40k Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)

genial der Wahnsinn hat Methode

- Das, glaube ich, sollte bereits bekannt sein ;-D

Heute ist ein guter Tag! 😀

- Über den musste ich beim ersten Mal tierisch lachen.

Sehr cool.
Ich hab die Story von vorne nach hinten durchgelesen und war von Anfang an gefesselt. Dieses fesselnde ist wohl Ekkos Verhalten 🙂
Auf jeden Fall unglaublich unterhaltsam und Macht eine Menge Spaß zu lesen.
Mach weiter so und ich freue mich auf das Ende : )

- Ja, es geht wieder aufwärts ;-D

du hast mir meinen nicht vorhandenen Glauben an einen nicht vorhandenen Gott wieder gegeben 😀 Das Kapitel ist einfach nur der Hammer 😀 Mach bitte schnell weiter damit ich meine Sucht nach Ekko und Co. befriedigen kann :lol::lol::lol::lol:

- Ohha, das ist ja schon fast etwas extrem! Du glaubst also an nicht vorhandene Götter! Ein Häretiker! Schwester Sile, Ihr Auftritt! *Foooosh!*

Aber jetzt ganz ehrlich: Also SOOOO gut bin ich dann doch nicht ;-D Ich schreibe nur eine Geschichte. Ich will hier keine Religion aufbauen!
Daher wird es auch bis zum nächsten Kapitel noch etwas dauern. Ich bin derzeit unterwegs und kann daher nicht viel schreiben. Ich melde mich so bald wie möglich mit neuem von Ekko und Co. ;-D
 
Hallo liebe Stargazer-Leser,

wieder einmal ist es Zeit für ein Update, auf das sicherlich schon gewartet wurde. Tatsächlich ist dieses eher klein, aber es hat mich tatsächlich sehr lange beschäftigt, bis das Update fertig war.
Ich danke Nakago für den Beta, wünsche viel Spaß beim Lesen und melde mich, wenn das nächste Update fertig ist.


38

Das furchterregende Beben, unter dem die Kampflinie zwischen den Imperialen und den Orks in Flammen aufging, erschütterte selbst Gren Krood bis ins Mark, während er mit seinen Kasrkin der Gruppe aus Soldaten und Zivilisten vorauseilte, immer den Angaben von Captain Solmaar folgend.
Eisige Schauer durchliefen den Grenadiersergeant, hervorgerufen vom klagenden Heulen der Raketenbatterien und die gewaltigen Explosionen, die nicht weit entfernt einen ganzen Sektor des ersten Rings in etwas verwandelten, das sich nicht mehr von einer zertrümmerten Felsformation würde unterscheiden lassen können.
Der Tod kam wieder einmal näher, griff mit seinen hässlichen Klauen nach all jenen in seiner unmittelbaren Reichweite.
Und sie irrten hier umher, im bereits weitestgehend geräumten ersten Ring der Kathedralenstadt, ohne wirklich zu wissen, wo sie warum und wo sie hinmussten, auch wenn Captain Solmaar den Eindruck erweckte, er habe eine grobe Ahnung.
Seit einer geraumen Zeit wollte es Krood so vorkommen, als liefen sie im Kreis. Aber das konnte auch nur Wunschdenken sein. Mehrstöckige Gebäudefassaden hatten sie eingeschlossen. Bauwerke im Stile imperialer Gotik; mit hochaufragenden Fassaden und mächtigen Arkadengängen. Schlanke Fenster, durch den Gefechtslärm teilweise bereits geborsten, observierten die umliegenden Straßenzüge, maßen jeden Schritt der menschlichen Eindringlinge.
Fast wollte es Krood so vorkommen, als würden sie ihn beobachten, jeden seiner Schritte mit wachen Augen verfolgen und diese Beobachtungen an einen bestimmten imperialen Offizier weitermelden.
Diese Stadt war nicht normal. Dieses Regiment war nicht normal. Und dieser Kampf war es auch nicht.
Gren Krood hatte sich stets für einen klaren und starken Geist gehalten, aber nachdem er nun eine Zeit lang an der Seite dieser ‚Soldaten‘ gekämpft hatte, war er sich dessen nicht mehr ganz so sicher.
Dafür waren die Situationen, in die man ihn gestoßen hatte, einfach zu absurd und sein Umgang damit auch.
Dieses Problems würde er sich annehmen müssen, um seine Lage ein für alle Mal zu klären. Bald. Zumindest, nachdem dieser Kampf beendet war. Er hoffte, dass ihm dann genügend Zeit dafür blieb.
»Gruppe, Halt!«, prallte die Stimme eines der hinter ihnen befindlichen Offiziere laut an den Fassaden der umliegenden Häuser ab. »Sicherungsformation einnehmen!«
Während seine Grenadiere ausschwärmten, um sich abseits der Straße in eine verlässliche Deckung zu begeben, kniete Krood sich ab. Da sie nur noch zu dritt waren und derzeit keine unmittelbare Gefechtssituation die Truppe in Beschlag nahm, gab es keinen Grund, sich durch überhastet wirkende Aktionen die taktische Überlegenheit über ihre Lage nehmen zu lassen. Wichtig war einzig, dass ihnen die Fähigkeit zum Feuerkampf nicht verloren ging.
Mit schnellen, fließenden Bewegungen glitten die Kasrkin zu Boden, verschmolzen so gut wie möglich mit dem von Staub bedeckten Raum um die Hausfassaden. Sollte sich ihnen nun eine orkische Horde nähern, würden sie zumindest den Vorteil des ersten Schusses auf ihrer Seite halten.
Für die restliche Gruppe galt das nicht. Sie standen auf einer von vier Seiten einsehbaren Kreuzung, vollkommen ungedeckt und im Falle eines feindlichen Angriffs auf jeden Fall auf der Seite der Unterlegenen.
Eilends gingen Infanteristen in Stellung, knieten oder legten sich hin. Mit wachen Augen suchten sie die umliegenden Häuserfronten ab, jederzeit in Erwartung eines gegnerischen Angriffs.
Im Falle eines plötzlichen Feuerüberfalls hätte ihnen keine ihrer Positionen genügend Schutz geboten, um eine mögliche Gefechtsaufnahme zu vollziehen.
Dennoch schloss die Gruppe der Adepten und Verletzten auf, ließ sich wie eine Herde dummer Tiere in ein Gatter aus menschlichen Leibern zwängen, in das eine einzige Mörsergranate hätte einschlagen müssen, um sie alle zu töten.
»Was soll das?«, brummte Tall in Kroods Richtung. Auch wenn er seiner Ausbildung gemäß die ihm zugedachte Aufgabe erfüllte und den ihm zugewiesenen Bereich im Vorfeld der Gruppe beobachtete, zeichneten sich auf seinem Gesicht und in seiner Stimme dennoch Verwirrung ab.
