuchte, nur das zu betrachten, was sie sah, und nicht darüber nachzudenken, welche Schmerzen er fühlen musste. Oder was er ihr bedeutete. Sie durfte dieses schreckliche Bild nicht die Erinnerungen daran verdrängen lassen, wie sie Nerglot vor dem Beginn der Schlacht gesehen hatte.
Von seiner Robe war nicht mehr viel übrig und auch seine Haare waren verbrannt. Seine Haut war völlig zerstört und da, wo sie noch existierte, wirkte sie eher wie Asche, die an dem verkohlten Fleisch klebte. Eitrige Flüssigkeiten liefen aus den Wunden. Anscheinend ließ Nerglots Zauber nach, der seinen Körper vor dem Einfluss der Sterblichkeit bewahrte.
Besonders an den Gliedmaßen war das zu erkennen. Dutzende Aufschläge und Zusammenstöße mit Steinen und Trümmern hatten die Knochen brechen und splittern lassen. Mehrfach hatten sie die Muskeln durchstoßen und an diesen Stellen floss Blut. Nur wenig zwar, aber es war ein deutlicher Hinweis, dass Nerglots Unsterblichkeit schwand.
Es glich jedoch einem Wunder, dass er keine Gliedmaßen verloren hatte. Der Schild musste ihn davor bewahrt haben, genau wie er seinen Schädel und seinen Rumpf davor geschützt hatte, irreparabel zerquetscht zu werden. Es reichte gerade so, damit er noch nicht gestorben war.
Auf seiner Brust lag das Drachenamulett. Es war beinahe ein Hohn, dass der Talisman nicht einmal einen Kratzer abbekommen hatte. Nur ganz unten war ein kleines Stück der schwarzen Schicht abgeplatzt und entblößte den roten Stein darunter. Doch sosehr die Unversehrtheit dieses Dinges Viverla’atar auch reizte, sie wusste, dass es der einzige Grund war, weshalb Nerglot noch nicht tot war. Irgendwie hatte es ihn gerettet, als er selbst es nicht mehr konnte.
Vor Wut ballte sie die Hände zu Fäusten. Der Schmerz ihrer versengten Handflächen stachelte sie weiter an. Dafür wirst du büßen, Bluthand, schwor sie bitter. Irgendwie werde ich einen Weg finden, dich bezahlen zu lassen. Was du Nerglot angetan hast, werde ich Sisrall antun. Er hat es genauso sehr verdient. Es wird Zeit, dass er für deine Taten und für die Auslöschung meiner Familie bezahlt!
Das Geräusch rollender Steine holte sie in die Gegenwart zurück. Erschrocken blickte sie sich um. Doch sie war allein. Anscheinend hatten nur einige Trümmer beim Abkühlen nachgegeben. Dennoch durfte sie nicht länger warten. Sie musste hier weg. Jeder Augenblick, den sie wartete, mochte Nerglots Ende bedeuten. Selbst wenn Bluthand nicht zurückkommen würde, konnte sein Körper in diesem Zustand nicht mehr lange überleben. Drachenamulett hin oder her.
Vorsichtig schob sie die Arme unter seinen zerstörten Leib. Stinkender Rauch stieg auf, als ihre Haut verbrannte. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien, und riss die Arme zurück. Es war das Kraftfeld. Noch immer umschloss es Nerglots Körper. Ach, verdammt, wozu bin ich denn unsterblich? Sie griff wieder unter ihn und atmete zweimal tief durch, um sich an den Schmerz zu gewöhnen. Das Kraftfeld war glücklicherweise zu schwach, um sich tief in ihr Fleisch zu brennen. Es verkohlte lediglich die Oberfläche, die allmählich taub wurde. Für einen Augenblick lähmte sie der Schock, doch dann verdrängte sie die Frage, ob das jemals heilen würde. Es gab Wichtigeres.
Stöhnend erhob sie sich mit Nerglots Überresten auf den Armen. Glücklicherweise erfüllte das Feld seine Funktion und hielt ihn stabil. Es war, als würde sie ihn auf einem Brett tragen — nur dass es in Flammen zu stehen schien. So rasch sie konnte, rannte sie zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Sie zwang sich, nicht in den Himmel zu sehen, sondern auf ihre Füße zu achten. Wenn Bluthand sie sehen und angreifen würde, gab es nichts, was sie dagegen tun konnte. Ihre einzige Chance war, so schnell und sicher wie möglich zu entkommen. Wenn sie jetzt stolperte, konnte sich das tödlich auf Nerglots Zustand auswirken.
Nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, erreichte sie den Rand des Kraters und stolperte auf der anderen Seite hinab. Sie war völlig erschöpft. Einzig ihr Wille und ihre Furcht hielten sie aufrecht. Und ihr Hass auf Bluthand und Blutklinge, die ihr Leben ein ums andere Mal zerstört hatten. Doch dieses Mal würde sie es nicht zulassen.
Sie war beinahe überrascht, als sie die Turmruine erreichte. Panisch wankte sie durch den Torbogen und blieb vor dem Loch im Boden stehen. Doch ihr blieb weder die Zeit, noch hatte sie die Mittel, sich einen sanfteren Weg zu überlegen. Nach einem letzten tiefen Atemzug sprang sie. Der Aufprall hätte beinahe dazu geführt, dass sie ihre Last fallen ließ. Doch sie reagierte rechtzeitig und fand rasch wieder festen Stand. Ihr selbst hatte der Sprung nichts ausgemacht.
Doch schon stand sie vor dem nächsten Hindernis: Der Steinschlag, vor dem sie sich vor wenigen Minuten in Sicherheit gebracht hatte, hatte den Eingang zu den unterirdischen Tunneln verstopft. Halb ohnmächtig vor Erschöpfung und Verzweiflung legte sie Nerglot ab und untersuchte die Stelle. Das Loch, wo der Steinquader abgesackt war, war noch vorhanden und groß genug, um herunterzuklettern. Doch der schmale Spalt, den sie beim Aufstieg entdeckt hatte, war verschwunden.
Eilig kletterte sie hinab und begann, den Schutt wegzuräumen. Ihr Körper wankte am Rande des Zusammenbruchs, doch sie zwang sich, weiterzuarbeiten. Stein um Stein beförderte sie aus dem Loch, bis der Spalt wieder groß genug war, um hindurchzukriechen. Mit letzter Kraft zog sie sich aus dem Loch, hob Nerglot auf und sprang wieder hinab.
Dieses Mal gab es keinen Weg, ihn halbwegs sanft zu bewegen. Sie schob sich zuerst durch den engen Spalt, suchte Halt und zog Nerglot dann nach. Sie betete zum ersten Mal zu Asaph, Nerglots Göttin, dass der Schild ihn schützen würde. Langsam kletterte sie nach unten und zog Nerglot nach. Als sie schließlich den Boden erreichte, rutschte sein Körper hinunter und warf sie um. Sie schrie auf, als er auf ihr landete und das Kraftfeld ihre Haut verbrannte. Schnell rollte sie ihn herunter.
Einen Augenblick lang erlaubte Viverla’atar es sich, die Augen zu schließen und durchzuatmen. Sie hatte es bis in die Sicherheit der Tunnel geschafft. Auch wenn Nerglots Leben noch nicht sicher war, Bluthand würde sie hier nicht so schnell finden. Es sei denn, sie hätte Viverla’atar bemerkt, aber dann hätte sie mit Sicherheit schon angegriffen.
Dennoch konnte sie sich keine Ruhepause leisten. Sie wusste nicht, wie lange ihr noch blieb. Sie fühlte, dass Nerglot noch am Leben war, aber abgesehen von dem magischen Kraftfeld des Drachenamuletts gab es keinen weiteren Hinweis. Sein Herz schlug genauso wenig wie ihr eigenes und sein Körper atmete nicht. Das tat er wie sie auch meist nur aus Gewohnheit, nicht aus Notwendigkeit. Dafür rann weiterhin Blut aus den Wunden an seinen Gliedmaßen.
Entschlossen schob Viverla’atar die Arme wieder unter seinen entstellten Körper, hob ihn hoch und rannte los. Die Dunkelheit war kein Problem für ihre Augen und sie hatte sich den Weg, den sie das letzte Mal genommen hatte, fest eingeprägt. Ihr Gedächtnis würde sie nicht im Stich lassen.
Sie wich vereinzelten Steinen auf dem Boden aus, die beim Zusammensturz des Tempelturms aus der Decke gefallen waren, aber sonst stieß sie auf keine Hindernisse. Die Tunnel lagen ruhig und vergessen unter der Erde. Es dauerte nicht lange, dann wurden die Gänge schlichter und älter. Glatte Wände und Böden wechselten sich mit grob behauenem Fels ab. Versteinerte Fackeln hingen in verrosteten Haltern. Die meisten waren durch die Erschütterungen bei der Zerstörung des Tempels aus den Wänden gesprengt worden und lagen nun auf dem Boden.
Sie rannte so schnell sie konnte, aber dennoch war sie selbst überrascht, als sie plötzlich vor dem Torbogen stand und sich zwei fauchenden Mantikoren gegenübersah. Beim ersten Mal hatte sie sich erschreckt und auch jetzt zuckte sie leicht zusammen, hielt aber nicht inne. Die steinernen Bestien ließen sie anstandslos passieren.
Nerglots Körper regte sich leicht, als Viverla’atar die gewaltige Halle betrat. Sie nahm das als gutes Zeichen. Unter ihren Schritten knirschten dutzende Schichten uralter Leichen, aufgestapelt in Jahrhunderten grausamer Ritualmorde. Sie war froh, inzwischen nicht mehr zu dem Volk zu gehören, dass hier einst getötet hatte. Ob Bluthand und Blutklinge diese Kulte wieder aufleben lassen würden?
Doch wie beim ersten Mal staunte sie über die gewaltige, grausame Erhabenheit dieses monumentalen Grabes. Jeder Fleck der Wände war mit Leichen bedeckt, von der fernen Decke, die selbst ihre Augen kaum noch erkennen konnten, hingen sie dich an dicht. Es gab dutzende, hunderte, wenn nicht tausende verschiedener Todesarten. Dies war ein Ort für einen Gott.
Und genau dieser Gott schien im Zentrum der Halle in zweifacher Gestalt auf sie zu warten. Rücken an Rücken saßen die beiden Knochenfiguren auf ihren gewaltigen Thronen aus Schädeln. Krieger und Hexe, Schwert und Magie. Um sie herum die Särge bestatteter Heiliger und Tempelmeister in einem weiten Kreis. Etwas erhöht in einem kleineren Kreis standen zwölf weitere Särge, prächtiger und eleganter als die übrigen. Einer davon war leer. Der reich verzierte Deckel lag daneben. Man hatte ihn noch nicht aufgelegt.
Viverla’atar ahnte, welche Helden in den übrigen elf Sarkophagen ruhten. Ob die Kinder des Mordes wohl wussten, dass sie jeweils zwei Körper besaßen? Und konnte eine Veränderung an ihren ersten, toten Körpern wohl Auswirkungen auf die jetzt lebenden Leiber haben? Die Beantwortung dieser Fragen würde warten müssen.
Sie eilte zielstrebig zum leeren Sarg, hob den Deckel mit der glatten Seite nach oben drauf und legte anschließend Nerglot darauf ab. Es war die beste, ebene Fläche, die sie zur Verfügung hatte, aber die Ironie, dass ihr Meister und einziger Vertrauter jetzt auf dem Sarg ihres ehemaligen Geliebten und mittlerweile zweitgrößten Feindes lag, gefiel ihr ebenfalls.
Sie sah förmlich, wie das Drachenamulett die Kraft tausendfachen Todes in dieser Halle in magische Stärke umwandelte und in Nerglots Körper leitete. Seine Muskeln strafften sich, das Blut hörte auf zu fließen und die eitrigen Wunden trockneten ebenfalls aus. Das Kraftfeld verschwand, als das Amulett bemerkte, dass keine Gefahr mehr von außen drohte. Doch sein Körper war schon zu alt und zu lange beinahe tot, um sich noch selbst heilen zu können. Er wusste nicht, wohin mit der Kraft.
Also trat Viverla’atar dicht neben ihn und legte vorsichtig die Hände auf seine Brust. Es war lange her, dass sie jemanden geheilt hatte und sie wusste nicht, wie sehr sich ihre Fähigkeiten nun, da sie eine Unsterbliche war, verändert hatten. Nerglot hatte gesagt, sie würde weniger Kraft zur Verfügung haben, da ihr Körper das meiste für den Schutzzauber aufbrauchte, der sie am Sterben hinderte.
Doch als sie ihren Geist in Nerglots Körper sandte, stellte sie fest, dass das kein Hindernis darstellen würde. In seinem Leib war mehr als genug Kraft vorhanden, mit der er nichts anfangen konnte. Sie machte sich sein Bild von seinen Verletzungen und begann dann mit der Arbeit. Zuerst konzentrierte sie sich auf die Verletzungen seines Rumpfes. Sie zeigte seinem Körper, wie er die Quetschungen beseitigen und die gebrochenen Rippen heilen konnte. Sie wies ihn an, die Löcher in seiner Lunge zu flicken, die Muskelstränge zu glätten und die Haut zu regenerieren.
Es war eine mühsame, aber doch befriedigende Arbeit. Die magische Energie folgte sich widerspruchslos ihren Anweisungen, floss durch Nerglots Körper und flickte ihn unter ihren Blicken zusammen. Sie erinnerte sich daran, wie sie Sisrall damals geheilt hatte. Das war wesentlich schwieriger gewesen, weil sie sein Adern und Muskeln, die auch noch mit der Rüstung verbunden waren, hatte heilen müssen. Nerglots Körper war ohnehin fast tot. Bei ihm brauchte sie sich keine Gedanken um Blutgefäße und innere Organe zu machen.
Nach und nach stellte sie ihn wieder her. Sein Körper wusste zwar nicht mehr, wie er sich selbst heilen konnte, aber irgendwo musste die Information gespeichert sein, wie er früher einmal beschaffen gewesen war. Als Viverla’atar kurz die Augen öffnete, um ihren Fortschritt zu betrachten, war ihr Erstaunen groß. Frische Haut spannte sich über kräftige Muskeln und gesunde Knochen. Sie hatte ihn weiter geheilt, als er es seit seiner Umwandlung in einen Unsterblichen jemals gewesen war. Selbst die Wunde in seinem Schädel, die ihn damals getötet hatte, war verschwunden. In seinem Gesicht, das nun wieder von neuen, dunklen Haaren umrahmt war, deuteten keine Spuren mehr auf die Entstellungen hin, die die Steintrümmer verursacht hatten. Er sah sogar ziemlich gut aus, musste Viverla’atar zugeben.
Als Nerglots Körper nicht mehr alle Energie für seine eigene Heilung brauchte, floss ein Teil davon auf sie über, ohne dass sie etwas dafür getan hätte. Ihre Muskeln regenerierten sich und sie kümmerte sich darum, dass auch ihr Körper die verbrannte Haut durch neue ersetzte.
Dann endlich war sie fertig. Sie schlug die Augen auf und zog die Hände zurück. Staunend begutachtete sie das Wunder, das sie soeben vollbracht hatte. Unter den Fetzen ihrer Kleidung konnte sie nur makellose, helle Haut erkennen. Keine einzige Wunde war zurückgeblieben, selbst die alten Narben waren verschwunden. Sie fühlte sich so ausgeruht wie seit Wochen nicht, obwohl sie bis eben noch am Rande des Zusammenbruchs gestanden hatte. Ihre Muskeln bewegten sich geschmeidig unter der glatten Haut. Selbst ihr Haar war wie neu und fiel ihr glatt über die Schultern.
Magie, dachte sie ehrfürchtig. Mächtige, gewaltige Magie. Erschaudernd beugte sie sich über Nerglots Brust und presste die Lippen auf den kalten Stein des Drachenamuletts. Die Berührung fühlte sich merkwürdig an, beinahe als ahne sie die gewaltige Macht, die darin schlummerte, ohne sie erreichen zu können.
Dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf und rasch richtete sie sich auf. Sie hob hektisch Nerglots Kopf an und nahm ihm beinahe panisch das Drachenamulett ab. Sie legte es auf den nächsten Sarg hinter ihr, bevor sie den Totenbeschwörer betrachtete. Er zeigte keine Reaktion. Sie war sich noch nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Abermals legte sie die Hände auf seine Brust und betrachtete seinen Körper vor ihrem inneren Auge.
Die Macht, die sich angesammelt hatte, erschreckte sie. Es war gut, dass sie ihm den Talisman abgenommen hatte. So viel reine Magie konnte eine fleischliche Hülle ohne einen kontrollierenden Geist unmöglich halten. Früher oder später hätte er Schaden genommen.
Wie als Reaktion auf ihre Gedanken raste plötzlich ein Teil der Magie in ihren eigenen Leib. Es fühlte sich an, als wäre sie von einem Blitz getroffen worden. Ihre Muskeln verkrampften sich, sie würgte und in ihrem Schädel ertönte ein grässliches Brummen. Ihr fehlten die Reflexe einer ausgebildeten Zauberin und so geriet sie in Panik. Vollkommen unkontrolliert wurde die Magie aus ihr herausgeschleudert.
Sie hörte ein Bersten und öffnete panisch die Augen. Ihr Ausbruch hatte anscheinend eine Art Öffnungszauber hervorgerufen. Das war sehr einfache Magie, die Viverla‘atar durchaus auch in kontrollierter Form beherrschte und dazu diente, Türen und Fenster aus der Distanz zu öffnen. In diesem Fall hatte er jedoch eine unheimliche Wirkung gehabt.
Der Unsterblichen lief es kalt den Rücken runter, als sie sich einmal um die eigene Achse drehte. In beiden Kreisen waren die Deckel von den Särgen gerutscht und hatten die Leichen daneben zermalmt — was das berstende Geräusch verursacht hatte. Wesentlich grässlicher war jedoch der Anblick der Aberhunderten von Toten, die sie anstarrten. Der Zauber hatte ihre Augenlider geöffnet und blicklose Augäpfel oder leere Augenhöhlen entblößt.
Mühsam rang Viverla’atar um ihre Kontrolle, doch schließlich überwand sie den Schrecken und ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Ihre Furcht war vollkommen lächerlich gewesen. Sie war keine Sterbliche mehr, die sich vor den Toten ängstigen musste. Sie war selbst weit schrecklicher als diese Leichenansammlung.
Stolz wandte sie sich wieder zu Nerglot um, der noch immer still auf dem umgedrehten Deckel des Sarges lag. Glücklicherweise hatte ihr Zauber hier nicht gewirkt. Vermutlich, weil der Sarg bereits geöffnet und die schwere Steinplatte falsch herum war. Ihr Meister wirkte tot, doch sowohl das Drachenamulett als auch sie selbst existierten noch. Folglich musste noch Leben in ihm sein. Alle seine körperlichen Schäden waren beseitigt. Sie konnte nur hoffen, dass sein Verstand in Ordnung war und er wieder zu Bewusstsein gelangen würde. Es gab sonst nichts, was sie für ihn tun konnte.
Doch sie fühlte sich viel zu lebendig und berauscht von der Magie, die sie in den letzten Minuten gespürt hatte, um einfach nur untätig zu warten. Überzeugt, dass Nerglot momentan in Sicherheit war, inspizierte sie die Gräber, die sie versehentlich aufgesprengt hatte.
Die Leichen darin waren sehr gut erhalten. Der Zauber, der auf dieser Halle zu liegen schien, verhinderte jede Verwesung. Selbst die Kleider und Rüstungen, in denen sie bestattet worden waren, zeigten kaum Spuren der Zeit. Noch immer wirkten sie königlich und mächtig, obgleich sie inzwischen seit Jahrhunderten tot waren.
Ganz im Gegensatz zu mir, dachte Viverl’atar verbittert, als sie an sich hinabblickte. Ihre Kleidung war zerfetzt und dreckig. Die Überreste verbargen eigentlich überhaupt nichts von ihrem Körper. Sie fühlte sich schäbig und nackt, wie eine Bettlerin, die die Toten beraubte.
Sie betrachtete die Leiche vor ihr. Die Kriegerin hielt einen langen, silbernen Dolch in ihren auf der Brust gefalteten Händen. Die Klinge war bestimmt zweimal so lang wie ihre Hände und das Heft kunstvoll verziert. Vermutlich war die Waffe mehr wert als alles zusammen, was sie je besessen hatte. Neid und Abscheu regten sich in ihr.
Aber jetzt war sie etwas Besseres als diese Leiche. Sie war eine Unsterbliche, halb tot, halb lebendig. Sie brauchte keinen Respekt vor den Sterblichen haben und keine Furcht vor den Toten. Die Gefallenen hatten ihr zu dienen! Kurzentschlossen beugte sie sich hinab und entwand den Dolch den schlaffen Fingern seiner Trägerin. Gilt es als Leichenschändung, wenn Tote Tote bestehlen?, dachte sie, bevor sie laut lachte.
Zufrieden suchte sie weiter. Einer der Tempeloberhäupter war mit einem kunstvollen und eleganten schwarzen Umhang bestattet worden. In Rot waren Runen und Muster darauf gestickt worden. Das Kleidungsstück war so groß, dass er es bequem um den ganzen Körper werfen konnte. Ohne Zögern entkleidete sie den Mann und legte das Stück neben Nerglot ab.
Nicht viel später fand sie einen silbernen, mit schwarzen und goldenen Verzierungen geschmückten Brustharnisch und dazu passende Handschuhe. Beinschienen und Stiefel trug das Kind des Mordes nur in minderer Qualität. Vielleicht waren sie bei seinem Tod beschädigt oder geraubt worden. Einen brauchbaren Ersatz fand sie wenig später bei einem anderen Erwählten. Diese Sachen waren blauschwarz und silbern verziert, passten ansonsten aber.
Sie brachte die Rüstungsteile zu Nerglot und erleichterte die Toten noch ihrer ledernen Unterkleider. Dann kleidete sie ihren bewusstlosen Meister vorsichtig ein und legte ihm anschließend die Rüstung an. Sie passte wie angegossen. Zum Schluss befestigte sie den Umhang an seinen Schultern. Als Viverla’atar einen Schritt zurücktrat, stockte ihr der Atem. Nerglot sah mit seinem geheilten Gesicht, dem erneuertem Haar und der Rüstung aus wie ein gefallener Prinz. Das Silber des Brustpanzers passte wunderbar zu seinen blassen Zügen, während die dunklen Haare in den Umhang überzugehen schienen und wie ein Rahmen für das Silber wirkten.
Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich von dem Anblick losreißen konnte. Es war die Erinnerung an ihr eigenes, schäbiges Erscheinungsbild, das sie ablenkte. Bevor sie sich auf die Suche nach geeigneten Kleidungsstücken machte, besorgte sie Nerglot eine passende Waffe. Es war schwer, aber schließlich fand sie ein wundervolles, anderthalbhändiges Schwert, dessen Heft in einen Raubvogelkopf überging, während sich die Schwingen des Vogels um die Schneide zu legen schienen. Viverla’atar nahm es mitsamt der dazu passenden Scheide und dem Gürtel an sich und band sie Nerglot um.
Der Großteil der Leichen war in prunkvolle, weite und für sie unpraktische Gewänder oder Rüstungen gekleidet. Viverla’atar wollte schon aufgeben und sich einfach mit einer Robe begnügen, als sie zum Grab einer der Erwählten kam. Erstaunt stellte sie fest, dass die Frau eine Jägerin gewesen sein musste. Vielleicht war sie sogar eine Autarii gewesen.
Begeistert und mit einem gehörigen Respekt zog sie der Toten die Kleidung aus und schlüpfte selbst hinein. Die Sachen passten, auch wenn die Frau vielleicht ein-zwei Fingerbreit größer gewesen war. Dennoch fühlte sie sich sehr wohl in den eng anliegenden Kleidungsstücken aus braunem Leder. Das Material war trotz seines Alters noch immer geschmeidig und behinderte keine ihrer Bewegungen.
Trotz der Schlichtheit der Stücke war ihnen ihre Qualität anzusehen. Stickereien in Schwarz und Grün verzierten das Leder, Pelz säumte Kragen und Ärmelaufschläge, Knie und Ellenbogen waren mit zusätzlichen Schichten Leder verstärkt und filigrane Metallarbeiten waren in Ärmel, Hose und Stiefel sowie den Rücken des Oberteils eingewebt.
Zufrieden befestigte sie den Dolch an ihrem Gürtel, steckte ein Messer, das sie bei der Erwählten gefunden hatte, in den Stiefel und machte versuchsweise ein paar Bewegungen. Die Kleidung war ideal und die neue Geschmeidigkeit ihrer Muskeln überraschte sie immer wieder.
[FONT=&quot] Leider war hier niemand mit einer Armbrust bestattet worden. Aber sie war zuversichtlich, oben in der Stadt eine neue zu finden. Doch ehe sie dorthin zurückkehren konnte, musste sie warten, bis Nerglot wieder erwachte. Im Moment gab es nichts mehr, was sie noch tun konnte, außer hoffen und bangen. Sie hatte keine Ahnung, wie es um seinen Geist bestellt war und ob dieser jemals in den Körper zurückkehren würde. Vielleicht hatte sie am Ende nur eine nutzlose Hülle gerettet. Nerglots Schicksal ruhte jetzt allein in Asaphs Händen. Nervös setzte sich Viverla‘atar auf den Rand eines Sarges und begann zu warten.


