40k Splitter einer Welt [Archiviert. Überarbeitete Version online]

Bevor ich weiterschreibe, gebe ich all den armen Leuten hier noch den Musterschüler zum Anfassen - Skiron ;P

skiron.jpg


Hu, wieder ein Glatzkopf. Erinnert mich rückblickend etwas an Shavo Odadjian
€.: Ignorieren wir, dass er schielt.
€².:
 
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Was haben die alle nur gegen raucher:angry:

Wer schon mal band of brothers gesehen hat weiß doch wie schnell man dazu kommt...ausserdem, berichtige mich wenn ich mich irre,schätze ich mal das der sarge sie nicht angepfiffen hat weil er das schmöken im allgemeinen nicht leiden kann, sondern wohl eher weil sie im einsatz sich ne kippe angesteckt hat oder?
Warum?
Vielleicht weil in diesem dämmerlicht einer makropole selbst eine zigarettenglut für jeden wie ein zielmarkierer wirkt und die genaue position verraten kann...ein sicherer kopfschuss für jeden sniper und guter halte punkt für ein MG.:uzi:
 
bin gespannt....
wann geht's weiter?? 😀
Eben...wir brauchen Nachschub... *gier* ...
Aber Ernsthaft:
da liest man immer so beiläufig in diversen Kommentaren in diversen Posts über so eine ominöse Geschichte,
"Splitter einer Welt", und nun habe ich sie endlich mal aufgestöbert, und ich muß sagen, es liest sich sehr gut...

Erinnert mich ein bischen daran daß ich selbst hier ja auch noch Geschichten rumliegen habe,
die darauf warten beendet zu werden...
 
Was bisher geschah...

Einen wunderschönen Abend, Freunde der Nacht,

Eigennekromantie soll schwer in Mode sein, deshalb habe ich zur besinnlichen Weihnachtszeit diesen überaus besinnlichen Thread aus den Tiefen des Forums gehoben. Man glaubt es kaum: es soll weitergehen (auch wenn all meine Aufzeichnungen derzeit knapp 250 km entfernt liegen).

Da ich selbst kaum wusste, was bisher passiert ist, folgt nun ein knappes Resumé der bisherigen... nennen wir es Handlung.


Handlungsort ist Aricia, einer der Millionen, vielleicht Millarden Planeten im Imperium der Menschheit. Die Makropolwelt wird vom Erzfeind belagert, und ungefähr mit dem Tag seiner Landung beginnt auch die Geschichte.
Als erste Reaktion werden alle jüngeren Jahrgänge zwangsweise eingezogen, doch zuerst möge die militärischen Befehlshaber gar nicht an eine Niederlage glauben: sie sind davon überzeugt, dass der Feind schon vor den Grenzen der Makropole abgefangen werden kann.
Die Hoffnung trügt – tatsächlich rückt die gegnerische Armee sogar schneller vor als erwartet.
In diesen unruhigen Tagen wird ein Drillsergeant ermordet: ein Fall für das imperiale Kommissariat. Der eingesetzte Kommissar, Anselm Grunt, trifft in der jungen Einheit des Sergeants auf Abneigung und Misstrauen. Um die Disziplin schnell wiederherzustellen, statuiert er ein Exempel am schwächsten Mitglied des Trupps, ohne zu wissen, ob er den wahren Schuldigen getroffen hat.
Wenig später rückt der Zug der Einheit aus. Die Soldaten sind nervös, haben sie doch noch keinen Kampfeinsatz absolviert und schon den ersten Mann verloren. Besonders einer – Skiron, genannt Gläubig – ist beunruhigt, glaubt er doch, dass Dium, genannt Zittern, mit ihren kritischen Gedanken bezüglich des Imperators das Pech förmlich anzieht.
Inmitten der Ruinen der Ausläufer der Metropole stoßen sie schließlich auf einen Flüchtlingszug...

€.: Ein Dramatis Personae befindet sich wie gehabt im ersten Post.


Damit der Einstieg nun nicht allzu sehr aus heiterem Himmel kommt, gibt es nun auch den ersten Teil Kapitel 18 dazu. Voilá.