Kein Kasrkin konnte von sich behaupten, die großen Zusammenhänge des Universums zu verstehen. Vor allem nicht, da die Wege des göttlichen Imperators bisweilen den Eindruck erweckten, unergründlich zu sein.
Doch wie jeder Grenadier waren die Elitesoldaten in viele Grundsätze und Geheimnisse der Kriegskunst eingeweiht. Und einer der Grundsätze der effektiven Gefechtsführung war die Prämisse, sich nie in eine Situation zu bringen, in der einem das Zepter der Überlegenheit aus der Hand genommen werden konnte. Jeder einigermaßen klare Einheitsführer wusste, dass so etwas wahnsinnig und – vor allem – reiner Selbstmord war.
Aber seitdem sie im Dienste eines bestimmten Colonels ‚standen‘, verschwammen die Grenzen zwischen Klarheit und Wahnsinn ganz allmählich.
»Bereit halten«, wies Krood seine Männer an. »Ich bin gleich zurück.«
Dann wandte er sich um und sprintete zurück in Richtung der Führungsoffiziere am vorderen Ende der Gruppe, die ein wenig ratlos darüber zu diskutieren schienen, welchen Weg sie nun einschlagen sollten.
Er traf dort zeitgleich mit Doktor Calgrow ein.
»Was ist?«, wollte die Regimentsärztin wissen. »Warum geht es nicht weiter?«
»Orientierung«, erwiderte Solmaar abwesend und zog eine zerknitterte Karte aus der Tasche seines Drillichs, um sie mit ruhigen Händen zu entfalten.
Der Captain und seine ranggleicher Begleiter besahen sich das ihnen dargebotene Bildwerk, dessen scharf gezeichnete Linien mit Dutzenden handschriftlichen Notizen versehen waren.
Krood beobachtete, wie zwei der sie begleitenden Sergeants hinzutraten und ebenfalls einen Blick auf die Darstellung warfen. Er konnte es nicht fassen. Waren sie also tatsächlich die ganze Zeit im Kreis gelaufen?
»Wo genau sind wir denn?«, fragte der dick verbundene Offizier. Etwas, das wohl einem Stirnrunzeln entsprechen sollte, verfinsterte die verbliebene Hälfte seines Gesichts. Krood glaubte zu hören, wie der Verband auf dem Gesicht des Mannes leise raschelte.
»Irgendwo hier …«, grummelte Solmaar und fuhr die Zeichnungen nach, die die Orientierungshilfe gleich einem Geflecht aus Nervenbahnen durchzogen. »Thronverdammt.«
In einer plötzlichen, ruckartigen Bewegung hob er die zerknitterte Karte gegen das weit über ihnen strahlende Sonnenlicht, das ihm wie ein militärischer Zielsuchscheinwerfer entgegenstrahlte.
Fast wollte es einem so vorkommen, als versuche sich der Zugführer gegen die Belichtung abzuschirmen, die den Feind bald auf ihre Fährte locken würde.
Wobei sich Krood allerdings fragte, ob es nicht doch eher die Orientierungslosigkeit der Truppführung war, die ihnen die Orks auf den Hals hetzte.
Kurzentschlossen schob sich der Kasrkin-Sergeant an den anderen Unteroffizieren vorbei, nahm dem verdutzten Captain den Lageplan wortlos aus der Hand und betrachtete ihn einen Moment lang.
Solmaar war klug genug, gegen die Anmaßung nicht zu protestieren. Er starrte Krood lediglich an, das Gesicht zu einer Grimasse der Überraschung verzogen.
Der Cadianer ignorierte ihn, versuchte stattdessen, sich schnell durch das Wirrwarr aus Kreuzen, Notizen und Zeichen zu arbeiten, mit denen ein Offizier (vermutlich sogar Solmaar selbst) die Karte tätowiert hatte.
Maßstabsgetreu war sie nicht, das ließ sich leicht erkennen. Die Ausmaße des Geländes stimmten nicht.
Und auch eine feste Orientierung in Form einer dem magnetischen Nordpol nach ausgerichteten Rose fehlte. Dank ihr hätte man den Lageplan mit Hilfe eines Armeekompasses, Standardausführung, wenigstens noch einnorden können.
So allerdings war die Darstellung nahezu nutzlos. Eine etwas besser gestaltete Idee, die dem Gedächtnis eines wirren Architekten hätte entsprungen sein können.
Lediglich der Wiedererkennungswert einiger Grundrisse machte es Krood möglich, die Karte nach dem in sein Chronometer integrierten Kompass auszurichten.
»Der hier!«, zischte der Elitesergeant und nickte einen Punkt auf dem Lageplan an, einen einst lieblos auf das Papier gekritzeltes Zeichen mit dazugehöriger, knapper Anmerkung. Beides war von Wasser, Schweiß und Dreck zu inzwischen kaum noch zu identifizierenden Hieroglyphen verwischt.
»Ja«, antwortete der Captain. Krood verstand.
Erstaunt, wenn nicht sogar ein wenig beeindruckt, schürzte er die Lippen. Die Idee als genial zu bezeichnen, wäre vielleicht etwas hochgestochen gewesen, aber dumm war sie keinesfalls. Der Basteter wollte seine Gruppe in die Unterwelt führen, welche die Imperiale Armee nach genauester Kartografie vermint hatte. Da es in diesem Ring einige Zugänge gab, durch die man die Katakomben erreichen konnte, bestand tatsächlich eine Möglichkeit, den Orks auf diese Weise zu entkommen.
Natürlich war diese Möglichkeit sehr gering, und die bisherige Ausführung der Unternehmung machte einen mehr als stümperhaften Eindruck. Dennoch – Gren Krood schöpfte neue Hoffnung. Er würde den Orks entkommen, in den Hauptring der Kathedrale zurückkehren und Rache nehmen. Colonel Galard Ekko gehörte ihm.
»Diese Richtung«, ordnete er an und wies mit der ausgestreckten Hand auf die breite Straße, die nach links von ihrer Marschrichtung abzweigte. »Zweihundertfünfzig, dann das Gebäude auf der rechten Seite.«
»Okay«, erwiderte Solmaar, nahm die Karte zurück und faltete sie zusammen. »Sie führen.«
Krood nickte. Die erste wirklich vernünftige Entscheidung, die an diesem Tage getroffen wurde.
Mit einer knappen Geste winkte er seine beiden Grenadiere herbei und wies ihnen die neue Richtung an.
Es war Zeit, die Unternehmung zu einem schnellen Ende zu führen. Immerhin gab es noch das eine oder andere für ihn zu tun.

