Stille. Absolute Stille. Für einen Moment genoss Sahlem die Stille innerhalb der eingefallenen Mauern- und Grundsteinreste des ehemaligen Basars. Vor nicht mal 2 Wochen spielten hier noch Kinder, Männer und Frauen handelten um Waren aller Art und Trickbetrüger versuchten ihr alltägliches Geld zu ergaunern. Jetzt, ist es nur noch ein stummer, entstellter Zeuge eines Konfliktes, so sinnlos wie die Reden der meisten Politiker hier auf Mahkep II. Der Wüsten- und Steppenplanet war, trotz seiner Oberfläche und Beschaffenheit, reich an Mineralien, Gewürzen und war reich durch Handel mit anderen Systemen. Große Makropolstädte mit weitreichenden Ringen aus betonisierter Zivilisation zeugten vom Fortschritt der Menschheit in einer Kombination der Einfachheit. Einfachheit deswegen, weil nicht unendlich hochgestapelter Stahl die Städte kennzeichnete, sondern maximal zwei Etagen hohe Baukunst in Verbindung mit harten Steppenboden oder eben Beton. Vor 2 Wochen startete der Krieg. Vor einer Woche standen die Angreifer vor der Hauptstadt Ahap’katar. Die Verteidiger und hohen Tiere sahen eine nahende Niederlage und hatten daher Sahlem und seine Einheit ausgesandt, inmitten der Kampfhandlungen den Anführer der Eroberer auszuschalten in der Hoffnung, die feindlichen Truppen so zum Rückzug zu zwingen. Tage lang versteckten sie sich in einen Geheimraum unter dem Basar und warteten auf den richtigen Moment. Nun war er gekommen.
Langsam setzte er sich in Bewegung. Seine Stiefel aus Kamelleder drückten sachte den Sand und Schutt auf dem Betonboden zur Seite. Es knackte leise, als sich Sandkörner aneinanderreihten und rieben. Fast lautlos presste er seinen Körper gegen die Wand und erblickte durch ein Mauerloch sein Ziel: Ein Mann mit schwarzem, langem Mantel. Ein Rückenmodul diente als Energiequelle und Sahlem kannte solche Konstruktionen von den Adeptus Astartes, doch hier war er kleiner und kompakter. Für einen normalen Menschen eben konzipiert. Die Arme des Mannes waren beide durch bionische ersetzt. Er trug eine Offiziers-Visiermütze, die an einen Kommissar der imperialen Streitkräfte erinnerte. Sein Name: Morgan Seth – The Reaper. Um ihn herum standen vielleicht 2 Hand voll Männer mit schweren Rüstungen und Schnellfeuer Lasergewehren, deren Energiezuvor am Rücken befestigt waren. Langsam drehte sich das Meuchelziel zu Sahlem und kurz wirkte es so, als würde die Skelettschädelmaske mit den rot glimmenden Augen direkt in seine Seele starren. Eiskalt lief es seinem Rücken herunter, als hätte Sahlem in den Tod persönlich gestarrt. Als sich der als „The Reaper“ bezeichnete General wieder herumdrehte, atmete Sahlem tief aus und schaute zu seinen 9 Männern. Sie alle hatten typische tallarnische Militäruniformen in bernsteinfarbenen Tarnkleidungen und unter den Turbanen der Soldaten versteckt, verschleierten die Männer ihr Aussehen. Sie alle trugen automatische Gewehre und ein jedem wurde ein Krummsäbel und eine Granate dazugegeben. Eine Flakweste und Schulterpanzer dienten dem Schutz. Sahlem hob die Hände und zeigte hinter sich. 10 Finger und Handzeichen für schwer bewaffnete Infanterie, dann ein Schlangenzeichen als ihr Hauptziel. Die anderen Männer nickten und kamen näher. Einige pressten sich ebenso an die Mauer, andere hockten sich dahinter. Alle waren bereit zuzuschlagen. Sahlem zählte mit seinen Fingern einen Countdown von 10 herunter. Er dachte an seine Familie, seine Kinder. Weswegen er kämpfen musste. Und als er bei 4 ankam, hörte er ein Surren. Ein bekanntes Surren. Er riss die Augen auf.