€².: Ja, da ist ein Stilbruch. Nein, den kriegt man nicht weg. Ja, das ist sehr schnell abgespult. Ja, das lass ich wohl so. Ja, für diese fast-Action und vielleicht noch folgende ganz-Action folgen noch ganze Berge an Dialogen. Nein, ich weiß nicht wann. Ja, es wird hier bestimmt bald was Neues geben. Ja, dass bald was Neues kommt ist genau so sicher wie beim letzten Mal 😛
 
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18
Die meisten berichteten nachher, dass ihnen ein helles Pfeifen aufgefallen wäre. Sie sagten, dass sie nicht gewusst hätten, was dieses Geräusch bedeuten würde. Einige kampferprobte Soldaten, die dies zufällig mitgehört hatten, schüttelten ungläubig den Kopf.
Schon vorher hatten alle erwartet, das etwas, irgendetwas passieren würde. Vielleicht ein Stoßtrupp des Erzfeindes, deren Weg sie kreuzten, vielleicht ein Hinterhalt. Man erwartete, an diesem Tag noch zu kämpfen, sich die ersten Sporen zu verdienen. Viele blickten deshalb noch einmal sehnsüchtig auf die Chimären zurück, die hinter ihnen wendeten. Die Schützenpanzer, so die einhellige Meinung, würden ihnen im Gefecht fehlen.
Als sie sich durch die Ruine des riesigen Komplexes vorantasteten, verstummten auch die letzten Gespräche. Eine oder mehrere Artilleriegranaten, vielleicht auch Fliegerbomben, hatten den Wohnblock getroffen und eine Hälfte förmlich auf die Straße gedrückt. Stahlträger und Beton waren wie von einer riesigen Faust verbogen, verworfen und zerschmettert worden, um anschließend überall verstreut und aufgetürmt zu werden.
Schutt und Geröll waren schlüpfrig und erschwerten ein Vorangekommen. Mehr als einmal stürzte jemand und richtete sich mit einem unterdrückten Fluch wieder auf. Dazu kamen Asche und Staub, die schwer in der Luft hingen, in den Augen brannten und das Atmen erschwerten.
Die intakte Seite des Habitatsblocks erhob sich zu ihrer Rechten. Dium erinnerte es vage an ein überdimensioniertes Puppenhaus: man konnte in Zimmer hineinblicken, die vollkommen ausgebrannt waren, und in andere, die wie durch ein Wunder noch vollkommen intakt schienen. Sie sah Tische, auf denen noch Mahlzeiten standen, ein ganzes offengelegtes Treppenhaus, Schlafzimmer, Bäder und Flure. Fast erwartete man, einer der Bewohner des Komplexes könne in einen der Räume treten.
Den Soldaten war unbehaglich zumute. Geflüstert machte ein Wort die Runde, „Totenstadt“. Tatsächlich sahen sie nirgends auch nur ein Anzeichen von Leben, keinen Menschen, kein einziges Tier. Die Zimmer muteten an wie die Zeugnisse einer schon lange untergegangenen Zivilisation.
Dium kümmerte das alles wenig. Schon seit Anfang des Tages hatte sie pochende Kopfschmerzen, war schlecht gelaunt und reizbar. Als sie ob des Staubes ausspie, war der Speichel rot von Blut. Wenn sie von der Patrouille zurückkehrten, würde sie die Sanitäter aufsuchen. Nervös spielte sie mit dem Zigarettenstummel.
Sie sehnte sich nach Mitch. Im Gegensatz zu den Weichköpfen ihres Trupps würde ihr Freund Verständnis zeigen, sie beruhigen – und sie nicht einfach wegen ihrer nichtigen Sorgen zu verlachen. Insgeheim sorgte sie sich um ihn. Als sie das letzte Mal mit ihm geredet hatte, war er kurz davor, in eine sogenannte heiße Zone verlegt zu werden. Sie hatte ihm noch viel Glück wünschen wollen, doch dann war die Leitung zusammengebrochen.
Es war jemand aus Vanders erstem Trupp, der zuerst das Scharren Dutzender schlurfender Füße sowie dumpfes Stimmengemurmel bemerkte und Dium an das Hier und Jetzt erinnerte. Sie waren beinahe am Ende des Habitatsblocks angelangt. Vor ihnen erhob sich eine Halde aus Geröll, die sich an eine halb eingestürzte Mauer schmiegte.
In Abwesenheit Leutnant Estabans – jemand hatte einmal süffisant bemerkt, er sei „kein Frontoffizier“ – hatte Sergeant Vander den Befehl. Mit raschen Handbewegungen bedeutete er dem fünften und ihrem Trupp, sich den Hang hinaufzuarbeiten.
Mit leisem Klicken wurden neunzehn Lasergewehre entsichert. Leicht geduckt schlich Dium vorwärts. Zu den rasenden Kopfschmerzen kamen schweißnasse Hände. Ihr Atem und Herzschlag erschienen ihr mit einem Male unnatürlich laut in den Ohren.
Langsam tasteten sie sich den Abhang hinauf, vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzend. Bei vielen glänzten die Gesichter fiebrig vor Schweiß und Aufregung.
„Na, Hosen voll?“, zischte ihr Giftig von der Seite zu, den Mund zu einem Lächeln verzogen. Ran Razzac, aus gutem Hause stammend und bedauerlicherweise in beinahe allen Prüfungen mit Bestnoten, war einer der Ersten, der einen Spitznamen erhalten hatte.
Dium schwieg zur Antwort.
„Man sieht's dir doch an der Nasenspitze an. Nicht nur schwächlich, sondern auch noch feige, was?“
Bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, fiel ihr etwas hinter Giftigs Schulter auf. Mit dunkler Faszination sah sie zu, wie täuschend langsam ein Soldat aus dem Fünften wegrutschte, bei seinem Versuch, wieder auf die Beine zu kommen, mehr und mehr Geröll lostrat, wie sich mehr und mehr Steine lösten und laut vernehmlich zu den anderen Trupps herunter rollten. Die Soldaten auf dem Hang erstarrten. Auf der anderen Seite und außer Sicht verstummten nach und nach die Geräusche, erst die Stimmen, dann auch die Schritte.
Sie wagten es kaum zu atmen. Dium blickte wie die anderen aus ihrem Trupp zu Nereus. Der Sergeant bedeutete angespannt ihr, Giftig und Merioth, sich weiter nach vorne zu bewegen. In diesem Moment hasste Dium ihn inbrünstig.
Der Weg nach oben, obgleich nur ein Dutzend Meter lang, kam ihr unvorstellbar lang vor. Als sie schließlich dort ankam, klebte ihr der Drillich an der schweißnassen Haut. Giftig und Merioth kauerten bereits an der Mauer, neben einer rechteckigen Öffnung, die mal ein Fenster gewesen sein mochte.
Sie schob sich ebenfalls heran, das Gewehr vor sich haltend, um einen Blick hinaus zu erhaschen, jederzeit bereit, wieder zurück zu zucken. Der Wohnkomplex ging zu dieser Seite zu einer gut ausgebauten Straße hinaus, die quer zu der Einkaufsmeile verlief, die sie kürzlich passiert hatten. Dutzende, Hunderte Menschen schienen in ihre Richtung zu blicken: alte und junge, kränkliche und gebrechliche, Gesunde, Menschen in der groben Kleidung der hiesigen Industriearbeiter. Ein Flüchtlingstross. Dium entfuhr ein Stoßseufzer.
Während die anderen beiden ins Freie traten – langsam und bedächtig, um die Zivilisten nicht zu erschrecken – machte sich Dium auf den Weg nach unten, um Bericht zu erstatten. Beinahe wäre sie in ihrer Hast ebenfalls abgerutscht.


