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Soo, endlich Zeit gefunden den neuen Teil zu lesen. Der Rheinland Omnibus und die uni hatten mich doch etwas abgebrecht.
Ich muss sagen, dass die Dialoge gar nicht so schlecht sind wie du behauptest, Dialoge tragen sehr viel für eine gute Geschichte bei und ohne geht's auch nicht( es gibt Ausnahmen, aber egal^^)
Das Gespräch zwischen Yetail und sisrall wirkt meiner Meinung nach nicht.. gestellt.. Also es wird nicht versucht irgendwas spektakuläres reinzuquetschen sondern es wirkt halt spontan, sie lassen kurz nach der Schlacht ihren Gedanken freien lauf.
Also wichtig ist es schon ob Yetail viverla töten darf aber damit meinte ich generell den gesprächsverlauf.
Um ehrlich zu sein fand ich, dass der Dialog der bessere Part des Teiles war.
Alles in allen ein solider Teil der die Pause zwischen Schlacht und was danach kommt füllt aus der sicht von yetail&sisrall.
Freut mich, das zu hören. Ich weiß ja, dass es noch mehr Leser gibt, als sich hier tatsächlich melden. Aber es ist immer schöner, wenn man Resonanz bekommt.
@Azer0n:
Vielen Dank für die gute Kritik. Es ist natürlich immer schwer, das eigene Werk einzuschätzen und ich mag Dialoge schreiben einfach nicht. Aber wenn du sagst, dass es überzeugend wirkt, dann will ich dir das glauben.
du hast ganz recht erkannt: Es soll mal nicht um irgendwas Wichtiges, weltbewegendes gehen. Ich mag Geschichten nicht, wo in jedem Kapitel unbedingt für den weiteren Verlauf wichtige Informationen stecken müssen. Sie lassen einfach ihren Gedanken freien Lauf und referieren über das, was hinter ihnen liegt.
Ich denke, dass es am Wochenende oder Anfang nächster Woche auch wieder weitergehen wird.
So meine liebe Leserschaft. Inzwischen sind wie ja wieder bei wöchentlichen Postings, worüber ich sehr froh bin. Ich zögere das ungern in die Länge und für euch ist es vermutlich auch nicht so toll, ewig warten zu müssen.
Deshalb auch hier pünktlich das neue Kapitel. Ist ziemlich wissenschaftlich geworden und ich hoffe, es stört niemanden, wenn ich versuche, Magie rational zu begründen ^^
Dafür ist es immerhin 7,5 Seiten lang.
Die Seherin der Druchii
Magie ist Wissen, Magie ist Leben,
kennt keinen Ort und keine Zeit.
Ewiges Nehmen, ewiges Geben,
keine Grenzen, ewig weit.
[FONT="]— [/FONT] Unbekannter Autor
„In Ordnung, Yerill. Ich benötige jetzt etwas Ruhe. Ich muss etwas sehen können.“ Erst schien die Unsterbliche verwirrt, aber dann zeichnete sich schnell Verstehen auf ihrem Gesicht ab. Bedauernd nickte sie und trat einen Schritt zurück. Yucalta achtete vorerst nicht auf die Eindrücke, die auf sie einstürmten. Vorsichtig, als würde sie sich im Dunkeln vorantasten, ging sie zu dem einfachen Bett und setzte sich mit überkreuzten Beinen darauf. Yerill hockte sich neben ihre Füße.
„Das bringt nichts.“, fluchte Yucalta nach mehreren Minuten. Es war einfach unmöglich, in dem Chaos aus Bildern irgendetwas zu finden, das nützlich war. Selbst wenn eine Vision auftauchte, die etwas mit der Schlacht zu tun hatte, konnte sie nicht erkennen, ob es Zukunft oder Vergangenheit war. Sie musste gezielt suchen, aber das konnte sie vergessen, solange ihr Verstand so einem Sturm aus Eindrücken ausgeliefert war. Sie hatte jetzt schon das Gefühl, ihr müsste gleich der Schädel platzen.
„Kann ich helfen?“, fragte Yerill. Ihrer Stimme war anzumerken, dass sie sich nicht viel Hoffnung machte. Immerhin verstand sie kaum, was Yucalta tat. Sie konnte die Winde der Magie, die um ihren Körper herum flossen wie ein Fluss um einen Felsen, nicht einmal sehen.
Yucalta hielt ihr eine Hand hin und seufzte erleichtert, als Yerill sie sanft umfasste und die Bilder damit aus ihrem Kopf verbannte. Die Unsterbliche setzte sich neben Yucalta, jedoch weit genug weg, damit sie sich außer an den Händen nicht mehr berührten.
„Ich muss mich wohl erst einmal gegen die Winde der Magie schützen.“, versuchte die Seherin zu erklären. „Sonst überschwemmen sie meinen Geist einfach mit Visionen.“ Dann fiel ihr etwas ein. „Wie sieht meine Aura jetzt aus?“ Yerill blickte sie fragend an. „Wie sehe ich für dich aus? Leuchte ich wieder so wie vor dem Auftauchen des Splitterdrachen?“
„Ja.“, antwortete Yerill nach minimalem Zögern. Dann lächelte sie. „Du hast dich vollkommen erholt. Auch die Kratzer sind schon wieder weg.“ Ihre Laune sank bei den letzten Worten wieder. Yucalta sah überrascht auf ihren Arm. Tatsächlich waren die roten Streifen zwar noch da, doch als sie das getrocknete Blut wegwischte, fand sie darunter nur makellose Haut. Wie war das möglich? Das Buch hatte verstärkte, magische Selbstheilung durch die gewaltige Menge an Lebensenergie bei Sehern angedeutet, doch Yucalta hatte nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde.
Sie lenkte ihre Gedanken zum eigentlichen Problem zurück. Dass ihre Aura sich erholt hatte, war schlecht. Das hieß, dass die Winde der Magie, deren Fluss inzwischen auch wieder bei der vorherigen Geschwindigkeit war, sie mit aller Kraft mit Eindrücken bombardieren würden. Aber sie hatte keine Wahl.
Yucalta schloss die Augen und versuchte, eine Art mentale Barriere zu errichten. Das war gar nicht so einfach, selbst nach den Anweisungen des Buches. Wie sollte sie etwas, das sie nicht wahrnehmen konnte, vor etwas schützen, das derart machtvoll war, dass es ihr Leben erst ermöglichte? Als sie schließlich glaubte, gewappnet zu sein, ließ sie Yerills Hand los.
Falls sie tatsächlich irgendeine Art Schild um ihren Geist hatte errichten können, so wurde er nutzlos hinweggefegt. Mit unverminderter Kraft strömten die Bilder in ihr Bewusstsein. Verzweiflung stieg in ihr auf. Sie hatte das umgesetzt, was im Buch beschrieben stand, und war überzeugt gewesen, es richtig gemacht zu haben. Aber der Schild war zu schwach. Vielleicht hatte die Autorin damals über eine größere Willenskraft verfügt. Oder über weniger Lebenskraft. Oder die Winde der Magie waren früher oder an dem Ort anders gewesen. Wer konnte das schon sagen?
Als Yucalta sich schon auf einen neuen Versuch vorbereiten wollte, sprach Yerill. „Wenn du meinst, dass du dich gegen die Magie schützen willst, bedeutet das, dass du das goldene Licht ausmachen musst?“
Yucalta lächelte über die kindliche Frage und schüttelte den Kopf. Gerade wollte sie Yerill erklären, was es mit dem mentalen Schild auf sich hatte, da erstarrte sie mitten in der Bewegung, als ihr klar wurde, was das Mädchen da eigentlich gesagt hatte.
Natürlich: Sie musste ja eigentlich gar nicht ihren Geist gegen die Visionen abschirmen. Es würde reichen, ihre Lebenskraft vor den Winden der Magie zu verbergen. Und das kam ihr bedeutend einfacher vor.
„Du hast mich gerade auf eine tolle Idee gebracht. Danke.“, meinte sie und Yerill strahlte. Yucalta schloss wieder die Augen und konzentrierte sich. Dann dachte sie einen Schritt weiter. „Eigentlich müsstest du es erkennen können, wenn meine Lebensenergie nicht mehr zu sehen ist. Sagst du mir Bescheid?“
Yerill nickte.
Ganz so einfach, wie gedacht, wurde es dann doch nicht. Yucalta durfte keinen physischen Schild benutzen. Der hätte vielleicht den gewünschten Effekt gehabt, wäre aber unpraktisch gewesen. Sie konnte ihn schließlich nicht lange aufrechterhalten, ganz davon abgesehen, dass sie dann nichts hätte anfassen können, ohne es zu beschädigen. Und der eigentliche Sinn der Aktion war ja, zu verhindern, dass sie irgendwann durchdrehte, weil sie ständig von Visionen belagert wurde, wenn Yerill nicht in der Nähe war. Dass sie die Ruhe in ihrem Kopf auch brauchte, um überhaupt sehen zu können, war nur ein Teil des Ganzen.
Sie probierte so lange herum, dass Yerill schon zappelig wurde und etwas über flackerndes Licht murmelte. Das Schwierigste war, dass sie so eine gewaltige Menge an Lebensenergie besaß. Es war, als wollte man das Licht eines Waldbrandes mit den Händen abschirmen. Das war zum Verrücktwerden. Immer wenn sie glaubte, einen Weg gefunden zu haben, der halbwegs funktionierte, tauchte ein neues Problem auf.
„Oh.“, meinte Yerill plötzlich und der Schild, den Yucalta soeben geschaffen hatte, zerplatze, als sie die Augen aufschlug. „Was?“ „Du bist plötzlich ganz dunkel geworden.“ Instinktiv blickte Yucalta auf ihre Hände, doch gleich darauf ging ihr auf, was Yerill gemeint hatte. Sie grinste. Dass die Unsterbliche ihre Aura nicht mehr hatte sehen können, hieß, sie hatte es geschafft! Mit neuem Enthusiasmus machte sie sich wieder an die Arbeit und es dauerte nicht lange, bis Yerill abermals bedauernd seufzte und dann erklärte, kein goldenes Licht mehr zu sehen. Dieses Mal hatte Yucalta darauf gewartet und der Schild blieb bestehen. Die Novizin atmete mehrmals tief durch, bevor sie die Augen aufschlug.
Es war nicht einfach, die Kontrolle des Schildes zu behalten, aber es funktionierte. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, ihn immer zu halten, bis es irgendwann Instinkt wurde. Doch erst einmal musste sie wissen, ob er überhaupt die Funktion erfüllte, die er haben sollte.
Vorsichtshalber schloss sie wieder die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Dann ließ sie Yerills Hand los. Nichts geschah. Ein wildes Grinsen huschte über ihr Gesicht und beinahe hätte sie die Kontrolle verloren.
Vorsichtig streckte sie einen kleinen Gedankenfinger mit einem Teil ihrer Lebensenergie aus, wie das Buch es ihr gezeigt hatte. Sie griff nach mehreren Winden von unterschiedlichster Farbe und zwang sie zu einem einzelnen Strang zusammen. Die Magie reagierte widerstrebend, konnte sich Yucaltas Willen aber nicht widersetzen. Dann lockte sie den vereinigten Strom mit dem Fünkchen Lebensenergie. Scheinbar neugierig schob er sich ihr entgegen. Als er nah genug war, bohrte sich der Gedankenfinger blitzschnell tief in sein Innerstes. Die von ihr gehaltene Lebensenergie glich sich wie ein Blitzschlag mit dem Strang aus und verschmolz die die bis dahin nur gebündelten Fäden der Magie zu einem einzigen leuchtenden Band.
Verblüfft stellte sie fest, dass es funktionierte. Denn anders als die ungebundenen Winde, die zuvor von ihrem Lebenslicht angelockt worden waren, konnte dieser von ihr geschaffene Strang die natürlichen Barrieren ihres Körpers überwinden. Er wurde eins mit ihrem Selbst. Keine verwirrenden, verschwommenen und zufälligen Eindrücke flammten in ihrem Geist auf, wie bisher, wenn ein nach ihrer Kraft leuchzender Strom sie berührt hatte. Was sie jetzt sah, war so klar und vollständig, dass sie fast die Augen aufgerissen hätte, um zu überprüfen, ob es wirklich nur in Gedanken existierte.
Es war ein Bild der Gegenwart und zeigte Yetail mit ihrem Drachen, der auf einem Turm der dritten Mauer von Naggarond hockte. Sie lebten also beide noch. Das war schön. Aber es half ihr nicht. Zaghaft zog sie den Strom durch ihren Geist. Sie musste sehen, was die Zukunft bereithielt.
Die nächste Vision galt noch immer Bluthand. Dieses Mal flog sie auf dem Rücken ihres Drachens. Yucalta stockte der Atem, als sie erlebte, wie beide gegen den Splitterdrachen kämpften. Sie beobachte, als flöge sie direkt neben ihnen her, wie Bluthands Zauber auf die Bestie übersprang und eine Art magische Brücke bildete, über die die Zauberin ungeheure Mengen Kraft pumpte. Das Monster bäumte sich vor Schmerz auf und durch die plötzliche Bewegung brach Szar’zriss Schwanzhieb lediglich das Horn ab, statt ihn seitlich an den Schädel zu treffen.
Also würde es zu einem Kampf kommen. Und es sah gar nicht schlecht für ihre Meisterin aus. Yucalta blickte weiter. Es folgte eine Flucht am Himmel. Die grün leuchtende Bestie verfolgte den kleineren Drachen und dessen Reiterin mit rasender Geschwindigkeit. Ein wenig erleichtert fiel der Seherin auf, dass Szar’zriss trotz aller Anstrengungen, die er bereits auf sich genommen hatte, schneller war.
Sie wollte schon weiterschauen, da fiel ihr etwas auf. Der Splitterdrache hatte wieder ein vollständiges Horn. Sie runzelte die Stirn. Irgendwie kam ihr das seltsam vor. Andererseits hatte sie schon vor drei Tagen die ungeheuren Selbstheilungskräfte des Monsters gesehen.
Yucalta sprang ein ganzes Stück weiter den Strang entlang. Die Visionen konzentrierten sich noch immer auf Bluthand und ihren Drachen, aber dieses Mal hatten sie einen anderen Feind. Die Zauberin flog inmitten von drei beeindruckenden Türmen, von denen Yucalta den in ihrem Rücken als den des Khainetempels erkannte. Aber wieso stand er noch? Dann beobachtete sie, wie Nerglot auf dem untoten Lindwurm angriff. Überrascht sah sie, dass er eine kleinere und schwächere Kopie des Splitterdrachen beschwor, um Bluthands Flammenangriff zuvor zu kommen. Sein Plan gelang.
Die Vision war so vollständig und detailliert, dass Yucalta sogar die Emotionen erkennen konnte, die über das Gesicht der Magierin flackerten. Ihr entgingen auch die gewaltigen Blutflecken an den beiden kleineren Türmen nicht, auf die Nerglot zuflog. Sie runzelte die Stirn, als sie bemerkte, wie Yetail Beschwörungen flüsterte. Das geht zu schnell, dachte sie. Ich muss mehr erkennen. Allein durch ihren Willen verlangsamte sich die Vision. Das Bild erstarrte zu fast völliger Reglosigkeit. Neugierig versuchte sie, die Winde der Magie zu sehen. Sie glaubte, ein schwaches Abbild der Strömungen zu erhaschen, aber als sie näher hinsehen wollte, tauchte ein gewaltiger Druck zwischen ihren Schläfen auf. Genauer gesagt war er schon vorher da gewesen und langsam stärker geworden. Aber je detaillierter sie hinsehen wollte, desto schlimmer wurde es. Die Verlangsamung der Eindrücke war schon unangenehm gewesen, aber die Betrachtung der arkanen Winde erzeugte grauenvolle Schmerzen.
