Ich bin auch mal mutig.
Meine Kurzgeschichte handelt natürlich aus dem Leben eines Dark Eldar. Ich hoffe, es ist alles verständlich.
Es gibt nicht Viele, die sich der Dunkelheit erfreuen, wenn man weiß, dass etwas Schlimmes passieren wird. In dieser dunklen Gewissheit standen Menschen Schulter an Schulter. Sie waren so leise, dass man meinen könnte, man stände allein in einer großen Halle. Es war diese Ruhe, in der keiner auffallen wollte. Still in der Hoffnung, dass der Atem des Nachbarn lauter als der eigene sei und das Schicksal ihn eher ereilte.
Die Dunkelheit wich einem flimmernden Licht. In der Halle standen Maschinen, deren Zweck sich für Fremde nicht erschließen konnte. Offenbar wurden hier Rüstungsteile produziert. Das dunkle Metall eines Geräts spiegelte das Licht der Kerze wider. Offenbar war diese Halle eine Fabrik und die Menschen ihre Arbeiter. In diesem Augenblick aber passierte nicht das, was hier sonst passieren sollte. Einige kniffen die Augen zusammen, als ein Wimmern schallend durch die Halle getragen wurde. Eine zweite Kerze wurde entflammt.
Das Wimmern kam von einem Mann, der mittig in der Halle mit Händen und Füßen an Metallseilen festgebunden wurde, die am Boden und an der Decke verankert waren. Er war nackt, nur ein verdreckter Lendenschurz bedeckte ihn. Seine Haut war voller Ruß und Dreck und an manchen Stellen klebte verkrustetes Blut. Seine Halsmuskeln vermochten den Kopf nicht mehr zu tragen. Die dritte Kerze warf ihr Licht auf diesen Körper.
Dieses Licht beschien außerdem die Gesichter der anderen Menschen, die in respektvollem Abstand einen Kreis um den Festgebundenen bildeten. Die Gesichter zeigten Angst oder Trauer, in einigen konnte man Tränen blitzen sehen. Aber jeder von ihnen schwieg und starrte zur Mitte. Die vierte Kerze flackerte nun.
Die Kerzen waren im gleichen Abstand weiter entfernt um diesen Kreis postiert. Sie wurden von menschenähnlichen Wesen gehalten, die über die Arbeiter hinweg zur Mitte schauten. Diese „Menschen“ (kein Gefangener kannte mehr von ihnen als die Bezeichnung Dark Eldar) trugen dunkle Rüstungen, die mit Stacheln an Beinen, Armen und Schultern bespickt waren. Ihr Helm verdeckte den kompletten Kopf und trug ebenfalls zwei große, nach oben ragende Stacheln in Ohrhöhe, die mehr Klingen als Dornen glichen und sicherlich auch einen praktischen Zweck hatten. Jene, die es wagten, durch den Helm die Augen zu suchen, blickten in puren Hass. Die Arbeiter schienen zu wissen, zu welchem Zweck die Flammenträger hier waren. Keiner wagte einen Ausbruchsversuch, nicht mal eine falsche Bewegung. Eine letzte Kerze wurde von ihrem Träger entzündet und schloss den äußersten Kreis.
„John Cascadoe, du hast dich der Faulheit hingegeben und dich strafbar gemacht. Bist du bereit, deine Strafe zu empfangen?“ Die Stimme klang weiblich und kalt wie berstendes Eis. Die Mutigen unter den Arbeitern schauten auf ein Gerüst über ihnen, wo man nicht mehr als einen Schatten erkennen konnte.
„Ich habe seit 48 Stunden gearbeitet. Ich habe nicht gegessen und nicht geschlafen und auch keine Pause gemacht. Meine Beine sind taub. Ich habe Krämpfe im ganzen Körper.“ Der Gefangene in der Mitte mit dem Namen John hob nicht den Kopf. Seine Worte kamen nur langsam aus ihm heraus, die Worte kratzten hörbar in seiner Kehle. Wieder wurde es ruhig in der Halle, bis schließlich ein leises Lachen ertönte, das immer lauter wurde. Durch das Echo war es nicht möglich, den Ursprung zu finden. Der Schatten war verschwunden.
„Ach John, was glaubst du, wo du bist? Du denkst, achtundvierzig Stunden Arbeit geben dir das Recht einer Pause? Wie viel ist dir dein Leben wert?“ Die Gestalt stand jetzt zwischen zwei Flammenträgern. Die Kerzen warfen ihr Licht auf einen langen, dunklen Umhang, der den kompletten Körper verdeckte.