Leise getuschelt machte die Neuigkeit schnell die Runde, und jeder, den die Nachricht erreichte, entspannte sich schnell.
Die vorigen Sorgen und Befürchtungen, die Anspannung schienen plötzlich nichtig.
“War ja gar nicht schlimm”, sagte man sich, “ist ja nichts passiert. Feinde, hier? Ha!”
Gespräche entspannen sich, dann und wann lachte jemand auf und musste von seinem Sergeant zur Raison gerufen werden.
Etwas abseits standen die Unteroffiziere zusammen und warteten auf Antwort des Kommandostabs. Kälte, die Funkerin des dritten Trupps, hatte in knappen, nüchternen Worten ihre Situation geschildert. Nun bildeten sie einen losen Ring und ließen ein LHO-Stäbchen von Hand zu Hand wandern. Giftig und Merioth waren immer noch draußen auf der Straße bei den Flüchtlingen.
Es dauerte mehrere Minuten, bis knisternd eine Antwort über Funk hereinkam: der vierte Zug solle die Zivilisten aus dem Gebiet geleiten, bis sie in Sicherheit wären.
Erleichtert strömten die Soldaten aus der Ruine, den Flüchtlingen entgegen. Vielen der jungen Frauen und Männer war es willkommen, wieder mit Menschen außerhalb des grauen Alltags in den improvisierten Kasernen, außerhalb des steten Drills zu reden: sie plauderten angeregt mit den Alten, Kranken und Kindern, die nicht zur Verteidigung der Makropole eingezogen und nun auf der Flucht vor dem Erzfeind waren.
Angeführt wurden sie von einem Prediger, wie man sie in letzter Zeit oft auf den Straßen sah; einem Mann undefinierbaren Alters mit langem, verfilzten Bart und in zerschlissener Robe. Er war von unsteter Energie erfüllt und sprach mit schneller, eindringlicher Stimme mit Vander.
Langsam setzte sich die Kolonne, nun in Begleitung der Soldaten, in Bewegung. Noch immer irrten Blicke zu allen Seiten, noch immer ruhten Hände auf ihren Waffen, doch die Unruhe und düstere Stimmung, die den Zug zuvor befallen hatte, war verschwunden. Die Menschen, die sie nun begleiteten, hätten oft Vater oder Mutter, Schwester, Bruder, Großeltern eines jeden von ihnen sei können. Sie gaben den Soldaten ein diffuses Gefühl von Sicherheit.
Es war schließlich vielen nicht klar, was sie nach vielleicht einer Stunde so beunruhigte. Einige blieben stehen und schauten irritiert umher, manche kratzten sich unbehaglich oder legten den Kopf in den Nacken. Kurz darauf fiel auch den Letzten das helle Pfeifen auf, und der Tross kam zur Gänze zum Stehen. Nach und nach wurde das Geräusch lauter und dumpfer.
“Runter!”, schrie plötzlich jemand – vielleicht war es Vander, vielleicht Nereus. “Runter von Straße!”
Nur wenige Augenblicke später schlugen die ersten Artilleriegranaten zwischen den dicht gedrängten Leibern ein.