Um den Druck loszuwerden, reduzierte sie ihre Aufmerksamkeit. In normaler Geschwindigkeit erlebte sie, wie Nerglot plötzlich verschwand und der Turm des Khainetempels kollabierte. Die pochenden Schmerzen wurden nicht besser. Zerknirscht reduzierte sie ihre Aufmerksamkeit weiter. Es wurde alles noch schneller. Rasend schnell beobachtete sie, wie Bluthand die Trümmer wegsprengte, erkannte Nerglot in dem schimmernden Kraftfeld und sah zuletzt noch die Vernichtung der zweiten Attacke durch den Splitterdrachen. Kurz entdeckte sie noch eine weitere Gestalt, am Rande ihrer Wahrnehmung, die aus einem halb zerstörten Turm der äußeren Tempelmauer trat und über das noch immer glühende Trümmerfeld rannte.
„Yucalta?“, fragte Yerill plötzlich drängend und nahm Yucaltas Hände in ihre. Die Vision verschwand und die Seherin verlor die Kontrolle über den Strang aus Magie. Wie eine Peitsche schnellte er aus ihrem Verstand heraus und zerbarst in die Winde, aus denen er bestanden hatte. Den Schild konnte sie jedoch gerade noch so festhalten. Auch der Druck in ihrem Schädel blieb.
Als die die Augen aufschlug, blickte sie in die besorgten Augen des rätselhaften Mädchens. Dann verschwamm ihr Sichtfeld und Übelkeit stieg in ihr auf. Als sie plötzlich zur Seite kippte, fing Yerill sie mühelos auf und legte sie sanft auf das Bett.
Als ihre Kräfte schwanden, gab Yucalta die Kontrolle über den Schild auf. In ihrem Kopf blieb es still, da Yerill sie noch immer berührte. „Wow.“, machte die Unsterbliche. „So viel Kraft.“ Es dauerte eine Weile, bis Yucalta bemerkte, dass sich ihr Zustand nicht weiter verschlimmerte, sondern sie sich allmählich wieder erholte. Ihr Kopf pochte immer noch, aber ihr Magen hatte sich beruhigt.
„Tut mir leid, falls ich dich erschreckt habe.“, meinte Yucalta, während sie sich aufsetzte. „Ich weiß nicht, was das eben war.“ Sie schüttelte sich, um die Erinnerungen an den Schwächeanfall loszuwerden.
„Ich glaube, ich schon.“, erwiderte Yerill nachdenklich. Die Druchii starrte sie staunend an.
„Du hast all dein Licht … deine Lebenskraft, wie du es nennst, zurückgehalten.“, versuchte sie zu erklären. „Du hast so viel davon. Normalerweise wird alles, was aus deinem Körper sickert, abtransportiert. Von den Winden der Magie, vermute ich. Oder von mir.“, fügte sie grinsend hinzu. Yucalta war zu verblüfft von Yerills plötzlicher Ernsthaftigkeit, um darauf zu reagieren. Die Unsterbliche fuhr fort. „Ich habe es gespürt, als du die Barriere losgelassen hast. Es war wie eine Explosion aus Energie. Für einen Augenblick warst du heller als die Sonne. Ich kann nicht glauben, dass du all das in deinem Körper gehalten hast. Es tat beinahe weh, als ich es abbekommen habe.“
Yucalta nickte nur gedankenversunken. Das erklärte einiges. Ihr Schild hatte verhindert, dass ihre Lebenskraft nach außen drang. Das hatte sie vor den Winden der Magie verborgen, aber gleichzeitig die gewaltige Energie angestaut. Kein Wunder, dass sie so einen Druck verspürt hatte. Sie erschauderte, als sie daran dachte, dass es böse hätte ausgehen können, wenn Yerill sie nicht rechtzeitig in die Wirklichkeit zurückgerufen hätte.
„Verdammt.“, meinte sie und ließ sich frustriert nach hinten sinken – direkt in Yerills Arme, die eben noch neben ihr gesessen hatte. Die Schnelligkeit der Unsterblichen war ihr ein wenig unheimlich, aber als sie plötzlich mit dem Rücken auf ihrer Brust lag, hatte sie absolut nichts dagegen. Allmählich entspannte sie sich wieder.
„Ich dachte wirklich, es funktioniert.“, sprach sie, während Yerill ihr sanft durch die Haare fuhr. Wäre sie nicht so enttäuscht gewesen, hätte sie gelächelt. Trotzdem freute sie sich über die zurückgewonnene Nähe. „Ich konnte so viel sehen. Ich habe Bluthands Kampf gegen Nerglot gesehen und wie sie den Turm zerstört hat, um ihn darunter zu begraben. Das ist so viel … besser als früher. Da waren es nur einzelne Bilder, weißt du?“ Das Mädchen sagte nichts dazu, aber damit hatte Yucalta auch nicht gerechnet. „Ich habe damals gesehen, dass der Tempelturm zusammenbrechen würde. Aber nicht, wieso. Oder was danach geschehen würde. Dies ist, als wäre ich dabei gewesen.“
„Hm.“, machte Yerill und Yucalta spürte das Vibrieren ihrer Stimme in ihrer Brust. „Ich dachte, du würdest in die Zukunft sehen?“ Der Seherin stockte der Atem. Ja, das hatte sie eigentlich auch gedacht. Erst jetzt, wo Yerill es ansprach, wurde ihr klar, dass sie sich geirrt hatte. Das erklärte auch, weshalb der Splitterdrache auf einmal wieder ein Horn gehabt hatte. Das waren nicht seine Selbstheilungskräfte gewesen. Das zweite Bild war älter als das erste gewesen.
Aber das kleine Buch hatte stets nur von Zukunftsvisionen gesprochen. Von Einblicken in die Vergangenheit war nie die Rede gewesen. Nun ja, sie war durch Zufall darauf gestoßen, aber eigentlich war es ja logisch, dass man den Strang in beide Richtungen verfolgen konnte. Oder hatte die frühere Seherin das nicht vermocht? Nicht zum ersten Mal frage sich Yucalta, ob sie nicht vielleicht über mehr Talent verfügte. Oder war es einfach bei jeder Seherin anders?
„Sieht so aus, als könnte ich auch in die Vergangenheit sehen.“, antwortete sie schließlich. Eigentlich war das auch nichts Neues. Wenn sie so darüber nachdachte, erinnerte sie sich deutlich daran, dass ihre früheren Visionen immer ein Gemisch aus Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit gezeigt hatten. Damals hatte sie stets ein intuitives Gefühl dafür gehabt, zu welcher Zeit das jeweilige Bild gehörte. Dieses Mal hatte es gefehlt. Andererseits war diese Vision ja auch völlig anders gewesen, detaillierter, vollständiger. Und sie hatte sich ja auch bewusst für eine Seite des Strangs entschieden. Auf ihre Intuition hatte sie gar nicht geachtet, weil sie fest geglaubt hatte, die Zukunft zu sehen.
Lange lagen sie einfach nur still da, Yucalta halb auf Yerill. Sie sagten beide nichts. Die Seherin dachte darüber nach, was sie in ihrer Vision gesehen hatte. Und was sie falsch machte. Ihre zwei vielversprechenden Versuche waren beide an ihrer übermäßigen Lebenskraft gescheitert. War sie dazu verurteilt, auf ewig mit dem Sturm der Bilder zu leben? Hatte das Schicksal ihr deshalb Yerill geschickt?
Der Schild hatte größtenteils funktioniert. Sie könnte ihn benutzen, um ab und zu in fremde Zeiten zu blicken. Aber dann dürfte sie es niemals zu lange machen. Und es war natürlich auch kein Dauerzustand. Wenn sie allein war, würde sie immer ihren Visionen ausgesetzt sein. Es war eine grauenvolle Aussicht und sofort schmiegte sie sich enger an die Unsterbliche; ihren Schutz vor dem Wahnsinn.
Das Schweigen zog sich immer länger hin und Yucalta wurde zunehmend nervös. Draußen tobte vielleicht immer noch die Schlacht und sie hatte es noch nicht geschafft, etwas zu sehen. Sie konnte bis auf einige kleine Ausschnitte weder erkennen, was geschehen war, noch, was ihnen noch bevorstand. Und alleine würde sie in ihrem Zustand kaum zaubern können. Im Moment war sie vollkommen nutzlos und sie verabscheute sich dafür. Ihre Finger ballten sich zu Fäusten. Sie war wirklich froh, als Yerill sie aus ihren Gedanken riss.
„Hm.“, machte die Unsterbliche wieder. Dieses Mal klang es nachdenklich. „Ich glaube, ich weiß einen Ausweg. Für uns beide.“ Yucalta hörte das zögerliche Lächeln in ihrer Stimme. Ein Funken Hoffnung leuchtete in ihrer Brust auf und sie setzte sich ein Stück aufrechter hin. Auf einmal war sie neugierig, welche Gedanken Yerill in den letzten Minuten gewälzt hatte.
„Ja?“
„Ich habe darüber nachgedacht, wie es sich angefühlt hat, als ich dich … töten wollte.“ Yucalta lief ein Schauer über den Rücken, als Yerills Stimme auf einmal wieder von Schmerz und Abscheu erfüllt war. Es würde noch lange dauern, bis die Unsterbliche diesen Fehler überwinden konnte.
„Außerdem fiel mit die Ähnlichkeit zwischen mir und den Winden der Magie auf. Wir wollen beide deine Kraft. Wir nehmen sie auf und fühlen uns davon angezogen. Wenn ich das richtig verstanden habe.“ Sie zögerte kurz, als warte sie auf einen Widerspruch, und fuhr fort, als keiner kam.
„Ich habe versucht, jenen Moment noch einmal zu durchleben. Es war nicht angenehm, aber mir ist etwas sehr Wichtiges aufgefallen. Die Kraft, die von deinem Körper ausgeht, stärkt mich und gefällt mir. Aber sie war es nicht, die mich die Kontrolle hat verlieren lassen. Das geschah erst, als ich einen Eindruck davon bekommen habe, dass in deinem Körper noch ein Vielfachen davon steckt. Es ist schwer zu beschreiben.“ Sie überlegte kurz.
„Stell dir einen Sterblichen am Rande des Verdurstens vor. Er findet einen gewaltigen ledernen Wasserbehälter, aus dem jedoch stets nur einige Tropfen kommen. Das ist genug, damit er überlebt. Aber durch die lederne Hülle spüren seine Finger die gewaltigen Mengen an Flüssigkeit. Bestimmt würde er verrückt danach werden und mit aller Kraft darum kämpfen, den Behälter zu öffnen. Mit den Fingen und den Zähnen würde er daran reißen, bis das Wasser über seine Haut strömt. Er würde es genießen. Aber sobald der Durst zurückkehrt, würde er seine Dummheit erkennen. Denn der Behälter ist zerstört und alles Wasser vergeudet. Das meiste bildetet eine Pfütze auf dem Boden.“
Sie ließ Yucalta das Gesagte verarbeiten. „Ich denke, es ist auch dieses Mehr, das die Winde der Magie anzieht. Was von dir ausgeht, das nehmen die Ströme auf und es fließt mit ihnen weiter. Aber an das in dir kommen sie nicht heran und deshalb stürzen sie sich so auf dich. Dein letzter Versuch basierte darauf, all deine Kraft zu verstecken und nichts herauszulassen. Das hat auch funktioniert, aber es hat dich fast umgebracht.“
Mehr sagte sie nicht, aber Yucalta hatte verstanden. „Also willst du, dass ich nicht verhindere, dass mein Körper die Kraft abgibt, die er nicht mehr braucht. Ich soll nur verbergen, dass in mir noch wesentlich mehr Energie gespeichert ist.“ Ganz überzeugt war sie nicht. Aber sie vertraute Yerills Einschätzung. Ihre Parabel zeugte von überraschender Scharfsinnigkeit.
„Einen Versuch ist es wert.“
Yucalta schloss die Augen und versuchte, die Energie in sich zu spüren. Tatsächlich war das anscheinend nicht möglich. Ihre eigene Kraft war für sie völlig normal und ein Teil ihrer Selbst. Genauso gut hätte sie versuchen können, ihrem Verstand beim Denken zuzusehen. Es ging einfach nicht.
„Kannst du mir eigentlich sagen, ob es funktioniert oder nicht? Ich meine, dieses Mal dürfte … das Licht ja nicht ganz verblassen.“, fragte Yucalta. Sie spürte Yerill hinter sich nicken. „Solange ich dich berühre, spüre ich die Kraftreserve. Vermutlich würde mir der Unterschied nicht so schnell auffallen, aber ich werde darauf achten. Hast du schon eine Idee?“
Yucalta schüttelte den Kopf. Dennoch schloss sie die Augen. Sie schuf abermals einen Schild, wie sie ihn eben benutzt hatte, um ihre Lebensenergie ganz zu verstecken. Yerill zuckte kurz zusammen, als Yucaltas Aura verschwand, sagte aber nichts. Die Seherin war ihr dankbar dafür. Sie brauchte ihre ganze Konzentration.
Sie versuchte, die Barriere dünner zu machen. Das funktionierte nicht. Sie spürte, wie ihr die Kontrolle entglitt, als sie dem Schild mehr und mehr die Kraft nahm. So konnte sie ihn noch viel weniger halten als vorher. Seufzend gab sie ihm die vorherige Stärke zurück.
Ihr nächster Versuch bestand darin, Löcher in dem Schild zu bilden, sodass ihre Kraft wieder abfließen konnte. Vielleicht, so dachte sie sich, würde sie dem Druck dadurch nicht ganz entkommen, seine Zunahme aber verlangsamen. Doch kaum bildete sich der erste Riss, zerstob die Barriere. Sie spürte Yerills Erleichterung, da sich die Unsterbliche kaum merklich entspannte. Frustriert ließ sich Yucalta in ihre Arme sinken und schlug die Augen auf. Doch auch als das Mädchen sie fest umarmte und ihre Schultern streichelte, konnte sie das kaum aufheitern.
„Vielleicht sollte ich einfach mehr Kraft abgeben!?“, überlegte sie laut. Sie hatte noch gar nicht wirklich weitergedacht, da schüttelte Yerill schon den Kopf. „Das würde dich früher oder später genauso … erschöpfen.“ Töten hatte sie eigentlich sagen wollen, vermutete Yucalta. „Denn dein Körper gibt ja nur die Kraft ab, die du nicht mehr brauchst. Wenn du mehr aussendest, fehlt dir etwas.“
Die Druchii nickte nur müde. Ja, die Idee war unsinnig gewesen.
„Kannst du jetzt eigentlich etwas sehen?“, fragte Yerill. Yucalta wollte schon den Kopf schütteln, zögerte dann allerdings. Sie hatte es noch nie probiert, oder? Sie war immer fest davon ausgegangen, dass sie keine Eindrücke bekommen würde, solange Yerill die Winde der Magie verscheuchte. Andererseits ging es beim Sehen ja auch nicht darum, aus den Strömen zu lesen, die von selbst zu ihr kamen, sondern selbst mit ihrem Geist hinauszugreifen und die arkanen Flüsse anzulocken. Warum sollte sie also nicht einfach an Yerill vorbeigreifen?
Zuerst glaubte sie, sie haben sich geirrt und es wäre doch nicht möglich. Aber mit ein wenig Anstrengung gelang es ihr dann, einen Strang zu sich heranzuziehen. Aber er war widerstrebend und ihn zu halten, kostete sie beinahe so viel Aufmerksamkeit, dass sie kaum auf das Bild achten konnte, dass er ihr zeigte. In diesem Fall war es auch kein besonders Aufschlussreiches.
