Das Finale:
Sie setzten ihren Weg schweigend fort. Krüger wollte nichts sagen, weil es nichts mehr zu sagen gab. Er hatte Antiochia die ganze Zeit über gewünscht, dass sie eine Lektion erhalten würde, dass sie das wahre Wesen des Kampfes gegen die Tyraniden verstehen würde. Nun war diese Lektion gekommen, in viel größerer Härte, als Krüger es sich vorgestellt hatte, und Antiochia hatte ohne Zweifel verstanden. Krüger empfand keine Befriedigung bei dem Gedanken.
Er hatte sich von einer der Gefallenen eine Boltpistole samt zweier Ersatzmagazine genommen, und weder Antiochia noch eine ihrer Schwestern hatten etwas dazu gesagt. Sie wog schwer in seiner Rechten. Die Automatikpistole steckte, jetzt fast leergeschossen, in seinem Gürtel.
Immer wieder huschten Schatten zwischen den gewaltigen Installationen in der Halle hin und her, so schien es Krüger, zu schnell für das Auge und gerade weit genug in den dunkeln Nischen verborgen, um vor einer Boltersalve sicher zu sein. Die Maschinen dröhnten und aus den Rohrleitungen und Kesseln blubberte und zischte es als seien Dämonen am Werk.
Der lange Weg zur Außenwand schien kein Ende nehmen zu wollen. Wieder blockierten Wäschekarren den Gang. Schulterzuckend wies Antiochia nach rechts, in einen Seitenkorridor, der zu beiden Seiten von hohen Rohrleitungen begrenzt wurde. Sie selbst ging vor – und erstarrte, kaum dass sie zwei Schritte in den Gang hinein gemacht hatte. Krüger war mit zwei schnellen Schritten neben ihr, seine Boltpistole schussbereit erhoben.
Vom anderen Ende des Korridors starrte ihnen eine Monströsität entgegen, wie sie Krüger in seinem ganzen Soldatenleben noch nicht gesehen hatte. Ein gewaltiger, breitmäuliger Kopf mit listigen kleinen Augen wuchs scheinbar halslos aus einem noch gewaltigeren, feisten Torso, aus dem vier klauenbewehtre Arme entsprangen. Die Kreatur stand gestützt auf zwei lächerlich dürre Beine, die in schmalen Hufen endeten.
Krüger wollte den Zeigefinger krümmen, um der Bestie der Gnade des Imperators zu überantworten, doch seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Ein grausiger Kopfschmerz, vergleichbar nur mit der mentalen Attacke des Schwarmtyranten, überfiel ihn. Die Boltpistole entglitt seiner in Krämpfen zuckenden Hand.
Unendlich grausame Bilder überfluteten seinen Geist: Horden von Kreaturen, die denen aus der Kanalisation ähnelten, fielen über wehrlose Menschen her. Häretische Kultisten badeten im Blute unschuldiger, um die grausig fette Kreatur in ihren Mitte zu erfreuen. „Vater...“, drang es über Krügers Lippen, „Vater...“. Als ihm bewusst wurde, dass er damit die Monströsität vor sich meinte, hätte er vor Entsetzen aufgeschrieen, wenn er denn gekonnt hätte, aber seiner Kehle entrangen sich nur gurgelnde, gestöhnte Laute. Seine Beine gaben nach, und er fiel auf die Knie, unfähig zur Gegenwehr. Nur aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass es allen anderen auch so erging. Allen; bis auf Antiochia.
Die Prioris stand breitbeinig da, ebenfalls zitternd unter der mentalen Gewalt der Xenokreatur, aber dennoch aufrecht gehalten durch die Kraft ihres Willens und ihres Glaubens. Sie hielt ihr Schwert wie zur Parade erhoben, so als erwarte sie jeden Moment einen körperlichen Angriff des Monsters, den sie mit einem mächtigen hieb zurückschmettern konnte. Die Lippen der Prioris bewegten sich unablässig im Gebet an den Imperator.