***

Mit einem scharfen Knirschen gab das altehrwürdige Türschloss am Eingang zur Basilika Administratum nach, von den hochkonzentrierten Energien zweier HE-Lasergewehre zu einem Funkenregen zerblasen.
Gepanzerte Handschuhe trafen das Holz mit dumpfem Geräusch, machten sich das Gewicht der hinter ihnen befindlichen Körper zu Nutze, um das nun eliminierte Hindernis aus dem Weg zu räumen.
Vor Schmerzen ächzend wich die Pforte zurück, gab den Weg frei für die brutalen imperialen Soldaten, die sich Zugang zu dem Räumen hinter ihr zu verschaffen suchten.
Ein Dreiertrupp ging in das Halbdunkel des vor langem bewohnten Gebäudes vor, die Hochenergiewaffen schussbereit erhoben. Die schwer gepanzerten Männer bewegten sich schnell, aber dennoch so gut wie lautlos, sicher in dem Wissen, dass ihnen das Überraschungsmoment in jedem Fall gegeben sein würde.
Tür und Fenster wiesen keine sichtbaren Spuren eines anderen Eindringens auf, daher war es höchst unwahrscheinlich, dass sie an diesem Ort irgendein Feind erwartete. Und dennoch – sicher war sicher.
Gren Krood atmete ruhig und konzentriert aus, während er, Laserpistole voran, langsam durch die Dunkelheit marschierte.
Immer wieder ließ er die Waffe in sauber choreografierten Bewegungen von einer Hand in die andere gleiten, drehte sich offenen Eingängen zu und prüfte sie mit knappen Blicken, bevor er ihre Sicherung den beiden anderen übergab.
So dauerte es nur wenige Augenblicke, bis sie den Eingangsbereich des Gebäudes – einer alten Verwaltungsadministration mit bunkerartigem Innenleben, durchquert hatten und sich einem langen Gang annäherten, der tiefer in das düstere Gemäuer führte.
Das Gebäude war leer – soweit stimmte das. Aber wie zuvor in jeder anderen Casa, jeder Domus oder jedem Aedificium, begleitete sie auch hier der leise Schauer vergangener Geister beim Eintreten. Fast so, als würde sie ein böser Zauber des Chaos im nächsten Augenblick in eine Zwischenwelt versetzen, in der die Seele der hier Gewandelten diese Basilika nach wie vor bevölkerten.
Linkerhand des Eingangs befand sich eine lange Reihe von Schaltern, deren Front bis etwas über die Hüfthöhe mit einer aufwendig polierten Holzverkleidung versehen war. Darüber befand sich eine durchgehende Tresenfläche, auf der ordnungsgemäß gestapelte Formulare lagen. Kleine Stifthalter, zu jedem Tresen gehörig, standen bereits, als würde in den nächsten Minuten jemand eintreten und eines der Papiere ausfüllen.
Die Schalter selbst, es waren insgesamt dreizehn, bestanden aus einer Klarsicht-Glaswand, die in einer Höhe von gut zwei Metern in eine Buntglasverzierung überging, die schließlich bis zur Decke reichte.
Alles in allem hätte man nur das Licht anschalten brauchen, um diesem Ort sein Leben wiederzugeben.
Krood wandte sich um. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich niedrige Tische mit weiteren Stifthaltern und Formularen, über denen eine gut zwei Meter hohe Pinnwand residierte; das sogenannte Board des Volkes. Hier konnten imperiale Bürger Anzeigen aufgeben, Anfragen und Angebote stellen und … nach verlorenen Verwandten suchen.
Der Sergeant atmete tief ein, als er die lange Bilderreihe blonder Kinder entdeckte, zu deren Suche aufgerufen wurde.
Jenseits der Pinnwand stieg eine breite Treppe in den ersten Stock hinauf, mündete in eine breite Brücke, welche die gesamte Halle überspannte und sich ihrerseits mit zwei Eingängen linker und recht Hand des Saals vereinigte..
Was, beim Thron, war dieses Gebäude gewesen?
»Gesichert?«, fragte er mit apathisch anmutender Stimme, ohne jemand Bestimmtes zu adressieren. Er wollte keine schlafenden Geister wecken.
»Gesichert«, meldete Cedd, der sich gut anderthalb Meter weiter links von seinem Vorgesetzten befand.
»Hier auch«, stimmte Tall von seiner Position rechts des Sergeants zu.
»In Ordnung«, nahm ihr Vorgesetzter die Meldungen entgegen. Dann ließ er eine Hand an das Sprechfunkgerät gleiten, das in seine Plattenrüstung integriert war. »Eingang frei. Vorhalle gesichert.«
»Verstanden. Wir rücken nach.«
Krood wandte seinen Kopf erst in Cedds, dann in Talls Richtung, hob den Arm und ballte seine Hand zur Faust. Die Grenadiere verstanden. Geräuschlos versteiften sie sich in die Bereitschaftsstellung, nutzten die unverhoffte Pause, um sich innerlich neu zu organisieren und gleichzeitig ihren Sektor in Auge und Schussfeld zu halten.
Nur Sekunden später brach das Getöse der Desorganisation in die stille Operation, mit der die Kasrkin in die Vorhalle vorgegangen waren.
»Vier Mann die Treppe hoch und die beiden Gänge sichern! Schwerer Bolter: Hier in Position! Feuerrichtung diese!«, bellte die hitzige Stimme eines Sergeants in die abgetragene Luft des alten Gebäudes, echote von den steinernen Wänden wieder wie ein abprallender Boltschuss.
Weitere Infanteristen strömten in das Gebäude. Schwere Schritte hämmerten auf den steinernen Boden, vibrierten als Vorboten der folgenden menschlichen Lawine durch die Luft.
Soldaten sprinteten an Krood und seinen Männern vorbei, nahmen den Kasrkin die Sicht auf die Areale, die sie zuvor mit ihren Blicken und Waffen gut abgedeckt hatten. Ihr wildes Vorgehen erinnerte eher an eine Herde aufgescheuchter Tiere oder aufgeregter Pilger, denn an disziplinierte Soldaten. Tiere mit Lasergewehren.
Jeder aufmerksame Gegner hätte sie einfach herantrampeln lassen und in entsprechender Entfernung das Feuer eröffnet. Ihre Chance zu irgendeiner Form von Gegenwehr wäre sehr gering gewesen.
Mit einer schnellen, aber dennoch gezielt abgepassten Bewegung seiner linken Hand packte er einen der Truppführer, der gerade an ihm vorbeilaufen wollte und schwang ihn zu sich herum.
Der Mann, ein unrasierter Unteroffizier mit stechendem Blick, fuhr so überrascht zusammen, als sei er in Gedanken versunken gegen ein Hindernis gerannt.