„Es geht, aber es ist viel schwieriger als vorhin mit dem Schild.“, teilte sie Yerill ihre Feststellung mit. „So kann ich nicht viel sehen. Ich glaube, da du meine ganze Kraft selbst aufnimmst, bin ich für die Winde der Magie nicht mehr … anziehend genug.“
„Gut, dann brauche ich ja nicht eifersüchtig werden.“, erwiderte Yerill lachend, bevor sie ohne Überleitung ernst vorfuhr. „Ich wollte auch nicht vorschlagen, dass du künftig nur noch in meiner Nähe deine Gabe nutzen sollst. Du brauchst ja auch immer noch einen Schutz vor den Bildern, wenn ich dich mal nicht berühre, oder nicht?“
„Ja.“, antwortete Yucalta zögernd. Die Selbstsicherheit, mit der Yerill von Dingen sprach, die sie nur ansatzweise verstand, verblüffte sie. „Worauf wolltest du denn dann hinaus?“
„Du hast mir erklärt, dass die Winde der Magie mich meiden und um mich herum fließen, als wäre ich für sie nicht da. Bisher hast du immer versucht, nichts von deiner Kraft nach außen dringen zu lassen. Das ist so, als würdest du den ledernen Wasserbehälter mit Stahlplatten überziehen, damit man das Wasser darin nicht mehr fühlen kann.“
„Ja, so könnte man es ausdrücken.“, meinte Yucalta schmunzelnd. Sie war fasziniert von Yerills Fantasie.
„Wäre es nicht einfacher, du versteckst den Wasserbehälter, sodass es aussieht, als würde das Rinnsal direkt aus dem Fels kommen? Oder aus dem Nichts?“
Yucalta runzelte die Stirn. Wie sollte das gehen? Etwas zu verstecken, war immer schwerer, als etwas zu schützen. Sie konnte sich ja schlecht unsichtbar machen. Das konnte nicht einmal Blutklinge. Und ihre magischen Fähigkeiten waren selbst gegen die des Tempelkriegers kümmerlich.
Dann ging ihr endlich auf, dass es einen Fehler in ihren Überlegungen gab. Es war in der Tat schwer, etwas Physisches unsichtbar zu machen. Aber hier ging es um etwas rein Magisches. Ihre Kraft vor den Winden. Als ihr das klar wurde, erinnerte sie sich auch, dass in ihrer Ausbildung mal ein Zauber vorgekommen war, mit dem man sich selbst vor den Winden der Magie verbergen konnte. Das diente dazu, andere Magier daran zu hindern, einen mithilfe von Magie aufzuspüren oder mental anzugreifen. Würde Blutklinge so etwas einsetzen, hätte sie ihn am Morgen nicht mit ihrem Geist verfolgen und belauschen können.
Der Zauber hatte allerdings einen entscheidenden Nachteil, weshalb er in der Praxis kaum benutzt und schnell wieder vergessen wurde: Wenn sich ein Magier selbst vor den Winden der Magie verbarg, konnte er keine Zauber mehr einsetzen, außer solchen, die sich allein seiner eigenen Kraft bedienten. Was die Auswahl auf vergleichsweise unkontrollierte Energiestöße und –Wellen beschränkte.
Allerdings gab es in ihrem Fall einen Unterschied, wie ihr mit einem Grinsen klar wurde. Sie konnte die Ströme anlocken, selbst wenn sie nicht zu sehen war. Das hatte sie ja gerade ausprobiert. Das hieß, dass sie auch noch zaubern konnte. Auch wenn es vielleicht etwas mühsamer werden würde. Aber sie war ohnehin nie eine gute Magierin gewesen. Ihre Fähigkeiten waren einfach zu beschränkt.
Als sie den Zauber beschwor, war es beinahe absurd einfach. Es war eigentlich keine richtige Magie, denn dazu hätte sie ja die arkanen Winde benötigt. Ihr kam es eher so vor, als würde sie laut ich bin nicht da rufen – mit dem Unterschied, dass die Ströme der Magie es glaubten. Obwohl sie rund um ihren Körper noch immer fleißig die überflüssige Kraft auflasen.
Es war so einfach, so richtig, dass sie nicht einmal die Kontrolle verlor, als Yerill sie plötzlich fest umarmte und ihre Haare küsste. Yucalta seufzte wohlig. „Heißt das, es funktioniert? Oder war dir nur gerade danach?“ Yerill lachte ihr vollkommenes, goldgleiches Lachen. „Nein, du hast es geschafft. Ich bade noch immer in der Kraft, die von dir ausgeht, aber ich spüre in dir nichts mehr. Als wärst du nur eine Kontur aus Licht.“
Begeistert befreite sich Yucalta aus Yerills Armen und setzte sich an den Rand des Bettes. Als sie die Gedanken nach den Winden der Magie ausstreckte, gehorchten die widerstandslos. Yucalta dachte an Orte und Personen und aus den Weiten des Nichts glitten ganz bestimmte Ströme heran, legten sich um das leuchtende Band, das sie wieder gebildet hatte, und lösten sich wieder, wenn ihre Aufmerksamkeit weiterzog. Bilder der Gegenwart flammten in ihrem Geist auf. Dieses Mal zog sie den Strang in die andere Richtung durch sich hindurch und tatsächlich zeigten ihr die Visionen die Zukunft. Enttäuscht stellte fest, dass es ganz anders war, als ein Blick in die Vergangenheit.
Das was kommen würde, stand nicht fest. Deshalb gab es keine einzelnen, kristallklaren Bilder. Sie sah nur Möglichkeiten. Sie spürte, welche Augenblicke die künftige Entwicklung in die eine oder andere Richtung lenken konnten. Aber sie musste sehr aufpassen, keine Kleinigkeiten zu übersehen. Davor hatte das Buch sie bereits gewarnt, jetzt merkte sie es selbst. Es war verwirrend und anstrengend, aber auch aufregend.
Doch sie riss sich für einen Augenblick los und sah Yerill an.
„Es funktioniert tatsächlich. Das ist fantastisch. Ich spüre dieses Mal überhaupt keine Schwäche. Höchstens ein bisschen Verwirrung bei all den Möglichkeiten, die die Zukunft bietet.“ Die Unsterbliche lächelte. „Es könnte aber eine Weile dauern. Es ist alles so … neu. Ich muss mich erst einmal daran gewöhnen. Dann muss ich einen Überblick darüber gewinnen, was in den letzten Stunden so geschehen ist, damit ich überhaupt einschätzen kann, welche Entwicklungen es für die Zukunft gibt. Du …“
„Ich werde mich umschauen.“, unterbrach Yerill sie. „Ich hab dich schon verstanden.“ Sie schien es ihr nicht übel zu nehmen. Vielmehr hatte die Seherin den Eindruck, dass sie ein bisschen Bewegung suchte. Vermutlich war es nicht allzu aufregend gewesen, ihr dabei zuzusehen, wie sie die verschiedenen Möglichkeiten probierte, ihre Fähigkeiten endlich ganz zu entfalten.
„Danke für alles, Yerill.“, meinte Yucalta aus ganzem Herzen. Die Unsterbliche blickte sie einen Moment überrascht an und hauchte ihr dann einen Kuss auf die Lippen. Es war nur eine flüchtige Berührung, aber er elektrisierte Yucalta trotzdem. Sofort saß sie aufrechter. Yerill stand schon an der Tür des kleinen Raums und musterte sie noch einmal grinsend. „Ich suche dir was zum Anziehen, glaube ich.“, meinte sie und verschwand mit irrer Geschwindigkeit.
Die Seherin blickte ihr noch einen Augenblick lang verträumt nach. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, jemanden gefunden zu haben, der nicht nur dermaßen perfekt war, sondern ihre Gefühle anscheinend erwiderte. Sie hätte es sich niemals träumen lassen, dass sie sich einmal in eine Frau verlieben würde, aber nichts in ihr wehrte sich dagegen. Sie wollte Yerill und niemand anderen. Schon jetzt vermisste sie das Gefühl der rätselhaften Haut an ihrer.
Aber sie hatte zu tun. Yucalta atmete einmal tief durch und schob alle störenden Gedanken beiseite. Sie war jetzt die Seherin der Druchii. Von ihren Fähigkeiten mochte es abhängen, welches Ende der Tag nehmen würde. Ihre Visionen konnten tausenden Druchii das Leben retten – genauso wie ein einziger Fehler die gesamte Stadt zum Untergang verurteilen würde.
Sie fühlte, wie ihr Gesicht wieder den harten Ausdruck annahm, den es bei ihrer ersten Vision heute Morgen gehabt hatte. Es war das Gefühl der Verantwortung und der Schrecken, die die Zukunft bereithalten mochte. Aber sie war bereit dafür. Sie war die Seherin.
Also ließ sie sich aufs Bett sinken, schloss die Augen und sandte ihre Gedanken hinaus ins Reich der ewigen Magie.
Gedanken zum Kapitel
Wie bereits angekündigt, enthält dieses Kapitel sehr wissenschaftliche Überlegungen zum Umgang mit der Magie. Das ist im Moment vielleicht neu, wird sich nach der Überarbeitung aber verstärkt durch die Geschichte ziehen. Ich finde es toll, zu sagen, dass man mit Magie alles mögliche machen kann. Aber gerade jetzt, wo wir an einem Punkt sind, wo die Grenzen dessen, was möglich ist, sehr weit hinausgeschoben werden, fühle ich mich gedrängt, die scheinbar grenzenlosen Fähigkeiten der Charaktere ein wenig dadurch auszugleichen, dass das, was sie tun, vernünftig erklärt wird, sodass es am Ende nicht mehr übertriebene, sondern einfach nur sehr fortgeschrittene Fähigkeiten sind.
Ich hoffe, es kommt gut rüber und stört nicht allzu sehr. Aktion, Kampf und Sex wird es noch genug geben. Ok, bei letzterem überlege ich noch, aber mal schauen ^^
Mhm, irgendwie komisch, warum der Mitteilungsdrang der Leser so geschwunden ist...
na gut, ich opfer mich selbst und schreib mal wieder als erstes in letzter Zeit^^
Nun, mit deinem Vorwort, dass es etwas wissenschaftlicher wird, hab ich erstmal was anderes erwartet, als was dann herauskam.
Dachte, dass du dich eher mehr so auf das Wirken von Zaubern, auf die Feinheit oder Kunst des Wirkens und die Gegebenheiten der Winde der Magie weiter erläuterst und nicht, wie Yaculta versucht sich davor abzuschirmen.
Also der Grundgedanke dahinter und wie es sich entwickelt und die Beispiele dazu, die Yerill einwirft sind gut durchdacht und schlüssig und deshalb eigentlich gut verfasst, aber etwas zu eintönig für meinen Geschmack, da es sich halt nur auf die Abschirmung konzentriert.
Vielleicht waren meine Erwartungen auch etwas hoch, da ich fast alle Bücher von Robert Jordans Das Rad der Zeit gelesen habe, wo an vielen Stellen und in vielen Büchern(es sind glaub ich mittlerweile 32 und die Serie wird sogar nach seinem Tod weitergesetzt) sehr schön das Wesen der Magie in der Welt beschrieben wird.
Aber interessant ist der Verlauf schon und auch die Möglichkeit, dass Yaculta quasi auf Knopfdruck sich Wiederholungen von vergangenen Ereignissen sich ansehen kann, was die Frage aufwirft, wie weit sie so detailiert gucken kann.
Das wird bestimmt noch sehr wichtig und spannend werden, da auch ihre Sicht auf die Zukunft nun besser ist, so wie ich das verstanden habe.
Alles in allem ermöglichen sich paar schöne Sachen für den weiteren Storyverlauf und das Lösen des Problems kommt gut rüber, aber trotzdem mag mir der Teil nicht soo ganz gefallen, also er ist nicht schlecht aber ist ein etwas schwächerer Teil der so in den letzten Wochen erschienen ist, was vielleicht auch nur an meinen hohen Erwartungen liegt^^.
Dachte, dass du dich eher mehr so auf das Wirken von Zaubern, auf die Feinheit oder Kunst des Wirkens und die Gegebenheiten der Winde der Magie weiter erläuterst und nicht, wie Yaculta versucht sich davor abzuschirmen.
genau das soll in der Überarbeitung dann in in ersten Bänden der Geschichte dazu kommen. Deshalb wäre es blöd, wenn ich das jetzt hier noch reinquetsche. Ich denke mal, im Moment bringt es mehr, mit der Handlung voranzukommen, als die Funktionsweise von Zaubern zu erläutern ^^
aber etwas zu eintönig für meinen Geschmack, da es sich halt nur auf die Abschirmung konzentriert.
ja, das Gefühl hatte ich auch. Mit ist auch klar, dass dieser Teil mal wieder etwas schwächer ist. Das liegt nicht unbedingt an deinen hohen Erwartungen. Nach dem Lesen war ich überrascht, dass es 7,5 Seiten waren. Es passiert so wenig, dass man das kaum glauben kann. Mal schauen, vielleicht lässt sich das noch irgendwie mit etwas Anderem kombinieren.
Ansonsten danke für das Opfer ^^. Und natürlich auch für die im Großen und Ganzen gute Kritik. Es werden wieder bessere Kapitel folgen, versprochen.
So, nach viel zu langer Pause, die aber teilweise auch durch den Geschichtenwettbewerb bedingt war, geht es nun endlich weiter. Und zwar mit unserem Liebslings-Antihelden. So 100%ig zufrieden bin ich mit dem Kapitel nicht, aber im Großen und Ganzen ist es gut. Seht und urteilt selbst.
Leichenkönig
Welch Untertan könnt besser sein als dieser,
der nicht trinkt, der nicht fürchtet, der nicht isst?
Wer wäre ein würdigerer Diener,
als jener, der tot ist? - Unbekannter Dichter
Naggarond; Naggaroth 2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag) 8 Stunden nach Sonnenaufgang
Erinnerungen trieben durch Nerglots Geist. Lärm, dann Dunkelheit und Schmerz. Stille, dann blendendes Licht und Feuer. Pein. Tod. Der Verlust der untoten Sklaven. Das Drachenamulett und der schützende Schild. Die Umarmung der Finsternis und ewige Stille. Schwäche.
Und jetzt Kraft. Donnernde Energie, gleißende Magie. Der Schmerz verschwand und was blieb, war Stille. Ich muss tot sein, dachte Nerglot und schlug die Augen auf. Um ihn herum war Dunkelheit, doch es war eine andere Dunkelheit als in seiner Erinnerung. Unter den Steinen hatte es nichts zu sehen gegeben, nicht einmal für unsterbliche Augen. Hier war es bloß finster, doch seine Augen durchdrangen die lichtlose Weite.
Über ihm hingen Tote von der hohen Decke, die er dahinter kaum noch erkennen konnte. Dicht an dicht hingen die Leichen verschiedenster Völker. Als sein Blick der Wand hinab folgte, entdeckte er weitere Kadaver. Sie bedeckten die Mauer beinahe vollständig. Nur ganz vereinzelt konnte er einen Fleck Gestein erahnen.
„Willkommen bei den Toten, Nerglot.“, hörte er eine sanfte Stimme sagen. Er wandte den Kopf und hob die Augenbrauen, als er die junge Frau erblickte, die neben ihm stand. Sie war in enganliegendes, hochwertig gearbeitetes Leder von einem warmen Braunton gekleidet. Wundervolle Verzierungen zogen seinen Blick auf sich, doch konnten sie weder von ihren straffen Schenkeln, noch von ihrer schlanken Taille oder ihren zarten Brüsten ablenken. Eher schienen sie sie noch zu betonen. Dunkelblondes, beinahe braunes Haar fiel ihr auf die Schultern und umrahmte ein lächelndes Gesicht, aus dem ihn tiefrote, faszinierende Augen zärtlich anblickten.