Seine stumme Warnung kam zu spät, als die rotglühenden Laserstrahlen die Mauer durchsiebten wie Käse. Die massenlosen Geschosse durchschlugen nicht nur die Betonmauer, sondern auch die Flakwesten und Leiber seiner Kameraden und Freunde. Während er sich noch zu Boden warf, blickte er zur Seite zu Mussaid, seinem besten Freund. Die ersten Geschosse durchschlugen seine Brust und Unterleib, dann fetzte ein Laser sein Schultergelenk und riss seinen rechten Arm vom Körper. Dahinter war Borek, der Jüngste der Truppe. Gerade mal 16 Jahre alt. Er hatte mehr Glück, da das erste Geschoss ihn mitten in den Kopf traf und seinen Kopf einfach verschwinden ließ, in einer Mischung aus verbranntem Fleisch und rosa Nebel. Als Sahlem endlich den Boden mit seinem Körper berührte, wollte er nach vorne und in den Schutzbunker zurückkriechen, doch die Leichen seiner Kameraden und sein rechter, versenkter Arm machten das unmöglich. Mit einem schmerzhaften Japsen drehte er sich stattdessen auf dem Rücken und überlegte, seine Pistole zu zücken. Doch sein Schussarm war unbrauchbar. Die Granate war auch nicht möglich zu ziehen. Verzweiflung drang in seinen Kopf und dann: Stille. Das Feuer endete so plötzlich, wie es begann. Also tat er das, was für ihn am Besten war, er stellte sich tot.
Die gepanzerten Männer in grauen Panzerplatten und schwarzer Uniform drangen in den Basar durch die Mauer, welche regelrecht zerfiel. Sie alle trugen Schädelmasken oder sogar Ganzschädelmasken, schwer auszumachen. Sie atmeten schwer und gut hörbar und ihre ebenso schweren Schritte erfüllten die Nacht. Jetzt erst vernahm Sahlem die weiteren Geräusche des Krieges wahr: Artillerie- und Panzerfeuer, das rattern von Gewehren und das Knacken von Laserwaffen. Die Schreie der Verzweifelten und Sterbenden. Eine Träne rann seinem rechten Augenwinkel herunter. Die Männer kamen näher und liefen achtlos auf den Leichen herum und sahen jeden Einzelnen an. Mehrere der Gestalten gingen an seinen geschundenen Körper vorbei, als einer der Stiefel direkt auf seinen versenkten, zerfetzten Unterarm trat. Ein unglaublich starker Schmerz durchfuhr ihm, doch mit eisernem Willen unterdrückte er ein Zucken oder gar Schrei. Als noch mehr Druck auf den lädierten Arm ausgeübt wurde und das ganze Körpergewicht die 2 Unterarmknochen traf, gaben diese knackend nach und endlich flutete Adrenalin seinen Körper, um noch mehr Schmerzen zu unterdrücken und ihn bei Bewusstsein zu behalten. Der Letzte der Soldaten blieb direkt vor Sahlem stehen. Er schaute nochmal akribisch alle an, hob sein Gewehr und zielte grob in die Richtung von Sahlem. Der Lauf glühte und ein einzelner Schuss wurde abgegeben.