19
Warum wir diesen Krieg gewinnen werden? Unsere Krieger sind unbeugsam, mein lieber Van Viegand – zäh wie Catachaner, schnell wie ein Lightning-Jäger und hart wie Adamantium. Unsere Armee besteht aus den diszipliniertesten und mutigsten Kriegern der Menschheit!
Rivet Gration nach Van Viegand, Adliger Aricias
datiert auf 989.M41




20
Zäh wie der Dreck in den Kloaken, schnell wie ein heimtückischer Taschendieb, hart wie ein gedungener Schläger.
Aricisches Sprichwort

21
Suchen Sie bei Angriffen durch feindliche Artillerie möglichst zügig und geordnet den nächsten gekennzeichneten Schutzraum auf. Vermeiden Sie jegliche Panik!
Aus: Verhalten im Verteidigungsfall
Veröffentlicht durch das Heimatschutzbureau
989.M1

 
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22
Ein Artillerieangriff sah in den Aufnahmen des Imperialen Senders stets harmlos aus, als wirble ein Kind etwas Sand auf.
Augenzeugenberichte, mündlich oder schriftlich, zeichneten ein anderes Bild: es wäre grausam, chaotisch, tödlich, bekam man da mit – die Kommissare griffen oft hart durch, wenn sie hörten, dass jemand solche Beschreibungen verbreitete.
Einen solchen Angriff zu erleben war etwas, das man nicht wirklich in Worte fassen konnte. Die bloße Bezeichnung klang nach etwas Geordnetem, das jemand anordnete, jemand durchführte und das präzise ein bestimmtes Ergebnis heraufbeschwor.
Tatsächlich schlugen die ersten Geschosse ein, und die Welt hörte auf zu sein, wie sie war.
Die Granaten schlugen tiefe Krater in den Asphalt der Straße. Wo sie auf menschliche Körper trafen, zerrissen sie diese, verstümmelten sie. Menschen, die noch eben gelebt und geatmet hatten, wurden nun von der Wucht der Explosionen zerquetscht und durch die Luft geschleudert.
Feiner Blutnebel lag in der Luft, vermischte sich mit dem Regen und dem Staub, der überall hochgewirbelt wurde und die Sicht auf wenige Meter begrenzte. Trümmer aus den Ruinen am Rande der Straße fielen täuschend langsam in die Menge oder jagten Geschossen gleich über den Boden. Einer der umstehenden Habitatsblocks wurde mehrmals getroffen und stürzte in sich zusammen.
Die losen Fesseln der Zivilisation zersprangen: wilden Tieren gleich stürmten die Menschen blind nach vorne, stießen rücksichtslos andere davon, trampelten über Gestürzte hinweg. Die Panik machte sie alle gleich: Mütter, ihre Kinder auf dem Arm, knorrige Alte, die nie ihr Makropolviertel verlassen hatten, Untergangspropheten, Arbeiter, Angestellte.
Die wenigen Soldaten des vierten Zuges wurden vielerorts von den Zivilisten mitgerissen. An einigen Stellen hielten sich Unteroffiziere verzweifelt aufrecht und stemmten sich gegen den Strom, brüllten, fluchten, riefen. Oft genug gingen die Befehle im Schreien der Verwundeten, dem dumpfen Dröhnen der Einschläge und dem Gekreische der Menge unter. Nicht selten waren die jungen Männer und Frauen auch zwischen den Flüchtenden eingekesselt, unfähig, sich zu sammeln und in Formation zu bleiben.
Nur manchmal waren ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt, und kleine Trupps setzten sich zur Seite in die Ruinen und Gassen ab.