„Viverla’atar?“, fragte er mehr als überrascht. „Wie schön, dass wir in Ualapts Reich wieder vereint sind.“ Die Worte kamen ihm leicht über die Lippen und doch merkte er, dass sie ehrlich gemeint waren. Er freute sich tatsächlich, sie bei sich zu haben. Abgesehen davon, dass sie jetzt noch attraktiver wirkte als im Reich der Lebenden, war sie die erste Person, die sich für ihn interessiert, die ihn verstanden hatte, seit er selbst kein Elf mehr war. Nicht nur das, sie hatte sich freiwillig dafür entschieden, ihr Leben aufzugeben und zu werden wie er.
Als sie seine Worte hörte, wurde ihr Lächeln breiter, dann lachte sie. „Ganz so weit ist es noch nicht. Wir sind hier zwar bei den Toten, aber ihr Schicksal teilen wir noch nicht. Auch wenn wir nahe dran waren.“
Überrascht setzte Nerglot sich auf. Viverla’atar stützte ihn, doch das war nicht nötig. Trotzdem wies er sie nicht ab. Staunend ließ er den Blick durch die mächtige Halle schweifen, betrachtete die Tausenden von Toten, die prächtigen Särge und die beiden gewaltigen Stauten aus Gebeinen. Erst dann ging ihm auf, dass er in einer wertvollen, silberschwarzen Rüstung steckte. Ehrfürchtig betrachtete er die kunstvollen Verzierungen auf dem Silberstahl. Woher, bei Asaph, hatte er diese Rüstung?
„Wo sind wir dann?“, fragte er, weil er merkte, dass ihre Worte wahr waren. Seine Sinne waren noch immer die eines Unsterblichen und sein Körper fühlte sich noch immer materiell an. Viverla’atar setzte sich neben ihn. Von ihr ging keine Wärme aus, wie es bei einem Sterblichen der Fall gewesen wäre, aber dennoch konnte er ihre Nähe physisch spüren.
„Wir befinden uns irgendwo unter dem Zentrum von Naggarond. Ich habe diese Tunnel gefunden, als ich vor Darmal in den Khainetempel geflohen bin. Ich wollte dir diese Halle zeigen, aber gerade als ich an die Oberfläche kam, hat Bluthand den Turm einstürzen lassen und dich darunter begraben. Ich habe mich versteckt, als sie den Trümmerhaufen weggesprengt hat.“
Nerglot hob die Hand, um sie zu unterbrechen. „Warte! Das habe ich miterlebt. Ich habe gespürt, wie sie die Steine über mir beseitigt hat. Das Feld des Drachenamuletts hätte fast nachgegeben. Aber ich habe doch gesehen, wie sie nochmal angegriffen hat. Wieso … ?“
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Das dachte ich auch. Ich habe die Kugel auch gesehen, mit der sie uns beide beinahe vernichtet hätte. Ich habe die Augenblicke gezählt, bevor unser Leben enden würde. Mir war klar, dass du diese Attacke nicht überstehen würdest, und ich wollte lieber zusammen mit dir in diesem Inferno sterben, als ohne deinen Zauber langsam zu verfallen.“
Ihre Gedanken rührten Nerglot, aber er unterbrach sie nicht. Immerhin hatte sie noch immer nicht erklärt, weshalb sie beide lebten. „Aber dann tauchte plötzlich eine gewaltige Bestie am Himmel auf und hat alle Magie um sich herum abgezogen. Mich selbst hat es an den Rand der Erschöpfung getrieben und die Untoten sind dabei vermutlich alle draufgegangen. Aber auch die Kugel wurde zerstört und Bluthand verjagt.“
„Der Splitterdrache.“, hauchte Nerglot. Das erklärte einiges. Zum Beispiel, weshalb er gespürt hatte, wie seine Diener zerfielen, noch bevor er selbst gestorben war. Ihm selbst war wie vor drei Tagen auch keine Kraft entzogen worden, immerhin war er der Erwählte einer Göttin. Vermutlich galt das auch für Bluthand. Aber nicht für ihren Drachen, dachte er befriedigt. Ihn nicht abstürzen zu lassen, wird sie viel Kraft gekostet haben. Ich frage mich, ob diese Begegnung für sie besser ausgeht als für ihren Geliebten damals. Nach dem Kampf gegen mich vermutlich nicht.
„Als Bluthand weg war, bin ich zu dir geeilt und habe dich hierhergebracht und dich geheilt.“, schloss Viverla’atar ihren Bericht. Jetzt, da sie ihm die Geschehnisse wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, sah Nerglot erneut an sich herunter und zog sich einen Panzerhandschuh aus. Seine Haut war makellos, selbst die Nägel wirkten frisch gewachsen. Keine Spur der einsamen Jahrtausende als Unsterblicher. Keine Zeichen der Tonnen Stein, die auf ihn stürzten. Nun wurde ihm auch klar, weshalb Viverla’atar auf ihn so anders und attraktiver wirkte. Die Spuren, die die beschleunigte Schwangerschaft, die Verwandlung in eine Unsterbliche und dann die Schlacht hinterlassen hatten, waren verschwunden. Ihr Körper wirkte wie neu.
Eine Zuneigung, die er seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gefühlt hatte, durchfuhr ihn, als er sie musterte, wie sie dicht neben ihm saß. Doch es gab noch ein paar Sachen, die er wissen musste. Er ließ sich berichten, wie es zu Viverla’atars Begegnung mit Darmal gekommen war. Ihre Stimme zitterte, während sie ihre Flucht beschrieb. Er konnte es ihr nicht verdenken, hatte er selbst doch bereits Mühe gehabt, den vom Chaos berührten Mann zu besiegen.
„Ich glaube, er hat mich hier nicht mehr verfolgt.“, erklärte sie zum Ende. „Jedenfalls habe ich ihn seitdem nicht mehr gesehen. Ich glaube nicht, dass Korlif ihn aufgehalten hat. Er muss meine Spur verloren haben. Ich kann nur hoffen, dass er bei der Zerstörung des Tempels umgekommen ist.“
„Das hoffe ich auch. Ich dachte, ich hätte ihn damals getötet. Der Kerl scheint härter zu sein, als wir geglaubt hätten. Ich kann auf weitere Begegnungen mit ihm verzichten. Doch sag mir, Viverla’atar, wo ist das Drachenamulett?“
Ihm war gerade aufgefallen, dass der Talisman nicht mehr um seinen Hals lag. „Viverla reicht. Es gibt nur noch uns beide, da sind förmliche Anreden unnötig.“, meinte sie mit einem Lächeln, das er erwiderte.
„Natürlich.“, antwortete er nickend. Sie stand auf und ging zu einem der anderen Särge hinüber. „Ich musste es dir abnehmen.“, erklärte sie, während sie das Amulett hochhob. „In dieser Halle gibt es zu viel Tod. Die Kraft war gut, um dich — und danach auch mich — zu heilen, aber danach war sie zu viel für deinen Körper. Er konnte damit nicht umgehen. Willst du es wiederhaben?“
Er schüttelte den Kopf. „Das kann ich später immer noch. Vorher würde ich gerne wissen, wo mein Zauberstab ist.“ Ihr Lächeln verblasste und beinahe bereute Nerglot die Frage. Doch er musste es wissen. Ohne seinen Stab würde er einen großen Teil seiner Fähigkeiten einbüße.
„Ich habe ihn nicht gesehen.“ Das war schlecht. Wahrscheinlich war er bei dem Zusammenstoß mit dem Turm zerstört worden wie sein Lindwurm. Aber es gab eine Möglichkeit, das herauszufinden. Nerglot spürte die zusätzliche Kraft in seinem Körper, die ihm das Amulett verschafft hatte, bevor Viverla’atar es abgelegt hatte. Er stand auf und schloss die Augen. Dann sandte er einen mentalen Ruf in alle Richtungen aus.
„Was weißt du über diesen Ort?“, fragte er. Falls sein Stab noch existierte, würde es eine Weile dauern, bis er hierherfand. Sie konnten die Zeit genauso gut nutzen.
„Nicht viel. Ich habe ihn zufällig entdeckt. Dies muss einst ein Ort für die grausamen Riten der Druchii gewesen zu sein, die Khaine opferten. Damals scheinen sie beide Manifestationen Khaine gleichermaßen verehrt zu haben — den Krieger und die Hexe. Das wirklich Interessante aber sind die Särge.“ Sie deutete auf den inneren, höher gelegenen Ring. „Dies sind zwölf Sarkophage, einer davon leer. Ich könnte wetten, dass sie den Kindern des Mordes vorbehalten sind. Nur dass Blutklinge nie hierhergebracht wurde.“
„Ja, er vernichtete seinen Körper während der Schlacht. Und außerdem scheint dieser Ort längst vergessen zu sein. Die Druchii haben damals ganze Arbeit geleistet. Eines muss man ihnen lassen: Im Töten sind sie wirklich gut.“ Dann lachte er. „Wie schade nur, dass damals niemand geahnt hat, dass diese Kultstätte einst die Quelle ihres Untergangs werden würde.“ Nerglot breitete die Arme aus, als wolle er den ganzen Raum erfassen. „Jetzt werden sich die Opfer von damals erheben und über ihre Mörder herfallen. Und wir beide, verehrte Viverla, werden im Zentrum ihres Sturms stehen und dabei zusehen, wie unsere Sklaven die Welt in den Abgrund stoßen.“
„Und dann werdet die Welt beherrschen, Herr!“, sprach Viverla’atar ergriffen und wollte vor ihm niederknien. Doch Nerglot gebot der unterwürfigen Geste Einhalt. „Du brauchst vor niemandem knien, Viverla. Du sollst an meiner Seite stehen, eine Unsterbliche im Kampf, eine Königin im Sieg.“ Die Worte hallten laut in der gewaltigen Halle und Viverla’atar erhob sich lächelnd.
„Das heißt, sofern du das wünschst.“, fügte Nerglot ein wenig zögernd hinzu. „Ich habe dich heute Morgen belogen. Du brauchst meine Magie nicht, um unsterblich zu bleiben. Dein Körper wird den Zauber von selbst aufrechterhalten, solange du nicht alle Kraft vergeudest.“ Er stockte kurz und sah ihr dann in die faszinierend roten Augen. „Ich bitte dich um Vergebung, aber ich brauchte eine Gewissheit, dass sich … die Investition auszahlen würde. Nun hast du mir das Leben gerettet und dir dein Leben in Freiheit zu schenken, ist der einzige Weg, dich angemessen zu entschädigen.“
„Es gibt nichts zu vergeben.“, antwortete Viverla’atar. „Ich danke dir dafür, dass du bereit bist, mich freizugeben. Aber das Leben der einsamen Jägerin habe ich hinter mir gelassen. Mein Platz ist bei dir, denn du bist alles, was mir geblieben ist. Der einzige, der mich nicht verraten hat. Ich werde bleiben, ob als deine Dienerin oder deine Königin. Du hast mir bereits ein neues Leben geschenkt. Um mehr bitte ich dich nicht.“
Nerglot nickte. Wenn er ehrlich war, erleichterte ihn Viverla’atars Entscheidung. Sein Angebot war ernst gemeint gewesen. Er hätte sie ihren eigenen Weg gehen lassen. Das hatte sie sich verdient. Aber er hätte es dennoch als Verlust empfunden. Seit unzähligen Jahren war er allein gewesen. Erst heute war ihm klar geworden, wie viel ihm die Gesellschaft und das Verständnis einer anderen Person, einer Gleichgestellten bedeuteten. Noch dazu, wenn es sich um eine so attraktive handelte.
„Ich kann dir nicht versprechen, wie dieser Tag enden wird.“, begann Nerglot ernst, während er vortrat und Viverla’atar die Hände auf die Schultern legte. „Ob ich dich zur Königin machen kann oder wir in die Schatten stürzen. Aber es wäre die größte Freude für mich, dich als Gefährtin zu haben. Ich schwöre dir, dich …“
Bevor er den Satz vollenden konnte, trat Viverla’atar vor, umfasste seine Schultern und legte ihre Lippen auf die seinen. Es war ein seltsamer Kuss, vollkommen anders als die Berührung zweier lebender Körper und doch mindestens ebenso schön. Sie beide besaßen die Sinne Unsterblicher, was sie das Gefühl auf ganz neue Weise erleben ließ.
Obgleich es ihm wie eine Ewigkeit vorkam, vergingen kaum zwei Sekunden, bevor Viverla’atar sich wieder zurückzog. Als Nerglot sich vorbeugte, wehrte sie ihn sanft ab. „Noch nicht. Noch kann ich die Erinnerung nicht völlig abschütteln. Nicht, solange es noch zwei andere Männer gibt, denen ich mich hingegeben habe. Vernichte sie, Nerglot, dann können wir dies fortsetzen.“
Nerglot lachte und ließ sie los. Sie war wirklich gut. Ein Grund mehr, weshalb er sie begehrte.
„Das sollte sich machen lassen.“, meinte er, woraufhin Viverla’atar sein Lächeln erwiderte.
Dann zuckten sie beide zusammen, als am Ende der Halle immer lauter werdende Geräusche erklangen. Ein Zischen wie das einer Klinge durch Luft, begleitet von einem gelegentlichen Klirren, als schlüge Metall gegen Stein. Viverla’atar nahm ihren Dolch in eine Hand und stellte sich kampfbereit auf. Nerglot errichtete rasch einen Schutzschild um sie beide. Daran, das Schwert zu ziehen, dachte er gar nicht.
Dann raste etwas Längliches mit gewaltiger Geschwindigkeit durch die Luft auf sie zu. Ein grauer Schild umgab das Geschoss und verbarg es vor ihren Blicken. Nerglot verstärkte die eigene Barriere, kurz bevor die beiden Schutzfelder aufeinanderprallten. In einem blendenden Blitz wurde der schwächere Schild zerfetzt und der Stab zurückgeschleudert. Mit einem hölzernen Klackern flog er gegen einen der Särge.
Es dauerte einen Augenblick, bis Nerglot und Viverla’atar realisierten, was gerade geschehen war. Dann stieß sie erleichtert den angehaltenen Atem aus und Nerglot grinste böse. Er hatte seine eigene Macht dieses Mal unterschätzt. Der Rufzauber hatte den Zauberstab nicht nur erreicht, er hatte ihm auch noch genug Kraft gegeben, sich zu schützen. Das Artefakt war stark zerkratzt und wirkte ein wenig mitgenommen, war aber ansonsten unversehrt. Noch immer krochen schwache, graue Blitze über das Holz und die blutigen Klingen. Beinahe ehrfürchtig hob Nerglot ihn auf und drehte sich um.
Viverla’atars Augen funkelten, als sie den Oberkörper zu einer respektvollen Verbeugung neigte. Auch sie war beeindruckt. „Jetzt seht Ihr wahrlich kriegerisch aus.“, sprach sie, für einen Augenblick die persönlich Anrede vergessend. „Wie der Herr über Tod und Leben.“
„Dann wird es Zeit, unsere Macht zu demonstrieren.“, erwiderte Nerglot. „Für den Augenblick reicht es mir, der Herr der Toten zu sein. Die Lebenden werden schon bald lernen, was wahre Furcht bedeutet.“ Er wurde ernst. „Dann werde ich Bluthand erneut die Gelegenheit geben, sich mit mir zu messen. Und dieses Mal werde ich mir keinen Fehler erlauben.“
„Dann werde ich deine Diener führen, bis ich eine Gelegenheit habe, Sisrall oder Darmal zu töten. Oder sie dir auszuliefern.“, meinte sie grimmig. Jede Belustigung war aus ihrer Miene verschwunden. Sie meinte es ernst, sie wollte ihre Rache für den Verrat.