Die metallene, skeletthafte Hand griff in die rechte Tasche des langen Mantels. Ein kleines, transportables Kommunikationsgerät wurde rausgeholt und eingeschaltet. Das Hologrammbild eines recht einfach aussehenden Menschen wurde offenbart. Kahlgeschoren mit einfachen Gesichtszügen, dass man das Gesicht schnell wieder vergessen konnte, waren die Markenzeichen. Ohne viel drumherum zu erzählen, erklang die Stimme des Hologramms, ebenso schlicht, aber mit tiefer Bassstimme: „Wurde der Auftrag erfüllt?“ Eine Pause erfolgte und die Stimme des Reapers erklang, welche durch die Maske mechanisch wirkte: „Die Verteidiger sind in wenigen Stunden geschlagen. Elite-Shocktruppen erstürmen den Palast und mit dem Verlust der Königsfamilie sind die Verteidiger völlig gebrochen. Fast alle Gegenmaßnahmen sind bereits zerstört. Ich nehme an, dass dieser Auftrag im Sinne des Imperiums ist?“ Ein zufriedenes Nicken war die erste Antwort des Gegenübers: „Die Inquisition wurde bereits über den Verrat von Mahkep instruiert, ebenso eure Maßnahmen. Beweise für die Ketzerei wurden ebenso entsandt. Alles ist legitimiert. Nachdem das hier erledigt ist, führt eure Truppen zum Octrarius Sektor, zur imperialen Welt Galaviun VI. Dort werden eure Dienste benötigt. Weitere Einzelheiten erhaltet ihr, wenn ihr euch auf dem Weg gemacht habt. Habt ihr das verstanden?“
Sahlem atmete tief ein und aus, als er endlich alleine war. Jetzt, wo er es endlich wieder konnte. Mehr Tränen rinnen aus seinen Augen und er sah zur Seite. Das halb weggeschossene Gesicht von Mustaffar starrte ihn an. Der Mann gurgelte seine letzten Atemzüge, als der angreifende Soldat wohl sah, dass der Mann noch lebte. Und Sahlem wohl das Leben rettete. Langsam richtete er sich auf. Wut keimte ihn ihm, er wischte die Tränen weg und er beschloss, im Namen des Imperators den Anführer zu richten. Er zog sein Säbel und ging zu den Resten der Wand zurück. Sein Ziel stand noch immer auf dem kleinen Hügel. Er schien mit einem Hologramm eines Kommunikationsgerätes zu reden. Keine anderen Soldaten in Sicht und überall Kampfgeräusche. DAS war die Chance. Er rannte los, ohne darauf zu achten, dass er gesehen wird. Wieso auch, niemand beachtete ihn. Noch 200 Meter und er kam immer näher. Langsam begann sich ein Kribbeln in seinen Kopf auszubreiten, was zu einem regelrechten, unangenehmen Kratzen ausartete, welches scheinbar von Innen an seiner Schädelwand herrührte. Seine Sicht verschwamm mehr und mehr. „Was hat er vor?“, ertönte eine weibliche Stimme in seinem Geist mit einem wiederhallenden und wiederholenden Echo. „Er will den General töten. Mutig. Doch vergebens. Ich könnte seinen Kopf zum Platzen bringen. Nein, er hat es schon vermasselt.“ Seine Sicht wurde wieder klar und vor ihm stand der Tod. Sahlems Schwertarm war noch nicht zum Schwung bereit und der Mann vor ihm hatte bereits eine Kampfhaltung eingenommen. Die eiserne Faust seines rechten Metallarms prasselte wie ein Vorschlaghammer gegen Sahlems Brust. In einem Wimpernschlag wurde sein Ansturm gebremst und die Wucht des Schlages führte fast zu einem Salto Sahlems. Er prallte hart auf den Boden auf und verlor schlussendlich das Bewusstsein.