Einen Moment lang geschah nichts, die Kreatur und Antiochia standen sich einfach nur gegenüber, von vielleicht 15 Metern Korridor getrennt. Welle auf Welle brennenden Schmerzes flutete durch Krügers Körper. Dann machte Antiochia unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft einen Schritt auf das Monster zu. Noch einen... Noch einen... Unter den mentalen Angriffen taumelnd, aber nicht fallend, kam sie mit klackenden Absätzen Schritt um Schritt auf die außerirdische Bestie zu.
Neben Krüger scharrten außerirdische Hufe über den Boden. Die grausamen Kreaturen aus den telepathischen Alptraumbildern des fetten Monstrums waren über ihn und die Übrigen gekommen. Die Klauen zum Schlag erhoben, ihre listigen Augen vor Hunger und jagdlust blitzend, beugten sie sich über die Wehrlosen.
„Kinder...“, hörte Krüger die groteske Gestalt am anderen Ende des Korridors in seinem Verstand rufen. „Meine Kinder... kommt... kommt...“
Die Tochter des Imperators kommt, dachte Krüger. Er würde sterben, aber das Monstrum auch. Er durch eine außerirdische Klaue, die Kreatur durch eine gesegnete Klinge.
Antiochia machte einen weiteren Schritt. Noch einen... Noch einen...
Schmerz und Lähmung fielen so plötzlich von krüger ab, wie sie gekommen waren. Zur Seite wegrollend entging er im letzten Moment den niederstoßenden Klauen und bekam auf wundersame Weise seine Boltpistole zu fassen. Der Feuerstoß aus nächster Nähe ließ den Schädel der über ihn gebeugten Kreatur in einer blutigen Explosion zerplatzen. Krüger wirbelte herum, weitere Schüsse abgebend. Eine weitere Kreatur fiel, die Nächste wurde von der Wucht der Einschläge in ihrer knochigen Brust zurückgeworfen.
Drei der Schwestern, unter ihnen die Prioris, denen Namen Krüger nie erfahren hatte, schafften es nicht mehr rechtzeitig auf die Beine; scherenartige Klauen fetzten durch ihre Rüstungen wie durch Papier. Haller und die junge Schwester neben ihm hatten mehr Glück. Haller tötete die Kreatur über der Schwester mit einem mächtigen Schlag seiner bionischen Hand, dann revanchierte sich die Schwester, indem sie das auf Hallers Rücken zustürmende Monster mit einer gezielten Salve in zwei Stücke schnitt.
Antiochia stöhnte laut und voller Schmerz. Sie stand kurz vor dem feisten Monstrum, kaum fünf Schritte trennten sie noch von dem aufgeblähten Leib der Kreatur. Ihr ganzer Körper zitterte und bebte, das Schwert schlug vor ihr, von krampfenden Händen gehalten, hin und her. Alle Konzentration des Monstrums lag nun auf ihr, seine ganze psionische Macht versuchte, Antiochias Geist zu brechen. Und dennoch weigerte sich die Prioris, in die Knie zu brechen und aufzugeben.
Krüger erkannte die sich bietende Chance. Er legte die Boltpistole an, zielte und feuerte, bevor die Kreatur auch nur die Gelegenheit hatte, an ihn zu denken. Das Geschoss richtete keinen nennenswerten Schaden an, obwohl es den Leib des Monsters traf und – einen wahren Fleischbrocken herausreißend – detonierte.
Doch es erfüllte seinen Zweck, riss das Monstrum herum und brach seine Konzentration auf Antiochia zumindest soweit, dass die Prioris ihr Werk vollenden konnte. Wie eine zornige Göttin stürmte sie heran; ihr Schwert stieß wie ein Blitz vor und nagelte den unförmigen Schädel des Monstrums an die Rohrleitung hinter ihm.
Heißer Dampf schoss unter ungeheurem Druck aus der geborstenen Leitung und verdampfte den Kopf des Monsters zu dunklem Nebel, bevor er auch Antiochias Gesicht traf. Die Prioris taumelte schrill kreischend zurück, die Hände vors Gesicht reißend. Sie stürzte hintenüber, zuckte noch einmal und blieb dann reglos und ohne einen weiteren Laut liegen.