Eines der ersten Geschosse verfehlte Isca Dium, genannt „Zittern“, vom dritten Trupp nur knapp. Vielleicht ein Dutzend Meter entfernt bohrte sich eine Granate in eine Gruppe Ekklesiarchiepriester, detonierte und riss einen tiefen Krater in den Boden. Dium wurde zu Boden geworfen. Als sie wieder aufstand, bemerkte sie benommen, dass wenige Schritte vor ihr ein zur Hälfte geschmolzener Arm lag. Noch während sie weitertaumelte, taub und kaum etwas sehend, übergab sie sich.
Von hinten drängten die Flüchtlinge vorwärts und rissen sie mit. Verzweifelt versuchte Dium, jemanden aus ihrer Einheit zu erblicken, doch überall sah sie nur die panischen, entsetzten Gesichter der Flüchtlinge, überall erhoben sich Fontänen aus Staub, Splittern und menschlichen Körperteilen.
Fieroya, der Funker aus Vanders Erstem, geriet in ihr Blickfeld. Er kreischte voller Angst in sein Funkgerät, brabbelte unzusammenhängende Sätze.
„Der Idiot lässt aber ordentlich an Funkdisziplin vermissen“, schoss es Dium irrsinnigerweise durch den Kopf, als jemand sie von hinten zu Boden stieß. Die Welt drehte sich.
Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihren Rücken, als jemand rücksichtlos über Dium hinweg floh. Ein weiterer Flüchtling fiel über sie und begrub sie unter seinem Gewicht.
Dium stieß ihn panisch weg und trat zu, als er sich halb über ihr aufrichtete. Überall waren trampelnde Füße, stoßende Beine und die unregelmäßigen Erschütterungen, wenn ein Geschoss einschlug. Der Himmel war nicht mehr zu sehen. Hastig riss sie sich das Gewehr von der Schulter und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, krabbelte einige Schritte nach vorne. Ein kräftiger Manufakturarbeiter hätte sie beinahe wieder zu Boden gerissen. Bevor es soweit kommen konnte, brach er, aus Nase und Ohren blutend, vor ihr zusammen.
Nur noch raus hier, nur noch raus hier. Der Gedanke wurde beherrschend.
Dium brach zur Seite aus, das Gewehr vor sich haltend. Als ein Mann nicht zur Seite wich, schlug sie ihn mit dem Kolben nieder. Nur noch raus hier. Das Gewehr fuhr auf und nieder, als die junge Frau sich den Weg bahnte. Nur noch raus hier. Ein kräftiger Kerl stand nach einem Treffer wieder auf und ballte wutentbrannt die Fäuste. Dium schoss auf ihn. Er fiel zur Seite und ging in der tobenden Masse unter.
Plötzlich war der Druck der Leiber verschwunden. Dium stolperte einige Schritte vorwärts, ehe sie zu Boden fiel.
Die Welt, die eben noch das Pandämonium selbst gewesen zu sein schien, wurde plötzlich weich. Dunkelheit engte ihr Blickfeld ein, und alle Geräusche schienen aus weiter Ferne zu kommen. Ihr Verstand schrie sie an, sich aufzuraffen und von hier zu verschwinden, doch auch er war nur gedämpft, ein dumpfes Summen am Rande ihres Geistes.
Eine Ohrfeige, zwei, holten sie zurück ins Hier und Jetzt. An ihren Seiten hakten sich Arme ein, und sie wurde Schritt für Schritt von der Straße weg und in eine Gasse geschleift.
Erst nach einiger Zeit begann Dium damit, sich dagegen zu wehren. Wer zog sie hier davon? Sie strampelte in dem festen Griff, wand sich hin und her.
„Ha! Ich habe dir doch gesagt, Unkraut vergeht nicht. Die kann schon wieder auf eigenen Beinen stehen.“
Sie wurde losgelassen und kam langsam wieder hoch. An den Seiten erhoben sich graue Habitatsblöcke in den Himmel, jeweils kaum drei Schritt entfernt. Immer wieder wurde der Boden leicht erschüttert, und dumpfes Grollen kündete von den nahen Einschlägen.
