@Telzo:
Vorweg: Ich habe bewusst die Passagen unterschiedlich hervorgehoben und möchte gesondert auf diese eingehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass hier zwei unterschiedliche Baustellen bearbeitet werden müssen und in einer komplexen Debatte wie dieser eine übersichtlichere Aufteilung zwar nicht heuristisch (dabei liebe ich doch die Ökonomie der Worte! 😀), dafür aber (hoffentlich) "mäeutischer" ist, o Kritias. 😉
Nun denn, zuerst einmal zum Antisemitismus-Vorwurf bzw. dem Konstrukt antisemitischer Tendenzen. Ich für meinen Teil bin der Auffassung, dass, wer voreilig Antisemitismus und schlimmeres diagnostiziert, schnell vergisst, dass Sprache eben kein Idealdiskurs in sich ist. Die durchaus übliche und wenig sachdienliche Vermengung von Juden als religiöser Integrität mitsamt der Israelis als "topographischem Faktor" sowie Institutionen wie dem Zentralrat der Juden ist schlechterdings nicht zulässig, klar. Er setzt nicht nur evident falsche, sondern auch noch monokausale Beziehungen in den Gang, so als ob sch Bürger des gleichen Glaubens nur und ausschließlich über diesen definieren lassen, dabei sind sie doch möglicherweise auch noch Vater, Mutter, Bruder, Fußballenthusiast, Maler, Pizzabäcker und vieles mehr. Aber - und dieses "aber" ist ein zuhöchst akkusatives! - eine solche Vermengung ist nicht gleich eine Ideologie, die darauf abzielt, eine wie auch immer bestellte politische Willensbekundung auszudrücken. Doch der Antisemitismus ist ein solches ideologisches Paradigma, da er für sich nicht in Anspruch nehmen kann, Wissenschaft und damit faktenbasiertes zu sein.
Eine "Sprachverirrung" (d.i. immer auch "Denkverirrung", wenn man so will) setzt falsche Kontrapunkte und blockiert eine wissenschaftliche Erarbeitung, ist aber per se sicher keine Ideologie. Darum halte ich den Antisemitismusvorwurf bzw. das Erkennen latenter Tendenzen für wohlfeil. Der maliziös wirkende Tonfall khoRneELFs hat nicht dazu beigetragen, diese Verallgemeinerung zu entschärfen, das ist richtig, aber dieser alleine macht auch noch keinen Antisemitismus - wer anderen Simplifizierung vorwirft, darf um seiner unsterblichen Seele willen (womit wir wieder beim Anfang des Beitrages wären :lol🙂 nicht in dieselbe (ja, nicht nur die gleiche, sondern dieselbe!) Falle tappen.
Nun zum Realitätsbegriff der Sprache. Meine Auffassung ist, dass der Prozess genau andersherum aufgerollt werden müsste: Sprache ist "akzidenteller Kontext", d.h. sie setzt keine Realität fest, sondern wird aus ihr geboren. Handlung und Realität muss ohne Sprache möglich sein, ist von ihr gänzlich verschieden, darum kann Sprache auch keine solche schaffen, sie ist das Medium zum Abdrucken einer Willensäußerung. Streng genommen ist sie damit sogar wieder objektiv, da Sprache als Sprache selber keine Subjektivitäten zulässt, da alle Konventionen auch Prämissen sind, wie z.B. auch die Mathematik. Das ist freilich nur meine Meinung. 😉