Er blinzelte. Mehrmals. Das Erste, was er sah war der Palast. Er stand in Trümmern und Flammen verzehrten die Reste des einst so stolzen Gebäudes. Leicht nach links blickend, erkannte er die Königsfamilie. Auch die Kinder. Daneben die Generäle und Hauptmänner der Königsgarde. Sie alle Knieten vor einer Wand. Die Arme hinter dem Rücken verbunden. Dahinter war eine Einheit der Angreifer mit einem Offizier, wahrscheinlich ein Kommissar. Rechts neben ihm stand der Reaper. Daneben eine Gestalt mit einem Stab, an dessen Ende der heilige Aquila prangerte. Dann zuckte er, als er Gewehrfeuer vernahm. Die eben noch erwähnten Gefangenen und zwar alle, wurden vom Erschießungskommando gerichtet. Keine Gnade, nicht mal gegenüber den Kindern. „Adjutantin Styx, befehlt allen Truppen, sämtliche Bewohner des Planeten zu liquidieren. Keine Gefangenen. Alles muss restlos ausradiert werden. Kommando von Oben.“ Die Frau mit der Offiziers-Visiermütze und Skelettmaske nickte stumm und stolzierte los. „Wa… warum?“, stammelte Sahlem. Morgan Seth, sein Tötungsziel drehte sich herum. Er betrachtete den geknebelten Gefangenen und griff an eine der Manteltaschen. Er holte ein kleines, zylinderförmiges Gefäß und öffnete diese durch eine Drehkappe. Dann holte er eine Zigarre raus und packte das Gefäß wieder weg. Der Kommissar, der eben noch beim Erschießungskommando stand, stellte sich neben ihm. Er holte ein Feuerzeug raus und zündete das Rauchwerk an. Dann führte er das Genussmittel an den Skelettmund seiner Maske und zog dran. Das Ende glomm auf vor Hitze. Dann atmete der Mann den Rauch aus und musste husten. Ein tiefer, schmerzender Husten, wie Sahlem bemerkte, was die Gestalt vor ihm dann doch seltsam und bizarr wirken ließ. Er sah so gefährlich aus und wirkte nun doch so zerbrechlich. „Warum… wir waren immer treu dem Imperium. Wir haben alles für ihn getan. Ihr… ihr habt imperiale, aktuelle Codes benutzt! Ihr tragt den Aquila mit Stolz! Warum habt ihr das getan!“ Doch nicht der General antwortete, sondern der Kommissar neben ihm: „Eine Frage. Stell die Richtige und er antwortet.“
Sahlem überlegte und das Einzige, was ihm spontan einfiel und nicht mal wirklich Sinn ergab war: „Wer seid ihr?“ Morgan Seth ging ein paar Schritte vor und stand nun direkt vor Sahlem. Mit einem Druck an beide Seiten der Maske öffnete sie sich zischend. Zuerst hob sich eine Platte die die gesamte Stirn, Nase, Wangen und Unterkiefer betraf. Die Mütze wurde abgenommen und die Platte fuhr nach oben zur Schädelplatte. Die Unterkieferplatte teilte sich Mittig zum Kinn und dann gingen die 2 Hälften jeweils zur Seite auf. Sahlem versuchte soviel von dem Gesicht zu sehen und sich einzuprägen, wozu auch immer. Das Gesicht kam ganz nah an ihm heran. Die Stimme des Mannes klang tief, leidend und brennend. Brennend; nicht etwa, weil sie voller Fanatismus war, sondern weil die Lungen die saubere Luft hier nicht gewohnt war oder generell nicht gewohnt war und daher innerlich regelrecht brannte. Es roch nach ätherischen Ölen, die sonst die Lunge und Atemwege fluteten und schützten. Er flüsterte die Antwort und die Augen Sahlems weideten sich. Er verstand die Worte, doch er verstand die Bedeutung nicht. Dann richtete sich Morgan Seth auf und die Maske schloss sich wieder. Er setzte seine Mütze auf und zog an der Zigarre. Er nickte dem Kommissar zu: „Charon.“ Der Kommissar verstand und zückte die Boltpistole. Er setzte das noch heiße Laufende unter das Kinn Sahlems an. Zischend brannte es sich in das Fleisch des Gefangenen und dann drückte er ab. Der Kopf Sahlems oder dessen Überreste wurden über ihn und hinter sich an die Wand gekleistert und verwandelten das sandbraune Mauerwerk in ein Kunstwerk in Rot. Morgan Seth sah sich wieder die untergehende Stadt an und genoss das Rauchwerk. Krieg. Krieg bleibt immer gleich. Und in der dunklen Zukunft des 40. Jahrtausends, herrscht nur Krieg. Die letzten Worte, die auf dem Planeten nicht aus Angst gesprochen wurden und Sahlems Ohren vernahmen waren:
Ich… bin… Alpharius.