Gedanken zum Kapitel:

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Ähnlich wie Nakago finde ich die Idee gut, anschließend ein paar Worte zum aktuellen Kapitel loszuwerden. Wird vielleicht nicht immer der Fall sein, aber gelegentlich werde ich mal meine eigene Meinung präsentieren.

In diesem Fall bin ich eigentlich ganz zufrieden. Die Szene am Ende, in der Viverla Nerglot und sich einkleidet, ist vielleicht nicht so grandios, gehört aber meiner Meinung nach dazu. Es ist jetzt ja "Pause" in der Schlacht und es wäre schließlich unangemessen, wenn sie beide mit nichts als Fetzen am Leib rumrennen würden. Das ist im Fernsehen vielleicht erotisch, aber ich finde die Vorstellung von mächtigen, stolzen Unsterblichen besser.

Die Heilung mag vielleicht auch etwas schnell gehen, aber ich wüsste nicht, wie man das verlängern könnte, ohne es unnötig langatmig zu machen. Das Drachenamulett gewährt da nunmal gewaltige Mengen Kraft. Und ich finde, das stellt einen guten, ebenbürtigen Gegensatz zu Yetail da, die immerhin halbe Berge wegsprengt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mhm, da immer noch niemand was geschrieben hat und ich erst jetzt dazu kam den Teil zu lesen werde ich mal meine Meinung dazu abgeben.
Der Teil gefällt mir eigentlich gut und du hast es gut gelöst, dass der gute nerglot doch noch "überlebt" hat (kann man eigentlich bei einem Untaten von überleben reden? Naja egal).
Viverlas eingewöhnen an ihr unsterbliches Dasein ist gelungen, da sie noch oft so handelt/denkt als ob sie noch eine sterbliche wäre aber sie muss sich erstmal daran ja gewöhnen.
Achja, dass die Heilung nicht so lang ist, ist jetzt nicht so schlimm wie du selber gesagt hast ist das Amulett sehr mächtig also ist das nachvollziehbar aber durch die komplette Wiederherstellung nerglots bietest du ihm einen interessanten Einstieg wieder als Gegner, also kommt drauf an wie sehr sich sein jetziges aussehen mit seinem vorherigen unterscheidet, da wenn er wieder in sein Körper finden sollte, bestimmt nicht von den Helden sofort erkannt wird. Also da könnte man bestimmt einiges mit machen, also das ist mein Gedanke dazu.
Also der Teil fügt sich meiner Meinung nach gut ins geschehen und bietet schon einiges für den weiteren Verlauf.
 
Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Du hast ja sehr viele verschiedene Aspekte angesprochen. Freut mich, dass es dir soweit gefällt.

Ich denke, Nerglots neues Erscheinungsbild wird die Elfen schon überraschen, aber seine Macht liegt ja in seiner Magie und die hat sich nicht verändert. Sobald er also anfängt, Tote wiederzubeleben, ist klar, wer er ist 😉

(kann man eigentlich bei einem Untaten von überleben reden? Naja egal).

deshalb verwende ich gerne den Begriff "Unsterbliche", um Nerglot und Viverla, die ja eigentlich noch leben, aber knapp vor dem Tod "eingefroren" sind, von den richtigen Untoten, die schon tot waren und dann als willen- und seelenlose Diener zurückgerufen wurden, zu unterscheiden.
Ein Unsterblicher kann "überleben". Ein Untoter nicht, weil er ja tot ist. Er könnte es höchstens "überstehen" 😉 Aber in letzterem Fall würde ich nicht pingelig sein. ich habe bestimmt irgendwo mal "leben" oder auch "überleben" im Zusammenhang mit einem Untoten verwendet.
 
deshalb verwende ich gerne den Begriff "Unsterbliche", um Nerglot und Viverla, die ja eigentlich noch leben, aber knapp vor dem Tod "eingefroren" sind, von den richtigen Untoten, die schon tot waren und dann als willen- und seelenlose Diener zurückgerufen wurden, zu unterscheiden.
Ein Unsterblicher kann "überleben". Ein Untoter nicht, weil er ja tot ist. Er könnte es höchstens "überstehen" 😉 Aber in letzterem Fall würde ich nicht pingelig sein. ich habe bestimmt irgendwo mal "leben" oder auch "überleben" im Zusammenhang mit einem Untoten verwendet.

also ja, das war jetzt keine kritik an dich und ich hab mir schon gedacht, dass es einen grund hat das du sie Unsterbliche nennst..das war nur so ein Ansatz von Philosophie, der sich in meine Gedanken geschlichen hat^^
achja und ausführliche antworten, diese wirst du wohl ab jetzt eigentlich häufig von mir zu hören bekommen.
Und ich versuche halt dabei alles einfließen zu lassen, was mir dabei auffällt, ob positiv oder negativ.
 
also ja, das war jetzt keine kritik an dich und ich hab mir schon gedacht, dass es einen grund hat das du sie Unsterbliche nennst..das war nur so ein Ansatz von Philosophie, der sich in meine Gedanken geschlichen hat^^

hab ich doch nicht als Kritik verstanden. Ich wollte dir nur meine philosophischen Überlegungen zu dem Thema dalegen 😉

achja und ausführliche antworten, diese wirst du wohl ab jetzt eigentlich häufig von mir zu hören bekommen.
Und ich versuche halt dabei alles einfließen zu lassen, was mir dabei auffällt, ob positiv oder negativ.

na das freut mich. Ich mag ausführliche Antworten. Und auch negative Kritik ist willkommen.
 
Ich hatte gehofft, es würden sich noch ein paar mehr Leute zum letzten Teil äußern, aber ich werde trotzdem wie versprochen weitermachen.

Wie bereits angedeutet, folgen auf die Kämpfe nun ein paar ruhigere Kapitel. Aber die werden ihre ganz eigenen Herausforderungen und Bedrohungen haben.

Nähe

Die Spielarten der Dämonen sind vielfältig und tückisch. Oft verstecken sie sich hinter Freundlichkeit und Verführung, um ihre Opfer zu täuschen. Doch es gibt immer einen Punkt, an dem sie sich durch ihre Gier verraten und die Kontrolle verlieren.
[FONT=&quot]— [/FONT]Aus ‚Die Ewigen Tore‘, Skihron Kiltza

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Vollmond (5.Tag)
8 Stunden nach Sonnenaufgang


Für Yerills feine Ohren klang das gewaltige Getöse, das sich nur wenige hundert Meter entfernt erhob, als würde die Welt selbst zerbersten. Sie hörte, wie Steine krachend zerschmettert wurden und Splitter pfeifend durch die Luft schossen. Sie unterschied das Stöhnen, mit dem gewaltige Granitklötze der Last nachgaben und wegrutschten, vom Ächzen, mit dem sich überbeanspruchtes Metall bog, bis es schließlich mit einem hellen Kreischen zerbrach.
Sie vernahm ein wahres Orchester der Zerstörung, während der größte Teil ihres Denkens der jungen Sterblichen galt, die auf ihrer Brust lag. Nach Yucaltas Warnruf war sie über den Balkon ins Freie gesprungen und auf einem der niederen Türme des Tempels in der Nähe der äußeren Mauer gelandet. Der Ruck des Aufpralls hatte selbst ihr die Luft aus den Lungen gepresst und sie hatte um die Gesundheit der Druchii gefürchtet. Sie vermochte nicht recht einzuschätzen, wie viel der Körper der jungen Frau aushalten konnte – vor allem, nachdem sie kurz zuvor nur knapp dem Tod entkommen war.
Dicht hinter der Mauer des Tempels erhob sich ein protziger Festungsbau, dessen vier hohen Ecktürme schwer befestigt und mit Zinnen gekrönt waren. Wachen hatte sie allerdinge keine ausmachen können. Auf einen dieser Wachtürme war sie gesprungen. Noch im Sprung hatte sie nach einem möglichst guten Versteck gesucht. Im Herzen des Palasts, umgeben von der quadratischen Einfassung, stand ein gewaltiger, kreisrunder Bau mit vergoldeter Kuppel. Sehr schmale, vier Stockwerke hohe Fensterschlitze zogen sich ringsherum. Weit darüber, kurz unter dem Dach gab es eine Reihe breiterer, etwa mannsgroßer Fenster. Yerill hatte das nächstgelegene gewählt, sich mitsamt der Druchii herumgedreht und war gesprungen.
Es war schmerzhaft gewesen, als ihr Körper das Fensterglas zertrümmert hatte und dann inmitten der Scherben über den gefliesten Boden geschlittert war, aber sie hatte es geschafft. Kurz hatte sie einen Eindruck vom Zimmer gewonnen, in dem sie gelandet waren. Es schein ein kleiner Wohnraum zu sein. Ein hölzerner Tisch, auf dem ein mehrarmiger Kerzenleuchter stand, ein bequemer gepolsterter Stuhl mit Armlehnen, ein schlecht ausgestattetes Bücherregal und ein breites, ordentlich gemachtes Bett mit sauberer Tagesdecke bildeten die gesamte Einrichtung. Die Wände waren, der äußerlichen Pracht des Bauwerks entsprechend, aus Marmor.
Sie hatte dem hektischen Keuchen der jungen Frau in ihren Armen gelauscht und erleichtert gelächelt, als sie die Augen aufgeschlagen hatte. Yucalta hatte benommen, aber unverletzt gewirkt. Es hatte eine Weile gedauert, bis der verschwommene Blick aus ihren Augen verschwunden war. Und dann hatte der Lärm begonnen.
Als sie das erste Donnern gehört hatte, mit dem die Zerstörung des Turms begonnen hatte, hatte Yucalta den Kopf instinktiv fest an Yerills Brust gedrückt und die Augen geschlossen. Einen Augenblick lang fürchtete Yerill, sie wären nicht weit genug weg, um dem Tod zu entkommen. Aber ihr Gehör verriet ihr, dass es keinen Grund zur Sorge gab.
Sie versuchte, Yucalta zu beruhigen, die noch immer viel zu schnell atmete. Sie legte ihr eine Hand auf den Kopf und drückte sie sanft an sich. So lagen sie, bis das Donnern verebbte und eine Stille einkehrte, die nur vom Rollen einzelner Steine und dem allmählich ruhigeren Atem der jungen Druchii durchbrochen wurde.
Yerill spürte etwas Feuchtes auf der Haut und stellte überrascht fest, dass Yucalta leise weinte. Sie schluchzte nicht, aber auf ihren Wangen glitzerten Tränen. Die Unsterbliche legte ihr sanft die Hand ans Kinn und strich die Tränen mit dem Daumen weg. Während sie versuchte, die Druchii zu trösten, suchte ein Teil ihres Verstandes fieberhaft nach möglichen Ursachen.
Hatte sie Schmerzen? Die Möglichkeit war unwahrscheinlich. Dann würde sie schreien, keuchen oder wenigstens schluchzen. Aber nicht so still weinen. War sie betrübt über die Zerstörung des Turms? Vielleicht war es das. Es war eines der mächtigsten und gewaltigsten Bauwerke der gesamten Stadt gewesen. Und auch wenn sie Kultur und Religion der Druchii noch nicht vollkommen verstand, ahnte sie, dass es eine wichtige Bedeutung für die Druchii gehabt hatte. Sein Fall könnte in ihren Augen ein Symbol der Niederlage sein.
„Danke.“, flüsterte Yucalta und ihr Atem strich warm über Yerills Brust. Nein, sie hatte sich geirrt. Vielleicht war die Zerstörung des Turms für die Druchii tatsächlich ein Grund zur Verzweiflung, aber die junge Frau weinte nicht deshalb. Sie war erleichtert, erkannte Yerill nun. Erleichtert – und dankbar – noch am Leben zu sein. Die Unsterbliche lächelte, als ihr klar wurde, dass Yucalta nichts fehlte. Eine gewaltige Anspannung fiel von ihr ab.
„Gern geschehen.“, antwortete sie und strich der Druchii über die glatten schwarzen Haare.

Yucalta wusste nicht, wie lange sie dort lagen. Ihr Gewicht schien der anderen Frau nichts auszumachen. Yerill lächelte und streichelte ihre Haare, während sich die Novizin allmählich wieder beruhige. Sie war noch am Leben. Das war die Hauptsache. Schon wieder hatte Yerill sie gerettet – warum, das verstand sie noch immer nicht ganz. Doch für den Augenblick reichte ihr diese Tatsache.
Trotz der eigentümlichen Härte ihres Körpers war es angenehm, auf Yerill zu liegen. Die oberste Schicht ihrer Haut war glatt und weich – wie eine Decke, die man auf einen Stein legt, um darauf zu schlafen. Der Vergleich hinkte, denn Yerill war längst nicht so kalt wie ein Felsen – und wesentlich sanfter, fügte Yucalta in Gedanken hinzu, als das unsterbliche Mädchen einen Arm um ihre Schulter legte und ganz zärtlich ihre Haare küsste.
Yucalta stockte der Atem und sie hob den Kopf. Yerills Gesicht war nur wenige Fingerbreit von ihrem eigenen entfernt. Für einen Sterblichen wäre es schmerzhaft gewesen, den Kopf lange so erhoben zu halten. Aber daran dachte sie in diesem Moment nicht. Yucalta sah, wie ihr Atem einige blonde Strähnen bewegte, und lächelte. Selbst so dicht war Yerills Gesicht wunderschön. Die dunklen, geheimnisvollen Augen blickten tief in ihre und ihr sanftes Lächeln wurde breiter und wärmer.
Als Yucalta die Luft einsog, bemerkte sie einen subtilen Hauch von etwas, das sie am ehesten mit Sonnenschein in Verbindung gebracht hätte – Sonnenlicht und Schnee. Sehnsüchte stiegen in ihr auf. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Yerills sanfter Atem strich über ihren leicht geöffneten Mund und sie schmeckte darin dasselbe Aroma von leuchtendem Schnee. Sie leckte sich über die Lippen und neigte den Kopf ein wenig in Yerills Richtung.
Durch ihre Nähe fühlte sie, wie sich auch Yerills Herzschlag beschleunigte. Ihr Atem wurde stärker und mit ihm der Duft. Wie eine Welle aus Licht floss er Yucaltas Kehle hinab und schien sich um ihr Herz zu legen. Sie schloss halb die Augen und bemerkte kaum, wie Yerill es ihr nachtat. Sie sog noch einmal tief die Luft ein und gab sich dann den Sehnsüchten hin, die der Duft in ihr weckte.
Als ihre Lippen Yerills berührten, fürchtete sie ein wenig, die andere Frau würde zurückzucken. Glatt und weich sie Seide fühlten sie sich an und Yucalta spürte das Lächeln darin. Sie verstärkte den Druck und öffnete die Lippen ein wenig.
Sie fühlte Yerills Hände, die sich in ihren Nacken und unter ihr Kinn legten. Sofort wurde es leichter, den Kopf erhoben zu halten. Wie zum Dank strich sie sanft mit der Zunge über Yerills Lippen und bewunderte deren Vollkommenheit.
Als Yerill die Lippen öffnete und den Kuss verstärkte, gab Yucalta alle Vorsicht auf. Sie hob die Hände und legte sie um Yerills Kopf, um sie an sich zu drücken. Ihre Zunge fuhr über Yerills makellose Zähne und ein kurzer Schmerz durchzuckte sie. Sie wich ein wenig zurück, bevor ihr klar wurde, was geschehen war. Yerills Zähne waren messerscharf! Sie hatten ihre Haut bei der bloßen Berührung aufgeritzt.
Ihre Lippen lagen noch immer aufeinander, doch Yerill wartete; einladend, aber nicht fordernd. Yucalta spürte ihre Vorsicht, aber die Wunde schmerzte schon nicht mehr. Deshalb lächelte sie und zog Yerills Kopf wieder an sich.