„Wenn das dein Ziel ist, muss ich dich vorbereiten. Ich will dich nicht an Blutklinge oder ein anderes Kind des Mordes verlieren.“ Nerglot wirkte nachdenklich, während er sie musterte. „Noch haben wir Zeit. Da niemand weiß, dass es uns noch gibt, bestimmen wir allein, wann die Schlacht weitergeht. Ich werde dir zeigen, welche Vorteile du aus deinem unsterblichen Dasein ziehen kannst. Und ich werde dich ein paar Zauber lehren, die dir nützen könnten.“
Er sah sie noch einen Augenblick lang an und fügte dann hinzu: „Und dann wird uns niemand an unserer Rache hindern können.“
Jaa, ich gebe zu, dass ich längere Zeit keinen Kommentar mehr abgegeben habe. Aber sei dir versichert, dass ich immer noch mitlese, auch wenn ich manchmal nichts schreibe! 🙂
Und wo ich schon dabei bin, kann ich was hinzufügen: Die Beschreibungen aus Nerglots Sicht am Anfang des Abschnitts haben mit echt glauben gelassen, dass er nun wirklich tot sei (Im Gegensatz zu dem Wissen vorangegangener Kapitel, auch wenn dieses auch etwas verblasste). Auch die vagen Äußerungen Viverlas haben dazu beigetragen. Das fand ich sehr gut!
aa, ich gebe zu, dass ich längere Zeit keinen Kommentar mehr abgegeben habe. Aber sei dir versichert, dass ich immer noch mitlese, auch wenn ich manchmal nichts schreibe! 🙂
ja, wissen und sehen sind immer so zwei verschiedene Sachen. Klar weiß ich doch, dass du noch mitliest, aber es ist halt ein wenig deprimierend, wenn sich immer nur ein Leser zu Wort meldet. Aber das ist ja nichts Neues ^^
Die Beschreibungen aus Nerglots Sicht am Anfang des Abschnitts haben mit echt glauben gelassen, dass er nun wirklich tot sei (Im Gegensatz zu dem Wissen vorangegangener Kapitel, auch wenn dieses auch etwas verblasste). Auch die vagen Äußerungen Viverlas haben dazu beigetragen. Das fand ich sehr gut!
Juhu es geht weiter, wollte eigentlich schon meckern... Aber wirklich schöner neuer Teil und anscheinend haben sich soweit alle Liebespaare gefunden...
Mhm, eigentlich bin ich ja immer bemüht etwas ausführlicher zu bewerten aber der Teil ist in sich schön stimmig und gut geschrieben, also was soll's...
Hoffentlich muss man auf den nächsten Teil nicht auch solange warten
Juhu es geht weiter, wollte eigentlich schon meckern... Aber wirklich schöner neuer Teil und anscheinend haben sich soweit alle Liebespaare gefunden...
Mhm, eigentlich bin ich ja immer bemüht etwas ausführlicher zu bewerten aber der Teil ist in sich schön stimmig und gut geschrieben, also was soll's...
Hoffentlich muss man auf den nächsten Teil nicht auch solange warten
ja, ich weiß auch nicht, aber irgendwie hat sich halt so eine Art Paarbildung ergeben. Naja, zu zweit ist man weniger allein, ne? 😉
Nein, den nächsten Teil sollte es etwas zügiger geben. War unter anderem halt der Wettbewerb, der dazwischen kam. Im Moment komm ich zwar nicht so wirklich voran und hänge bei einem Kapitel fest, aber ich denke, das wird schon.
So, da die Fanworld jetzt wieder läuft, kann ich auch das nächste Kapitel posten. Es schließt direkt an "Regeneration" an, was ja auch schon wieder ein bisschen her ist. Damit der Sprung nicht zu groß ist, hier noch einmal kurz zur Erinnerung das Ende des genannten Kapitels:
Erwählte des Khaine schrieb:
[FONT="] Er öffnete den Mund, um zu antworten, aber im selben Moment kam Bewegung in den gewaltigen Körper des Drachen hinter ihnen und ein tiefes Knurren entkam seiner Kehle. Entsetzt sprangen die beiden Erwählten auseinander. Der Splitterdrache hatte sich in die Lüfte geschwungen und seinen Aussichtsposten verlassen. Und er hielt direkt auf die westlichen Teile der Stadt zu. Dort gab es keine Krieger mehr. Und dort hatten sich all jene verborgen, die nicht zum Kämpfen ausgebildet worden waren. Mehrere zehntausend Druchii, die wie auf dem Präsentierteller lagen. [/FONT]
Und jetzt die Fortsetzung: (Nebenbei mein Beitrag #3000 😀 ... endlich geschafft.)
Zwischenbilanz
Es ist oft angenehmer, die wahre Stärke seines Gegners nicht zu kennen, bevor man ihm entgegen tritt. Beginnt ein Kampf mit dem Gefühl der Unterlegenheit, endet er nicht selten auch entsprechend.
[FONT="]- [/FONT]Aus ‚Kriegsweisheiten‘, Valen Sidon
„Verdammt.“, rief Sisrall und löste sich von Yetail. Die Zauberin blickte panisch auf das grüne Ungeheuer, das sich anschickte, ein blutiges Gemetzel unter den ungeschützten Druchii anzurichten. Das war jetzt wirklich ein schlechter Zeitpunkt. Sie würden niemals rechtzeitig dorthin kommen. Aber vermutlich war der Bestie ganz genau klar, dass die Kinder des Mordes in der Stadt verstreut waren. Egal, Hauptsache, Bluthand war bereit.
Yetail wollte zu Szar’zriss herüber schweben, doch der mächtige Drache bäumte sich auf und sog tief die Luft ein. Blut und Fleischfetzen der drei verspeisten Tiere hingen an seinen Reißzähnen. Ein donnerndes Brüllen ertönte, so laut und markerschütternd, dass Sisrall sich die Ohren zuhalten musste. Nicht weit entfernt brach ein Turmbau zusammen und vom Kriegslager der Druchii mischten sich einige Schmerzensschreie in das infernale Getöse, die gegen den Ruf des Drachens wie ein Wimmern klangen. Vom Frostturm antwortete Sulephet scheinbar zustimmend.
Und der Splitterdrache reagierte darauf. Er schien förmlich zusammenzuzucken und sackte ein Stück ab. Er zog den Schwanz enger an den Körper und drehte dann in einer langen Kurve bei. Er flog über die Außenbezirke der Stadt nach Osten. Es schien, als wolle er einen weiten Bogen um den kleineren Drachen machen, der sich in die Luft schwang und wild mit den gewaltigen Schwingen schlug, was weitere Dachschindeln auf die Straße warf. Die goldenen Panzerplatten glühten in der befreiten Sonne.
Er bot ein beeindruckendes Bild fleischgewordenen, gepanzerten Zorns und selbst Sisrall wich zwei Schritte zurück. Yetail floh beinahe und stellte sich dicht neben ihn. Sie nahm seine Hand und er drückte sie fest. Er war auf einmal verdammt froh, dass Szar’zriss auf ihrer Seite stand.
Der Splitterdrache landete schließlich auf der aschebedeckten Ebene vor der Stadt und legte die Schwingen an. Szar’zriss kehrte zu ihnen auf den Turm zurück und faltete die gewaltigen Flügel, aber in seinem Blick stand weiterhin Zorn. Der größere Drache zog den Kopf ein und als er dann den langen Schwanz um den ganzen Körper legte, machte es sich auch zornige rote Drache wieder bequemer, ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen.
„Das ging gerade nochmal gut. Dieses verdammte Mistvieh.“, schrie Yetail. Sisrall legte ihr die Arme auf die Schultern. Es war alles so schnell gegangen und er musste selbst erst einmal begreifen, was geschehen war. Er wusste nicht, was ihn mehr schockierte: Wie knapp der Splitterdrache davor gestanden hatte, ein Blutbad anzurichten, oder dass Szar’zriss ihn in die Schranken gewiesen hatte.
„Wir hätten uns nicht darauf verlassen dürfen, dass er zuallererst uns angreifen würde.“, meinte Sisrall. Sie nickte. In ihren Augen stand Erleichterung, aber vor allem Hass und er fühlte die Anspannung in ihren Schultern. Sie war bereit, der Bestie entgegenzutreten.
„Was tut er jetzt?“, fragte er und musterte stirnrunzelnd das grünleuchtende Monster. Yetail schloss die Augen und er vermutete, dass sie sich auf ihre geistigen Sinne konzentrierte. Sie versteifte sich und er zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Er sammelt Kraft.“, antwortete sie. „Deshalb wollte er in den unverteidigten Teil der Stadt. Nicht vorsätzlich, um wehrlose Druchii abzuschlachten, sondern weil dort noch am meisten Magie liegt. Dem Schlachtfeld hat er am zweiten Tag schon ziemlich viel entzogen und über der Stadt ist der heute aufgetaucht.“
„Aber jetzt hat er doch wieder die Ebene gewählt?“ Sisrall konnte erkennen, wie in dem Wald im Osten vergilbte Blätter zu Boden segelten. Die Macht des Splitterdrachen verdorrte die Bäume! Dort, wo noch Gras stand, wurde es gelb und braun. Einige wenige Vögel, die noch zu sehen gewesen waren, stürzten kraftlos zu Boden.
„Ja, er nimmt das, was noch da ist. Du siehst, wie viel zerstörerischer seine Kraft jetzt ist, weil er wirklich nicht mehr aus dem Vollen schöpfen kann, sondern die Reserven der Pflanzen und Tiere anzapfen muss. Er tötet sie.“
Er sah, wie sie schauderte. Er teilte ihre Furcht vor einem Monster mit solchen Fähigkeiten. Umso mehr fühlte er Stolz, als er die Entschlossenheit in ihren Zügen sah. Der Blick, mit dem sie den Splitterdrachen bedachte, triefte vor Hass. Er wusste, dass sie am liebsten sofort losziehen würde, aber sie brauchte die Unterstützung der Kinder des Mordes. Diesen Feind mussten sie gemeinsam besiegen oder gar nicht.
Die Sonne stand über ihnen und funkelte auf ihrer Rüstung. In ihrem Licht strahlten Yetails Haare und selbst ihre Haut schimmerte golden. Sie war wunderschön, wie sie das Kinn vorreckte und wirkte, als würden Blitze aus ihren Augen schießen, wenn sie sich noch ein wenig mehr anstrengte.
Er lächelte und zog sie an sich. Als ihre Lippen sich trafen, versteifte sie sich, dann schloss sie die Augen und gab sich dem hin. Es war die letzte Gelegenheit, die sie vielleicht bekommen würden. Auf jeden Fall war es die letzte, bevor die Schlacht weiterging.
Im Schein der Sonne umschlangen sie einander, ein Bild aus Schwarz und Gold. Der Wind verwirbelte einige ihrer Haarsträhnen und sie schlangen die Arme umeinander. Sie zogen den Kuss in die Länge und wagten kaum, sich voneinander zu lösen. Schließlich standen sie dicht voreinander und blickte einander in die Augen. Ein stummes Versprechen, einander nicht zu verlieren.
Als hinter ihnen Schritte auf der Treppe ertönten, traten sie auseinander, doch ohne Bedauern. Es war soweit und sie hatten ihre Pflicht zu erfüllen. Sisrall und Yetail hatten sich verabschiedet und nun konnten Bluthand und Blutklinge ihre Plätze einnehmen. Eine Wolke aus Schatten kroch über die Haut des Tempelkriegers und sickerte aus Ärmeln und Kragen der Robe. Die Dunkelheit verfestigte sich und ließ die nachtschwarze Rüstung zurück, deren Metall nun wieder jedes Stück seiner Haut bis zum Hals bedeckte. In seiner Hand erschien der Helm, aber den setzte er noch nicht auf.
Bluthands Zauberstab erschien mit einem blendenden Blitz in ihrer linken Hand und sie stellte ihn in dem Moment auf den Boden, als die erste Gruppe der Kinder des Mordes zurückkehrte. Sie stellten sich schweigend neben die wartendenden Erwählten und gemeinsam harrten sie der Rückkehr der anderen.
Nach und nach kamen die Gruppen zurück. Sie waren unterschiedlich weit in der Stadt unterwegs gewesen, aber Szar’zriss Brüllen war ein Zeichen gewesen, bald zurückzukommen. Ihnen lief die Zeit davon. Aber erst, als alle anwesend waren und einen Kreis bildeten, brach Sisrall das Schweigen.
„Der Splitterdrache macht sich bereit. Er hat seinen Aussichtspunkt verlassen und sammelt nun alle Magie, die er auf der Ebene vor der Stadt finden kann. Wir haben ihm gezeigt, dass wir bereit sind, ihm die Stirn zu bieten, und er stärkt sich, um für den Kampf gewappnet zu sein.“
Genau genommen hatte Bluthand allein ihm die Stirn geboten, aber sie alle hatten die Erinnerung geteilt und sie alle würden von nun an gegen ihn kämpfen. Sie waren eins, bestehend aus vielen.
„Nun berichtet, war Ihr erfahren habt.“, befahl Blutklinge.
Die Nachrichten waren besser als erwartet. Untote gab es keine mehr in der Stadt. Nerglots Fall hatte sie alle zerstört. Die Krieger waren erschöpft, aber im Grunde kampfbereit. Es gab viele Leichtverletzte und viele Tote, aber nur wenige schwebten in Lebensgefahr und erforderten die dringende Aufmerksamkeit der Heiler. Die meisten Schwerverletzten, die bereits mit dem Tod gekämpft hatten, waren beim Auftauchen des Splitterdrachens über die Grenze gestoßen worden.
Dafür gab es genügend Versorgungsgüter, sodass es den Soldaten kaum an etwas mangelte. Viele Verletzte der vergangenen Tage waren inzwischen wieder einsatzbereit und hatten sich dem provisorischen Kriegslager angeschlossen. Die Befehlshaber waren einige Hochgeborene und sie hatten sich erst einmal das Ziel gesetzt, alle verbleibenden Truppen zusammenhalten, falls sie doch noch gebraucht werden würden. Insgesamt hatten sie noch knapp eintausend Krieger.
Schlecht sah es jedoch mit mobilen Kriegsmaschinen aus. Die meisten waren im Laufe der Schlacht eingesetzt und zerstört worden. Sie verfügten nur noch über die Speerschleudern und Katapulte in bzw. auf den Mauern. Damit konnten sie den Splitterdrachen nicht bekämpfen.
Die Magier waren ebenfalls in schlechter Verfassung, weil der Angriff der Bestie ihnen auch noch die letzten Reserven geraubt hatte. Sie mussten sich noch erholen. Kerkil hatte verfügt, dass alle Soldaten Armbrüste bekommen würden und die Zauberer das Lager schützen sollten. Sie würden den Splitterdrachen nicht mit Sterblichen angreifen, aber sollte er es auf das Lager abgesehen haben, dann sollten sie sich wehren können.
Dem Entschluss stimmten die anderen zu.
Silberstich war Berichten zu Folge tot und die Nachricht betrübte die Erwählten. Damit fehlte den Druchii ein Oberbefehlshaber und keiner der Kinder des Mordes konnte dafür erübrigt werden. Es blieb zu hoffen, dass die Soldaten nicht in einen Kampf verwickelt werden würden.
Es gab auch keine Gesichtslosen mehr. Niemand wusste, wo Darmal Eisfaust abgeblieben war. Zuletzt hatten ihn Sisrall und Yetail gesehen, bevor sie Nerglot und dem Hexenkönigspaar begegnet waren. Er hatte einen Schützen erledigen wollen, der die Verteidigung der Sterblichen von innen heraus zermürbt hatte. Vielleicht war er bei dem Versuch umgekommen, auch wenn Sisrall sich nicht vorstellen konnte, dass ein Untoter den vom Chaos gestärkten Gesichtslosen töten konnte. Vielleicht hatte ihn aber auch Morathi versehentlich erwischt, als sie mit ihrem Zauber die gesamte Hausfront des Gebäudes, in dem Darmal und der Schütze gewesen waren, gesprengt hatte.