Vom Körperbau her, der auf trainierte Weise kräftig erschien, hätte Krood ihn ohne weiteres zur Elite des imperialen Militärs gezählt, zum Korps der elysianischen Sprungtruppen etwa oder einer Grenadiereinheit. Eben jene Einheiten, die zuerst in die feindlichen Linien einbrachen oder einsickerten, Terror über dem Gegner entfesselten und dann, wenn die übrigen Kampftruppen das Schlachtfeld erreichten, auf den Resten von Tau-Panzern oder Eldar-Gleitern saßen und Lho-Stäbchen rauchten.
Die dilettantische Art, mit der er jeden seiner Befehle von sich gab, sie regelrecht aus sich herausposaunte und seine Männer zum unprofessionellen Handeln anspornte, negierte diesen Eindruck jedoch postwendend.
»Was soll das?!«, brachte der überraschte Basteter hervor.
»Fragen Sie sich das selbst«, erwiderte der Kasrkin mit gedämpfter, aber dennoch gefährlicher Stimme. »Was wird das hier?«
»Wir sichern dieses Gebäude«, gab sein Gegenüber zu verstehen. Das Gesicht des Mannes war verschwitzt und vom Stress körperlicher und seelischer Belastung leicht gerötet. In seinen Worten klangen Aggressivität und Unwillen mit. »Also nehmen Sie Ihre Hände weg und lassen Sie mich durch. Kümmern Sie sich um Ihre Aufgabe, Grenadier.«
Die Drohung zeigte wenig Wirkung. Krood ließ ein finsteres Zucken über seine Lippen huschen. »Das hier ist meine Aufgabe. Und wenn Sie es nicht fertig bringen, Ihre Männer diszipliniert und professionell zu führen, dann werde ich Ihre Aufgabe auch übernehmen.« Mit diesen Worten stieß er den regulären Soldaten von sich. Der Mann starrte Krood für einen Moment an. In seiner Miene lag eine Mischung aus ehrlich Überraschung, Unglauben und Verachtung. Als er sich schließlich löste und seinen Männern in die Tiefen des Gebäudekomplexes folgte, glaubte Krood zu hören, wie er eine häretische Verwünschung murmelte. Er überlegte kurz, ob er den Infanteristen für seine Unverfrorenheit richten sollte, entschied sich aber dagegen. Zwar wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, den Unteroffizier niederzustrecken und zu neutralisieren, aber wie wäre es dann weitergegangen?
In jedem anderen Regiment hätte man ihn erstaunt angestarrt, und ihn dann gewähren lassen. Hier hingegen konnte es gut sein, dass er damit eine Schießerei auslöste, die so manchen Bandenkrieg vor Neid erblassen ließ.
Drei Kasrkin gegen dreißig oder vierzig Infanteristen im Gefecht auf eine derart kurze Entfernung, eingeschlossen, ohne Deckung oder die Möglichkeit, den Feind mit Feuerüberlegenheit und Granaten effektiv zu dezimieren, das war eine Aussicht, mit der sich Gren Krood nicht auseinandersetzen wollte.
Natürlich würden seine Männer unter den anderen Imperialen ein Blutbad anrichten, schlussendlich aber würden sie verlieren.
Und Colonel Ekko den Triumpf zu gönnen, das Leben eines Grenadiers faktisch in der Hand zu haben und es durch einen einfachen Soldaten beendet zu wissen, kam für den Cadianer nicht in Frage.
»Zweiter Trupp: Obergeschoss ist frei«, plärrte es in Kroods Kopfhörern.
»Verstanden. Erdgeschoss ebenfalls frei und gesichert.«
Zeit, um fortzufahren.
Erneut hob der Sergeant die Hand, kündigte sein nächstes Kommando mit dieser kurzen Geste an. Er ballte eine Hand zur Faust, streckte Zeige- und Ringfinger ab und kippte das Handgelenk dann nach vorne. Cedd und Tall nickten. Es ging weiter.
Sie taten nicht mal den ersten Schritt.
Dumpf peitschende Schüsse brachen durch die offene Tür, gefolgt von Schreien und Explosionen, die das Gemäuer erschütterten.
Irgendwo erklang das bittere Jaulen einer deprimierten Mörsergranate, die stur ihrer ballistischen Flugbahn folgte und schließlich mit einem schweren Knall zwischen den ausweichenden imperialen Truppen einschlug.
»Krood!«, hörte er eine Stimme nach sich rufen. Der bandagierte Captain, schwitzend und keuchend an eine Wand gelehnt, winkte ihn mit abgehackten Bewegungen zu sich heran.
»Was ist da los?«, wollte Krood wissen, während er Verletzte und Zivilisten beobachtete, die panisch durch den offenen Eingang drängten, vollkommen unbeeindruckt von der militärischen Operation, die hier gerade durchgeführt wurde.
»Captain Solmaar erwartet Sie draußen«, erwiderte der Offizier, ohne auf die Frage des Kasrkin einzugehen. Selbst, wenn er es versucht hätte, Kroods Verständnis der Situation wäre den kläglichen Erklärungsversuchen eines verwundeten ‚Normalen‘ bereits weit voraus gewesen.
»Kommt mit«, wies er seine Grenadiere an, wandte sich von dem nutzlosen Infanteristen ab und strebte den panisch in den Raum strömende Personen entgegen.
»Los!«, schrie die Stimme eines Unteroffiziers, dessen Name Krood vollkommen egal war. »Sie sind dicht hinter uns!«, trieb ein anderer Soldat die fliehenden, schwer bepackten Infanteristen, Sanitäter und Zivilisten an.
Krood führte seine Männer an den Rand der Gruppe, wo ihnen weniger Widerstand aus menschlichen Leibern entgegenschlug.
Wenig zimperlich stießen die Grenadiere Zivilisten und Soldaten gleichermaßen zur Seite, zwangen sie zum Ausweichen oder schoben sie einfach aus dem Weg.
Gerade war Krood damit beschäftigt, einen wenig erfreuten Sanitäter mit Hilfe seines Panzerhandschuhs wegzudrücken, als er etwas entdeckte, das ihm einen kurzen Stromschlag versetzte.
Eine Gruppe Infanteristen schwankte, vom Strom der Flüchtenden erfasst, durch den Eingang des Gebäudes, Doktor Calgrow im Schlepptau. Die Ärztin stolperte mehr, als dass sie ging und blickte apathisch an den Kasrkin vorbei.
Solmaars Pistole steckte in ihrer fest zusammengeballten Faust, die als Endpunkt eines kraftlos gewordenen Arms herabbaumelte. Fast wie totes Fleisch.
Erde und fein zerstäubtes Blut hatten sich wie ein feiner Film auf Körper und Kleidung der Cadianerin gelegt, ihrer Haut einen terrakotta-farbenen Ton verliehen und ihr silbernes Haar zu einer filzigen, rotmelierten Masse verklumpt.
Als das Gespann die drei Kasrkin passierte, sahen die Elitesoldaten ihnen nach.
»Uiii«, brummte Cedd, während er einen Blick zu Krood schoss. »Was ist denn da explodiert?«
Der Sergeant antwortete nicht. Aber dass er seinen Schritt zulegte und den nächsten im Weg befindlichen Zivilisten mit einem Hieb seiner Laserpistole regelrecht aus der Bahn katapultierte, beantwortete alle Fragen, die unter Umständen noch gestellt worden wären.