Yerills Herz pochte wild in ihrer Brust und ihr Atem ging stoßweise. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Selbst beim Sprung vom Turm, ja sogar beim Kampf gegen den anderen war ihr Körper ruhig geblieben. Er brauchte das nicht. Aber es fühlte sich so gut an! Sie fühlte, wie etwas in ihr, das nichts mit der Macht des Chaos zu tun hatte, auf die Nähe und die Berührungen der jungen Druchii reagierte. Und sie genoss das Gefühl.
Und dann diese Kraft! Sie glaubte beinahe, in goldenem Licht zu baden. Es ging von Yucalta aus, schien über Yerills Haut zu fließen und dabei langsam in sie einzusickern. Wo sie sich berührten, explodierten Blitze aus Licht. Wie schwache Entladungen sprang die Kraft auf sie über. An ihren Händen, die den Kopf der Druchii stützten, an Yucaltas Fingern, die sich in ihr Haar vergraben hatten und Yerill an sich zogen, und vor allem an ihren Lippen. Bei jedem Atemzug, den Yucalta ausstieß und den sie einsog, floss blende Kraft wie flüssiges Gold ihre Kehle hinab und explodierte bis in die Spitzen ihrer Existenz. Besser war nur noch das Trinken ihres Blutes gewesen.
Noch nie hatte Yerill so empfunden. Trotz der Unterschiede zwischen ihnen erregte die körperliche Nähe sie. Yucaltas Haut war weich und erschien ihr durch die darunter schlummernde Lebenskraft warm. Sie konnte den Herzschlag der jungen Frau an jeder Stelle fühlen, an der sie sie berührte. Ihr Körper war so zart und gleichzeitig so voller Leben, dass Yerill es kaum fassen konnte, etwas so Wundervolles in den Armen zu halten. Und noch unglaublicher war, dass Yucalta ihre Begierde erwiderte. Ihre Küsse waren zärtlich, aber die Kraft, mit der sie Yerills Kopf zu sich zog und ihre Lippen aufeinanderdrückte, zeugte von ihrem Verlangen.
Sie gab ihren Instinkten nach und bewegte die Hand, die nicht Yucaltas Kinn stützte, sanft über deren Rücken. Sie staunte über die Beschaffenheit ihrer Haut, die unter ihren Fingern leicht erschauerte. Lebendige Haut war etwas, zu dem es keinen Vergleich gab. So glatt, makellos und gleichzeitig rau genug, um ihren Fingern einen angenehmen Widerstand zu bieten. Jedes Blutgefäß, jede feinste Muskelbewegung, jeden Herzschlag konnte Yerill durch diese Haut spüren. Und Kraft. Jede Menge goldener Lebenskraft, die darunter floss und gleichzeitig davon ausging.
Sie verzerrte sich nach dieser Energie, wollte sie, obgleich schon so viel davon in ihren Körper floss. Aber vielleicht ein ganz kleines Bisschen mehr? Es war so einfach. Sie merkte kaum, wie sie einen Finger leicht krümmte und mit dem Fingernagel über Yucaltas Rücken fuhr. Die Druchii stöhnte leicht. Die Haut bot Yerill keinen Widerstand. Bluttropfen sammelten sich an der Wunde und wurden von ihrer Fingerkuppe aufgelesen. Der Lebenssaft sickerte direkt durch ihre Haut hindurch.
Das Gefühl war berauschend. Sie strich über Yucaltas Schulter und gleich zwei Finger zogen feinste Risse in die Haut. Als sie den Arm hinunterfuhr, waren es schon drei. Jetzt war es Yerill, die vor Wonne stöhnte. Yucalta schob sich höher, bis Yerills Kopf auf dem Boden lag und sie direkt über ihr war.
Yerill zitterte vor Verlangen. Beide Hände fuhren Yucalta erst sanft die Oberarme hoch und legten sich dann fest um ihre Schultern. Sie zog die junge Frau an sich und trieb ihr dabei die Fingernägel wie Krallen in die Haut. Blut quoll hervor und berauschte sie. Sie wollte mehr. Yucaltas Körper war so voller Lebenskraft, so voller Blut. Sie wollte mehr, sie wollte alles!
Ihre Finger fuhren langsam über ihren Rücken und zogen dünne Blutspuren hinter sich her. Die Druchii stöhnte erregt und fuhr wieder mit ihrer Zunge über Yerills Zähne. Dieses Mal drückte die Unsterbliche mit ihrer eigenen Zunge dagegen, sodass ein neuer Schnitt entstand – dieses Mal tief genug, damit Blut floss. Als der Lebenssaft direkt in ihren Mund floss, verlor Yerill völlig die Kontrolle. Sie schlang die Beine um den Unterleib der Druchii und drückte sie an sich, fester, als es für die andere angenehm gewesen wäre.
Ihre Hände lagen direkt dort auf ihrem Rücken, wo Yucaltas Herz schlug. Sie wollte diese Kraft, dieses Blut, diese Energie. Zwischen ihr und dem Herz lagen nur Haut, Muskeln und Knochen. Nichts davon würde sie aufhalten. Es war so einfach und die Vorstellung ließ Yerill seufzen. Ihre Hand bog sich zu einer Klaue. Sie würde das ganze Herz umfassen und langsam zusammendrücken, bis kein Blut mehr herauskam. Es war so einfach. Yucalta würde nicht einmal leiden. Der Schmerz würde sie in eine Ekstase treiben, aus der es kein Erwachen mehr gab.
Sie ließ sich zurücksinken, atmete tief durch und … erstarrte, als ein Geräusch ihre Konzentration durchbrach.

