Hintergrund
Recherche, Miniaturen & Regeln
Disclaimer: Was ich hier beschreibe, ist mein Weg zu einer historischen Wargaming-Armee. Kein Goldstandard, keine Pflicht, vielleicht nicht mal ein besonders guter Weg. Ich habe natürlich eine Meinung, was „richtig“ ist, zwinge sie aber niemandem auf und will das auch nicht so verstanden wissen.
Italien ist mehr als Rom – das ist das Thema dieses Armeeaufbaus. Um 300 v. Chr. ist die Stadt am Tiber bestenfalls eine Mittelmacht irgendwo am Rand der zivilisierten Welt. Die Musik spielt woanders: Alexander der Große hat gerade erst der halben bekannten Welt eine griechische Leitkultur aufgezwungen. Deren Hotspots sind Städte wie
Alexandria in Ägypten oder das
syrische Antiochia. Die griechischen Vorposten in Italien wie Tarent, Neapel oder Syrakus bieten bloß einen Abglanz von Kultur und Reichtum des Ostens. Aber sie gehören doch zur "Hausgemeinschaft" der Hellenen, zur
Oikumene. Dass sie in nicht einmal hundert Jahren von den Römern einkassiert werden sollen, die sich so gerade noch mit zwei blauen Augen aus dem Gartenzaunkrieg mit den Samniten gerettet haben, ist überhaupt nicht absehbar und alles andere als eine zwangsläufige Entwicklung. Es gibt also genug Gelegenheit für What-Ifs. Das macht die Zeit (sicher nicht nur) für mich so spannend.
Quelle (bearbeitet)
Wie fängt man an?
Mit Lesen, Lesen, Lesen!
😵
Auf Deutsch wird's schwierig bei diesen Themen. Zumindest was leicht Verdauliches angeht. (Falls jemand doch etwas auf dem Schirm hat, nur her mit den Hinweisen!) Hier mal ein Querschnitt speziell für die Entwicklung der Römer. Die Osprey-Hefte (links) setze ich als bekannt voraus. Das zum frühen Rom hat schon einige Jahre auf dem Buckel, ist aber von Nicholas Sekunda verantwortet, einem waschechten Experten für antike Kriegsführung. Mein persönlicher Favorit liegt rechts daneben: Das
"Ancient Warfare Magazine" richtet sich ausdrücklich an Laien, bewegt sich aber ein, eher zwei Niveaus über den Histotainment-Heften aus der Bahnhofsbuchhandlung. Die Themenhefte bestücken neben Hobbyhistorikern oft auch Fachleute aus Archäologie und Geschichtswissenschaften. Schon auf die Leseliste für Studienanfänger gehören dann Bücher wie der "Companion" (rechts). Allerdings kann ich den hier guten Gewissens jedem 'Amateur' empfehlen, weil hier allgemeinverständlich gezeigt wird, was moderne Militärgeschichte jenseits von Schlachtaufstellungen und Technikgedöns kann und will. Gebraucht oder als E-Book ist es sogar erträglich teuer. Noch besser: support your local library!
Alternativen?
Für das eher spezielle Setting dieses Threads ist man auf Schnittmengen angewiesen. Zum Beispiel vermittelt
Alexander von Oliver Stone noch immer den besten Eindruck, wie die erfolgreichste Armee dieser Zeit aussah und kämpfte. Das tröstet zumindest mich über die reichlich zähe Dramaturgie hinweg. Wer antike Schlachten lieber selbst am Bildschirm schlagen will, ist seit Jahrzehnten mit den Römer-Episoden der
Total-War-Reihe gut bedient. Der erste (und bessere) Teil ist kürzlich sogar als Remaster erschienen. Leider eher ein Rohrkrepierer gewesen ist
Imperator: Rome, das die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren beim Bau eines Weltreichs simulieren will. Ich fand die Spielerfahrung leider ziemlich dröge, und dass ausgerechnet die römischen Verhältnisse Maßstab für den Rest der Welt sein sollen, ist einfach schräg. Historisch weitgehend Mumpitz, aber ein Heidenspaß, der mich viel zu lang an die Konsole gefesselt hat, waren die beiden antiken Outings von
Assassin's Creed. Auch wenn
Odyssey ganz objektiv schöner, größer, besser war, bin ich vor allem Fan von
Origins. Das kommt optisch meiner Vorstellung vom hier zu behandelnden Setting schon sehr nahe. Tipp: Bereist im Spiel mal die Kyrenaika.
