Es war lediglich eine rostrote und in allen belangen als unscheinbar zu bezeichnende Luke im Boden und doch war ihr Wert so enorm.
Der Industriekomplex in dem sie die Luke endlich gefunden hatten, schien schon vor dem Einfall des Erzfeindes lange verlassen und verfallen zu sein. In der direkten Nähe, es waren vielleicht dreihundert Meter, zu dem bisher größten feindlichen Lager, lag der alte Industriekomplex wie das Skelett eines toten Urtiers im Schein der feindlichen Lagerfeuer. Hohe bröckelnde Mauern und Kühltürme deckten mit ihren Schatten das Vorgehen der Rheinländer.
Alte Ziegel und anderer Schutt hatten den verrosteten Einstieg verdeckt, doch das Industrieverzeichnis 3 war eine erstaunlich genaue Karte, daher hatte es nicht lange gedauert, bis sie gefunden hatten, was sie suchten.
Normalerweise hätte Kraft die Tatsache, dass nur knappe dreihundert Meter von seiner Position eine feindliche Ansammlung in Regiments Stärke kampierte zu tiefst beunruhigt. Doch mittlerweile war er schon an so vielen feindlichen Patrouillen vorbei geschlichen, dass er den Drang, auf diese Bastarde zu schießen, schon ziemlich gut unterdrücken konnte. „Wie soll es weitergehen Herr Major?“, Krafts Stimme war bloß ein flüstern im Helmkom, während sein Kopf immer zwischen dem an der Luke stehenden Major und dem Feindlichen Lager hin und her schwenkte. „Wir werden uns aufteilen. Ich werde mit meinem Stab und Jäger runter gehen, derweil haben sie hier oben das Kommando Kraft. Wir können es uns nicht leisten, dass wir die Luke unbewacht lassen. Wir würden unsere letzte Fluchtmöglichkeit verschenken.“ „Mit Verlaub Herr Major...“, Kraft wurde fast sofort unterbrochen: „Bitte geben sie mir jetzt keine Wiederworte Herr Oberleutnant. Sie wissen, dass ich ansonsten immer offen für ihren Rat bin, aber uns läuft die Zeit davon.“
Kaum waren diese Worte ausgesprochen, stieg Rossmann schon die Luke hinab, dicht gefolgt von seinen Männern. „Ist der Herr Major immer so... nun ja, Impulsiv?“, Kirovs Frage war an Kraft gerichtet. „Eigentlich nicht. Eigentlich sogar überhaupt nicht. Unter normalen Umständen würde er denke ich nie eine solch überstürzte Aktion durchführen, aber hier von normalen Umständen zu reden wäre auch nicht das wahre.“ Der alte Mann ließ sich ein lächeln entlocken. „Wie geht es ihrem Arm Lordkommissar?“ „Ach machen sie sich darüber keine Gedanken mein Junge, der alte Knochen hat schon schlimmeres durchgemacht. Was halten sie von der Idee, ein paar Spähposten auf zu stellen?“ Kraft war überrumpelt, erst jetzt wurde im Bewusst, dass er durch den plötzlichen Aufbruch vom Major völlig vergessen hatte, das Gebäude ab zu sichern. Auf der anderen Seite waren nicht mehr viele Männer da, um Wache zu halten. Von Krafts Stab blieben nur noch der Fähnrich der zweiten Kompanie, Krafts Funker Förster und Feldwebel Metzer und zusammen mit den beiden Kommissaren waren das dann auch schon alle, die an der Oberfläche verblieben waren.
Nun begann das warten.
Die Sonne stieg langsam über die spitzen der Dächer von Goldtor Stadt und über dem Brückenkopf brach der Morgen herein. Das gesamte Bataillon hatte unter der Leitung von von Steinberg mittlerweile den Weg über die nunmehr geräumte Heilandsbrücke gefunden und sich auf der anderen Seite eingegraben.
Es hatte die ganze Nacht gedauert, doch nun konnten der alte Hauptmann mit recht behaupten, dass sie nichts und niemanden zurückgelassen hatten. Viele der jüngeren Offiziere hatten sich offen gegen sein Vorgehen ausgesprochen, da sie davon überzeugt waren, dass es nicht den Wünschen des Majors entsprechen würde, die Stellung zu räumen. Die verdammten Anfänger waren einfach noch zu jung um von irgend was eine Ahnung zu haben. 'Ihr würdet eine Unhaltbare Stellung nicht einmal erkennen, wenn der Feind schon von hinten kommt um euch das Bajonett in den Arsch zu rammen und jetzt Klappe zu und Sachen packen Soldat', das waren die Worte von Hauptmann Koch, als er von den Beschwerden Wind bekam. Von Steinberg musste immer noch Schmunzeln. „Hansen?“ „Jawohl Herr Hauptmann?“ „Sein sie doch so gut und versuchen sie mir Hauptmann Koch ans Funkgerät zu holen mein Junge.“ „Ich versuchs, wenn die Statik es zu lässt.“
Sofort machte sich Steinbergs Adjutant an seinem Funkgerät zu schaffen. Der Empfang war, warum auch immer, immer noch beschissen, aber sie hatten herausgefunden, dass je stärker das Funksignal war und je geringer die Entfernung, das Signal noch einigermaßen gut war. Koch stromerte im Moment mit einem seiner Züge und den paar Chimären auf Patrouille rum, während von Steinberg im Kommandoposten an der Brücke saß, daher war es ein Glücksspiel, ob er ihn erreichen würde.