Yucalta hatte gerade einmal die Explosion gehört, da reagierte Yerill bereits. Von einem Augenblick zum anderen lag Yucalta plötzlich auf dem harten Fliesenboden, während die Unsterbliche über ihr kniete. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie Yerill sie hingelegt hatte. Das Licht des Fensters sickerte an ihrem Körper vorbei, aber Yucalta konnte in dem Licht, das von ihrer Haut ausging, Yerills Gesicht erkennen. Und was sie sah, erschreckte sie.
Die Augen des schönen Mädchens waren schreckgeweitet und ihre Lippen zitterten. Wut und Ekel, vielleicht auch Entsetzen zeigten sich dort, wo sich bis eben noch ein Lächeln befunden hatte. Doch Yucalta bekam keine Gelegenheit mehr, über das nachzudenken, was sie sah. Denn in dem Augenblick, in dem Yerill sie nicht mehr berührte, kamen die Visionen zurück. Ihr Kopf fing wieder an zu pochen und sie glaubte in dem Strudel der Bilder zu ertrinken.
Sie sah Gegenden, die sie noch nie besucht hatte, fremde Städte, Druchii in den Bergen, Elfen im Kampf, Chaosanbeter, die in die Schlacht zogen, Kulte, die zu ihren perversen Göttern beteten, Menschen in ihren fernen Reichen, Orks, Zwerge, Untote, das Meer, sinnlose Eindrücke ohne Zusammenhang oder Sinn. Sie hatte sie nicht gerufen. Sie kamen, angelockt von Yucaltas Lebenskraft.
Und inmitten des Kaleidoskops aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gab es ein paar Bilder, die sie erkannte. Nerglot, der auf seinem untoten Lindwurm Bluthand angriff, die vor dem Turm des Khainetempels wartete. Der Fall des Turms. Viverla’atar. Das vergessene Grab unter der Stadt, in der tausende Opfer zu Ehren Khaines dahin gemetzelt worden waren. Der Splitterdrache. Blutklinge, der eine untote Hydra vernichtete. Blutklinge, der von einem Armbrustbolzen getroffen wurde. Yetail, die unter Nerglots Sensenstab starb. Yetail und Szar’zriss, die das Horn des Splitterdrachen abschlugen.
Sie kam nicht dazu, Ordnung in diese Bilder zu bringen, denn sie kamen zu vereinzelt, vermischt mit anderen, fremden Eindrücken. Außerdem kamen im selben Augenblick die Steine. Wie ein Geschosshagel schlugen sie gegen die Außenmauer des Gebäudes, in dem sie sich befanden. Nicht wenige schafften es durchs Fenster und prallten von Yerills Rücken ab. Zwei- oder dreimal traf einer schmerzhaft Yucaltas Beine, die nicht vom Körper der Unsterblichen geschützt wurden.
Danach kam die Hitze. Wie eine Welle schlug flimmernde Luft über ihnen zusammen und brannte in Yucaltas Lunge. Die Ränder ihres zerfetzten Umhangs und die Spitzen ihrer Haare wurden versengt. Doch genauso schnell, wie es begonnen hatte, war es auch wieder vorbei. Die Hitze blieb, aber sie verteilte sich im Raum und schwand allmählich.
Einen Augenblick lang rührte sich nichts. Dann sprang Yerill auf und wandte ihr den Rücken zu. Yucalta blieb wie betäubt liegen und kämpfte gegen die Tränen. Sie fühlte sich so schmutzig und widerlich. Sie hatte sich ganz ihrem eigenen Verlangen hingegeben und dabei nicht bemerkt, dass Yerill das gar nicht wollte. Sie hatte sie benutzt und missbraucht. Obwohl sie eigentlich den Eindruck gehabt hatte, dass es ihr gefiel. Aber kaum dachte sie daran zurück, stand ihr wieder der Ausdruck von Ekel und Wut auf Yerills Gesicht vor Augen.
Die junge Novizin biss sich auf die Lippen, um nicht vor Verzweiflung und Schmerz zu schluchzen. Mühsam und stöhnend rappelte sie sich auf. Ihr Rücken schmerzte und ihr Gleichgewichtssinn brauchte ein paar Augenblicke, um die plötzliche Bewegung auszugleichen. Trotz allem, was geschehen war, hatten sie sich vor nicht einmal zehn Minuten noch im Khainetempel befunden. Der Kuss hatte nicht einmal zwei Minuten gedauert, aber es war Yucalta wie eine Ewigkeit vorgekommen – eine vollkommene, glückliche Ewigkeit, die, wenn es nach ihr gegangen wäre, niemals zu Ende gegangen wäre.
Aber es ging nicht nach ihr.
Jetzt musste sie den Fehler korrigieren, den sie in ihrer Verblendung – wie hatte sie eigentlich glauben können, ihre Zärtlichkeit würde Yerill, der engelsgleichen, unsterblichen und einfach vollkommenen Yerill, irgendetwas bedeuten? – begangen hatte. Und versuchen, zu retten, was noch zu retten war. Sie wollte die junge Frau nicht verlieren.
Doch ihr Geist war viel zu durcheinander, um sinnvolle Argumente zu finden und sich eine überzeugende Entschuldigung zu überlegen. Nachdem sie kurz unschlüssig verharrt war, trat sie schließlich ans Fenster und blickte nach draußen. Was sie sah, ließ ihre schrecklichen Sorgen für einen Augenblick in den Hintergrund treten.
Den Khainetempel gab es nicht mehr. Nicht nur, dass der Turm zerstört worden war. Wo sie einen meterhohen Schuttberg erwartet hatte, gähnte ein gewaltiger Krater. Durch die darüber flimmernde Luft konnte sie rotglühende Metallteile erkennen. Die Hitze dort musste gewaltig sein. Einst hatten einige der prächtigsten und eindrucksvollsten Gebäude der Stadt zu den Anlagen des Tempels rund um den Turm gehört. Jetzt gab es dort nur noch brennende Ruinen, deren ehemals goldverzierte Marmorwände von Steinschlägen zerstört worden waren, bevor die Druckwelle der Explosion auch noch den letzten Schmuck hinweggefegt, die Fenster zerschlagen und Mauern zertrümmert hatte. Überall stiegen schwarze Rauchsäulen auf.
Yucalta brauchte eine ganze Weile, um den Anblick zu verdauen. Dann erst bemerkte sie Bluthand, die auf ihrem Drachen über dem glühenden Krater kreiste. Irgendetwas am Boden schien die Aufmerksamkeit der Zauberin zu fesseln. Mit einem gewaltigen Schrecken bemerkte Yucalta die Energiekugel in den Händen der Zauberin. Nur einen Herzschlag später raste das Geschoss der Erde entgegen.
Yucalta warf sich zur Seite neben das Fenster. Wenn Yetail dieses Mal auch nur annähernd so viel Kraft freisetzen würde wie bei der vorherigen Explosion, dann wollte sie lieber nicht in deren Wirkungsbereich stehen.
Während sie noch angespannt auf die Hitze, den Steinhagel oder was auch immer sie gleich treffen mochte, wartete und dabei gegen die beständige Flut aus unerwünschten Eindrücken ankämpfte, fiel ihr plötzlich auf, dass das durchs Fenster hereinfallende Licht unnatürlich grün war. Was zum …? Ein ganz bestimmtes Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf und beantwortete damit die Frage.
Der Splitterdrache.
Und schon im nächsten Augenblick spürte sie ihn. Es war, als würde jeder Funken magischer Kraft aus ihrem Körper gesaugt. Sie fühlte sich plötzlich alt, krank und … ausgetrocknet. Instinktiv streckte sie die Arme aus, als ihre Beine nachgaben. Die Reaktion war eigentlich völlig sinnlos, da es in ihrer Reichweite nichts zum Festhalten gab und ihre Gliedmaßen viel zu schwach dazu waren. Aber von einem Augenblick zum anderen stand Yerill dicht vor ihr und fing sie sanft auf.
„Was ist mit dir?“ Die Stimme des Mädchens klang rau vor Sorge und Anspannung. Dennoch war es, als würde die Luft um sie herum zu flüssigen Gold erstrahlen. Keine Spur von Wut oder Abscheu Yucalta gegenüber schwangen dazu mit. „Du leuchtest nicht mehr!?“
„Der Splitterdrache.“, flüsterte Yucalta, während sie sich langsam wieder fing. „Er entzieht … allem … die Kraft.“ Nur Yerill anscheinend nicht. Was eigentlich auch keine Überraschung war. Die Winde der Magie ignorierten das Mädchen. Ihr Körper zehrte von der gespeicherten Kraft, die sie von Sterblichen aufgenommen hatte. Und anscheinend verhinderte die seltsame Haut, dass etwas davon nach draußen gelangte. Die junge Unsterbliche stellte sie mühelos wieder auf die Füße, hielt sie aber weiterhin fest. Yucalta, welcher der Ausdruck auf Yerills Gesicht nicht aus dem Kopf ging, machte sich vorsichtig los.
Yerills Reaktion war nicht die, die sie erwartet hatte. Sie ließ die Arme sinken und schlug die Augen nieder. Dann biss sie sich auf die Lippe. Wortlos trat sie zurück. Als sie den Blick wieder hob und aus dem Fenster sah, war ihr Gesicht ausdruckslos, aber ihre Augen hart.
Yucalta musste gegen den Drang ankämpfen, zu ihr zu gehen, ihre Hand zu nehmen und ihr zu sagen, dass alles in Ordnung war. Das war vollkommen verrückt. Jetzt führte Yerill sich auf, als wäre sie diejenige, die einen Fehler gemacht hätte.
Etwas hielt die junge Seherin jedoch auf. Etwas stimmte nicht. Es dauerte eine Weile, bis Yucalta auffiel, dass es zu still war. Obwohl Yerill jetzt ein ganzes Stück entfernt war, sah sie keine Bilder. Verwirrt konzentrierte sie sich auf die Winde der Magie. Die arkane Landschaft aus Wellen, Strudeln und Flüssen sah aus wie immer und irgendwie doch nicht. Erst nach und nach begriff sie, dass alles zu langsam war. Am Morgen war ihr Geist auf diesen Strömen geritten! Jetzt kroch die Magie nur noch vor sich hin.
Außerdem war ihre eigene Kraft geschrumpft. Hatte Yerill nicht gesagt, dass sie nicht mehr leuchtete? Und die brauchte sie schließlich, um die Winde anzulocken. Natürlich konnte sie in so einer Situation nichts sehen. Aber das würde sich rasch wieder normalisieren, da war sie zuversichtlich. Der Angriff des Splitterdrachen hatte auf sie nicht denselben Effekt wie bei allen anderen Hexen. Sie vertrug ihn – vielleicht eine Besonderheit der Seher – besser und regenerierte sich schneller.
Darüber konnte sie sich allerdings immer noch Gedanken machen. Jetzt gab es etwas beziehungsweise jemanden Wichtigeres. Zögernd trat sie auf Yerill zu und blieb dann zwei Schritt entfernt stehen. Die andere Frau rührte sich nicht. Yucalta war unsicher. Sie kannte die Unsterbliche ja kaum. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihr nichts tun würde, konnte aber nicht einschätzen, was in ihrem Innern vor sich ging.
„Yerill …“, begann sie flehentlich. „Ich … Es …“ Sie wedelte völlig aufgelöst mit den Armen, bevor sie sich zusammenriss. „Also ich würde es verstehen … wenn du denkst, dass es ein Fehler war, mich zu retten. Wenn du jetzt weggehst, dann …“ Ihre Stimme versagte beinahe. „Dann würde ich dich nicht verfolgen. Nicht, dass ich es könnte.“, fügte sie hinzu und lächelte schwach. Was für eine dumme Bemerkung. Verärgert über sich selbst senkte sie den Kopf.
„Es tut mir leid, was ich getan habe.“, versuchte sie es erneut. „Es ist so passiert und dann … nein, vergiss es. Es war mein Fehler. Mein Verhalten war vollkommen irrational, dumm und … und widerlich.“ Sie zögerte, um die nächsten Worte abzuwägen. „Ich traue mich nicht, dich um Vergebung anzuflehen. Dass du mich trotz allem abermals beschützt hast, ist schon mehr, als ich verdiene. Ich wollte nur, dass …“
„Sei bitte still ...“, flüsterte Yerill mit zitternder Stimme. Verwirrt schluckte Yucalta den Rest des Satzes herunter. Sie sah, dass die Unsterbliche am ganzen Leib bebte, die Hände zu Fäusten geballt und die Augen geschlossen. Aber es war keine Wut. Es war ein Schmerz, so tief, dass alles in ihr danach schrie, Yerill tröstend in die Arme zu nehmen. Aber das kam nun absolut nicht in Frage.
„Wieso entschuldigst du dich?“, fragte sie nach einer schrecklichen Ewigkeit, noch immer, ohne Yucalta anzusehen. Die Druchii zuckte zusammen, als sie die Tränen bemerkte, die an Yucaltas Wimpern hingen.
