Sgt. Sorea Gravyon, ehemalige Truppführerin einer Einheit Späher auf Amar Talithe, derzeitig Mitglied der Explorationsstreitmacht, die diesen verdammten Planeten erkunden sollte, war wütend. Wütend auf den Alpha, der sie angeschossen hatte - der Imperator möge ihm gnädig sein, wenn er ihr in die Hände fiel - wütend auf den Sanitäter, der sich eigentlich ihrer Gruppe hatte anschließen sollen und in einem wichtigen Moment nicht da war, wütend auf die Schmerzen, die trotz Sterilium noch in ihrem Bauch pulsierten... aber vor allem war sie wütend auf sich selber. Sehr wütend.
Die einzige besetzte Bahre im improvisierten Lazarett bot viel Zeit zum Nachdenken. Im Geiste ging sie die vergangene Situation immer und wieder durch, überlegte, was sie anders,
besser hätte machen können.
Hätte sie am seltsamen Gebahren des Alphas - Davy oder so ähnlich hieß er, auf dem Exploratorschiff hatte sie kaum Zeit gefunden, sich allzusehr vertraut mit allen anderen zu machen - schon vorher auf sein Verhalten schließen können?
Hätte sie, als seine Hand zum Pistolenholster ging, schneller reagieren können?
Hatten sorgsam antrainierte Reflexe versagt?
Im Dämmerlicht des Zeltes kamen ihr erste Selbstzweifel.
Die einzige besetzte Bahre im improvisierten Lazarett bot viel Zeit zum Nachdenken. Zeit, noch einmal Vergangenes in Erinnerung zu rufen. In den ersten Minuten nach dem Schuss hatte heillose Verwirrung geherrscht, nur einige nahe Alphas sowie ein Explorator - wer war es gewesen? Sie erinnerte sich nur vage an ein verschwommenes Gesicht - hatten die geistige Gegenwart besessen, sie auf der Stelle zu versorgen.
Einige Zeit später, einer Unendlichkeit aus Schwärze, war schließlich der Sanitäter gekommen - wenn sie es sich recht überlegte, sollte der Imperator lieber auch ihm seine Gnade erweisen - und hatte in medizinischen Fachkauderwelsch ihr vermittelt, das dort eine Kugel in ihrem Unterleib festsaß. Zumindest vermutete sie das.
Schließlich hatte der Sanitäter - Tors, wenn sie sich richtig entsann - ihr versichert, dass sie es überleben würde. Dreckskerl, als ob es sein Verdienst wäre, er, der zu spät kam. Und Schmerzen hatte er wohl auch kaum welche.
Sorea überkam der Drang, sich ob der Schmerzen zu übergeben.
Die einzige besetzte Bahre im improvisierten Lazarett bot viel Zeit zum Nachdenken. Was wohl die Männer nun von ihr dachten? Sie hatte versucht, sich soweit wie möglich tapfer zu verhalten, kein Laut des Schmerzes war über ihre Lippen gedrungen. Und doch war das Ganze eine Schwäche gegenüber den anderen.
Was wohl die Männer nun von ihr dachten? Die Frage bestimmte immer mehr ihr ganzes Denken.
Ob sie ebenso dachten, dass sie es hätte voraussehen können?
Ob sie ebenso dachten, dass sie schneller hätte reagieren können?
Ob sie sich, wie sie, ihrer Schwäche bewusst waren?
Der Sanitäter war gegangen, ein Querschläger von dem durchgedrehten Alpha hatte einen der Männer in der Hand getroffen.
Eine neue Welle des Schmerzes kam über sie, und in der Einsamkeit des Lazaretts gestatte sich Sorea ein Aufwimmern.
Stunden später war das Lazarett mit neuen Material aus dem Schiff bestückt, und an die Stelle der Bahre waren lange Reihen klinisch weißer und schier perfekt ausgerichteter Betten getreten.
Der Geruch von Weihrauch und Desinfektionsmitteln überlagerte alle anderen Gerüche, und der stete, gleichmäßige Pulston zahlreicher medizinischer Geräte ließ das Zelt wie ein gewaltiges Herz erscheinen.
Schmerzmittel hatten jegliches Gefühl unterhalb Soreas Rippen betäubt, und Alpha Tors hatte ihr eine weitere Spritze irgendeines Mittels gegeben.
Die Sergeantin hatte die Augen geschlossen und genoss den Moment der relative Ruhe, als eine Stimme sie von der Seite ansprach, die sie einem der Explorator zuordnete. Ohne die Augenlieder zu heben oder über den Sinn der Worte nachzudenken, überlegte sie für sich, welcher der Forscher es war. Rotes Haar, karottenrot. Erinnerungfetzen tauchten auf und verschwanden wieder, und der Name des Mannes wollte ihr nicht einfallen. Verdammt.
Erst langsam wurde ihr klar, dass er sie direkt angesprochen wurde, und träge öffnete sie das ihm zugewandte Auge.
Sie brauchte noch einen Moment, um den ungefähren Wortlaut zu rekonstruieren, ehe sie auch das andere Auge öffnete und den Kopf in seine Richtung drehte.
"Bestens, Explorator", meinte sie und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Bestens, abgesehen davon, dass einer der Alphas sie über den Haufen geschossen hatte, bestens, abgesehen davon, dass man ihr die Bauchdecke geöffnet hatte, um das Geschoss zu entfernen, bestens, abgesehen davon, dass sie bis vor kurzem starke Schmerzen und nun gar nichts mehr spürte.
Wirklich alles bestens. Hatte der Mann keine Augen im Kopf? Und jetzt zeigte seine Miene auch noch Mitleid. Sorea begann, ihn zu hassen.
"Bestens...", murmelte sie noch einmal, durch die hohe Dosis Schmerzmittel schläfrig werdend, und drehte sich im Bett so weit herum, wie es die Wunde zuließ.
Kurz, bevor sie entgültig einschlief, nahm sie sich vor, am morgigen Tag - oder wenn sie aufwachte - genug von den kleinen Pillen mitzunehmen, die eine starke Dosis der schmerzhemmenden Mittel beinhalteten. Die Männer würden schon sehen, dass sie sich von einem Schuss nicht aufhalten ließ, und sie würde sich einem der Spähtrupps anschließen.
Mit einem Hauch von einem Lächeln schlief sie ein.
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