Neben ihr stand Giftig, der teilnahmslos auf sie herabblickte, und Merioth, der über das ganze Gesicht grinste. Neben ihnen standen in der Gasse noch Sergeant Nereus, Kälte, die etwas an ihrem Funkgerät justierte, Sonnig, Gläubig – er sah wieder besonders säuerlich aus – zwei Soldaten aus Vanders Erstem und einer aus Caulbrons Trupp, die sie nicht kannte. Alle waren ruß- und dreckverschmiert, einige mit feinen Blutspritzern übersäht. Keiner schien jedoch ernsthaft verletzt zu sein.
„Ganz schon zäh, was? Wie heißt es doch? ‚Zäh wie der Dreck in den Kloaken’?“, fragte Giftig, während er mit den Fingern in den Zähnen pulte. Seine Stimme drang merkwürdig leise zu ihr, als spreche er von der anderen Seite einer Mauer.
Dium richtete sich zur Gänze auf. Noch immer tanzten flimmernde Lichter vor ihren Augen auf und ab, war das Bild des abgetrennten Armes in ihren Kopf eingebrannt. Als sie sich erhob, wäre sie beinahe wieder zurückgesackt. Tränen traten ihr in die Augen.
„Oh, du armes Ding. Musst ja nicht gleich weinen. Aber schon bemerkt? Wir haben Krieg, also sei nicht so ein kleines Mädchen, auf das wir nur aufpassen müssen.“
Diums Kiefer mahlten aufeinander. Dieser arrogante Scheißkerl. Wut und Zorn brachen sich Bahn.
„Besser als sich so zu benehmen wie eine verdammte Menashi-Hure mit dem beschissenen Scheißhirn einer...“
„Beim Imperator, Ruhe!“, unterbrach Nereus die bildhafte Darstellung bellend. „Könnt ihr verfluchten Welpen nicht einen Moment zumindest Soldat spielen und einfach euer Maul halten?“
Dium verstummte unter Nereus Blick, auch Giftig verzichtete auf weitere Sticheleien. Ihr fiel auf, dass ihm ein feines Blutrinnsal aus der Nase lief, das er sich irritert wegwischte.
Als Nereus sich wieder zu Kälte umwandte, steckte sich Dium mit missmutigem Blick ein LHO-Stäbchen an.
„Ich bekomm’ hier nichts durch, Sergeant. Keine Ahnung, ob es an den Gebäuden oder dem Beschuss liegt. Tatsache ist, dass ich weder andere Trupps, noch die Chimären, noch das Oberkommando erreiche.“ Sie klang erstaunlich unbeteiligt, als ginge sie all das eigentlich nicht so recht etwas an.
„Versuch es weiter. Ich will nicht, dass man uns hier abschreibt.“
Er wandte sich den Soldaten zu, die sich um ihn gescharrt hatten.
„So, Jungs und Mädels, wir wollen hier wohl alle heil wieder rauskommen. Und das heißt zuerst einmal,...“ – er trat auf Dium zu, entriss ihr das LHO-Stäbchen und zertrat sie unter seinem Stiefel – „... dass hier niemand aus der Reihe tanzt. Klar soweit?“
Sonnig hob ihre Hand.
„Ja, Soldat?“
„Was ist mit den Zivilisten? Sollten wir nicht zurückgehen und so viele wie möglich hier rausholen?“
Nereus seufzte.
„Löblich, wirklich löblich. Doch mit diesen wunderbaren Dingern...“ – er klopfte auf sein Lasergewehr – „...kann man leider nur leidlich gegen Artillerie vorgehen. Sie werden selbst schauen müssen, wie sie sicheres Gebiet erreichen.“
Mit aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund sah Sonnig den Sergeant an. Dann nickte sie.
„Dann los, bleiben wir in Bewegung. Ich will nicht, dass uns eines dieser verdammten Geschosse doch noch erwischt. Abmarsch.“
Die jungen Soldaten schulterten Waffen und Gepäck, ehe sie in leichtem Trab die Gasse verließen.

