Soldat Cole Joung,
trainiert auf lautloses töten und das Auskundschaften unbekannten Geländes.
Zudem spezialisiert darauf, den Leuten mit den schweren Waffen die korrekten Zielkoordinaten zu liefern.
Ausrüstung: Messer (gezackt), Okularimplantat mit Infrarot- und Nachtsicht sowie Entfernungsmessung zur Zielkoordinatenerfassung, implantierte Bild-Fernübertragung (Hat selber keine Kontrolle darüber, die Einsatzleitung entscheidet, wann sie 'reinguckt!), Trägheitssensor und GPS-System zur Koordinatenfeststellung (für die Einsatzleitung) und zur Orientierung (für sich), Endoskopie-Kamera zur Schlüssellocherkundung mit Stecker für die implantierte Bildübertragung, schallgedämpfter Handlaser mit Standard-Energiezellen, Tarnkleidung, nachgefärbte schwarze Haut (Auch die Augen, Handinnenflächen und Lippen) und schwarze Haare. Der Handlaser kann umgestellt werden, dann funktioniert er wie ein handelsüblicher Laserpointer, um für die Jungs mit den schweren Waffen das Ziel mit einem dicken, für Menschen unsichtbaren Punkt zu markieren. Dazu hat er eine zusätzliche Zieloptik oben drauf, winzig klein und schwarz. Mit einem Stecker, für meine Okularimplantate. Dann kann ich sozusagen aus dem Rohr des Lasers schauen. Ich mache das nicht gerne, man verliert zu leicht die Übersicht über das, was unmittelbar nebenan passiert.
Ausbildung: Orbitalspringer, Gleitschirmflieger (Schwarzer Gleitschirm!), lautloser Kampf und lautlose Bewegung, Akrobatik.
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"Noch zwei Minuten". Zeit für den Absprung. Die Zielkoordinaten müssen bereits stimmen, wenn die anderen ihre Besprechung haben. Ich bekomme immer das große Zittern vor einem Absprung. Selbstverständlich habe ich die Injektionen erhalten und die hypnotische Vorbereitung, und vernünftigerweise kann ich gar keine Angst haben. Der Schiffspsychater hat meine Gehirnwellen überprüft und mir törichte Fragen im Schlaf gestellt. Und er versichert mir, es wäre keine Angst, es wäre nichts Wichtiges - nur so ein Zittern, wie es ein ungeduldiges Rennpferd in der Startbox befällt.
Ich kann nur sagen: Ich bin nie ein Rennpferd gewesen. Und ich bin wie verrückt vor Angst.
Vor dreißig Minuten hat uns unser Zugführer inspiziert. Er ist eigendlich nicht unser Zugführer, aber unser Zugführer ist im letzten Einsatz gefallen. Eigendlich ist er nur Zugfeldwebel. Es trifft immer einige.
Meine schwarz verfärbte Haut juckt. Ich hasse diese Farbe. Sie wächst nach einem Monat wieder raus, aber es juckt! Und wenn ich ehrlich bin, habe ich seit meinem Eintritt in die Armee keinen Monat ohne Einsatz mehr erlebt. Eigendlich hätte ich den Posten verdient, den jetzt der Feldwebel hat, aber sie können mich besser an der Front brauchen. Ich bin ein Opfer meiner eigenen Kompetenz.
Der kommissarische Zugführer inspizierte uns vor dreißig Minuten. Er drückte auf den Knopf an dem Gürtel meines Partners, der dessen medizinische Daten preisgab, und befahl: "Wegtreten!"
"Aber Seargeant, es ist doch nur eine Erkältung, ich kann doch..." "Glaubst Du, ich will so kurz vor dem Sprung noch mit Dir streiten? Du wirst nicht springen. Wegtreten!"
Mein Partner! Normalerweise arbeiteten wir zu zweit, er gab mir Rückendeckung, während ich mit meinen Okularimplantaten die Umgebung vermaß und die Zielkoordinaten übermittelte! Mit hochrotem Kopf trat er zurück. Das traf mich hart. Ich bekam auch keinen Ersatzmann. Das kann schwer ins Auge gehen: Ein Mann ruft um Hilfe, und der Mann, der kommen sollte und zuständig ist, ist gar nicht dabei in diesem Einsatz. Und der Mann schreit weiter um Hilfe.
Der Zugführer richtete sich auf. "Ich möchte euch Nieten nur daran erinnern, daß jeder von euch die Regierung mehr als eine halbe Million gekostet hat, an Waffen, Ausrüstung, Munition, Geräten und Ausbildung, einschließlich Unterkunft und Mastfutter, mit dem ihr euch eure Bäuche angefressen habt. Legt noch die dreißig Cents dazu, die ihr wirklich wert seid, und ihr seid eine verdammt teure Investition."
Er funkelte uns an.