„Ich habe dir die Gnade erwiesen, am Leben zu bleiben. Ich habe dir das Recht gegeben, deinen Namen zu behalten und du weißt ihn immer noch. Ich hab dir sogar das Privileg gegeben, mit mir zu reden und was ist der Dank dafür?
Du bist schwach. Zu schwach. Allzu menschlich. Ich habe mehr von dir erwartet. Ihr seid erbärmlich.“ Sie bahnte sich einen Weg durch die Menschen, die sofort Platz machten. Als sie in der Mitte ankam, hoben die Flammenträger ihre Kerzen, sodass mehr Licht die Mitte erreichte. Durch einen Schlitz im Umhang lugte kurz ein Bein hervor. Es war dünn, hellhäutig und glatt. Auch konnte man jetzt die pechschwarzen Haare erkennen, die vom Kopf herab scheinbar übergangslos in den Mantel fielen. In ihrer rechten Hand trug die Gestalt ein langes Stahlseil.
„Schaut her, Arbeiter. Ich möchte, dass ihr alle seht, was passiert, wenn ihr euch der Versuchung hingebt. Ihr seid nicht zum Spaß hier und ihr habt kein Recht auf Selbstbestimmung. John wird nun seinem Schicksal entgegentreten.“
John hob langsam sein Gesicht. Seine nassen und roten Augen suchten den Anblick seines Peinigers. Die fettigen Haare verdeckten nur teilweise die völlig verkrampften Wangenmuskeln. Die Frau strich ihm mit langen Fingernägeln über den Bauch, bevor sie ihren Kopf an sein Ohr führte und flüsterte:
„Gib mir deine Seele, John.“ Dann stieß sie ihn Weg, sodass er an den Ketten nach hinten flog und holte zum Schlag aus. Man hörte ein Zischen gefolgt von einem Knall. Die Kerzen schienen heller zu leuchten.
Ein fürchterlicher Aufschrei füllte die Halle, Blut floss aus einem Schnitt quer über Johns Bauch. Die Dunkle ließ den Kopf in den Nacken fallen und stöhnte voller Leidenschaft.
John biss sich auf die Lippen und kniff die Augen zusammen, als noch mehr Tränen das Gesicht herunter liefen. Doch er wollte mutig sein, er wollte dem Wesen keine weitere Genugtuung seiner Schreie geben. Sie holte zum zweiten Schlag aus.
„Nein!“ kam es aus der Menge. Sie ließ die Hand fallen und fuhr herum.
„Wer wagt es?“ Wer immer auch geschrieen hatte, er konnte jetzt in ein Gesicht blicken, dessen rot glühende Augen Zeugen von Hass und Entzückung zugleich waren.
„Antworte!“ Sie wartete, bekam aber keine Antwort. Wider Erwarten formten sich ihre Lippen zu einem Grinsen. Sie nahm einen Mann willkürlich aus der Menge und stellte ihn vor den Gefangenen. Der Mann trug einen zerfetzten Leinensack mit einer Kordel um den Bauch. Sie drückte ihm das Stahlseil in die Hand.
„Also gut. Wenn ihr nicht wollt, dass ich den Spaß alleine hab, werde ich wohl teilen müssen“, sprach sie zur Menge. „Jeder von euch darf einen Schlag auf den Gefangenen machen. Schlagt fest zu, lasst all eure Wut heraus. Ich will sein Blut schmecken können!“
Der Mann schaute auf John. Seine Beine konnten ihre Last nicht mehr tragen, sodass er nur noch an den Armen in den Ketten hing. Er sah auf den blutenden Bauch. Er zögerte.
„Na los! Warte nicht! Genieß es! Andere müssen auch zuschlagen!“ Aus Angst getrieben zog er seine Hand nach hinten und dachte über eine Art von Schlag nach, die nicht schmerzhaft sein würde. In dem Moment trafen sich ihre Blicke. Der Mann erkannte in John die gleiche Pein, den gleichen Schmerz und die gleiche Verzweiflung, die er selbst erlebt hatte. Er konnte ahnen, wie er sich fühlen musste.
„Ich kann nicht.“
Die Frau ging zwei Schritte auf den Mann zu.
„Na schön, dann musst du Johns Schicksal teilen.“ Blitzschnell sprang eine Klinge aus dem Umhang hervor und bahnte sich seinen Weg durch den Magen des Mannes. Am Schaft des Schwertes hob sie ihn mühelos in die Luft, sodass er direkt über ihr hing und sein Blut in ihr Gesicht tropfte. Direkt darauf fielen vier Kettenenden von der Decke herab, schlangen sich um die Gliedmaßen des Mannes und zogen ihn hoch zur Decke. Dort oben hing er nun, nicht in der Lage, seinen Schmerzen Ausdruck zu verleihen, nur ein Krächzen verriet, dass er noch lebte. Die Frau stand direkt im Blutregen und genoss jeden Tropfen, der auf sie herabfiel. Schließlich öffnete sie die Augen und sprach wieder zur Menge.