„Weil ich dich … geküsst habe. Ich habe mich gehen lassen, ohne mich darum zu scheren, ob du das willst oder nicht. Dabei bin ich doch bloß eine erbärmliche Sterbliche, die inzwischen schon dreimal gestorben wäre, wenn du nicht gewesen wärst. Ich weiß nicht, wie ich glauben konnte, du würdest etwas von mir wollen. Ich weiß ja nicht einmal, ob es für dich in Frage kommt, mit einer anderen Frau …“ Ihre Stimme brach ab. Schmerz und Abscheu sich selbst gegenüber wurden zu groß.
Yerill blickte sie ungläubig an. Der Ausdruck der Verwirrung auf dem verweinten Engelsgesicht hatte etwas Surreales. „Du bist nicht erbärmlich, Yucalta.“, sagte sie bestimmt. „Und es spielt keine Rolle, wie oft du gestorben wärst, wenn ich nicht gewesen wäre. Denn ich war ja da.“ Ihre Stimme verlor wieder an Festigkeit. „Und ich bereue es nicht.“ Sie wurde immer leiser. „Du bist, was ich will. Es ist nicht nur die Kraft, die in dir schlummert und die ich brauche wie du die Luft zum Atmen. Du bist eine schöne und talentierte Frau. Ich mag dich. Mehr als … alles andere.“
Yucalta spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und sie völlig unangemessen lächeln musste. Sie glaubte Yerill. Denn eigentlich hatte sie die ganze Zeit gespürt, dass die andere Frau den Kuss genauso intensiv erwidert hatte. Und hätte sie es nicht gewollt, hätte sie es mühelos jederzeit beenden können.
„Aber wieso bist du dann so zornig auf mich?“
Die schönen dunklen Augen weiteten sich noch mehr vor Überraschung und Yucalta glaubte, so etwas wie Entsetzen darin zu sehen.
„Das bin ich nicht!“, schrie Yerill beinahe, wie in Panik.
„Aber ich habe dein Gesicht gesehen, kurz bevor der Steinhagel begann.“, entgegnete Yucalta entschieden. Sie wollte eine Erklärung für dieses grauenvolle Bild, das sich in ihren Verstand eingebrannt hatte.
Yerill stockte der Atem. „Oh nein, Yucalta! Ich war nicht wütend auf dich!“ Dann klang ihre Stimme verbittert. „Ich habe mich selbst verabscheut.“ Wieder senkte sie den Blick. Ihre Lippen zitterten.
„Aber du hast doch nichts falsch gemacht!“ Jetzt war Yucalta verwirrt. „Es war wunderv…“
„Nichts falsch gemacht?“, kreischte Yerill und erwachte ganz plötzlich aus ihrer Starre. „Und was ist das?“ Sie deutete auf Yucaltas Oberarm und Schulter, wo sich leuchtend rote Kratzer abzeichneten. Die Druchii zuckte zusammen. Das hatte sie gar nicht bemerkt. „Und dein Rücken? Ist das auch nichts?“ Automatisch zuckte Yucaltas Hand hinter ihren Rücken und überrascht bemerkte sie das klebrige Blut unter den Fetzen ihres Mantels.
„Und sag nicht, dass es wundervoll war!“, verlangte Yerill bebend. „Sprich es nicht aus.“, sagte sie, scheinbar erschöpft. „Ich bin widerlich. Abartig. Ein Monster.“, keuchte sie, während sie sich an die Wand lehnte.
„Nein.“, rief Yucalta. „Das bist du nicht. Vielleicht hast du ein wenig die Kontrolle verloren. Aber im Vergleich dazu, wie ich an deinem Kopf gezogen habe, ist das gar nichts. Du bist halt ein bisschen stärker.“
„Ein bisschen stärker?“, echote Yerill und starrte sie an, jetzt doch zornig. „Ein wenig die Kontrolle verloren? Yucalta, ohne die Explosion da draußen wärst du jetzt tot!“ Die Seherin zuckte zusammen und ging reflexartig einen halben Schritt rückwärts. Yerill schien es kaum zu bemerken.
„Ich wollte deine Kraft. Ich wollte meine Finger in deinen Rücken stoßen.“, fuhr sie mit bebender Stimme fort. Ihre Hand bog sich zu einer Klaue und grub sich mühelos in die marmorne Wand. „Sie um dein Herz schließen.“ Sie riss ein Stück aus der Wand und hielt es sich vor die Augen, als sehe sie so etwas zum ersten Mal. „Und es zusammenpressen, um auch noch an den letzten Tropfen Blut zu kommen.“ Ihre Finger schlossen sich um den Marmor und verwandelten ihn in Sand, der langsam zu Boden rieselte.
Yucalta starrte benommen auf das Häufchen schwarzen Staub. Sie hatte Mühe, zu schlucken. Jetzt verstand sie Yerills Schmerz und ihren Selbsthass. Mitleid und Zuneigung überwältigten sie beinahe. Was jedoch völlig fehlte, war Furcht. So schrecklich Yerills Andeutungen auch gewesen waren, sie vermochten Yucalta nicht zu ängstigen. Sie konnte dieses engelsgleiche Geschöpf nicht als etwas Böses betrachten.
Als sie einen Schritt auf die Unsterbliche zutrat, hob Yerill abwehrend die Hand. „Ich bin ein Monster, ein Tier, das seinen perversen Instinkten gehorcht.“, keuchte sie. Es wirkte, als würde sie am liebsten all das Schlechte in sich herauswürgen. „Es wäre besser gewesen, der andere hätte gewonnen. Es hätte es schnell gemach, statt dich erst zu verführen und dich dann aus denselben Gründen zu verletzen. Alles an mir ist Werk des Chaos und seines widerlichen Plans. Meine Schönheit, meine Kraft, selbst mein Geruch. Und es hat funktioniert. Beinahe.“ Sie schauderte. „Ich verdiene dieses Leben nicht. Töte mich. Es ist das Beste für uns beide.“
„Das reicht jetzt aber!“, schrie Yucalta fast. Kurz fiel ihr auf, dass dies schon das zweite Mal war, dass sie sehr mächtige Frauen durch zornige Vorwürfe aus ihrer Gefühlskrise zu reißen versuchte. Nur, dass es dieses Mal kein bisschen gespielt war und sie selbst wesentlich stärker betraf.
Yerill hörte tatsächlich auf, zu schluchzen, und starrte sie überrascht an.
„Ich werde dich nicht töten. Ich verbiete dir, auch nur daran zu denken, dein Leben zu beenden!“ Ihre Stimme zitterte wirklich vor unterdrücktem Zorn und Yerill zuckte bei jedem Wort zusammen. Beinahe tat die Unsterbliche ihr leid. Aber trösten konnte sie sie später. „Wir stehen hier inmitten einer Schlacht. Wenn dir schon dein Leben nichts mehr wert ist, dann denke wenigstens an mich! Ich kann nicht kämpfen. Wenn du jetzt einfach aufgibst wie ein Feigling, dann werde ich höchstwahrscheinlich auch nicht überleben!“
Wieder standen Tränen in Yerills Augen. Yucalta wurde etwas ruhiger. Sie sprach jetzt eher ermahnend oder beschwörend und schrie nicht mehr. „Du hast dein Leben riskiert, um meines zu retten. Du hast für mich gekämpft. Vielleicht einen der schwersten Kämpfe in dieser verdammten Schlacht. Und danach hast du mich noch zweimal beschützt. Vielleicht ist das gegen die Tatsache, dass du mich fast getötet hast, das in deinen Augen nichts wert.“ Ihre Stimme begann zu zittern. „Aber ich werde es nicht vergessen. Für mich bist du immer noch der Engel, der kam, um mich vor dem Gesichtslosen zu beschützen. In dem Moment, als Reckdis, der Mann, der mich liebte, zu schwach war, um mich zu retten. In dem Augenblick, als sterbliche Gefühle versagten … da kamst du.“ Ihre Stimme brach.
Yucaltas Augen brannten nun selbst. Wortlos trat sie zu Yerill, die dieses Mal keine Reaktion zeigte, und nahm ihre Hände, ihre zierlichen, vollkommenen und doch so tödlichen Hände, in ihre. Dann wartete sie ruhig und geduldig, bis Yerill zu schluchzen aufhörte und ihr in die Augen blickte, ehe sie fortfuhr.
„Ich brauche dich, Yerill. Nicht nur, um diesen Tag heil zu überleben. Reckdis, der Mann, den der andere getötet hat, bevor du kamst, hat versucht, mich zu retten. Er war schwer verletzt worden, aber er gab sein Leben voller Hingabe. Er hat mich geliebt. Und ich habe ihn ausgenutzt. Ich habe das in einer Vision gesehen. Ich habe gesehen, dass er etwas tun würde, für das ich ihm lange dankbar sein würde. Ich wusste nicht, dass er dabei sterben würde.
Aber das genügte ihm. Er tat, was er konnte, für mich. Er hat so viel gelitten in dieser Schlacht. Erst verlor er fast einen Arm durch einen Zauber, dann kämpfte er gegen einen untoten Gardisten und obwohl er eigentlich ins Krankenbett gehörte, machte er sich letztendlich auf, um mich zu finden. Und kam gerade rechtzeitig, um den anderen davon abzuhalten, mir die Kehle zu zerfetzen.“
Sie zögerte kurz. „Doch ich habe seine Gefühle nie erwiderte. Eine Weile glaubte ich, ich könnte mich damit abfinden, denn er war ein guter Mann. Stark, gutaussehend, mächtig und reich. Aber seit ich meine Fähigkeiten entdeckt habe, hat sich etwas verändert. Auf einmal fand ich die Vorstellung abstoßend. Ich sehnte mich nach etwas Anderem. Ich konnte nur nicht sagen, wonach. Jetzt weiß ich es.“
Sanft drückte sie Yerills Hände.
„Ich kann nicht verstehen, dass ich dir so viel bedeute. Aber für mich ist die Vorstellung, ab jetzt ohne dich zu leben, unerträglich. Wir finden schon irgendwie einen Weg. Und wenn es nicht anders geht, dann … Naja, bleib bitte bei mir.“
Yerill schien zusammenzusacken. Sie schlang die Arme um Yucalta und legte ihr den Kopf auf die Schulter. Zögernd drückte die Druchii sie an sich und hielt sie, bis das Beben und Zittern aufhörte. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, aber schließlich ging ihr Atem wieder ruhig.
„Dann werde ich dein Engel sein.“, flüsterte sie an Yucaltas Hals und die Seherin glaubte, ein Lächeln darin zu hören. Erleichterung durchlief sie. „Danke, dass du mich erträgst.“ Yerill stockte kurz, dann meinte sie: „Wenn du das wirklich willst, also war wir vorhin gemacht haben … oder mehr … Dann will ich für dich einen Weg finden, mich zu beherrschen.“ Ihre Lippen strichen sanft über Yucaltas Hals und die Brust der Druchii zog sich vor Freude zusammen. Vor allem, wenn sie an das Mehr dachte, von dem Yerill gesprochen hatte.
Doch sie riss sich zusammen und drückte Yerill leicht von sich. „Aber nicht jetzt. Lass uns das beim nächsten Mal ruhig und … mit Verstand angehen. Und in Ruhe. Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber seit der Splitterdrache aufgetaucht ist, muss ich ständig an die Schlacht denken, die da draußen noch immer tobt.“
Yerill schien das Gefühl zwar nicht zu teilen, aber zu verstehen. Sie löste sich von Yucalta, bis sich nur noch ihre Hände berührten. Die junge Seherin wurde nachdenklich, während sie die Unsterbliche musterte und an deren Beschreibung vom Kampf gegen die Druchii dachte.
„Willst du noch immer gegen Sterbliche kämpfen?“, fragte sie vorsichtig. Yerill war vom Themenwechsel anscheinend überrascht, schüttelte aber den Kopf.
„Nein. Ich habe dich. Du hast mehr als genug Kraft für uns beide.“ Sie grinste leicht.
„Aber was ist mit Nerglot? Würdest du dich gegen ihn stellen?“
„Nerglot interessiert mich kaum. Ich habe nur für seine Seite gekämpft, weil Viverla das getan hat. Und weil ich mich nach der Lebenskraft von …“
„Warte! Wer ist Viverla? Eine Untote?“
„Sie ist meine … ähm … Mutter. Nerglot hat sie zu einer Unsterblichen gemacht, wie er es ist.“
Yucalta runzelte die Stirn. Warum wusste niemand etwas davon, dass der Beschwörer eine Verbündete hatte? Allerdings hatte ja auch niemand von Yerill gewusst, bevor sie plötzlich aufgetaucht war und ihr Leben gerettet hatte.
„Also ist sie nicht wie du? Aber wie konntest du dann … entstehen?“
Yerill zuckte mit den Schultern. Yucalta beschloss, dieses Rätsel zu verschieben.
„Also würdest du gegen die Untoten kämpfen?“
„Ich würde gegen jeden kämpfen, der dich verletzen will. Selbst Viverla.“, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu. Yucalta erschauderte. Womit hatte sie eine derart selbstlose Hingabe verdient? Vielleicht war es besser, sie versuchte, Yerill vor der Entscheidung zwischen ihr und ihrer Mutter zu bewahren. Mit etwas Glück würden die Kinder des Mordes Viverla töten, bevor sie Yucalta zu nahe kam.