„Herr Hauptmann, ich hab tatsächlich ein Signal, aber es ist zu schwach, um auf Sprechfunk zu gehen. Ihre Befehle?“ „Machen sie eine Statusabfrage über Tonsignal.“ Die Verständigung über Tonsignal war eine denkbar einfache Möglichkeit, um einfache befehle und Rückfragen zu ermöglichen, wenn die Kommunikation über Sprache zu undeutlich war. Es wurde einfach ein Tonimpuls durchs Komm geschickt und wenn zwei Impule zurückkamen, war die Situation des Empfängers sicher. Mehr interessierte von Steinberg im Moment auch gar nicht. „Und Hansen?“, diese Ungewisse Stellung machte von Steinberg langsam Ungeduldig, wo blieb nur der Major? „Herr Hauptmann, ich hab zwei Signale, Pause, zwei Signale zurück bekommen. Die Position ist Sicher aber der Hauptmann befindet sich auf dem Rückweg.“ Von Steinberg runzelte unter seiner Gasmaske die Stirn, warum war Koch den schon auf dem Rückweg? Er hatte seine Patrouille doch bis Mittags angesetzt und bis dahin waren es noch gut drei Stunden. Von Steinberg wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, da einer der Brückenposten auf ihn zukam.
„Berichte Soldat?“ „Jawohl Herr Hauptmann, Leutnant Bährens meldet, dass die Pionierarbeiten an der Brücke abgeschlossen sind.“ „Sagen sie dem Leutnant, dass er zu mir in meinem Kommandoposten kommen soll, seine Männer sollen wieder in ihrem Bereich Stellung nehmen und Pause machen. Weggetreten!“
Der erste wirkliche Lichtblick für von Steinberg an diesem Morgen. Die Arbeiten an der Brücke waren abgeschlossen und er konnte endlich seinen Kaffein trinken.
Als von Steinberg im Kommandobunker eintraf, einem Alten befestigten Wartungshäuschen, hatte einer seiner Stabs-gefreiten bereits eine Brodelnde Kanne des schwarzen Zeugs für ihn bereit gestellt. Hoffentlich würden sie hier fertig sein, bevor die letzten Reserven davon aufgebraucht waren, dass war das einzige, was den Alten Mann noch am leben hielt.
Kaum war die Maske abgesetzt und der erste Schluck die Kehle runter gelaufen, kündigte ein Scheppern von Plaststahl und Keramitplatten in der Tür die Ankunft von Leutnant Bährens an.
In voller Einsatzausrüstung der Sturmpioniere stellte der bullige Leutnant eindrucksvolles Bild dar.
Die schweren steingrauen Panzerplatten, die über dem blau-grauen ABC Mantel angebracht waren, zeigten sofort, dass es sich hier nicht um einen normalen rheinländischen Schützen handeln konnte. Die Sturmpioniere waren die absolute Elite des Rheinländischen Militärs und jeder Mann war stolz, wenn er für ihre Reihen ausgewählt wurde. Aber nicht nur die Rüstung war weit besser, als dass Standartmodell, von Steinberg musste es wissen, als Offizier trug er nämlich das selbe Modell, auch die Bewaffnung war eine ganz andere Klasse. Schwere Schrotflinten gehörten zur Standardausrüstung der Pioniere, genau so wie verbesserte Automatik Pistolen. Zusätzlich war jeder Trupp großzügig mit Melter oder schweren Flammenwerfern ausgestattet, je nach Einsatzgebiet. Aber einer der hervorstechendsten Ausrüstungsgegenstände fand sich an der Seite von Bährens. Eine Standard Mark IV Energiewaffe. Normalerweise waren diese Waffen ein exklusives Symbol für die höheren Offiziersränge, also alles ab dem rang eines Hauptmanns. Es gab nur eine Ausnahme und die wurde für die Leutnants und in seltenen Fällen auch für die Feldwebel der Sturmpioniere gemacht. Allein diese Ehre war es schon vielen Wert, ein Sturmpionier zu werden.
„Herr Hauptmann, melde gehorsamst, die Brücke ist vorbereitet!“ „Setzen sie sich doch bitte erst einmal und trinken sie einen Kaffein mit mir. Für diesen Ton Kennen wir uns mittlerweile eigentlich zu gut Albrecht.“ Es war als würde dem Sturmpionier eine Last von den Schultern fallen. Fast umgehend riss er sich die bei den Pionieren noch schwerere Maske vom Gesicht und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Da habe ich schon die halbe Nacht drauf gewartet. Ich bin ja viel gewohnt, aber diese scheiß Kraxelei unter der Brücke brauch ich wirklich nicht. Ich bin Pionier und keine Sprungeinheit.“, in kräftigen Zügen leerte Bährens den Becher, der ihm von von Steinberg gereicht wurde. „Und habt ihr auch genug verbaut?“ der Leutnant warf dem alten Hauptmann einen gespielt entrüsteten Blick zu: „In der Brücke sitzt genug Sprengstoff, um dass Teil drei Mal zu sprengen. Feldwebel Neuer hatte sich mit der Statik verrechnet, daher mussten wir alles bis auf eine Tonnen verbauen. Die verdammte Brücke ist stabiler als ich dachte, kein Wunder dass die so viel Beschuss ausgehalten hat.“
Die Vorbereitung zur Sprengung der Brücke war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Zwar hatten sie bei ihrem Aufbruch das Gebiet hinter sich übel vermint, aber aus Erfahrung wusste von Steinberg, dass kein Minenfeld ewig hielt und im Falle eines Falles ließ er es nicht auf einen zwei Frontenkrieg ankommen. „Gut, sie kennen den Befehl, wenn sich feindliche Verbände auf der anderen Seite der Brücke Blicken lassen, spreng...“ Motorenlärm und das Knirschen von Panzerketten unterbrachen von Steinberg. Ohne weitere Worte setzten die beiden Offiziere sich ihre Gasmasken wieder auf und marschierten zum Ausgang. „Das wird Koch sein, bin ja mal gespannt, warum der so früh wieder da ist.“