"Also bringt das Inventar zurück! Ihr seid entbehrlich, aber das gilt nicht für die Luxusgarderobe, mit der ihr ausgestattet seid. Ich möchte keinen Helden in diesem Haufen haben. Ihr habt eine Aufgabe zu erfüllen, ihr erledigt sie, haltet die Ohren offen für das Rückzugsignal und findet euch sofort und vollzählig am Sammelpunkt wieder ein! Habt ihr mich verstanden?"
Ich hasste ihn für solche Sprüche. Er hasste mich auch - es war kein Zufall, daß ausgerechnet ich ohne Partner dort hinunter mußte. Ich begann zu Zittern.
Es ist nicht so schlimm, wenn Du schon abgesetzt bist. Doch bis dahin sitzt Du tatenlos in totaler Finsternis. Während das Schiff seinen Flug durch die Atmosphäre machte und den Landepunkt anvisierte, einige Kilometer vom Ziel entfernt, würde es mich alleine und ohne Verstärkung bereits lange vor der Landung abstoßen. Die Daten sind das wichtigste. Immer müssen die Daten stimmen. Ich hatte einmal einen Einsatz, da ist eine komplette Gruppe ausradiert worden, und nur weil ein Kollege von mir die Warnung vor der feindlichen Einheit nicht rechtzeitig abgesetzt hatte. Die Gruppe hatte alles dabei, schwere Waffen, Scharfschützengewehre, Schnellfeuerwaffen für den Nahkampf. Sie hatten nur keine Chance, das Zeug einzusetzen.
Ich war verschnürt wie ein Paket - Gurte über dem Bauch, der Stirn und den Schienbeinen. Doch ich zitterte heftiger denn je zuvor. Eingewickelt wie eine Mumie gegen die Beschleunigungskräfte, kaum in der Lage zu atmen. Und du weißt, daß du in deiner Kapsel nur von Stickstoff umgeben bist, trotzdem glaubst du, du müßtest Deinen Helm öffnen, weil du sonst erstickst, aber du kannst ihn gar nicht öffnen. Und du weißt, daß du auch nicht aus der Kabsel herauskannst, weil sie nämlich in einer Kanone steckt, und wenn das Schiff getroffen wird, ehe du aus der Kanone abgefeuert wirst, hast du nicht einmal mehr die Luft für ein Gebet, sondern du wirst stumm sterben, hilflos, unfähig dich von der Stelle zu rühren. Es ist dieses Endlose Warten im Dunklen, das mein Zittern auslöst - der zermürbende Gedanke, daß sie dich vergessen haben, daß das Schiff als ausgeweidete, tote Masse auf dem Boden liegt, und du jetzt auch ganz langsam in deiner Kapsel an Luftmangel krepierst. Oder du stirbst bei dem Aufschlag auf dem Boden, weil der Bordschütze falsch gerechnet hat. Oder Du wirst schon unterwegs entdeckt und geröstet.
Jetzt setzt das Bremsprogramm des Schiffes ein, und ich höre auf zu zittern. Achtfache Erdbeschleunigung, würde ich sagen, oder vielleicht sogar zehn G. Wenn ein weiblicher Pilot am Steuer sitzt, geht es auch nicht sanfter zu. Du bekommst überall dort Blutergüsse, wo du angegurtet bist. Und ich habe noch Glück: Ich sitze in der Kapsel. Die Jungs, die du leiten sollst, die mit den schweren Waffen, die Sturmtruppler, die sitzen nur auf Plastikschalensitzen, billig produziert. Von einem einzelnen Gurt gehalten. Diese Jungs leiden jetzt WIRKLICH. Nicht selten, daß ein Knochen bricht und sich bei der Beschleunigung durch die Haut bohrt, ganz, ganz langsam. Einmal war ich dabei, bevor ich mich zum Spähertrupp gemeldet habe. Diese Schreie werde ich niemals wieder vergessen.
Ja, ich weiß, daß sich Frauen besser zum Piloten eignen als Männer. Ihre Reaktionen sind schneller, und sie können mehr G's aushalten. Sie können schneller in den Orbit gehen und auch schneller wieder hinaus und dadurch die Überlebenschancen für jeden verbessern - für sich selbst, und für uns. Aber deswegen ist es noch lange kein Vergnügen, wenn plötzlich Dein zehnfaches Körpergewicht auf deinem Hoden sitzt. Was ist denn da los? Sind wir bereits entdeckt worden? Wir sind auf einem Atmosphärenflug, verdammt, was soll das? Müssen wir dem Abfangfeuer ausweichen?
Ich muß sagen, Captain Deladrier versteht was von ihrem Fach. Da wurde keine Sekunde gezögert, sobald das Bremsmanöver zu Ende ging. Ich hörte in den Kopfhörern, wie sie energisch befahl: "Mittlere Kanone klar - feuer!" Jetzt war ich dran. WHAM! Die Explosion trifft mich mit einer Gewalt, daß mir das Bremsmanöver des Captains im Vergleich dazu wie eine sanfte Liebkosung erscheint. Und dann:
Nichts.