Gedanken zum Kapitel
Dieses Kapitel ist eines, mit dem ich sehr zufrieden bin. Am Ende ist der Übergang vielleicht zu kantig, aber vielleicht finde ich da noch eine Lösung. Auf jeden Fall macht es mir immer wieder Spaß, von der auf körperlicher und gestiger Ebene so faszinierenden Beziehung der beiden so verschiedenen jungen Damen zu lesen.
Ein bisschen Sorgen macht mir, dass es so schnell geht. Sie kennen sich gerade mal zehn Minuten oder so und Yerill ist ja sowieso noch nichtmal einen Tag alt. Aber das lässt sich aufgrund der Dynamik der Geschichte nicht ändern. Es bleibt auch nicht viel Zeit, das Ganze in der Rahmenhandlung anders zu gestalten. Und so perfekt wie die beiden zusammenpassen ... was solls. Liebe auf den ersten Blick halt.:wub:
 
Zuletzt bearbeitet:
So, meine Gedanken zu diesem Teil, kann leider nichts zitieren, denn ich Sitze im Zug aber da die Zugfahrt so spannend ist, schreib ich jetzt schonmal mein Feedback.
Also, die gefühlswelten der beiden Damen werden schön dargestellt und sie lassen einem gut in die Psyche der beiden eintauchen. Und die kussszene hast du auch gut gemacht und da deine Leser zum großen Teil männlich sind, denke ich gefällt es bestimmt den meisten 😛 ( das Klischee mal aufgegriffen).
Jetzt zu dem was mich stört aber was du auch selber thematisiert hast, ja es geht verdammt schnell. Klar können sie sich zueinander hingezogen fühlen und rummachen, kennt man ja wahrscheinlich selbst, dass Dsowas sehr schnell gehen kann aber, und zwar ein großes aber innerhalb von Minuten sich eine so groß liebe, Zuneigung und Abhängigkeit zwischen den beiden entwickelt lässt etwas sehr stark an Twilight denken
---> ähnliche Situation, kleines schwaches Mädchen verliebt sich in starken unsterblichen, der sich nach ihr verzehrt, sogar das Problem mit der Beherrschung, dass yerill yucalta nicht ausversehen tötet (du hast eine Neigung zu Namen mit Y oder ;-) )... Alles sehr twilight-mäßig und alles zu schnell...
Aber, wenn's die Dynamik der Geschichte nicht zulässt und es halt sowieso um extreme geht, vorher halt die mächtigen Charaktere auf beiden Seiten, eine inzestliebe.. Ja dann passt das auch hinein... Mich stört halt nur etwas diese twilight paralelle aber nunja an sich ist der Teil gelungen
 
Ich kann dazu nur sagen: Oh nein, du hast mich durschaut. 😀

Ich gestehe, ich habe mich bei dieser Szene sehr davon inspirieren lassen. Allerdings würde ich wengier Twilight sagen, sondern eher Bis(s). Ich glaube nicht, dass viele meiner Leser die Bücher gelesen haben, sondern eher wie du vor allem an den Film denken.
Aber:
innerhalb von Minuten sich eine so groß liebe, Zuneigung und Abhängigkeit zwischen den beiden entwickelt lässt etwas sehr stark an Twilight denken
Da muss ich protestieren. Die berühmte Biologie-Szene ist auf Seite 28 der Taschenbuch-Ausgabe. Bis zum ersten Kuss brauchen die von da an noch genau 270 Seiten ^^ Ich habs gerade nachgeguckt. Das zieht sich ewig hin, was im Film auf 30-40 Minuten oder so gekürzt wurde. Da wirkt das natürlich ganz anders, aber im Buch vergehen Wochen. Also die Geschwindigkeit ist auf meinem Mist gewachsen und der Schnelligkeit der Handlung geschuldet. Andererseits passt es irgendwie zu Yerills schnellem Wachstum. Der Rest ist natürlich wirklich ähnlich und das war mir klar.

Aber Yerill (und ja, ich mag Namen mit Y (und S), wobei Yucalta vielleicht nochmal umbenannt wird) ist insgesamt sehr von den Bis(s)-Vampiren inspiriert und gerade die Szene mit "wundervoll" ist sehr sehr nah an der Nach-Sex-Diskussion von Bella und Edward aus dem vierten Buch.

Aber ganz ehrlich, ich sehe darin kein großes Problem. Ich hab mich immer mal wieder für kleine Passagen sehr stark von verschiedenen Büchern inspirieren lassen. Diese ganze Sache ist bei mir ja nur ein winziger Teil der Geschichte und nimmt 1-2 Kapitel ein, statt sich wie bei Bis(s) über vier Bücher zu erstrecken. Später kommen sie nochmal kurz drauf zurück, aber das erinnert dann kaum noch an Twilight, weil sie eine völlig andere Lösung finden.

Um ehrlich zu sein, hat es mich damals überrascht, dass sich niemand beim Kapitel "Neues Leben" beschwert hat. Dort, wo Viverla als Untote erwacht, ist auch sehr nah an der Szene gehalten, in der Bella als Vampir erwacht, wenn auch in Außen-, statt Innensicht. Aber da damals niemand gemeckert hat, hab ich mir die Freiheit genommen, mich auch hier stark davon inspirieren zu lassen ^^

es halt sowieso um extreme geht, vorher halt die mächtigen Charaktere auf beiden Seiten, eine inzestliebe.. Ja dann passt das auch hinein...
ja, das ist der Punkt. Im Verlauf der Geschichte wird das Ganze irgendwie immer krasser und nimmt eine Entwicklung, die ich so am Anfang auch nicht beabsichtigt hatte. Aber Viverla meinte ja auch schon nach einem Tag, dass Nerglot der einzige wäre, der ihr geblieben ist. 😉

Irgendwann wird Yucalta sagen: "Im Rückblick erinnerte mich diese Schlacht an den Paartanz des Hexenklosters. Aus der verworrenden, wirbelnden Masse der Tänzer fanden sich Partner, kamen sich näher, trennten sich wieder oder blieben zusammen. Die Leidenstaft und Stärke dieser Paare verdrängten alle, die allein blieben, und am Ende waren es nur drei Paare, die das Geschehen dominierten. Ich war wirklich froh, zu einem davon gehören zu können."
Ich weiß nur noch nicht, an welche Stelle das passen könnte.

Irgendwie haben Gefühle eine viel größere Rolle in dieser Story eingenommen, als anfangs vorgesehen. Aber ich fände es dumm, zu sagen, dass mächtige Krieger nicht auch intensive Gefühle haben sollten.

So, genug der Stellungnahme. Es freut mich, dass dir das Kapitel im Großen und Ganzen gefällt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ich hab schon die ersten beiden Bücher gelesen und weiß daher was da abläuft^^ aber ich meinte halt das diese neue liebe von der Stärke her an diese Geschichte erinnern( naja die Filme sind iwie schlecht, als Kerl kann man die Bücher auch geht so ertragen, also diese ellenlangen schmachtpassagen von bella^^).
ja und ich hab ja auch gesagt, es geht in der Story im extreme und von daher passt es^^
 
aber ich meinte halt das diese neue liebe von der Stärke her an diese Geschichte erinnern

Ja, sowohl von der Stärke der Gefühle, als auch von der Stärke des einen Partners ^^

Aber es gibt viele Geschichten, die von sehr starker Liebe handeln. Vermutlich mehr als Geschichten über heftige Kämpfe. Deshalb würde ich nicht allzu viel Parallelität zu dieser einen Geschichte suchen, nur weil sie so bekannt ist.
ja und ich hab ja auch gesagt, es geht in der Story im extreme und von daher passt es^^
genau. Also belassen wir es dabei. Es kommt auch wieder mehr Aktion und ich glaube, der stammt ziemlich aus meiner Inspiration. Aber bis dahin sind es noch 7 Kapitel, glaube ich. Erstmal ein bisschen Ruhe und Neugestaltung der Konstellation.
 
Ja und ich freu mich auf jeden weiteren Teil von dir.

das hört man doch gerne. Ich würde mich über ein paar Kommentare meiner übrigen Lesen freuen. Mixerria? Auxo? Forget? Ein paar mehr gabs hier doch eigentlich schon 😉

Im Übrigen habe ich jetzt ziemlich genaue Vorstellung vom Verlauf des letzten Abschnitts der Geschichte. Jetzt muss ich nur noch dazu kommen, sie zu schreiben. Aber ich denke, das wird schon.
 