***

»Fünfzig Meter – Feind im Ansturm! Feuer frei!«
Das heftige Donnern eines schweren Bolters setzte ein, als Gren Krood und seine Grenadiere aus dem Eingang der Basilika Administratum traten, so als wollte die Waffe die Bedrohlichkeit der Situation unterstreichen.
Doch auch ohne das durchdringende metallene Hämmern der Maschinenwaffe hätten die Imperialen den Ernst der Lage zweifelsfrei erkannt.
Vor dem Gebäude war die Hölle losgebrochen.
Verwundete und Tote, von Granatexplosionen teilweise stark verstümmelt, lagen über die Straße verteilt.
Zwischen ihnen hatten sich Infanteristen zu Boden geworfen, nutzten die Leiber als Deckung und beantworteten den plötzlichen Feuerschlag des Feindes mit all ihrer Kraft.
Energetische Strahlen zuckten in wild flackernden Kaskaden durch die Luft, erleuchteten die von einschlagenden Geschossen aufgewirbelten Staubschwaden mit schwachem Glimmen.
Zwei Soldaten, von ihren Vorgesetzten damit beauftragt, die zurückweichende Truppe von jeder Last zu befreien, liefen geduckt an den Verletzten vorbei, prüften ihren Zustand und beendeten, wo nötig, die Qual.
Das helle Blitzen ihrer Laserpistolen malte fehlfarbene Lichter auf die Gesichter der Sterbenden, wie Seelen, die im Bruchteil einer Sekunde platzten, um dann im Elysium des Imperators wiedergeboren zu werden.
Querschläger jaulten durch die Luft, galoppierten mit tödlicher Geschwindigkeit zwischen den Gebäudefassaden umher. Wenn sie auf einen weichen Körper trafen, gab es ein dumpfes Geräusch, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Durchschlugen sie zuvor eine Armaplast-Weste, gesellte sich ein kurzer, metallischer Ton hinzu.
Krood kannte dieses Geräusch zur Genüge. Er hatte es mehr als oft genug gehört, um sich daran zu gewöhnen und seiner mit der Zeit auf gewisse Weise überdrüssig zu werden. Fast wie bei einem Lied, das viel zu häufig im Radio gespielt wurde und das für den Hörer inzwischen nicht mehr als eine unangenehme Belästigung seines Alltags darstellte – anders als etwa das charakteristische Fauchen, mit dem sich ein Flammenwerfer ins Gedächtnis brannte.
Nachdem er sich einen flüchtigen Überblick verschafft hatte, hielt der Elitesergeant nach dem Mann Ausschau, der ihn zu sich gerufen hatte. Er musste nicht lange suchen.
Captain Solmaar, hinter den relativen Schutz einiger Soldaten geduckt, gab zweien seiner Unteroffiziere Befehle mit ruhiger Stimme, zu der die wilden Handbewegungen, die er vollführte, überhaupt nicht passen wollten.
Als er die Männer mit einem energischen Winken entließ, drängte sich Krood der Eindruck auf, der Captain wollte zwei streunende Hunde verscheuchen. Und tatsächlich: die Art, wie sich die beiden Männer im Angesicht des Feindes bewegten, in ihre verdreckten und verschwitzten Gesichter zu blicken und den gehetzten Ausdruck ihrer Augen zu sehen, festigte in dem Grenadier die Vermutung, dass er es hier mit nicht mehr als geprügelten Hunden zu tun hatte. Mit Kötern, die von bösen Seelen gequält und in die Wüste gejagt worden waren, wo sich nun ganz allmählich ihre Körper und Geister erschöpften.
Solmaar winkte ihn herbei. »Krood! Kommen Sie zu mir!« Nicht weit entfernt ging ein Soldat gurgelnd zu Boden, von einem Querschläger sauber in den Hals getroffen.
»Sucht euch Deckung und nehmt das Gefecht auf«, befahl der Sergeant seinen Grenadieren, bevor er lossprintete, um den Angreifern keine Chance zu bieten, ihn unter Beschuss zu nehmen. Hinter ihm setzte das hochenergetische Knattern der HE-Lasergewehre ein.
»Sir?!«, wandte sich der Cadianer an den Basteter.
»Gut, dass Sie da sind, Krood.« Solmaar hustete trocken in die von Staub vernebelte Luft. »Wir können unsere Position nicht halten und müssen sie aufgeben. Ich brauche Sie und Ihre Männer, um den Rückzug der letzten Einheiten zu decken.«
Dass Krood diese Situation in Gedanken bereits prophezeit hatte und sich daher überhaupt nicht in der Pflicht sah, seine Grenadiere ein weiteres Mal für die hemmungslose Unfähigkeit der bastetischen Infanteristen aufs Spiel zu setzen, konnte er nicht wissen.
»Warum sollten wir das tun?«, erinnerte der Sergeant den ranghöheren Offizier wenig freundlich. »Den Wert einer Grenadiereinheit aufs Spiel zu setzen, ist kein Verfahren, wie es im Handbuch der Imperialen Armee gelehrt wird.«
»Ach«, platzte es aus Solmaar heraus, der offensichtlich tief beeindruckt war, »Sie können lesen?«
Vor Überraschung blieb dem Grenadier der Mund offen stehen, während die von ihm geplante nächste Erörterung des Werts seiner Einheit ungesagt in die offene Luft entwich und dort innerhalb von Sekunden von gebündelter Energie zerstrahlt wurde.
Der Offizier an seiner Seite übernahm erneut das Wort. »Meine Männer sind zu langsam. Wir können uns nicht formieren und gleichzeitig den Gegner in Schach halten. Sie dagegen schon. Ich habe Sie kämpfen sehen. Sie sind schnell, hart und effektiv. Ein Elitekommando, das nur ein Ziel kennt: den Gegner anzugreifen und zu vernichten. Ihre Fähigkeiten ungenutzt zu lassen, wäre eine Verschwendung von Ressourcen. Und außerdem …« – bei diesen Worten lächelte er müde – »kann Sie nichts töten.«
Die Worte klangen nicht wirklich überzeugend, auch wenn man der Art, wie der Captain sie gesagt hatte, entnehmen konnte, dass er sie wirklich ernst meinte.
Doch so charakterlos sie auch sein mochten, in diesem Augenblick zählte für Krood, dass seine Truppe und er klar wahrgenommen und benötigt wurden. Eine Tatsache, die einem Kasrkin eine ähnliche Befriedigung verschaffte wie einem intriganten Priester.
»Also gut«, gab der Sergeant auf. »Was ist Ihr Plan?« Eine Geschossgarbe schlug nicht weit entfernt in einen gefällten Körper, ließ Fleisch aus dem Leib platzen und verspritzte Körperflüssigkeiten – eine Warnung, sich ja zu beeilen.
»Also«, begann Solmaar die kurze Einweisung. »Derzeit bereiten zwei meiner Leute die Sprengung der Basilika vor. Nachdem die Zivilisten und alle meine Männer durch sind, werden Sie das Gebäude hochjagen."
»Es hochjagen?«, fragte Krood, hob seine Laserpistole und trieb einem anstürmenden Boy gebündelte Energie in den Schädel.
»Oh, ja«, erwiderte Solmaar grimmig. »Wir werden die Hütte platzen lassen wie eine eitrige Pestbeule.«
»Verstanden«, erwiderte der Sergeant.
Der Captain lächelte. »Sehr schön. Wenn keine Fragen mehr bestehen, dann lassen Sie uns loslegen.« Er fuhr herum. »Auf geht’s, Leute! Wir rücken ab! Das schwere Gerät zuerst!«
Wie Blitze, tief verästelt durch viele Münder getragen, lösten diese Worte die gefechtsbedingte Starre der Basteter, allgemein als ‚Aushalten‘ bezeichnet.
Während Krood zu Cedd und Tall eilte, um den Feuerkampf aufzunehmen, brach das dumpfe, trockene Tackern des schwere Bolters, der zuvor Tod und Verderben in die feindlichen Reihen gesandt hatte, unvermittelt ab.