Es war ein surreales Szenario, mehr Flucht als geordnete Bewegung. Kaum jemand achtete noch darauf, die Umgebung ordentlich zu sichern, stattdessen trabten sie mit gesenktem Kopf vorwärts. Warm fiel ihnen Regen in den Nacken. Ständig trieb Nereus sie an, und die Einschläge, die mal ferner, mal näher klangen, gaben ihm Recht.
Irgendwann fiel ihnen auf, dass der Soldat aus Caulbrons Trupp verschwunden war. Leise geflüstert konkurrierte die Vermutung, ein Feind hätte ihn erwischt, mit der Behauptung, er sei desertiert.
Dium hielt sich nah bei Kälte, die neben ihr lief und erfolglos immer wieder versuchte, über verschiedene Frequenzen jemanden zu erreichen. Die mehrere Schritt lange Antenne des Funkgeräts schwankte im Takt ihrer Schritte hin und her. Wenn Dium sich nicht irrte, hatte man ihre Funkerin direkt von der TSA, der Technischen Schola Aricia, eingezogen. Ihre Haare waren kurz geschnitten und gebleicht, das Gesicht etwas spitzbübisch, die Stirn in Falten gezogen. Im Allgemeinen galt sie als schroff und abweisend, und weder sie noch Dium waren derzeit in Plauderlaune.
Die Gassen, die sich zwischen den Habitaten hindurchzogen, schienen beinahe endlos. Dium hatte bereits nach kurzer Zeit jegliche Orientierung verloren, und so hoffte sie, dass Nereus wusste, wohin er sie führte.
Plötzlich gab es ein leises, feuchtes Geräusch, und einer der beiden Soldaten aus Vanders Erstem – sie wusste noch immer nicht, wie er hieß – ging unter Keuchen und mit blutverschmierter Brust in die Knie. Mechanisch warf sich der gesamte Trupp zu Boden, als auch schon mehrere weitere Laserstrahlen hinter ihnen die Gasse hinunter jagten.
Dium rollte sich hinter einen rostigen Müllcontainer, dessen Inhalt – Essensreste, Verpackungen, eine geborstene Holotafel – zur Hälfte auf dem Boden verstreut lag. Ihr Atem beschleunigte sich, die Finger umkrampften den Griff des Gewehrs.
„Scheiße, scheiße, scheiße...“, murmelte sie leise vor sich hin, während sie sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr. Sie spürte Feuchtigkeit – ihre Nase blutete.
Jemand berührte sie an der Schulter, und sie wandte sich um. Kälte hockte neben ihr und deutete wortlos auf einen Hauseingang, in dem bereits ein Teil des Trupps in Deckung gegangen war. In eben diesem Moment sprintete auch Giftig zu ihnen, den Kopf eingezogen. Ein Schuss streifte seine Schulter und verfehlte seinen Kopf um eine Handbreite, doch er schaffte es herüber.
Kälte und Dium nickten einander zu, ehe sie dicht hintereinander ebenfalls zu den anderen hasteten. Jeden Augenblick befürchtete sie, von einem Treffer niedergeworfen zu werden, doch nichts dergleichen geschah. Als sie sich in Deckung warf, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
„Das haben wir gleich“, stellte Giftig fest, der sich die massive Eingangstür näher besah. Er legte an und schmolz das Schloss aus nähester Nähe, ehe er die Tür mit einem beherzten Tritt aufbrach.
Einer nach dem anderen glitten die Soldaten in das Gebäude.
 
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