Überhaupt nichts.
Aber ich zittere jetzt nicht mehr. Es ist das Warten vor dem Einsatz, das an den Nerven zerrt. Sobald Du abgesetzt bist, kann es dir nicht mehr weh tun. Denn wenn jetzt etwas schief geht, passiert das so schnell, daß du schon tot bist, ehe du es merkst.
Genau über dem Ort, an dem ich landen soll, wurde ich abgeschossen. Der Captain ist ein Künstler, ich vertraue ihr. Die Kapsel ist stromlinienförmig und klein, sie durchstößt die zwei, drei Kilometer unter dem Landungsschiff ohne Probleme. Ein schlampiger Pilot kann schon mal aus versehen die Einheit über hunderte Kilometer verstreuen, so daß der Soldat weder in der Lage ist, seinen Auftrag zu erfüllen, noch zurück zum Landungsschiff zu kommen. Ich würde zugeben, daß die Piloten bei einem Auftrag genauso wichtig sind wie die Soldaten, und wie die Kundschafter, wie ich.
Die Außenhaut löste sich ab. Jetzt ging es um Sekunden. Die Außenhaut war nur dazu da, um unseren Fall zu beschleunigen und die Windabweichung gering zu halten. Sie löst sich etwa einen Kilometer über dem Grund. Wenn wir aus dem Orbit abspringen, hat die Außenhaut mehrere Hüllen, aber bei einem so "einfachen" Auftrag ist das Imperium sparsam.
Ich schlug Purzelbäume in der Nacht, die Hülle hatte sich nicht ganz gleichmäßig gelöst. Ich wurde nervös. Bei einem Kampfeinsatz wirft das Schiff nicht nur die Kapseln ab, sondern sofort nach dem Absetzen der Truppe auch eine Serie von Attrappen, Blind-Kapseln, die schneller fallen. Sie überholen dich, explodieren unter dir, frisieren die Radarbilder und wirken als Transponder, sie scheren seitlich aus und treiben noch anderen Unfug, um die Verwirrung des Empfangskommitees zu erhöhen. Darauf muß ich dieses mal verzichten: Ich bin der einzige Springer, nur als Vorauskommando für eine Razzia. Eine Razzia, die ihresgleichen sucht, gegen eine Terrororganisation, die vor allem dadurch auffällt, daß sie deutlich besser ausgerüstet ist als wir, und die eventuell sogar einen neuen Cybot-Prototypen in Besitz hat. Unser einziger Vorteil ist die Überraschung, und damit dieser Vorteil wirkt, benötigen wir Informationen.
Ich streckte mich in der Luft, und blickte um mich. Unter mir der Gebäudekomplex und ein Hügel nebenan. Eine kleine Gebäudeansammlung in der Nähe, einige Wälder und ein See. Das Schiff flog Richtung See. Kein Abwehrfeuer. Warum dann diese Qual im Landeanflug? Ich speicherte die Daten, während ich den Gurt für den Bremsschirm in etwa 300 Metern Höhe zog. Die erste Hälfte meines Auftrags hatte ich bereits erfüllt: exakte Daten zu dem Gebäude und seiner Umgebung zu liefern. Sattelitenbilder sind schön, aber auf ihnen schaut man immer direkt von oben, unfähig in die Fenster zu spähen. Ich konnte erkennen, daß der Turm besetzt ist, mit einigen Waffen. Und Wachen, die um das Gebäude patrouillieren. Das Briefing konnte jetzt laufen, der Searge muß nur die Daten abrufen. Die zweite Hälfte war nicht so einfach: Liefere der Gruppe Daten, während sie sich auf das Gebäude zu bewegt, und spähe auch einzelne Räume vor dem Sturm aus. Ich lenkte den Bremsfallschirm aus dem Sichtbereich des Gebäudes. Meine Taktik zahlte sich offenbar aus: ich wurde nicht abgeschossen. Ich orientierte mich Richtung Hügel, von dort aus ließen sich mit Sicherheit gute Daten gewinnen. Ein Windstoß trug mich über ein schmales Tal hinweg auf ein Lagerhaus mit Flachdach zu. Ich löste den Fallschirm ab und landete auf dem Dach des Gebäudes. Ich vermaß den Hügel mit meiner Optik: Er ragte etwa 100 Meter in den Himmel.
Schnell sah ich mich um, doch keiner der Eingeborenen hatte mich bis jetzt bemerkt. Ich band den Fallschirm und die Kapselreste so auf dem Dach fest, daß er auch am nächsten Tag niemandem auffallen würde, und machte mich auf den Weg Richtung Hügelspitze. Meine Kameraden brauchten Daten.