Den Feuerschutz ihrer Kameraden nutzend, löste sein Waffenteam die eigene Feuerstellung auf. Schweren Boltern, Dreibein und Munition separat tragend, traten die Männer den Rückzug an. Weitere Infanteristen folgten.
Immer wieder mussten die Kasrkin ihre Waffen aus dem Ziel nehmen, sodass sie nicht versehentlich die eigenen Leute trafen und dadurch unnötig Munition verschwendeten. Die Bewegungen, die daraus resultierten, zusammen mit ihren langsamen rückwärts gerichteten Schritten, ließen den Eindruck entstehen, sie tanzten ein regelrechtes Luftballett mit ihren Waffen.
Geschosse schlugen um sie herum in Boden und Gebäude, warfen Erde in die Luft und sprengten Putz von den Wänden. Nacktes Mauerwerk zerfetzte, erbrach messerscharfe Splitter auf Straße und Soldaten.
Die Kasrkin kämpften weiter, nutzten die sich aus den erzwungenen Bewegungen ergebenden Möglichkeiten, um so den Feind aus unterschiedlichen Winkeln und Positionen unter Beschuss zu nehmen und ihn in tödliches Kreuzfeuer zu ziehen. Fast wie Dämonen des Krieges, die ihre unwürdigen Opfer in einem Netz aus Laserstrahlen fingen, bis es für diese keine Möglichkeit mehr gab, sich aus dem Netz zu winden.
Doch schließlich neigte sich auch die Zeit der Dämonen dem Ende zu.
»Krood!«, bellte ihnen die Stimme Solmaars gegen den Lärm der Waffen entgegen, »wir brauchen Deckung! Können Sie nebeln?«
Worauf sich so mancher Normale doch verließ, wenn ihm die Unterstützung von cadianischen Grenadieren winkte.
»Los!«, rief der Elitesergeant und befahl seinen Männern mit einem energischen Schnipsen, umgehend den Rückzug anzutreten, dann zog er wortlos eine Rauchgranate von seiner Plattenrüstung und hielt sie demonstrativ in die Luft.
»Sehr gut!«, rief der Ranghöhere aus. »Sie sind mein Mann!«
Als wenn das dem Kasrkin etwas bedeutet hätte.
»Achtung, Nebel!«, rief Krood, zog den Splint von der Handgranate und warf sie dann mit derselben Inbrunst auf den Boden, mit der ein angreifender Spieler beim Bloody Bowl einen Touchdown durchführt.
Der dosenförmige Körper prallte mit einem metallenen Klirren vom Kopfsteinpflaster der Straße ab und sprang zurück in die Luft, um dann dort mit einem Zischen, fast ein freudiges Jauchzen, aufzuplatzen und dunklen, öligen Rauch in die aufgeheizte Luft zu pusten.
Innerhalb weniger Augenblick stand der Grenadiersergeant in einer Wolke aus künstlichem Nebel.
»Kommen Sie, Krood! Rückzug!«, erklang ein weiterer Ruf irgendwo hinter ihm.
Grelle, flackernde Lichter zogen als fehlfarbene Momente an ihm vorbei, malten unwirkliche Farbmuster in den künstlichen Dunst.
Krood feuerte zwei weitere energetische Strahlen seiner HE-Laserpistole in Richtung des Gegners, dann fuhr er herum. Nur dem geschärften Instinkt einer lebenslangen Ausbildung folgend, sprintete der Grenadier durch die Nebelwand, schob sich zwischen den steinernen Wänden des Gebäudeeingangs hindurch und folgte der fliehenden Infanteriegruppe tiefer ins graue Halbdunkel der archaischen Basilika. Angenehme kühle Luft begleitete ihn dabei, gehetzt vom in diesen Räumen unnatürlich hell wirkenden Licht des Tages.
Ohne den Blick auf die beeindruckende Architektur zu richten, eilte der imperiale Elitesoldat durch die große Haupthalle, verfolgt vom Echo seiner Schritte wie von einem kalten Schauer, der über seinen Rücken jagte.
Die Orks waren dicht hinter ihm, das wusste er – und lediglich die Nebengranate verhinderte, dass er sich während des Rückzugs ducken und permanent das Feuer erwidern musste.
Aber auch diese kurze Zeit der relativen Ruhe würde bald vorbei sein. Er konnte ihr davonlaufen, doch würde ihr nicht entrinnen. Die Zeit war niemand, der sich abschütteln oder abwimmeln ließ.
Das längst verlassene Halbdunkel eines abgewetzten Treppenhauses erwartete ihn hinter dem gewaltigen Gewölbe der Haupthalle. Eine kleine Tür rechter Hand des bereits zuvor gesichteten Hauptgangs, der vermutlich ins Nirgendwo führte. Wie ein Déjà-Vu der Himmelskathedrale – nur nicht ganz so abgetragen und vermodert riechend.
Mehr schlitternd als laufend glitt der Kasrkin die alten Treppenstufen abwärts, und rutschte so fast in die Arme zweier schwer bewaffneter Infanteristen, die am Fuß der Treppe mit schussbereiten Lasergewehren warteten.
»Willkommen zurück«, begrüßte ihn Captain Solmaar, dessen breite Gestalt als Schemen zwischen drei anderen Soldaten kniete und eine Militärtaschenlampe auf etwas richtete, das Krood nur wenig später als Kabellage erkannte, an welche die Zündvorrichtung angeschlossen wurde.
»Wo sind meine Männer?«, verlangte er zu wissen.
Solmaar funkelte ihn aus müden, wenn auch kampfeslustigen Augen an. »Gleich weiter nach vorne, Spitze der Gruppe übernehmen.«
»Ich verstehe.« Krood wandte sich an Soldaten zu Solmaars Rechten. »Das ist sie?«, fragte er den bärtigen, ungewaschenen Mann, dessen Augen im gleichen fahlen Licht wie die des Captains funkelten, und wies auf einen kleinen, unförmigen Kasten, der Auslöser des Zündmechanismus darstellte.
»Ja«, erhielt er zur Antwort. »Funkferngesteuert.«
»In Ordnung«, brach es aus einem dritten Soldaten heraus. »Wir sind soweit. Sir?«
Solmaar erhob sich. »Wir rücken ab. Tees, geben Sie Krood den Zünder.«
Der Funkzünder wechselte den Besitzer.
»Sind das die Sprengsätze von Colonel Ekko?«, erkundigte sich der Kasrkin, nachdem er einen weiteren Blick auf die dunklen Schemen geworfen hatte, beiderseits des düsteren Gangs an den Wänden befestigt waren.
»Korrekt«, erwiderte der Captain. »Und dort vorne-«, der Schatten seiner Hand richtete sich auf, »ist der Rest angebracht. Genau am Eingang zur Unterstadt. Also dann, meine Herren! Gehen wir!«
Die Taschenlampe vor sich auf den steinernen Boden gerichtet, lief der Captain los, gefolgt von Krood und den anderen Soldaten. Je weiter sie vordrangen, umso schmaler schien der Gang zu werden, und auch wenn Krood nicht mehr sah als den schmalen Kegel von Solmaars Taschenlampe, so fühlte er doch, wie sich die Wände um ihn herum zusammenzogen.
Sie kamen um eine Biegung, hinter der sich ein plötzlicher Lichtschein auftat. Zwei alte Fackeln waren angezündet worden, spendeten ein wenig Licht und zeigten den Männern, worauf sie zusteuerten. Eine schwere, geöffnete Stahltür mit reich verzierten Totenschädeln grinste sie an wie das offene Maul eines Dämons, dem noch der eine oder andere menschliche Überrest zwischen den grauenerregenden Zähnen stecken geblieben war. Dahinter erwartete sie das schwarze Nichts. Der Schlund der Finsternis, den jeder aufrechte imperiale Bürger fürchtete.
Krood glaubte, für einen Augenblick das metallene Glänzen von Lasergewehrläufen zu erkennen.
»Okay«, gab Solmaar von sich, als sie den Eingang passierten »Die Unterwelt erwartet uns. Ich hoffe, jeder hat eine Münze dabei.«
»Wofür, Captain?«
»Für den Fährmann.« Dumpfes, grummelndes Lachen entwich der Kehle des imperialen Offiziers. Urplötzlich wurde es eiskalt.