Krüger eilte zu ihr, Haller und die junge Schwester auf seinen Fersen. Atemlos fiel er neben Antichas leblosem Körper auf die Knie und zog behutsam ihre gepanzerten Arme von ihrem Gesicht fort. „Heiliger Imperator, nein!“, keuchte er.
Antiochias linke Gesichtshälfte war von dem Dampf auf furchtbare Weise entstellt worden. Das Fleisch war stellenweise bis auf die blanken Knochen heruntergeschmolzen, an anderen Stellen sprudelte kochendes Blut aus geborstenen Adern. Fahl und durchsichtig hingen Hautfetzen vom Kinn der Prioris herunter. Ihr linkes Auge starrte trüb und weiß aus den Überresten des Lids. Der Blick ihres anderen, unbeschadeten Auges war gebrochen.
„Tut etwas!“, heulte die junge Schwester hinter Krüger. „Um des Imperators Willen, die Prioris darf nicht sterben.“
„Sie ist bereits tot.“, sagte Haller. „Kein Mensch kann das überleben.“ Er deute auf das Leck hinter dem nackten Schädel des außeririschen Monstrums, aus dem noch immer, nun weniger druckvoll, heißer Dampf strömte. Antiochias Energieschwert steckte noch immer in der Leitung.
Krüger fühlte ungeschickt Antiochias Puls. Nichts. Er war kein Sanitäter, aber selbst ein solcher hätte nun kaum noch etwas ausrichten können, dachte er. Seufzend schlug er das Zeichen des Aquila vor der Brust. „Ich fürchte...“, begann er.
Antiochias verbliebenes Auge blickte ihn plötzlich an, mit demselben harten Ausdruck, mit dem ihn die Prioris den ganzen Einsatz über bedacht hatte. „Ich bin noch nicht tot, Hauptmann.“, murmelte sie apathisch, ihre Worte durch einen Blutschwall in ihrem Mund kaum verständlich. Sie hob keuchend den Oberkörper vom Boden. „Helft mir auf.“
Die junge Schwester legte den Arm der Prioris um ihre Schultern und zog sie mühsam mit sich in die Höhe. Die verwundete Antiochia stützend sah sie Krüger an.
„Was nun, Hauptmann?“, fragte sie. Antiochias Blick war währenddessen nach unten gesackt, mehr tot als lebendig hin sie an der jungen Sororitas. Ein stetes, blutiges Rinnsal tropfte von ihrem Gesicht auf den Boden.
Krüger horchte auf. In der ferne, außerhalb des Gebäudes, wurde das Hämmern von Boltern und das Brüllen von Flammenwerfern laut.
„Es ist nicht mehr weit.“, sagte er. „Wir können es schaffen. Der Imperator leite uns.“
Ich weiß nicht, ob ich der Geschichte noch ein 'Nachspiel' hinzufügen soll, deshalb hier schonmal meine Erklärung in eigener Sache:
Ihr wart ein großartiges Publikum, danke für eure Anteilnahme an der geschichte und die vielen Verbesserungsvorschläge und Kommentare über den ganzen Verlauf der Story hinweg. Bessere Leser kann man sich wohl kaum wünschen, also nochmal vielen Dank für euer Interesse. Besonderer Dank gilt Sister of battle, die mich in vielerlei Hinsicht beraten hat und wahrscheinlich DIE Expertin hier im Forum ist, wenn's um die Schwesternschaft geht.
Dank im Speziellen auch an die 'Fanclubs' der beiden Hauptfiguren. Ich hoffe, dass sich durch das Ende keiner enttäuscht findet, ich war mir bis zuletzt unschlüssig, was geau denn nun der Prioris wiederfahren soll.
Macht's gut, und bis zur nächsten Story! Die kommt unter Garantie...
EDIT: Was ich noch sagen wollte: Bitte, postet doch eure Kritik, was euch am besten gefallen hat und was euch sonst noch einfällt. Danke im Voraus!