Schön, dass du dich meldest, forget. So langsam hab ich mir schon Sorgen gemacht, die Leserschaft würde aussterben. Mixerria wollte sich zum neuen Teil ja eigentlich auch nochmal melden.

Nun gut. Da ich auch dieses Wochenende wieder recht gut vorangekommen bin und mir aufgefallen ist, dass meine Reserve inzwischen etwa 50 Seiten umfasst, will ich euch nicht länger warten lassen.

Es geht weiter.


Regeneration


So etwas wie unendliche Macht gibt es nicht. Selbst die von den Göttern verliehenenen Kräfte haben Grenzen. Denn das macht unsere Kämpfe in ihren Augen erst so interessant. Das Spiel mit den uns auferlegten Beschränkungen.
[FONT=&quot]— [/FONT]Aus ‚Die Ewigen Tore‘, Skihron Kiltza

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Vollmond (5.Tag)
8 Stunden nach Sonnenaufgang

Misstrauisch beäugte Yetail die grün leuchtende Bestie, die noch immer hoch über der Stadt auf einem Berghang saß. Sie hatte das unangenehme Gefühl, dass der Splitterdrache zurückstarren würde. Über die Entfernung war das natürlich unmöglich zu sagen, aber allein die Vorstellung ließ die Zauberin erschaudern. Die Macht dieses Monsters war einfach gewaltig. Sie wurde, wenn überhaupt, nur noch von seinem Hass auf alles Sterbliche übertroffen.
Gemeinsam mit Yucalta hatte sie in den vergangen Tagen die alten Schriftrollen von Emerlin gelesen, welche die Novizin in der Bibliothek entdeckt hatte. Der alte Hochmagier hatte in einem Traum erlebt, wie der Splitterdrache beschworen worden war. Die Chaosgötter selbst hatten ihre Anhänger gelehrt, diese Bestie aus den Teilen von sechs speziell dafür gezüchteten Drachen zu erschaffen. Woraufhin das gottgleiche Wesen sie ausgelöscht hatte.
Sie vermutete, dass auch die Götter des Chaos die Macht dieses Wesens unterschätzt hatten – oder die der Drachenbeschwörer überschätzt. Soweit Yetail sich damit auskannte, war es nicht das Ziel des Chaos, die Welt von sämtlicher Magie und damit allem Leben zu reinigen. Sie wollten herrschen, während ihre Anhänger für sie plünderten und brandschatzen und sie mit finsteren Opfern erfreuten. Das ließ sich auf einer toten, öden Welt nicht so gut umsetzen.
Und das merkwürdige Buch hatte es ihr zur Aufgabe gemacht, die Bestie wieder loszuwerden. Wenn es ihr wenigstens gesagt hätte, wie! Alles, was sie wusste, war, dass die Beschwörung absichtlich inmitten dieser Schlacht stattgefunden hatte, damit die Möglichkeit vorhanden war, das Biest zu töten. Sehr hilfreich!
Hinter ihr bewegte sich Szar’zriss und Yetail schreckte aus ihren Gedanken auf. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Griff der Splitterdrache an? Doch die Bestie hockte noch immer auf dem Berghang und ließ den hasserfüllten Blick über die Stadt und das Umland schweifen. Dann wurde der Zauberin klar, dass der rote Drache nur auf die kleine Gruppe von Druchii reagiert hatte, die zum Fuß des Turms gekommen war. Bei sich führten sie zwei sichtlich nervöse, verletzte Botenpferde und eine Ziege, während sie zwei Körbe mit Nahrungsmitteln trugen.
„Verzeiht die Störung, verehrte Meisterin Bluthand, wünscht Ihr etwas zur Stärkung?“
„Nein. Bringt das Essen jenen, die es wirklich nötig haben. Ich kann bis nach der Schlacht warten. Lasst die Tiere hier und bindet sie an. Mehr erwartet Szar’zriss nicht.“
Die Krieger befolgten ihre Anweisungen und zogen sich dann unter Verbeugungen zurück. Szar’zriss wartete, bis sie weit genug weg waren, bevor er sich geschmeidig über die Zinnen schwang. Das eine Pferd schnappte er sich mit weit aufgerissenem Maul und brach ihm dabei fast nebenbei das Genick. Ellenlange Klauen schlossen sich um den Rumpf des anderen Tieres und rissen es unter panischem Wiehern in die Luft. Die Halteseile rissen wie Bindfäden unter der bestialischen Kraft des gewaltigen Drachens. Ein leichtes Zusammendrücken der Krallen genügte, um die Wirbelsäule des vor Todesfurcht wahnsinnigen Tieres zu zersplittern und es verstummen zu lassen.
Die mächtige Bestie trug ihre Beute auf das Dach eines mehrstöckigen Gebäudes, von wo aus sie den Splitterdrachen im Auge behalten konnte. Dachschindeln lösten sich unter seinen schweren Pranken und krachten auf das Pflaster der Straße. Unbekümmert ließ sich der Drache auf alle Viere hinab und begann seelenruhig, die Kadaver zu zerreißen. Blut und Knochensplitter spritzten zwischen seinen Zähnen hervor, die sich tief in das frische Fleisch geschruben hatten.
Als sich ihr Drache ganz seinem Mahl hinab, verließ auch Yetail die Anspannung. Ihre Schultern sanken herab und eine Welle der Erschöpfung brach über ihr zusammen. Erst jetzt bemerkte sie, wie dicht sie das Duell gegen Nerglot an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit getrieben hatte. Die Pause, so kurz sie auch sein mochte, war bitter nötig.
Starke Arme legten sich um ihre Hüfte und sie spürte die Nähe eines vertrauten Körpers, der sie an sich zog. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es Sisrall war. Niemand sonst hätte ihre empfindlichen Sinne so täuschen können. Andererseits hatte vielleicht auch Szar’zriss laute Bewegungen einen Teil dazu beigetragen.
Sie sog den schwachen, aber wohlbekannten Geruch ein, der sie sanft umgab und ließ sich in seine Arme sinken. Einen Augenblick lang genoss sie einfach das Gefühl, gehalten zu werden. Seine Rüstung war verschwunden und unter seinen Roben konnte sie harte Muskeln fühlen. Die Anspannung der Schlacht saß noch immer in seinem Körper.
Dann drehte sie sich um und lächelte ihn an. Seine Augen sahen müde aus und Schatten lagen auf seinem Gesicht. Aber sein Lächeln, bevor er sie küsste, war ehrlich. Yetail schlang die Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Sie brauchten keine Worte in diesem Augenblick. Die Berührung sagte alles. Sie waren glücklich, noch am Leben zu sein und den anderen wohlbehalten in den Armen zu halten.
Viel zu bald löste sich Sisrall von ihr und schob sie mit einem bedauernden Lächeln von sich weg.
„Ich habe sie gebeten, uns einen Augenblick zu gönnen.“, sagte er. Yetail legte den Kopf schief und blickte ihn verwirrt an. Sie verstand nicht, was er meinte. Doch als sich hinter ihm Kerkils Kopf über der Treppe ins Innere des Turms erhob, klärten sich ihre Gedanken wieder. Für einen Moment hatte sie völlig vergessen, wo sie waren.
Der erste Erwählte führte die noch immer leicht verletzte Tritzil am Arm. Ihnen folgten die übrigen Kinder des Mordes. Erschöpft, dreckig, aber siegreich. Langsam schritten sie ihnen entgegen. Einige nickten Szar’zriss zu. Kerkil verneigte sich sogar in Richtung des Drachen. Er hatte bereits gegen den Splitterdrachen gekämpft und wusste, wie wertvoll selbst so ein scheinbar kleiner Sieg war.
Sisrall trat noch einen Schritt zurück und gemeinsam formten die zwölf Kinder des Mordes einen Ring um ihre Zauberin. Yetail drehte sich einmal im Kreis und blickte jedem in die Augen. Sie sah Respekt, Lob und Stolz. Aber auch Müdigkeit, Frustration und Trauer. Sie hatten gewonnen, doch war es nur ein vorläufiger Sieg. Ein Feind war besiegt, doch ein neuer war aufgetaucht, um ihn zu ersetzen. Und mit jedem Sieg fielen mehr tapfere Krieger.
Als sie wieder Sisrall ansah, schloss sie die Augen. Die übrigen Erwählten traten vor, sodass sie einander an den Schultern berührten. Sisrall nahm Yetails Hände. Die Zauberin hielt den Atem an. Nichts geschah. Es dauerte eine Weile, bis ihr aufging, dass auch die anderen nicht atmeten. Als sie die angehaltene Luft ausstieß, folgten die Kinder des Mordes ihrem Beispiel. Sie stellten sich auf sie, die Trägerin der Marilim, ein. Ein wenig schuldbewusst beeilte Yetail sich, einen ruhigen und gleichmäßigen Rhythmus zu finden. Schon bald atmeten sie alle im Gleichklang.
Die Verbindung entstand ganz allmählich. Nach und nach entspannten sich die Druchii, während die Kraft der Marilim durch sie hindurchfloss. Mit jedem Einatmen nahmen die Krieger die Macht auf und mit jedem Ausatmen gaben sie etwas davon zurück. In Yetail konzentrierte sich die Magie und strömte über Sisrall in den Ring und durch ihn wieder auf sie zurück. Mit jedem Herzschlag wuchs die Kraft, die zwischen ihnen floss, während ein jeder seine Stärke genau wie seine Erschöpfung und sein Leid mit jedem anderen teilte.
Yetail fühlte alles. Sie spürte Tritzils Verletzungen und nahm den Schmerz in sich auf. Sie nahm Sisralls Ruhe und Stärke wahr und machte sie zu einem Teil von sich selbst. Sie sah Kerikils Furcht und trug sie gemeinsam mit ihm.
Die Marilim saugte ihrer aller Erschöpfung in sich auf und gab ihnen ihre Kraft zurück. Sie war Quelle und Mündung zugleich. Es gab keinen Anfang und kein Ende. Die Marilim war göttliche Macht, aber nur geborgt. Wie ein Bach, der ein Becken füllt, bis es überfließt, glitt die Magie über sie hinweg. Es glich einem silbernen Licht, das die Körper der Erwählten zum Leuchten brachte. Es nahm die Erschöpfung mit sich und hinterließ neue Kraft. Es schloss Wunden und ersetzte zerschlissene Kleidung. Wenn das Licht nachließ und weiterzog, glichen die Erwählten wieder den Kriegern, die Yetail vor zwei Tagen aus dem Schattenreich zurückgerufen hatte.
Schließlich floss das Silberlicht wieder zurück in die Marilim und hinterließ den Kreis der Kinder des Mordes, als hätte es nie eine Schlacht gegeben. Doch all die Magie konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sieg einen Preis gehabt hatte. Die Marilim war fast erschöpft. Sie gab den Erwählten Kraft, wenn sie sie benötigten. Doch im Gegenzug speiste auch sie sich von der Stärke der Druchii. Nach der Schlacht würden sie viel Zeit der Ruhe brauchen, um ihr diese Energie zurückzugeben.
Auch die übrigen Kinder des Mordes spürten die Schwäche. Yetail fühlte ihre Besorgnis. Ihre Gedanken vermischten sich, während sie den Kreis aufrechterhielten. Sie teilten die Erlebnisse der Schlacht. Jeder durchlebte die Erinnerungen jedes anderen. Das war die Macht des Kreises. Sie waren dreizehn, die wie einer waren. Sie teilten, analysierten, lobten, bemängelten und ordneten ihre Taten. Die gemachten Fehler wurden erkannt, damit sie künftig vermieden werden konnten. Neue Möglichkeiten wurden bewertet und Ideen ausgetauscht, um beim nächsten Mal besser zu reagieren. Sie lernten voneinander und lehrten einander. Ihr Wissen diente ihnen allen.
Der Austausch der Gedanken ging schnell und dennoch kam es Yetail wie eine Ewigkeit vor, als sie den Ring schließlich auflösten. Ihre Gedanken glitten auseinander, aber die geteilte Kraft blieb. Die Zauberin atmete tief durch, während die Kinder des Mordes zurücktraten. Rasch sah sie sich um. Das Bild hatte sich kaum verändert. Der Splitterdrache saß noch immer am selben Fleck und Szar’zriss beobachtete ihn scheinbar schlafend.
Allerdings waren die Druchii-Soldaten nun auf der anderen Seite der Mauer und hatten im vierten Ring ein großes, provisorisches Kriegslager eingerichtet. In der Mitte standen ein paar Zelte, um die herum die Verwundeten lagen. In einem Ring darum hatte man Feuer entzündet, um jene zu wärmen, für die es keine Decken gab. Nahrungsmittel wurden verteilt und Wasserflaschen aufgefüllt. Anscheinend waren die Befehlshaber übereingekommen, einander so gut wie möglich zu unterstützen, um das zu retten, was noch zu retten war, und weitere Verluste zu verhindern. Yetail war erstaunt, wie ruhig und geordnet es dort vor sich ging. Da eigentlich nicht feststand, wer das Oberkommando hatte, hätte es sie nicht überrascht, wenn sich die verbliebenen Kommandanten gegenseitig an die Gurgel gegangen wären. Aber vielleicht würden sie das noch früh genug tun.