„Wer ist der Nächste?“
Sie zog eine Frau aus der Menge und gab ihr das Seil in die Hand. Mit einem leisen „Es tut mir Leid“ schoss es auf den Gefangenen und verursachte einen neuen Schnitt. John schrie.
„Weiter, jeder muss zuschlagen. Teilt nicht das Schicksal des Schwachen!“
Weitere Männer und Frauen traten hervor, um es der Zweiten gleich zu tun. Die umhüllte Frau schlich hinter den Gefangenen und genoss jeden Schlag. Sie hob die Arme, ganz wie John an seinen Ketten, schloss die Augen und seufzte zufrieden. Mit jedem weiteren Schlag, jedem weiteren Schrei wurde ihre Freude größer, ihre Melodie des Genusses immer lauter. Ein paar Schläge später sank sie schließlich auf die Knie, dabei fing sie regelrecht an zu stöhnen.
„Weiter! Nicht aufhören!“ Je lauter sie wurde, desto leiser wurde John. Mittlerweile waren Bauch, Beine und Arme rot gefärbt und er kniete in seiner eigenen Blutlache. Man konnte die Furcht im Raum mit Händen greifen.
Ein weiterer Knall und noch einer folgten. Als ein kräftig gebauter Mann zuschlug ging das Stöhnen der Frau in Laute voller Ekstase und Hingabe über, immer schriller, immer schneller. Während sie den Raum mit ihrer Stimme füllte, wurde alles andere blasser. Ihr Schrei klang unnatürlich, wie ein Kreischen einer verstimmten Geige. Wind umspielte ihre Haare, darauf auch die aller anderen. Der Wind wuchs zu einem Wirbel, einem Sturm in der Halle, kreisend um John. Die Kerzen flackerten wilder. Der Sturm schien das Licht aufzusaugen und es nicht wieder loslassen zu wollen. Die Stimme der Frau wurde jetzt zunehmend tiefer, klang wie ein donnerndes Unwetter, so laut, dass es nicht mehr von ihr kommen konnte. John fing an zu Zittern, erst an den Händen, dann am ganzen Körper. Seine Augen wurden weit aufgerissen und seine Muskeln spannten sich an. Sein Mund stieß einen langen, klanglosen Schrei aus. Die Menschen duckten sich und suchten nach Sicherheit. Die Halle war wieder komplett dunkel, nur der Tornado strahlte sein gefangenes Licht auf die Zwei in seinem Auge. Das gelbliche Licht ging in ein strahlendes Weiß über, so hell, dass man schließlich kaum noch hindurch gucken konnte. John schien von den Ketten zerrissen zu werden. Genauso schien es der Frau zu ergehen, mit dem Gesichtsausdruck purer Leidenschaft.
Dann ließ John alle Muskeln fallen und regte sich nicht mehr. Sofort verstummte das Donnern, nur ein Zischen des Windes war noch zu hören, während die Frau ihre Hände kniend gen Himmel streckte. Der leuchtende Strom fokussierte sich in der Mitte, stetig kleiner werdend. Die restlichen Gefangenen spürten keinen Wind mehr, konnten aber sehen, wie die Frau vom strahlenden Licht in die Höhe getragen wurde. Sie öffnete den Mund und atmete tief ein, wodurch sie den Wirbel förmlich in sich aufnahm wie Wasser durch einen Strohhalm. Ihre Augen fingen grell an zu leuchten, als es um sie herum dunkler wurde. Schließlich war jedes Licht erloschen und die anfängliche Stille wieder hergestellt. Man konnte noch hören, wie die Frau auf den Boden fiel. Und obwohl man nichts mehr sah, blieb die Angst. Das schien die Frau in der Mitte mit einem Stoß wieder zum Atmen zu bringen. Als es in der Halle durch nicht erfassbare Lichtquellen wieder heller wurde, rollte sie auf den Rücken und strich sich mit der Hand über den Mund.
„Zurück an die Arbeit, Sklaven.“
Als die Maschinen wieder liefen und kein Mensch mehr gaffte, stand sie auf und verließ die Halle.
„Nur ein dreckiger Gefangener. Mich dürstet es nach frischen Seelen.“
Sie war eine von denen, die die Dunkelheit mochten.