Während die restliche Gruppe ihren Weg fortsetzte, blieb Krood stehen, wandte sich um und halfterte die Hochenergielaserpistole. Ohne die Deckung seiner Männer würde er jedem Angriff der sie verfolgenden Xenos schutzlos ausgeliefert sein. Doch im Augenblick empfand Krood Befriedigung dabei, den Bestien beim Sterben ins Antlitz blicken zu können, während seine Kasrkin die restlichen Imperialen aus der Gefahrenzone evakuierten.
Schon echote das heulende Brüllen sie verfolgender Grünhäute in die labyrinthartige Unterwelt, sprang zwischen den Wänden des mächtigen Gangs hin und her, als würden diese es vor Ekel von sich stoßen.
Drei nachzügelnde Infanteristen liefen an Krood vorbei.
»Letzter Mann«, meldete ein Sergeant, der als letzter Soldat der Gruppe durch den Eingang trat. Wenigstens er bewies ein wenig Professionalität.
Krood nickte und schlug ihm knapp auf die Schulter. »Und durch!«
Dann konzentrierte er sich auf den Auslöser in seiner Hand.
Das also waren die Sprengsätze, die Ekkos Soldaten in etlichen der noch vorhandenen Zugänge zu den Katakomben platziert und mit verschiedensten Auslösemechanismen versehen hatten. Er wollte nicht wissen, wie viel Zeit und Schweiß es Solmaars Männer gekostet haben mochte, die mehr oder weniger ausgeklügelten Sprengfallen zu entschärfen und neu zu verdrahten, immer mit dem tödlichen Flüstern steter Explosionsgefahr im Nacken.
Doch so schlimm es auch erscheinen mochte; diese Gefahr wirkte beinahe unbedeutend im Vergleich zur Bedrohung, der sie sich nun gegenübersahen.
»Achtung, Sprengung!«, rief er in die kalte Luft des Tunnels hinaus. Dass ihn niemand mehr hörte und er bereits weit genug entfernt war, damit die folgende Explosion für die Flüchtenden nicht mehr als ein heftiger Knall mit folgendem Rumpeln sein würde, interessierte ihn nicht.
Schatten, schwer und ungeschlacht, huschten in wilder Hatz den Weg entlang, lösten sich bald darauf in gewaltige Berge grünlichen Fleisches auf, wild brüllend und Pest verbreitend.
Krood erwartete sie.
»Komm gut heim, Xeno«, begrüßte der Sergeant die erste sichtbar werdende Grünhaut. Mit stoischer Genugtuung hob er den Zünder demonstrativ in Richtung des verstehend kreischenden Monstrums, dann drückte er den Auslöser.
Nichts geschah.
Für einen Moment blieb die Zeit stehen.
Dass ihn der Maschinengeist gerade jetzt betrügen musste.
»Thronverdammt!«, zischte Krood, bereits nach dem Halfter seiner Waffe greifend. Das durfte einfach nicht wahr sein!
Wie ein Leman Russ, dessen Fahrer nach einem kurzen Schreck wieder auf das Gaspedal trat, schien auch der Ork zu beschleunigen, wohl wissend, dass der Mensch ihm jetzt nichts mehr tun konnte.
Weitere Grünhäute materialisierten als wachsende Schemen aus dem von den Fackeln erleuchteten Halbdunkel, das Krood vom Eingang in das unterirdische Gewölbe her anlächelte.
Eine Möglichkeit gab es noch. Sie mochte im ersten Augenblick archaisch und wenig intelligent erscheinen, doch wenn er diese Operation überleben wollte, dann musste er es fertigbringen, die Sprengsätze auszulösen. Blieb nur zu hoffen, dass es wirklich der Maschinengeist des Funkzünders war, der die Mitarbeit verweigerte.
Mit einem festen Hieb schmetterte Krood den Zünder auf seinen Knieschutz, dann presste er seine behandschuhte Faust erneut auf den Auslöser. Eine kurze Litanei der Funktion begleitete die Bewegung.
Für den Bruchteil einer Sekunde verschluckte ein greller Blitz sämtliche Schatten vom kahlen Fels. Kurz darauf fegte der satte Knall einer heftigen Explosion durch die Katakombe, presste alle anderen Geräusche beiseite, um sie dort gleich der Faust einer Servorüstung zu zerquetschen. Krood fühlte, wie er trotz seiner schweren Plattenrüstung von den Füßen gehoben wurde. Die abgetrennte Hand eines verbrannten Xeno segelte winkend an ihm vorbei.
Zum wiederholten Male an diesem Tag prallte sein inzwischen von Prellungen und Schürfwunden übersäter Leib auf die Erde.
In seinen Ohren dröhnten die Glockenspiele imperialer Gotteshäuser und vor seinen Augen zogen verschwommene Szenen eines militärischen Lebens vorbei.
War es das gewesen? Hatte er sein Leben mit dieser einen Aktion tatsächlich verwirkt? In einer Aktion, die so sinnlos war wie der Tod seines gesamten Trupps?
Sein Herz pochte. Schwer. Durchdringend. Wie ein Echo der Vergangenheit, das ihn an die Zeit erinnerte, als seine Vorhaben und Operationen von Erfolg gekrönt waren. Ein tiefes, grollendes Lachen, fast so wie das von Captain Solmaar, das sich über ihn belustigte und ihn mit der einzigen Wahrheit konfrontierte, die es zu wissen gab: Ein Dienst für den Imperator bedeutete keinen Ruhm. Er bedeutete das Leben. Das Verständnis, dass man war, um zu vergehen. Und dass er, Gren Krood, diese Tatsache nie realisiert hatte.
Er war, um zu vergehen. Endlich begriff er.
Schwere Schritte stürmten herbei. »Sergeant!«, dröhnte eine wohlbekannte Stimme durch das von Rauch- und Staubschwaden beherrschte Halbdunkel.
Es waren seine Kasrkin.
»Prüf‘ die Umgebung!«, ordnete Tall an, der sich im direkten Sprung auf seinen Vorgesetzten befand, die in sein HE-Lasergewehr integrierte Lampe in schnellen, routinierten Bewegungen hin und herschwenkend. »Wir wollen keine Überraschung erleben.«
Seine Hand wies auf das Trümmerfeld, das sich durch die Sprengung aufgebaut hatte, und das Krood mit dem Lachen seines Herzens gleichgesetzt hatte.
»Sergeant!«
Tall schob sein Gewehr mit Hilfe des Trageriemens zur Seite, und kniete sich neben den Sergeant.
Krood starrte ihn verwirrt an. »Was macht ihr hier?«, fragte er mit benebelter Stimme.
Der satte Knall einer Peitsche hallte durch den unterirdischen Korridor, als Cedd die letzten Zuckungen eines großteilig zerfetzten Orks mit zwei Schüssen aus dem HE-Lasergewehr beendete.
»Neutralisiert«; kommentierte er die Aktion.
»Wir bleiben zusammen«, erklärte Tall, als sie beobachteten, wie Cedd die neugeschaffene Barriere abging.
»Kasrkin bis zum Ende.« Krood ließ ein erleichtertes Schnauben ertönen. »Der Imperator beschützt.«
»Hua! Hua! Hua!«
»Amen.«
Ein Moment der Stille verging, nur durchbrochen von den Schritten den zweiten Kasrkins, der die Umgebung schließlich für sauber befand. »Gute Arbeit, Boss«, kommentierte er die Aktion und kehrte zu seinen Kameraden zurück. »Sauber vernichtet.«
Krood ließ ein leises, von Husten unterbrochenes Lachen erklingen. Seine Lunge fühlte sich an, als sei sie gerade gut geschüttelt und dann gerührt worden. »Also gut. Helft mir hoch.«
Die beiden Elitesoldate zogen ihn auf die Beine.
Durch die heftige Bewegung – und die daraus resultierenden Schmerzen – zu einem überstürzten Einatmen der von Staub beherrschten Luft verleitet, hustete Krood erneut. »Ich glaube, dann sollten wir uns auch allmählich auf den Weg machen, oder?«
»Ja, Sir«, erwiderte Cedd. »Aber …«
[SUP]»[/SUP]Was?«, wollte Krood wissen und verengte die Augen.
»Wir haben da etwas Beunruhigendes entdeckt, Sir.«
 