The Look of Love
Nichts Genaues weiß man nicht. Der Look der Epoche verändert sich sowieso – im griechischen Osten lösen die Makedonen mit langer Pike (
sarissa) und kleinem Schild (
pelte) den klassischen Hopliten mit kürzerer Lanze (
doru) und größerem Schild (
aspis) ab. Für den Westen ist die Lage unklarer. Eine neumodische Phalanx leistet sich dort niemand. Aber schon länger dürften Griechen und sonstige Bewohner Italiens ziemlich ähnlich ausgesehen und gekämpft haben. Verbreitet ist z. B. der mal mehr, mal weniger rechteckige Schild (griechisch
thureos, lateinisch
scutum). Wahrscheinlich haben ihn keltische Besucher Anfang des 4. Jahrhunderts nach Italien mitgebracht. Kombiniert wird er mit allen möglichen Helmformen, Metall- oder Kompositpanzern und sehr oft auch Wurfwaffen. – Bei den Römern entwickelt sich daraus die bekannte Dreierformation (
triplex acies) aus Leichtbewaffneten (
hastati) in der Front, einem Kern aus Nahkämpfern (
principes) und Veteranen (
pili oder
triarii) als Backup. Niemand kann sagen, wie fortgeschritten diese Entwicklung um 300 v. Chr. schon ist.
In der Chronologie (v. l. n. r.) landet man also irgendwo zwischen den griechisch-etruskisch geprägten Römern und denen der Kriege gegen Karthago. Die folgenden Inkarnationen stehen jeweils für das 1. Jahrhundert vor bzw. das 2., 3. und schließlich 4. Jahrhundert nach Christus. Als typisch italienisch gilt übrigens – auch unter Griechen – der Federschmuck.
Herausforderungen
Wie in jeder Übergangsphase gibt es auch für dieses Setting nur ein beschränkt spezifisches Figurenangebot. Die größte Auswahl bietet
Aventine Miniatures. Vor allem die frühen republikanischen Römer und deren nördliche Freunde und Feinde sind am Markt ziemlich einzigartig. EIne spezielle Reihe für (frühere) Etrusker hat
Gorgon Miniatures im Programm. Leider sind die Bilder im Shop zerschrotet; geknetet wurden sie von Steve Saleh, entsprechen im Stil also z. B. den
Griechen von Wargames Foundry oder den antiken Minis unter
seinem eigenen Label.
Alles andere kann man sich inzwischen aus diversen Plastiksets zusammenmischen. Führend ist sicher Victrix, weil sie neben Griechen, Römern und Karthagern auch Samniten und Kelten im Programm haben. Oft vergessen scheint darüber Agema Miniatures. Deren Römer sind in den Proportionen 'realistischer' und mir gefallen vor allem die stimmigen Ausrüstungsdetails. Es gab immer mal wieder ein paar Ergänzungssets, etwa um die Plastikfiguren zu Karthagern oder Etruskern umzumodeln. Vollständig ausgebaut ist das Angebot aber nicht.
Hier nicht eigens aufgeführt sind lang etablierte Reihen, die die direkt anschließenden Punischen Kriege abdecken. Da gibt es natürlich viel ungefähr wie tatsächlich Passendes. Mein Fokus liegt aber auf Plastiksets, um zu sehen, was sich daraus stricken lässt, ohne sich in (allzu) große Unkosten zu stürzen.
Zwischen Regelwust und Regelwüste
Viele verbinden mit der Antike eher das große Schlachtengetümmel. Mich reizt das nur wenig. Und ich sehe auch nicht, dass abseits offener Felder nicht gekämpft wurde. Ganz im Gegenteil. Gerade am hier besagten Ort zur besagten Zeit bewegt sich Kriegsführung oft irgendwo zwischen Viehdiebstahl und Bandenkriminalität. Dafür sind Skirmish-Regeln wie
SAGA natürlich gut geeignet. Warum und wie genau, erkläre ich an anderer Stelle. Wer es noch heroisch-uriger mag, sollte
Tribal probieren. Das bildet recht innovativ Schlägereien zwischen "Warbands" ab. Denn im Mittelpunkt steht dabei der Kampf um Ehre, der für Führungspersönlichkeiten damals vielleicht wichtiger war als ihr kill count.
Falls aber doch mal mehr Masse auf den Tisch gebracht werde soll, wäre mein Upgrade
Wars of the Republic. Die blauen Hefte von Osprey enthalten jeweils ein in sich geschlossenes Regelwerk. Dies hier simuliert Gefechte nicht genauer bezeichneter Größe, Einheiten sind also eine Abstraktion. Mir gefallen der No-Nonsense-Ansatz und der geringe Figurenaufwand.
Nicht auf meinem Zettel, aber ehrenhalber genannt seien
Clash of Spears von
Fighting Hedgehog und der irgendwann erscheinende Epochenband für
Infamy, Infamy von den
TooFatLardies.
Und weiter?
Ich will hier nicht nur meine Begeisterung vermitteln, sondern sie mit euch teilen. Über Fragen, Ergänzungen und sonstige Anmerkungen freue ich mich deshalb ganz besonders! ?