Es war müßig. Momentan mussten sie damit klarkommen, dass er ihnen, genau wie die übrigen Elitekrieger, nicht zur Verfügung stand. Ebenso wurde Reckdis vermisst. Zuletzt war er ins Hexenkloster eingeliefert worden, um dort seine schweren Verletzungen zu kurieren. Es wusste aber niemand so genau, wie er von der äußersten Mauer dorthin gekommen war und wieso er den Krankensaal dann wieder verlassen hatte. Oder wohin. Die Heiler hatten genug andere Dinge gehabt, die ihre Aufmerksamkeit erforderten.
„Also fehlen uns unsere wichtigsten Streiter. Ihr Schicksal, so sehr es mich auch interessiert, ist momentan unklar und muss bis später warten. Wir haben knapp tausend Krieger, jedoch keine Mittel, um sie im Kampf gegen den Splitterdrachen einzusetzen. Mit ein wenig Glück können sie die Bestie von sich selbst fernhalten.“, fasste Sisrall schließlich zusammen.
„Das bedeutet, es ist an uns, diese Bedrohung zu bekämpfen.“, fuhr Yetail fort. „Wir wissen, dass er nicht völlig unverwundbar ist, aber seine Regenerationsfähigkeit ist enorm. Ich bin die einzige von uns, die ihn aktiv aus der Ferne bekämpfen kann, aber wir haben nur einen Drachen, um an ihn heranzukommen. Szar’zriss kann höchstens zwei, maximal drei Personen tragen, dann aber selbst nicht allzu lange fliegen. Damit wir unsere ganze Stärke einsetzen können, müssten wir den Splitterdrachen zu Boden zwingen.“
Ernüchterung folgte diesen Worten. Sie alle wussten, dass das schwer werden würde. Szar’zriss war kleiner. Er würde seinen Kontrahenten kaum allein durch seine Masse nach unten bringen und dort halten. Sie mussten ihn am besten wirklich flugunfähig machen.
„Die Frage ist auch, wie wir ihn dann wirklich töten.“, gab Trizil zu bedenken.
„Er hat eine Schwachstelle.“, erklärte Kerkil. „Eine einzige Schuppe an seiner Brust ist beschädigt. Sie ist dunkler als die anderen. Dort ist sein Panzer weich genug, um ihn zu durchstoßen. Damals habe ich ihm an dieser Stelle mein Schwert in den Leib gerammt. Das reichte, um ihn zu vernichten. Vorübergehend. Und ich habe ihm damit das Feuer genommen.“
„Dieses Mal reicht es vielleicht nicht.“, entgegnete Sisrall. „Ich habe dieselbe Schuppe vor zwei Tagen ausgemacht, als ich am Boden lag und er über mir flog. Ich habe all meine Magie auf diese Stelle konzentriert, doch mehr als verjagen konnte ich ihn damit nicht.“
„Wir sind keine Magier. Unsere Klingen …“, setzte eine andere Erwählte an, wurde jedoch von Yetail unterbrochen.
„Hast du nicht zugehört?“, fauchte die Zauberin. „Er hat verdammt nochmal die gesamte Macht der Marilim in das Vieh gepumpt und es hockt noch immer auf dieser aschebedeckten Ebene.“ Erschrecken und Schock ließen die Gesichter der anderen erstarren. Die Magierin fuhr etwas ruhiger fort. „Aber er ist nicht immun gegen Magie, auch wenn es diese aufnimmt. Ich habe sein Horn schwer beschädigen können, bevor Szar’zriss es ihm abgeschlagen hat. Außerdem kann er die rohe Kraft der Marilim nicht absorbieren. Niemand von uns leidet unter seinem Zauber.“
Bedrücktes Schweigen folgte dieser Ansprache. Die Erwähnung der Marilim hatte die Kinder des Mordes ernüchtert. Niemand wusste besser als sie, welche Kraft sie bot. Und wenn die nicht ausreichte, um den Splitterdrachen zu töten, welche Hoffnung blieb ihnen dann noch?
„Gut, unverletzbar ist er also nicht.“, sprach Kerkil schließlich. „Aber was können wir denn überhaupt tun, um ihn zu vernichten?“
„Gar nichts.“, kam die Antwort von außerhalb des Kreises.
Gedanken zum Kapitel
Als ich das Kapitel eben nochmal Korrektur gelesen habe, gefiel es mir eigentlich ziemlich gut.
Dass die Kinder des Mordes mal nicht so recht wissen, was sie tun sollen, ist sicher auch mal eine nette Abwechslung und wird im anschließenden Kapitel auch nochmal aufgegriffen.
Warum Szar'zriss dazu in der Lage ist, den größeren Splitterdrachen einzuschüchtern, wird auch noch erklärt.
den mit "gar nichts"? 😀 Dauert noch ein bisschen, bis das hieran anschließende Kapitel kommt. Leider ist das zeitlich ein bisschen verrutscht, aber das ließ sich aufgrund der unterschiedlichen Länge der Handlungsstränge nicht anders machen. Also die folgenden Kapitel spielen größtenteils VOR diesem letzten hier. Aber das merkt man eigentlich, denke ich.
den mit "gar nichts"? 😀 Dauert noch ein bisschen, bis das hieran anschließende Kapitel kommt. Leider ist das zeitlich ein bisschen verrutscht, aber das ließ sich aufgrund der unterschiedlichen Länge der Handlungsstränge nicht anders machen. Also die folgenden Kapitel spielen größtenteils VOR diesem letzten hier. Aber das merkt man eigentlich, denke ich.
Jep, genau den. Aber das erstmal was anderes drankommt ist nicht schlimm, eher zu erwarten; Das steigert Spannung und ist auch aus vielen anderen Büchern bekannt.
Jep, genau den. Aber das erstmal was anderes drankommt ist nicht schlimm, eher zu erwarten; Das steigert Spannung und ist auch aus vielen anderen Büchern bekannt.
ja das stimmt. Ich hoffe nur, es zieht sich nicht zu lange hin. Aber mal schauen. Ich hab jetzt elf Kapitel Vorlauf. Da kann ich in nächster Zeit sehr regelmäßig posten. (gestern hab ich es geschafft, zwei neue Kapitel zu schreiben, eins davon 8,5 Seiten lang 😀)
ja das stimmt. Ich hoffe nur, es zieht sich nicht zu lange hin. Aber mal schauen. Ich hab jetzt elf Kapitel Vorlauf. Da kann ich in nächster Zeit sehr regelmäßig posten. (gestern hab ich es geschafft, zwei neue Kapitel zu schreiben, eins davon 8,5 Seiten lang 😀)
So meine veehrten Leser. Wie angekündigt, geht es jetzt wieder regelmäßig weiter. Ich habe noch einen riesigen Haufen Reserve, auch wenn die Kapitel inzwischen immer länger werden. Heißt für euch mehr Lesespaß und gleichzeitig weniger Wartezeit. Jetzt wendet sich der Blick aber erstmal wieder meiner lieblings-unsterblichen zu. Die beiden anderen Handlungsstränge (Kinder des Mordes / Nerglot + Viverla) sind leider nicht so umfangreich. Da passiert ziemlich wenig in der gleichen Zeit.
Ich will euch mal ein bisschen einen Überblick verschaffen:
Also momentan ist Pause in der Schlacht. Die Kinder des Mordes haben sich einigermaßen erholt, sich beraten und Erkunden angestellt, was den Zustand der Stadt und der Druchii angeht. Jetzt brauchen sie nur noch eine Antwort auf die Frage, wie sie den Splitterdrachen tot kriegen, dann kanns auch schon weitergehen.
Nerglot ist inzwischen aufgewacht und unterrichtet jetzt Viverla'atar. Das nimmt bei ihnen eigentlich den Rest der "Pause" ein.
Bei Yerill und Yucalta wird noch ein bisschen mehr in dieser Zeit passieren, bevor die Schlacht wieder losgeht. Deshalb sind die nächsten 3 Kapitel aus deren Sicht. Die nächsten beiden Teile sind ziemlich "ruhig". Es geht viel um Kleinigkeiten, die man auch in einen Nebensatz hätte packen können, die mir persönlich aber wichtig waren. Nunja, seht selbst.
Erkundungen
Und der Engel sprach zu den Zweifelnden: ‚Ehrt mich als einen Engel und ich werde euch leuchten und leiten. Nehmt mich als einen Sterblichen, dann werde ich zwischen euch leben und vergehen. Hasst mich als einen Dämon und ich werde euch vernichten. Gott sandte mich, aber ihr formt mich.‘
[FONT="]— [/FONT]Alte Erzählung
Yerill schloss lautlos die Tür hinter sich und sah sich um. Sie stand auf einer Galerie, die gerade einmal zwei Personen nebeneinander Platz bot und sich drei Meter unter dem Rand der Kuppel die gesamte, kreisrunde Wand entlang zog. Ein hüfthohes, steinernes Geländer bildete eine Barriere gegen den Sturz in die Tiefe. Denn als die Unsterbliche vortrat, bemerkte sie, dass es dahinter die gesamten vier Stockwerke nach unten ging.
Der ganze Kuppelbau war hohl, bis auf das etwa sechs Meter dicke Stück entlang der Außenmauer, zu dem das Zimmer, in dem sie Yucalta zurückgelassen hatte, und die Galerie gehörten. Während Yerill sich umsah, wuchs ein Gefühl der Ehrfurcht in ihr. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte sie erkennen, dass die Empore nicht Teil der Wand war, sondern darüber hinausragte. Die wenigen geschwungenen Stützen wurden größtenteils von prächtigen Bannern und reich verzierten Tüchern verdeckt, die hinunter in die beeindruckende Halle hingen.
Fünf riesige, silberne Leuchter, jeder mit zwei Dutzend Kerzen bestückt, schienen vier Meter unter ihr zu schweben, so weit weg, dass hier oben ein schwaches Dämmerlicht herrschte. Es wirkte, als sollte die Galerie unsichtbar gegen Blicke von unten bleiben. Das Kerzenlicht erzeugte jedoch ein mystisches Schimmern auf der vergoldeten Innenseite der Kuppel.
Auch der Boden der Halle schrie geradezu nach verschwendetem Reichtum. Yerill konnte erkennen, dass ein Großteil aus Marmor bestand, aber die darin eingelassenen Formen waren aus kostbaren Edelmetallen. Ähnliches galt für die fünf Meter hohen Statuen, die in reich verzierten Alkoven entlang der Wände standen. Auf der Rückseite der Nischen lagen die schmalen Fensterschlitze, die sie von außen gesehen hatte. So fiel das Tageslicht von hinten auf die Statuen und ließ ihre Konturen erstrahlen. Erst, als die Unsterbliche näher hinsah, erkannte sie, dass alle Figuren Abbilder Khaela Menscha Khaines in verschiedenen Haltungen und Posen waren.
Jetzt wurde Yerill klar, dass sie sich geirrt hatte. Dies war kein Palast. Der mächtige Bau schien in Verbindung zum Tempel zu stehen, was auch seine unmittelbare Lage zu selbigem erklärte. Vielleicht war dies ein Versammlungsort, wo die Priester zu den Bürgern sprachen. Der eigentliche Tempel war zum Großteil ja auch die Ausbildungs- und Wohnstätte der heiligen Krieger. Sicher wollten die nicht, dass die gesamte Stadt regelmäßig für Andachten und Gebete in ihre Hallen kam. Seltsam erschien ihr nur, dass das Gebäude wie ausgestorben wirkte. Sie hätte erwartet, dass die Druchii zu Tausenden beten würden, damit die Schlacht gut ausging.
Da sie darauf ohnehin keine Antwort finden konnte, wandte sich Yerill der nächsten Frage zu. Wo sollte sie nun hin? Sie hatte Yucalta versprochen, sich ein wenig umzuschauen. Außerdem brauchte die Druchii unbedingt neue Kleider und Yerill einen Ersatz für ihre Äxte. Den Großteil des Gebäudes konnte sie von hier aus bereits einsehen. Eine Möglichkeit wäre, die Türen entlang der Galerie zu untersuchen, aber sie vermutete dahinter mit einiger Wahrscheinlichkeit ähnliche Zimmer, wie das, vor dem sie gerade stand. Offensichtlich waren sie die Unterkünfte der Priester – oder was auch immer für Leute an diesem Ort arbeiteten.
Es gab jedoch auch unten in der Halle einen verschlossenen Bereich. Gegenüber der goldgeschmückten, zweiflügligen Eingangspforte erhob sich eine in den Raum hinein geschwungene Mauer, in deren Mitte sich in etwa drei Meter Höhe eine Plattform befand. Von dort sprachen die Gottesdiener wohl zu den Gläubigen. Auf der Vorderseite der Mauer bildeten in den Stein gemeißelte und mit Bronze ausgegossene Linien Tausende von Zeilen einer verschnörkelten, winzigen Schrift. Auf der Rückseite führte eine geschwungene Treppe hinauf zur Kanzel.
Auf beiden Seiten gab es einen kleinen Spalt zwischen der Mauer und der Außenwand des Gebäudes, durch Statuen vor beiläufigen Blicken geschützt, von oben jedoch unübersehbar. Und in dem kleinen Bereich hinter der Barriere gab es noch ein paar Türen, die auf Räume in der Außenmauer schließen ließen. Vielleicht nur ein paar Lagerräume, aber möglicherweise dennoch interessanter als die Wohnbereiche hier oben. Und zur Not konnte sie sich immer noch die Zeit vertreiben, indem sie sich auf der Galerie umsah.
Yerill ließ einmal den Blick über die Empore schweifen und runzelte dann die Stirn. Es gab keine Treppe. Vermutlich lag sie hinter einer der Türen verborgen und führte, versteckt vor neugierigen Blicken, innerhalb der Wand nach unten – direkt in den den Priestern vorbehaltenen Bereich hinter der Mauer.
Yerill entschied, dass es einfacher sein würde, unten den Eingang der Treppe nach oben zu finden, als andersherum – die Zahl der Türen dort betrug nur ein Drittel der hier oben – und löste das Problem auf ihre eigene Art: Sie katapultierte sich über das Geländer und sprang die vier Stockwerke nach unten.
Der Aufprall war hart, aber sie kam problemlos mit beiden Beinen auf, federte kurz ab und stand nun auf der Kanzelplattform. Das Echo des Schlags hallte donnernd von den Wänden wieder, als würde der Blutige Gott höchstpersönlich die Anwesenheit eines vom Chaos gezeichneten Wesens in seinem Tempel missbilligen. Als das schwächere der beiden aufeinanderprallenden Materialien nachgab, zogen sich feine Risse durch den Marmor unter ihren Füßen.
Statt die Treppe zu nehmen, sprang sie auch das letzte Stück. Die drei Meter waren zu wenig, um Schaden anzurichten. Zwischen der Mauer und der gegenüberliegenden Wand war nicht viel Raum. Die konvexe Fläche war an der dicksten Stelle, also hinter der Kanzel, vielleicht sechs Meter breit. Hier befanden sich nur ein langer Tisch, auf dem Bücher, Teller einer anscheinend unterbrochenen Mahlzeit und zwei Kerzenleuchter standen, ein Dutzend Stühle und eine große Sanduhr an der Wand, deren Inhalt langsam nach unten rieselte.
In der Wand konnte Yerill fünf Öffnungen ausmachen. Die Unsterbliche wandte sich der Tür ganz links zu. Sie war geschlossen, aber nicht verriegelt. Der Raum dahinter war offensichtlich ein Lagerraum für Lebensmittel. Fässer standen ordentlich übereinander entlang der rechten Wand, links waren Regale bis an die Decke mit verschiedenen Gemüse- und Obstsorten gefüllt. Gegenüber lagen Fleisch und Brot. Glitzernde Felder spannten sich darüber, vermutlich Zauber, die vor Verderbnis schützten.