Sisrall begann damit, Anweisungen zu erteilen. Die Kinder des Mordes sollten in Gruppen zu zweit oder zu dritt ausschwärmen und herausfinden, wie es um die Stadt stand. Sie mussten wissen, wie viele Soldaten tatsächlich noch übrig waren, ob wirklich alle Untoten vernichtet waren und wo man vielleicht noch Unterstützung in Form von Kriegern oder wenigstens Heilern bekommen konnte. Sobald die Situation eingeschätzt war, wollten sie überlegen, wie der Splitterdrache bekämpft werden konnte. Außerdem sollten Nachforschungen über das Schicksal von Silberstich, Reckdis und Darmal Eisfaust sowie seiner Gesichtslosen angestellt werden. Yetail machte sich auch Sorgen um Yucalta, aber die junge Frau war nicht wichtig genug, um die Kinder des Mordes nach ihr suchen zu lassen. Wenn sie noch am Leben war, würde Yetail das nach der Schlacht früh genug erfahren.
Mit neuer Energie machten sich die Erwählten auf den Weg und nach wenigen Minuten standen Sisrall und Yetail allein auf dem Turm, bis Szar’szriss sein blutbeschmiertes Dach verließ und wieder auf der Turmspitze landete. Er wirkte ruhig und gestärkt, während er sich bequem niederließ. Der Tempelkrieger trat an den Drachen heran und untersuchte die dunkle Schuppenhaut auf mögliche Wunden. Aber da sie fast ausschließlich gegen Nerglot gekämpft und seinem Lindwurm nicht nahe genug für einen Schlagabtausch gekommen waren, war sich Yetail sicher, dass er nichts finden würde. So war es dann auch.
„Gibt es etwas, das ich tun sollte?“, fragte Sisrall, als er zu ihr zurückkehrte.
„Wie wäre es, wenn wir uns einen ruhigen Ort zu zweit suchen würden?“, erwiderte sie schmunzelnd, woraufhin er lachte.
„Das ist meine Zauberin. Inmitten einer Schlacht hast du nichts Besseres zu tun? Und du wirst dabei nicht einmal rot.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah ihr in die Augen. „Aber ich fürchte, das können wir unseren Mitstreitern nicht antun. Es wäre doch gemein, wenn wir Spaß haben und sie arbeiten, oder? Und sie würden es bestimmt erfahren. Außerdem musst du doch den Splitterdrachen beobachten.“
„Na gut. Dann nicht. Aber nur wegen des Splitterdrachens.“, meinte sie leicht schmollend.
„Natürlich. Nur wegen des Drachens.“ Er grinste und sie machte sich los, um sich gespielt wütend abzuwenden. Mühelos fing Sisrall sie ein und schlang die Arme um sie. Sie erschlaffte und schmiegte sich mit dem Rücken an ihn.
„Bleib einfach bei mir, das ist alles, was ich im Moment möchte.“, sagte sie. Er küsste ihre Haare und eine Weile standen sie einfach nur da und entspannten sich in der Nähe des jeweils anderen. Es tat gut, die Schlacht für einige Augenblicke zu vergessen. Schließlich war es Sisrall, der das Schweigen brach.
„Du hast Angst, nicht wahr?“ Als sie nicht antwortete, fuhr er fort. „So oft habe ich dich schon kämpfen gesehen. Gegen die Khainler, gegen den Hüter der Geheimnisse und gegen Nerglot. Nie hast du gezögert und immer hast du dem Feind deine ganze Verachtung entgegengeworfen. Ich habe Slonishs Gesicht in deinen Erinnerungen gesehen, als du flammend und brennend vor Zorn auf ihn zugekommen bist. Mit seiner Hilfe wurde Hag Graef geschliffen, aber in dem Moment wäre er wohl am liebsten abgehauen.“ Er sah, dass sie lächelte. „Warum ist es jetzt anders?“
„Ich weiß es nicht.“, entgegnete sie nach einem Moment des Zögerns. „Es ist nicht der Splitterdrache selbst, vor dem ich Angst habe. Es ist die Möglichkeit, zu scheitern. Ich habe Nerglot nicht sofort töten können. Selbst den zweiten Schlag hat er überstanden. Ich habe ihn nicht sterben sehen, Sisrall! Irgendeine nervige Stimme in mir versucht, mit einzureden, dass er noch lebt und dass ich versagt habe.
Und jetzt soll ich mich diesem Feind stellen, der noch viel mächtiger ist? Ich fürchte nicht, dass ich selbst verletzt werden könnte. Ich fürchte mich davor, zu scheitern. Ich habe Angst, dass du … dass sich die Ereignisse wiederholen könnten.“
Sie verstummte und er drehte sie herum, sodass er ihr Gesicht sehen konnte. Er küsste sie auf die Stirn. „Ich kann dir nicht versprechen, dass wir alle diesen Tag überleben. Was auch immer passiert, es wird weitere Verluste geben. Aber du hast Nerglot besiegt. Seine Armeen wurden zerstört. Wenn schon nichts anderes, hast du den Druchii wenigstens wieder Hoffnung gegeben. Und eine bitter nötige Ruhepause.
Du hast nicht versagt und du wirst auch jetzt nicht scheitern. Wir alle werden bei dir sein. Damals habe ich allein gekämpft, heute sind wir dreizehn Unsterbliche. Das Biest hat keine Chance. Außerdem werde ich nicht zulassen, dass uns nur drei Tage zusammen vergönnt waren.“
Sie lächelte wieder und blickte auf. „Die Reise durch die Unterwelt zählst du nicht mit?“
„Damals warst du so unausstehlich, dass ich das nicht als Beziehung bezeichnen würde.“, antwortete er und zeichnete sanft die Konturen ihres Kiefers nach. Kurz machte sie den Eindruck, als überlege sie, ob sie ihn schlagen oder ihm einen ordentlichen Kraftstoß verpassen sollte. Dann erwiderte sie einfach:
„Komisch, dass du trotzdem bei mir geblieben bist.“
„Irgendjemand musste dir ja ab und zu das Leben retten.“
Sie lachte und wurde dann wieder ernst. „Wir sind schon ein seltsames Paar.“
„Ja, allerdings.“
„Denkst du, wir hätten in der Unterwelt bleiben sollen?“, fragte sie nachdenklich.
„Nein.“, entgegnete er ohne Zögern. „Diese Schlacht hätte ich ungern verpasst. Wir sind zu mehr geboren, als durch dunkle Tunnel zu stolpern. Unsere Bestimmung liegt im Kampf.“ Er zwinkerte und meinte dann: „Es hindert uns ja niemand daran, wieder zu zweit durch die Lande zu reisen, wenn das hier vorbei ist.“
„Das klingt gut.“, antwortete sie. „Nur wir beide, deine Schwerter, mein Zauberstab und eine große Menge böser Monster, die zu dumm sind, ihren Tod zu erkennen, wenn er auf feurigen Schwingen zu ihnen kommt.“
Bei dem Bild musste Sisrall lachen und Yetail grinste. Eine Weile sprachen sie beide nicht mehr und hingen ihren Gedanken nach. Dieses Mal war sie es, die das Wort ergriff.
„Denkst du, alles wäre anders gekommen, wenn Viverla’atars Vater nicht versucht hätte, dich zu töten? Wenn du bei ihr geblieben wärst?“
Sisrall antwortete lange Zeit nicht. Yetail bereute die Frage bereits.
„Anders schon. Ich wäre vermutlich erst mit den Autarii-Reitern zur Schlacht gekommen. Du wärst wahrscheinlich in der Unterwelt gestorben. In dem Fall wäre ich vielleicht heute noch mit Viverla zusammen. Und dann hätte sie sich vielleicht nicht Nerglot angeschlossen. Vielleicht.“
„Denkst du, du wärst mit ihr glücklich geworden? Nach der Schlacht meine ich. Wenn ihr zurück in die Berge gegangen wärt?“
„Ich weiß es nicht.“, meinte er ehrlich. „Ich hatte ja schon nach der ersten gemeinsamen Nacht mit ihr Zweifel. Aber wer weiß, vielleicht hätten wir mit der Zeit zu einem besseren Verhältnis gefunden. Doch ich glaube nicht, dass mich das auf Dauer hätte zufriedenstellen können. Ich wurde als Tempelkrieger erzogen. Meine Pflicht ist es, meinem Volk zu dienen, nicht einem Stamm. Und auch wenn die Techniken der Jäger und die der Assassinen sehr ähnlich sind, bin ich doch kein reiner Schattenläufer. Mein Platz ist hier; in der Schlacht und an der Spitze des Tempels. Früher oder später hätte mich das eingeholt, egal, wie intensiv ich für sie empfunden hätte.“
Er verstummte und sie stellte keine weitere Frage. Schließlich war er es, der wieder sprach.
„Du bist immer noch eifersüchtig, oder?“
Sie blickte nur stumm zu Boden. Er küsste sie sanft auf die Stirn und seufzte.
„Ach Yetail. Wie kann ich dir nur beweisen, dass du alles bist, was ich will? Du bedeutest mir mehr als mein eigenes Leben. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber meine Zukunft gehört dir. Und die reicht bis in die Unendlichkeit.“ Er zögerte. „Sie hat einen Pakt mit Nerglot geschlossen. Glaubst du, ich könnte sie jetzt noch lieben? Sie ist jetzt, wenn überhaupt noch, untot. Da nehme ich doch allemal Vorlieb mit deinem warmen, weichen, lebendigen Körper.“
„Es ist das Kind, das du ihr geschenkt hast und das ich niemals haben werde.“
„Ein Kind, das vermutlich niemals leben wird!“, entgegnete er heftig und sie sah erschrocken auf.
„Es ist mir heute Morgen klar geworden.“, erklärte er stockend. „Als ich mit den anderen Kindern des Mordes über unsere Stärken und Schwächen gesprochen habe. Während wir die Gesichtslosen ausgerüstet haben. Ich bin doppelt gesegnet, erinnerst du dich? Das Geschenk des Feuers und das der Schatten, die sich im Gleichgewicht halten.“
Er sah sie an, aber sie wartete noch immer auf eine Erläuterung. Stockend fuhr er fort. „Die Nacht mit Viverla war nach der Talschlacht, aber bevor ich zum Altar der absoluten Dunkelheit gebracht wurde. Wenn die Macht des Feuers weitergeben wurde, dann ist das Kind dem Tode geweiht. Ohne die ausgleichenden Schatten wird es sich selbst verzehren.“
Yetail starrte ihn entsetzt an. Dann senkte sie den Blick wieder. „Es tut mir leid.“ Nun hatte sie doch ein wenig Mitleid mit Viverla’atar. Ihr Kind zu verlieren, die einzige Verbindung zu ihrem Geliebten und vermutlich ihr Kostbarstes, war wirklich grausam. Andererseits hat sie genau dieses Kind bereitwillig an Nerglot verkauft. Zorn wallte in ihr auf. Verdammte Schlampe! Sie versteht nicht, welch wertvolles Geschenk sie da weggegeben hat. Als Untote wird auch sie nie wieder ein Kind empfangen, aber dennoch empfindet sie das Leben in ihr eher als Last denn als Zeichen einer innigen Liebe. So eine Berghure!
„Vergiss es einfach.“, unterbrach Sisrall ihre hasserfüllten Gedanken. „Sie ist Vergangenheit. Ich verstehe deine Gefühle und es rührt mich, dass du so empfindest. Aber es wäre für uns beide das schönste, wenn du darüber hinwegkommen würdest.“
Yetail sah ihn an und biss sich auf die Lippe. Er legte ihr einen Finger unters Kinn und zog eine Augenbraue hoch. „Was ist? Ich sehe dir doch an, dass du etwas fragen willst.“
„Darf ich sie töten, wenn ich sie finde?“
Sie sah den Schrecken in Sisralls Gesicht und bereute die Frage, aber es führte kein Weg da herum. Es gab nur wenige Dinge, die sie lieber tun würde. Und Viverla’atar zu beseitigen, würde ihr Gefühlsdilemma erheblich vereinfachen. Diese Ausgeburt hatte nichts anderes verdient! Noch lieber wäre es ihr, wenn Sisrall sie vor ihren Augen abstechen würde, um alle Zweifel zu beseitigen. Aber sie wusste, dass er sich das nicht verzeihen würde. Unter der Fassade des kaltblütigen Tempelkriegers besaß er unglaublich starke Emotionen. Sie wusste das.
[FONT=&quot] Er öffnete den Mund, um zu antworten, aber im selben Moment kam Bewegung in den gewaltigen Körper des Drachen hinter ihnen und ein tiefes Knurren entkam seiner Kehle. Entsetzt sprangen die beiden Erwählten auseinander. Der Splitterdrache hatte sich in die Lüfte geschwungen und seinen Aussichtsposten verlassen. Und er hielt direkt auf die westlichen Teile der Stadt zu. Dort gab es keine Krieger mehr. Und dort hatten sich all jene verborgen, die nicht zum Kämpfen ausgebildet worden waren. Mehrere zehntausend Druchii, die wie auf dem Präsentierteller lagen. [/FONT]

Gedanken zum Kapitel:

Dieses Kapitel ist im Vergleich zu "Nähe" eher schwach, finde ich. Das liegt vermutlich auch daran, dass es sehr viele Dialoge enthält. Dennoch bin ich persönlich der Meinung, dass es Sisrall und Yetail, die in letzter Zeit ja mehr zu Nebenfiguren verkommen sind, wieder angemessen in den Vordergrund rückt. Sie werden jetzt auch wieder verstärkt eine Rolle spielen.



Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob die Themen ihrer Unterhaltung wirklich so gelungen gewählt sind, aber ich finde es wichtig, den emotionalen Aspekt der Geschichte nicht zu vergessen. (ganz zu schweigen von der Was-Wäre-Wenn-Frage, die ich immer spannend finde.)

Es geht nicht nur um glückliche Paare und mächtige Persönlichkeiten, auch wenn es manchmal so aussieht. Sie alle haben ihre eigenen Probleme und Sorgen. Und die Frage, die Yetail am Ende stellt, musste einfach gestellt werden.
 
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