Die Tür daneben stand offen und führte in eine Küche. Anscheinend wurde das Essen der Gottesdiener hier direkt zubereitet. Angesichts des Prunks des gesamten Tempelbaus überraschte das nicht. Ein Feuer brannte noch, die beiden anderen glühten schwach. Anscheinend war der Raum vor nicht allzu langer Zeit ziemlich hastig verlassen worden.
Erst jetzt fiel der Unsterblichen ein, dass Yucalta eventuell Nahrung gebrauchen könnte. Es war ungewohnt für sie, an die Belange von Sterblichen zu denken, aber sie nahm sich vor, sich Mühe zu geben. Sie beschloss, nach dem Ende der Erkundungen etwas mitzunehmen.
Yerill wandte sich der Tür ganz rechts zu. Dahinter war das untere Ende einer Treppe zu sehen, die wie erwartet im Inneren der Wand nach oben führte. Sie ging zum nächsten Raum weiter. Auch dieser war nicht verriegelt und offensichtlich ebenfalls ein Lager, nur konnte sie nicht alle Objekte identifizieren. Zum Teil schienen es Alltagsgegenstände zu sein: Kerzen, Kleider für die Priester, Papier, Decken, Kissen und viele weitere Sachen. Auf der anderen Seite lagen Dinge, die vermutlich einen religiösen Zweck hatten. Ganze Regale voller Bücher und Schriftrollen. Amulette und anderer Schmuck. Und an der gegenüberliegenden Wand stapelten sich Objekte, die anscheinend für Musik gedacht waren. Yerill erkannte zwei Trommeln und eine Reihe Fanfaren. Gehörte so etwas zu den Zeremonien dazu? Sollte das den Blutigen Gott milde stimmen oder lediglich die Gläubigen unterhalten?
Da sich die Unsterbliche mit Glaube und Religion nicht auskannte, zuckte sie nur mit den Schultern und wandte sich der letzten Tür in der Mitte zu. Sie vermerkte sich aber auch noch, unter den Kleidungsstücken nach etwas Passendem für Yucalta zu suchen.
Hier erlebte sie jedoch eine Überraschung. Die Tür war von innen verriegelt worden. Als Yerill lauschte, erkannte sie Atmung und Herzschlag von mindesten einem Dutzend Personen – auch wenn anscheinend alle versuchten, den Atem anzuhalten.
Yerill zögerte kurz. Sollte sie einfach verschwinden? Sie wollte keine Druchii töten. Andererseits war sie neugierig, weshalb sich die Priester ausgerechnet in diesem Raum verschanzt hatten. Und sie musste sie ja nicht töten. Vielleicht hatten sie sogar Informationen über die Schlacht, die Yucalta helfen konnten.
Kurzentschlossen holte die Unsterbliche aus und trat die Tür aus den Angeln – allerdings so vorsichtig, dass das schwere Holzstück nicht durch den Raum flog und vielleicht noch jemanden erschlug.
Einen Augenblick herrschte Stille. Ein wenig Staub hing aus der Luft, da sie die Scharniere aus der Wand gerissen hatte. Die Zeit reichte, damit Yerill die Männer mustern konnte, die sich im hinteren Teil des Raums an die Wand drückten. Es waren siebzehn. Zwölf trugen dunkelgraue, beinahe schwarze Roben mit weiten Ärmeln. Die Kapuzen hatten sie heruntergeschlagen. Die übrigen fünf waren einfacher gekleidet. Sie trugen Hosen und weite Oberteile aus grobem Stoff, die einen sehr robusten Eindruck machten. Ihre Füße steckten in ledernen Schuhen. Yerill erkannte in ihnen die Diener der Priester, die vermutlich hauptsächlich in der Küche arbeiteten – und möglicherweise den Tempel sauber halten mussten.
Sie sah auch die langen Stäbe, die vier der Priester – diese trugen, vielleicht als Zeichen ihres Ranges, zusätzlich noch schwere, silberne Amulette um den Hals – in den Händen hielten, sowie die Schwerter der anderen. Als sich die Druchii von ihrer Überraschung erholt hatten, schlugen ihr zwei gleißende Blitze und eine Wolke aus Dunkelheit entgegen.
Einen Augenblick lang überlegte Yerill, ob sie ausweichen sollte. Aber dann trat sie einfach betont langsam vor. Der eine Blitz verfehlte sie knapp, der andere schlug in ihre Schulter ein und zerstob wirkungslos. Die Finsternis wehte auf sie zu und dann weiter in die Halle, wo sie sich allmählich auflöste. Sie sah das Entsetzen in den Mienen der Druchii. Der vierte Stabträger hatte einen blau leuchtenden Schild um die Gruppe geschaffen. Seine Hände zitterten, während sie näherkam. Einer der Diener ließ sein Schwert fallen.
„Ich will euch nicht töten.“, sagte Yerill langsam und deutlich, als sie nur noch eine Handbreit vor dem leuchtenden Schild stand. Sie konnte das Vibrieren der Luft spüren. Die Barriere war erstaunlich stark, vor allem, wenn man bedachte, über wie wenig Magie der Priester gebot. In seiner Aura war nur eine winzige Spur Silber enthalten.
„Bleib stehen!“, befahl einer der anderen unnötigerweise. Sie merkte seiner Stimme an, wie schwer ihm das fiel. Ein Teil von ihm wünschte sich nichts mehr, als dass sie näherkommen und ihn berühren würde. Yerill konnte die Erregung, die ihr Anblick auslöste, in den Auren aller siebzehn Männer sehen. Nicht einmal die ältesten der Priester konnten sich dem widersetzen.
Und in diesem Moment erkannte die Unsterbliche, welch ein Geschenk Yucalta war. Kein Mann konnte sie ansehen, ohne von seiner Begierde übermannt zu werden. Sie alle begehrten sie. Und gerade deshalb konnte kein sterblicher Mann jemals echte Gefühle für Yerill entwickeln – ihre Lust war einfach zu stark. Sie konnten nur ihre Schönheit bewundern, sodass in ihrem beschränkten Verstand kein Platz mehr blieb, die wahre Yerill, die Person in dem Körper, zu erkennen.
Yucalta konnte das. Sie hatten sich ungezwungen unterhalten und die Druchii hatte Yerill sogar weggeschickt, um in Ruhe ihre Visionen betrachten zu können. Keiner der Männer würde auch nur auf diese Idee kommen. Die Seherin reagierte als Frau nicht ganz so auf Yerills Reize. Ihre Gefühle reichten tiefer und waren echter. Der Ausbruch, mit dem sie die Unsterbliche dazu gebracht hatte, sich von ihren Schuldgefühlen zu befreien, war Beweis genug.
Sie waren ein höchst seltsames Paar, aber sollten sie sich nicht lieben können, nur weil sie zwei Frauen waren? Oder weil Yerill so viel stärker war? Oder weil Yucalta ihr die Kraft gab, die sie zum Leben brauchte – was sie in gewisser Weise zu Nahrung machte? Nicht dass Yerill sie so betrachtet hätte.
All diese Gedanken waren ihr in weniger als einer Sekunde durch den Kopf gegangen. Zu schnell, als dass die Druchii vor ihr etwas davon mitbekommen hätten. Die Unsterbliche bemerkte jedoch, wie die Priester zu falscher Zuversicht gelangten, als sie erkannten, dass Yerill vor der Barriere angehalten hatte. Zwei reckten ihr erneut die Zauberstäbe entgegen.
Das Mädchen verdrehte die Augen und streckte die Hand aus. Sie fühlte, wie das Vibrieren in der Luft immer stärker wurde, doch den Schild selbst nahm sie nicht wahr. Das Kraftfeld bog sich vor ihren Fingern nach innen, als wollte es zurückweichen. Dann zerstob es mit einem lauten Knall.
Ohne das geringste Zögern reagierte die Unsterbliche. Ihre Bewegungen wurden so schnell, dass die sterblichen Augen ihr nicht mehr zu folgen vermochten. Sie sprang vor und entriss zwei Priestern die Stäbe. Die beiden schweren Metallstangen wirbelten in ihren Händen wie Stöcke durch die Luft. Mühelos schlug sie den überrumpelten Männern die Waffen aus den Händen und stand wieder mitten im Raum, bevor die letzte Klinge mit einem hellen Ping auf den Steinboden fiel.
Es dauerte einen Augenblick, in dem die Druchii starr vor Schreck waren, bevor sie instinktiv reagierten und zurückwichen, bis sie sich an die Wand drückten. Einige warfen sich auch auf die Knie. Keiner kam auch nur auf den Gedanken, wieder nach einer Waffe zu greifen.
„Wir können diese unschöne Situation auf zwei verschiedene Weisen lösen.“, schmeichelte Yerill, während sie langsam auf die Männer zu schlenderte, sich der Wirkung ihrer Bewegungen vollkommen bewusst. „Ihr könnt mir ein paar Fragen beantworten und mir ein paar eigentlich wertlose Dinge überlassen.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und legte sich den Finger ans Kinn, als würde sie nachdenken, während sie den Blick über die Druchii wandern ließ. „Oder ich töte euch, trinke euer Blut und schnappe mir die Sachen dann trotzdem.“
Sie hatte nicht vor, die Drohung umzusetzen. Die Vorstellung, die Elfen zu töten, bereitete ihr keine Probleme, aber Yucalta würde ihr das nicht verzeihen – und der Gedanke, die Seherin zu belügen oder ihr etwas zu verschweigen, bereitete ihr sehr wohl Gewissensbisse.
Noch war Yerill nicht soweit, zu behaupten, auf einer bestimmten Seite zu stehen. Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie mehr über die Druchii lernte. Im Moment fühlte sie sich einzig und allein Yucalta verbunden. Dass sie damit für die Sterblichen kämpfen würde, bedeutete ihr nichts. Sie war nicht länger auf deren Kraft angewiesen, aber sie stand noch immer weit über ihnen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie sich in eine von ihnen verliebt hatte.
„Bitte! Verschont unser erbärmliches Leben. Wir tun, was Ihr wollt, göttliche Schönheit.“, flehte einer der Priester, der sich auf die Knie geworfen hatte. Die Ältesten warfen ihm zweifelnde Blicke zu, aber auch ihnen war die Furcht anzusehen. Die Drohung hatte zusammen mit der kleinen Demonstration ihrer Kräfte Wirkung gezeigt.
Yerill blieb stehen und musterte den Mann am Boden. Er schien unter ihren Blicken zu schrumpfen. „So ist es besser.“, meinte die Unsterbliche. „Ich sagte, ich will euch nicht töten. Ich vernichte nur jene, die mich oder die Druchii bedrohen.“
Sie drehte sich um und schlenderte wieder zurück. Sie hörte, wie die Druchii den angehaltenen Atem ausstießen. Währenddessen ließ sie den Blick durch den kleinen Raum wandern. Es war offensichtlich ein Waffenlager. An der linken Wand standen schlichte, aber stabile Rüstungen, rechts lagen auf Regalen ordentlich aufgereiht Schwerter, Schilde, Armbrüste mitsamt Köcher und Zauberstäbe. All das nahm sie wahr, während sie wieder herumwirbelte.
„Dann seid Ihr eine Gesandte Khaela Menscha Khaines?“, fragte jetzt einer der Ältesten mit weit aufgerissenen Augen. „Hat der Blutige Gott unsere Gebete erhört und uns seinen Engel des Todes geschickt, um uns in dieser Zeit der Prüfungen beizustehen?“
Yerill starrte den Mann an. Sie wusste nicht, ob sie laut lachen oder ihm einfach sagen sollte, wie absurd das war. Sie war ein Geschöpf des Chaos! Gewiss lag Khaine nichts ferner, als ein Wesen wie sie auszusenden. Aber gerade, als sie den Mund geöffnet hatte, kam ihr ein Gedanke. War es nicht eigentlich egal? Spielte es eine Rolle, ob ihr Körper das Werk verdorbener Magie war? Yucalta bat sie, für die Druchii zu kämpfen, und das würde sie. Kam es nicht nur darauf an? Und interessierte es sie, was dem Gott mit den Blutigen Händen gefiel oder nicht? War nicht einzig und allein wichtig, was seine Anhänger glaubten? Wenn den Druchii der Gedanke, eine göttliche Gesandte, einen Engel, vor sich zu haben, neuen Mut gab und ihr selbst half, leichter ans Ziel zu kommen, womit letztendlich dem ganzen Volk gedient war, weshalb sollte sie diese Rolle dann nicht spielen? Außerdem gefiel ihr die Vorstellung.
Sie verwarf die Worte, die ihr eigentlich auf der Zunge gelegen hatten, und nickte.
„So ist es.“
Die Priester und ihre Diener wechselten ehrfurchtsvolle Blicke. Einige warfen sich zu Boden, die anderen verneigten sich in ihre Richtung. „Verzeiht uns den Angriff, ehrwürdige Herrin. Selbstverständlich tun wir, was immer Ihr wünscht. Wenn Euch unser bescheidenes Wissen nützen kann, ist es uns eine Freude, es mit Euch zu teilen.“
Yerill lächelte. „Euer Handeln war richtig. Ihr tatet Eure Pflicht, euer Leben und diesen Ort zu beschützen.“ Sie kam sich ziemlich lächerlich vor, deshalb stellte sie rasch ihre erste Frage. „Weiß einer von Euch, wie die Schlacht verläuft?“ Die meisten der Sterblichen schüttelten mit gesenktem Blick den Kopf. Es war der Älteste, der sie mit der Schattenwolke angegriffen hatte, der schließlich antwortete.
„Nein. Das letzte, was wir hörten, waren Berichte von einem gewaltigen Kampf in der Luft zwischen der heiligen Meisterin Bluthand und dem Totenbeschwörer. Angeblich sollen sie auf mächtigen Drachen reiten, deren Schatten den Himmel verdunkeln und deren Flammen die Stadt in Schutt und Asche verwandeln.“ Seiner Stimme war anzuhören, dass er die Gerüchte für übertrieben hielt. Narr.
„Die Untoten scheinen unsere Verteidiger bis zur Mauer des dritten Rings zurückgetrieben zu haben. Einige sprechen von einem Ausfall. Aber ich kann nicht sagen, wie vertrauenswürdig diese Berichte sind. Sie stammen von Leuten, die die Schlacht aus der vorläufigen Sicherheit ihrer Türme beobachten.“ Yerill konnte seine Verachtung beinahe körperlich spüren und überlegte kurz, ob sie ihn darauf hinweisen sollte, dass er sich ebenfalls in seinem Tempel verkroch, statt die Verteidigung zu unterstützen. Allmählich verging ihr aber die Lust, sich lange mit diesen Männern aufzuhalten und so stellte sie rasch die nächste Frage, weshalb das Gebäude so verlassen war. Sie war froh, als ein anderer Priester antwortete.
„Bis vor Kurzem war dieser Schrein noch voller Gläubiger, die beteten. Doch als der Donner einsetzte und die Erde erbebte, flohen die meisten. Als der Sog kam, baten wir die übrigen, diesen Ort zu verlassen und Khaine nicht mit Gebeten von der Schlacht abzulenken. Denn es erschien uns wie ein Zeichen. Wir haben uns dann hier in Erwartung eines Angriffs versteckt.“
Yerill zeigte keiner Reaktion und das schien den Priester zu verunsichern. Er schien zu befürchten, dass sie die Entscheidung verurteilen würde. Diese Männer hielten sie tatsächlich für eine Gesandte des Blutigen Gottes. Irgendwie war das wirklich schmeichelhaft.
Die Wahl ausgerechnet dieses Raumes war leicht nachzuvollziehen. Das Lager schien nur für den Fall einer Verteidigung des Tempels – oder Schreins, wie der Mann es genannt hatte – zu existieren. Ansonsten gaben ihr die Berichte nur wenig neue Informationen. Der Ausfall der Druchii, wenn nicht vollkommen übertrieben oder erfunden, war eine Neuigkeit, aber da der Splitterdrache Nerglots Armee vermutlich zerstört hatte, spielte das kaum noch eine Rolle. Sie beschloss, ein anderes Thema zu wählen
„Weshalb werden hier Zauberstäbe gelagert? Sie müssen doch auf einen Zauberer geprägt werden.“ Das hatte Nerglot ihr erklärt, als sie ihn neugierig nach seinem Stab gefragt hatte. So ganz hatte sie die Funktionsweise allerdings nicht verstanden. Magie war ihr größtenteils fremd. „Ihr seid ohnehin keine Magier.“ Das war offensichtlich. Sie konnte die geringen Fähigkeiten in ihren Auren sehen. Außerdem war die Zauberei den Hexen vorbehalten. Männer durften bis auf gewisse Grundlagen in Ausnahmefällen keine Magie erlernen. Blitze zu schleudern ging darüber schon hinaus, würde sie vermuten.
Dieses Mal war es der Älteste, der den Schild erschaffen hatte, der antwortete. „Das sind keine Stäbe wie die Hexen der Konvente sie verwenden. Ihr habt vollkommen recht, dass diese stets nur von der Zauberin verwendet werden können, die sie geschaffen hat.“ Er versuchte, ihr zu schmeicheln, indem er ihr recht gab, aber Yerill zeigte wieder keine Reaktion.
„Diese hier werden als Artefaktstäbe bezeichnet. Jedem von ihnen wurde ein bestimmter Zauber eingewoben, den jeder, der über genug magische Kraft verfügt, einsetzen kann. Wie ihr so treffend festgestellt habt, besitzen wir keine nennenswerten Fähigkeiten im Bereich der Zauberei. Aber wir können genug, um die Stäbe zu aktivieren. Das ist nicht schwer, weil sie dafür geschaffen wurden, uns bei der Verteidigung des Schreins zu helfen.“
Yerill lächelte leicht. Das gefiel ihr. Yucalta brauchte unbedingt einen neuen Zauberstab. So einer schien perfekt für sie zu sein. Sie hob den auf, mit dem der Schild erzeugt wurde. Anschließend beäugte sie die Waffensammlung und verfluchte sich dafür, ihre Äxte im Tempelturm zurückgelassen zu haben. Aber hätte sie die ebenfalls mitgenommen, wäre Yucalta bei dem Sprung – oder wenigstens bei der Landung – sicherlich verletzt worden.
Also griff sie sich zwei Anderthalbhänder und befestigte sie an ihrem Gürtel. Sie achtete darauf, dass die Waffen passende Scheiden hatten. Es war ja nicht auszuschließen, dass sie Yucalta früher oder später nochmal tragen musste. Und dann wäre es gefährlich, wenn zwei blanke Schwerter von Yerills Hüfte baumeln würden.
Damit erst einmal zufrieden, wandte sie sich von den Männern, die es kaum wagten, sich zu bewegen, ab und kehrte noch einmal in den Lagerraum nebenan zurück. Es dauerte eine Weile, aber schließlich hatte sie ein paar passende Kleidungsstücke gefunden, die Yucalta als Ersatz für den zerrissenen Mantel tragen konnte. Sie kannte die junge Druchii noch nicht wirklich gut, aber sie hoffte, die Gewänder würden ihr gefallen.
Als Letztes besorgte sie noch, wie sie es sich vorgenommen hatte, etwas zu essen und zu trinken, bevor sie sich an den Aufstieg der Treppe machte. Die Last war etwas unhandlich, aber das Gewicht beeinträchtigte sie nicht. Die Tür am oberen Ende musste sie erneut auftreten, da sie keine Hand frei hatte. Krachend flog das schwere Holz gegen die Brüstung der Galerie.
Einen Augenblick zögerte die Unsterbliche, weil sie sich nicht mehr ganz sicher war, welches das richtige Zimmer war. Sie ließ sich schließlich von Yucaltas regelmäßigem Herzschlag führen. Etwas vorsichtiger schob sie die Tür auf und trat geräuschlos ein.
Die Seherin saß auf der Bettkante und blickte in Richtung Fenster. Sie wirkte entspannt und klopfte in langsamem Rhythmus mit dem Fuß auf den Boden. Vielleicht dachte sie nach. Eine kleine Ewigkeit lang blickte Yerill sie einfach nur an. Sie genoss das goldene Licht, das nur sie allein sehen konnte, die Wärme, die darin lag. Aber sie sah auch die Frau dahinter und bewunderte sie. Yucaltas pechschwarzes Haar fiel ihr offen bis auf den Rücken. Durch die Risse in ihrem Umhang lugte glatte, zarte Haut. Und Yerill dachte an ihr Gesicht, wenn sie lächelte. Ein Seufzen entfuhr ihr und die Seherin fuhr herum.
Als sie die Unsterbliche erkannte und lächelte, war sie noch schöner als in Yerills Erinnerung.
„Du warst ganz schön lange weg.“, stellte sie fest. Yerill meinte nur lächelnd: „Ich habe dir ein paar Kleinigkeiten mitgebracht.“ Dann beschrieb sie den Tempel und berichtete, was die Priester ihr über die Schlacht hatten sagen können. Währenddessen legte sie ihre Waffen ab und setzte sich auf die Bettkante. Yucalta unterbrach sie, bevor sie den Zauberstab erwähnen konnte.
Die Seherin schob sich einen Bissen Brot in den Mund und erzählte dann ihrerseits, was sie herausgefunden hatte. Sie hatte alles in ihren Visionen beobachtet, was geschehen war. Den Luftkampf, den Ausfall, der tatsächlich stattgefunden hatte, die Zerstörung des Tempels, den Kampf gegen den Splitterdrachen und schließlich sogar, wie Viverla’atar Nerglot in Sicherheit gebracht hatte.
Während sie zuhörte, knabberte Yerill ihrerseits vorsichtig an einem Stück Brot. Der Geschmack gefiel ihr und sie nahm einen größeren Bissen. Sie brauchte nichts essen oder trinken, da sie alle Lebensenergie, die sie brauchte, von Yucalta bekam. Aber unter der harten Haut war ihr Leib noch immer der einer Elfe, was bedeutete, dass sie essen konnte. Und das Mahl mit der Druchii zu teilen, fühlte sich richtig an. Yucaltas Lächeln gab ihr recht. Es wäre sicher unangenehm, wenn die junge Seherin immer allein essen müsste, während ihre Geliebte nur zusah.
„Und ich habe noch etwas bemerkt.“, erklärte Yucalta begeistert. „Ich kann nicht nur sehen und hören, was irgendwo irgendwann geschah oder geschehen wird. Ich kann auch alle Gedanken, die eine Person jemals gedacht hat, in Erfahrung bringen. Ich kann ihre Erinnerungen durchleben und ihr Wissen teilen. Allerdings nicht von allen Personen. Meine Vermutung ist, dass mir erst ihr Tod diese Möglichkeit gibt, wenn ihre Seelen in die Winde der Magie aufgehen.“
Ihre Augen waren weit vor Erstaunen und Yerill erschauderte. Sie war eigentlich ganz froh, nicht die Gedanken anderer Leute zu kennen. Yucalta konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf das Gespräch und fuhr fort.
„Es gibt Ausnahmen. Was die Kinder des Mordes gedacht haben, kann ich nicht erkennen. Genauso wenig Slonish, Drrochaal oder Ephingis.“ Als sie Yerills verständnislose Miene sah, erklärte sie: „Das waren wichtige Anführer des Chaos und der Orks. Sie haben in den letzten vier Tagen gegen uns gekämpft, bevor Nerglot unser Feind wurde. Ihre Götter bewahren sicher die Seelen ihrer Erwählten, sodass sie nicht in den Winden der Magie verloren gehen.“
Yerill nickte und fragte dann: „Kannst du mich sehen?“
„Nein. Die Gedanken des Gesichtslosen kann ich auch nicht finden, obwohl er tot ist. Ich kann euch beide überhaupt nicht wahrnehmen. In der Vergangenheit sind dort, wo ihr wart, nur blinde Flecken. Es ist, als würden alle, die von dir oder ihm getötet wurden, einfach aus dem Nichts erschlagen. Und in der Zukunft kann ich nicht sehen, welche Rolle du spielen wirst. Ich weiß weder, was aus dir wird, noch wie sich bestimmte Vorhersagen ändern würden, wenn du eingreifen würdest. Aber das ist gut so. Ich könnte nicht mit dir zusammenleben, wenn ich wüsste, welches Schicksal dich erwartet.“
Sie zögerte kurz. „Es ist insgesamt schwer, die Zukunft vorherzusehen. Meine Fähigkeiten scheinen … anders zu sein als die, über welche die Autorin des Buches gebot, mit dessen Hilfe ich das gelernt habe. Ich sehe sehr viel mehr Details in der nahen Zukunft als sie, mehr Alternativen, mehr Einflüsse, aber ich kann nicht weit voraus sehen. Sie hat Jahrtausende überblickt. Ich sehe schon in in fünfzig Jahren nur noch sehr grobe Möglichkeiten. Dinge, die ziemlich sicher sind, weil nur wenig Einfluss darauf genommen werden kann.“
Sie seufzte. „Und ich habe nie damit gerechnet, dass es derart verwirrend sein würde. So viele Möglichkeiten, die sich fortwährend ändern, miteinander in Verbindung stehen und von zahllosen Eventualitäten beeinflusst werden.“ Sie blickte Yerill finster an. „Und dann kommst auch noch du, die ich überhaupt nicht sehen kann!“ Einen Moment später grinste sie und die Unsterbliche entspannte sich.
Yucalta wurde jedoch schnell wieder ernst. „Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, wie wir beide die Zukunft am besten beeinflussen können. Es sind eigentlich keine schweren Aufgaben. Aber wir werden uns trennen müssen.“ Sie blickte dem Mädchen direkt in die Augen. „Wirst du auf unserer Seite kämpfen, Yerill?“
Die Unsterbliche schluckte. „Ja. Auch wenn es mir lieber wäre, du würdest in meiner Nähe bleiben. Ich werde für dich wieder in die Schlacht ziehen. Wenn das heißt, dass ich für die Sterblichen streite, dann sei es so. Ich werde der Seite dienen, auf der du stehst.“
Yucalta schloss die Augen und nickte dankbar. Dann erklärte sie ausführlich, wo sie sein würde und was sie zu tun gedenke. Yerill fühlte Erleichterung, als ihr klar wurde, dass sich die Seherin nicht unmittelbar in Gefahr begeben würde. Anschließend beschrieb Yucalta, welche Aufgaben Yerill haben würde. Es hörte sich einfach an, auch wenn die Vorhersagen an einigen Stellen mehr als unsicher waren. Aber sie war zuversichtlich, mit allen Bedrohungen fertig zu werden.
Als Yucalta fertig war, durchdachte Yerill alles noch einmal, nickte dann und fragte: „Haben wir noch ein bisschen Zeit vorher? Für uns?“ Die Seherin nickte und wirkte auf einmal nervös. Yerill rückte neben sie, legte ihr einen Arm um die Hüfte und die andere Hand an ihre Wange, sodass sie einander ansahen.
„Yerill…“, begann Yucalta und die Unsterbliche zögerte. „Bist du dir sicher, dass wir das Richtige tun? Du kennst mich nicht einmal eine Stunde lang. Du bist erst einen Tag alt.“ Sie biss sich auf die Lippe, als Yerill zusammenzuckte. „Woher willst du wissen, ob ich wirklich das bin, was du willst? Ich meine, ich bin eine Frau und … ich … vielleicht verliebst du dich irgendwann in einen Mann, wie es … normal ist.“ Sie verstummte. Yerill strich ihr sanft über den Hals.
„Du bist, was ich will, Yucalta. Du warst die erste, die versucht hat, mich näher kennenzulernen. Du siehst mehr als nur meinen Körper, du suchst nach der Person in mir. Kein Mann kann mich ansehen, ohne von seiner Lust überwältigt zu werden. Ich sehe es in ihren Gesichtern, mehr noch in ihren Lebenslichtern. Wie soll ich jemanden lieben können, der immer nur an … körperliche … Befriedigung denkt?“
„Ja, aber selbst wenn das mit dem Geschlecht kein Hindernis ist … wer sagt uns, dass es nicht irgendwann eine andere Frau geben wird?“
„Keine andere Frau, kein anderes Lebewesen hat eine solche Wirkung auf mich. Du bist wunderschön, Yucalta, und etwas Besonderes. Es mag hunderte oder Tausende Magierinnen geben, aber die Zauberei hinterlässt einen bitteren Ton in ihren Auren. Nur du jedoch bist eine Seherin. Dein Lebenslicht spiegelt keines deiner Gefühle. So wie du meine Zukunft nicht sehen kannst, bleibt dein Innerstes für mich ein Rätsel. Das macht den Umgang mit dir aufregender. Du strahlst in vollkommenem Gold. Selbst wenn deine Schönheit und deine Liebenswürdigkeit nicht reichen würden, um mich zu halten … diese Kraft werde ich niemals freiwillig verlassen.“
Sie legte die Arme um Yucaltas Hüften und hob die Seherin mühelos auf ihren Schoß. Sanft wanderten ihre Lippen über ihren Hals. Sie spürte, wie Yucalta zögerte und etwas sagen wollte. Doch dann entspannte sie sich und ließ sich auf die Liebkosungen ein. Zärtlich glitten die Fingerspitzen der Druchii ihren Rücken hinab. Sie vergrub den Kopf in Yerills Haar und lehnte sich an sie.
„Und wenn du wieder die Kontrolle verlierst?“, murmelte sie ohne echtes Interesse. In ihrer Stimme war keine Angst. Sie wollte trotz aller Zweifel und Risiken nicht aufhören, spürte Yerill. Die Unsterbliche jedoch horchte einen Augenblick in sich hinein und dachte an das Gefühl des lebendigen und kraftgeladenen Körpers in ihren Armen. Ihre Finger fuhren über die glatte Haut und tasteten nach der Macht darunter. Doch die war jetzt verborgen. Sie konzentrierte sich auf das Gefühl des goldenen Lichts, das von Yucalta ausging, und atmete tief ein, um diese Kraft zu schmecken. Erregung erfasste sie, doch es war eine rein körperliche Sehnsucht, eine Reaktion auf die Nähe der jungen Frau und die Gefühle, die sie teilten. Da war kein Verlangen nach mehr, kein Drang, diese zarte Haut zu verletzen, um an ihr Blut zu kommen. Sie verlangte nichts, was Yucalta ihr nicht freiwillig geben würde.
Sie schob Yucaltas Mantel über ihre blassen Schultern. Mehr trug sie nicht, seit Yerill ihre Wunden versorgt hatte. „Die Sucht ist weg. Dein Zauber hilft uns beiden.“, murmelte sie und legte ihr Gesicht zwischen Yucaltas Brüsten. Ihre Zunge leckte sanft über die weiche Haut und die Druchii stöhnte. Ihre Finger lösten zitternd die Tücher, die Yerills Körper bedeckten.
Als die Unsterbliche sie beide aufs Bett zog, fanden ihre Lippen zueinander. Das Gefühl der blendenden Energie explodierte in Yerill. Sie umfasste Yucaltas Beine und drückte sie an sich. Ihre Finger strichen vorsichtig über Hüfte und Rücken der Druchii, um sich dann wieder in ihr Haar zu vergraben.
Als Yucalta schließlich mit einer Hand über ihren Bauch fuhr und dann zögerlich zwischen ihre Schenkel glitt, schlang Yerill begierig die Beine um ihren Körper und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Alle Zweifel an ihrer Beziehung waren vergessen und für eine Weile spielte die Schlacht keine Rolle mehr. Es gab nur sie beide und ihre Körper, die sich immer näher kamen.