Hallo liebe Stargazer-Leser,

hier kommt das neue Kapitel. Viel Spaß beim Lesen!


39

»Colonel – ich möchte Sie ja nicht nervös machen«, plärrte die Stimme im Funkgerät. »Aber das wird jetzt allmählich eilig mit der Entscheidung.«
»Ja«, erwiderte Galardin Ekko entnervt und rümpfte die Nase, ohne den Funkspruch zu bestätigen. »Ich weiß.«
Der vorgeschobene Kommandoposten der Imperialen Armee im zweiten Ring der Himmelskathedrale war in eine militärische Eile verfallen, in der Chaos und Irrsinn mit Professionalität gepaart umherhuschten und versuchten, das Puzzle vieler Gefechtsmeldungen zusammenzuführen.
Bis jetzt fehlten Ekko allerdings einige wichtige Teile, und diese Teile machten es ihm unmöglich, die nächste Reihe von Puzzlestücken zu beginnen, aus denen sich später das große Bild der Schlacht um die Himmelskathedrale zusammensetzen würde.
»Colonel?«, plärrte die Stimme im Funkgerät. »Haben Sie gehört? Bitte bestätigen.«
Erst jetzt nahm der Regimentskommandeur seinem verunsicherten Funker das Sprechgerät aus der Hand und hob es an seine Lippen. »Ich habe Sie verstanden, Balgor. Und mir ist auch eine Lösung des Problems eingefallen.«
»Dem Imperator sei Dank.« Ehrliche Dankbarkeit tränkte die Worte des Gegenübers.
»Vielleicht sollten wir ein Wagenrennen veranstalten, um den Sieger herauszufinden. Und im Rahmen der Fairness tauschen wir das Personal. Ich kriege ein paar Squigs und Grots, dafür gehen Sie den Wagen des Ork-Bosses ziehen.«
Stille antwortete ihm. Ekko konnte sich gut vorstellen, wie Balgor ein wenig verwundert aufsah, bevor die ersten Symptome der Demoralisierung in Erscheinung traten und ihn veranlassten, den letzten Funken Hoffnung auszutreten, den er sich bis zuletzt zurückgehalten hatte. Ein Feuer würde er schließlich doch nicht mehr entzünden können.
»Wie Sie meinen«, erklang die Stimme des Captains nach einigen Momenten. Sie schien deutlich dumpfer zu sein als zuvor. »Dann verlieren Sie eben.«
Dass er dadurch einen weiteren Punkt in ihrem ständigen Duell gewann, blieb ungesagt.
»Also bleiben Sie auf Empfang«, ordnete der Colonel an. »Ich melde mich, sobald ich neue Befehle habe.«
»Ja«, konterte sein Gesprächspartner. »Ich habe sowieso nichts mehr zu tun heute. 5120201 – Ende.«
Die Verbindung löste sich in schwer verständliche Gefechtsmeldungen auf, deren Frequenzen sich immer wieder knapp überlagerten.
Ekko gab das Handgerät an Gireth zurück und wischte sich über die Augen. »Wissen Sie, was ich vermisse, Gireth?«, fragte er den jungen Mann, ohne ihn direkt anzusehen.
»Den Geruch von Fyzelen am Morgen, Sir?«
»Ja, das auch.« Der Colonel schüttelte den Kopf. »Aber das meine ich gar nicht.«
»Aber, was meinen Sie dann?«
»Einen fetten Titan-Burger.«
»Einen … Burger?«
»Ja.« Ekko seufzte und verdrehte die Augen genießerisch in Richtung der über ihnen residierenden Decke. »Ich habe so ein Ding in Serareh gegessen, kurz bevor wir uns auf den Weg nach Agos Virgil machten. Das Teil ging runter wie Öl.« Melancholisch senkte er seine Lider. »Und hat im Darm auch so gebrannt. Oder diese Nudeln von Bastet. Sie wissen schon! Die, die so geformt sind wie Fleur de Lys.«
»Die Lysetthi?«
»Ja«; schmachtete der imperiale Offizier. »Mit Käsesoße. Thron von Terra. Dafür würde ich jetzt sterben – wenn wir nicht bereits dem Tod geweiht wären.«
»Colonel!«, sprang ihn eine andere Stimme an wie ein hungriges Raubtier, auf dessen Speiseplan zwar keine Lysetthi mit Käsesoße, aber halb gegarte imperiale Stabsoffiziere zu finden waren. »Wir sind mitten in einem Kampf! Wie können Sie da an Essen denken?!«
»Ah, Major«, wandte sich Ekko seinem Stellvertreter zu, als sei er dankbar, endlich nicht mehr allein für das Wohl seiner Truppen verantwortlich zu sein. Im Grunde war er das auch, doch wie jeder Vorgesetzte, auf dessen Schultern die Hoffnungen vieler ruhten, hätte er diese Tatsache niemals zugegeben. »Willkommen zurück.«
»Vielen Dank, Sir«, erwiderte der hochgewachsene Basteter, der gerade durch den Eingang in den engen Raum trat, und strich sich unruhig durch sein blondes Haar.
Die letzten Minuten hatte der stellvertretende Regimentskommandeur damit zugebracht den Besatzungen der Raketenbatterien einen Teil ihrer Verwirrung über den Abgang des Colonels zu nehmen und die Männer an ihre Pflichten zu erinnern.
Dass er dabei die in dem Moment bei weitem interessanteren Geschehnisse um das Eintreten des besagten, wortwörtlich verrauchten Colonels in die improvisierte Kommandozentrale (und folglich die Reaktionen der dort befindlichen Soldaten) verpasst hatte, war ihm natürlich nicht bewusst. Und hätte er sich ausgemalt, was hier kurz vor seinem Eintreten geschehen war, er wäre höchstwahrscheinlich dankbar gewesen, es nicht miterlebt zu haben.
»Irgendwann ist auch dieser Kampf zu Ende«, erwiderte Ekko, lenkte die Gedanken seines Untergebenen zurück auf das Thema, mit dem er sich in den letzten Minuten beschäftigt hatte. »Und dann werden uns die da draußen sicherlich zum Essen einladen und wir werden alle herzlich über den Spaß lachen, den wir gehabt haben.«
»Ich glaube nicht, dass die uns als Gäste einladen«, erwiderte Carrick angewidert. »Höchstens als Hauptspeise.«
»Ja«, gab Ekko gedankenverloren zurück. »Das wäre doof. Dann doch lieber einen Titan-Burger.«
»Entschuldigen Sie, Sir?«, erklang eine andere Stimme vom Eingang des Raumes her.
Ekko fuhr herum. »Was?!«, knirschte er ungehalten, offensichtlich in seiner Erinnerung an den Titan-Burger gestört.
Der Sergeant, der ihm gegenüber stand, versteifte sich merklich. »Die Truppen von Captain Solmaar sind eingetroffen.«
Erst jetzt registrierte Ekko, dann der Lärm vor der Kommandozentrale zugenommen hatte. Schatten zogen als schnell gleitende Phantome an den Wänden vorbei, zeugten von einer gesteigerten Aktivität in den Fluren, vor Vorräumen des Herrenhauses.
»Oh!«, brachte der Colonel hervor und klatschte begeistert in die Hände. »Welch herzerwärmende Information Ihrerseits, Sergeant. Vielen Dank!« Dann straffte er seine Uniform und marschierte schnellen Schrittes aus dem Gebäude auf die offene Straße, Major Carrick im Schlepptau.
Der Sergeant sah ihnen nach, verwirrt und verwundert.

***

»Willkommen, meine Freunde! Willkommen in diesem, meinem bescheidenen Heime! Ich hoffe, Sie hatten alle eine gute Reise!«
Verdreckte und abgerissen aussehende Landstreicher blickten auf, als der Regimentskommandeur mit weit ausgebreiteten Händen aus dem Gebäude trat, in dem er seine vorgeschobene Kommandozentrale eingerichtet hatte. Zumindest wollte es einem so vorkommen, wenn man die niedergeschlagene Truppe abgekämpfter Infanteristen erblickte, die sich vor dem Herrenhaus sammelte. Sie alle waren durch einen Fluchtgang, der direkt mit dem Gebäude verbunden war – höchstwahrscheinlich, um dessen adeligen Bewohnern im Falle eines Angriffs die Flucht in der unterirdische Gewölbe der Stadt zu ermöglichen – zurück an die Oberfläche gelangt und nun damit beschäftigt, sich an die veränderte Lage zu gewöhnen.
Den meisten von ihnen standen Schreck und Horror der letzten Stunden im Gesicht und die tiefe Apathie, mit der sich ihre Geister gegen das abschirmten, was sie erlebt hatten, ließ sie relativ emotionslos auf das Erscheinen ihres Vorgesetzten reagieren.
Sanitäter und Soldaten, teilweise durch die Kommandozentrale vorsorglich herbeigerufen, andere als Reservetruppen Captain Fendel unterstellt, kümmerten sich um Zivilisten und die Verletzten, versorgten schwere Wunden notdürften und übergaben die Überlebenden dann an Sanitäter und Adepten des Munitoriums.
Captain Solmaar, selbst noch von den Ereignissen gezeichnet, bemühte sich, die Überreste seines Zugs Aufstellung nehmen zu lassen zu und zu festzustellen, wer von ihnen noch lebte und wer kampfbereit war.
In Anbetracht dieser chaotischen Zustände wunderte sich der Regimentskommandeur recht wenig, als er Doktor Calgrow entdeckte, deren von verkrustetem Schmutz und Blut besudelte Gestalt am Rand der Szenerie saß und gedankenverloren in die Ferne blickte.
»Auch Ihnen, meine liebe Marith, einen wundervollen Tag! Sie sehen aus, als habe Ihre Reise Sie ermüdet. Ich hoffe doch, Sie teilen Ihre Erlebnisse mit mir, auf dass wir beide herzlich lachen!«
Calgrow sah den Basteter verständnislos an, nur um den Fehler zu begehen, auf den Ekko gewartet hatte. »Hoffen Sie das wirklich?«, fragte sie, den hochgotischen Ton ihrer Stimme in eine Fettlache aus schmerzvollem Sarkasmus getaucht.
Ekko rutschte nicht drauf aus. »Nein! Das hoffe ich nicht, Sie elende Spritzfetischistin! Wie kommen Sie dazu, ein Lazarett im ersten Ring der Himmelskathedrale einzurichten und mich nicht mal zu fragen?!«, fuhr er die Ärztin an.
»Aber, ich hatte Major Carrick gefragt …«
»Ja, und ich kenne alle Markennamen pedalgetriebener Zweiräder inn- und auswendig!« Ekko hob den Zeigefinger. »Wenn Sie als todesmutige Ex-Kommissarin bereits damit beginnen, den Regimentskommandeur zu missachten, dann weiß ich wirklich nicht, was ich hier noch mache. Ich meine, sagen Sie mir doch einfach, wenn es Ihnen nicht passt, dass ich mir bei der Befehlsausgabe etwas denke. Sagen Sie mir einfach, dass Sie es voll doof finden, wenn ich Ihr Lazarett in den dritten Ring schiebe, obwohl Sie Kampfdackelweibchen eigentlich viel lieber an der Front die Kanüle schwenken würden. Es finden sich sicherlich genügend Infanteristen, die den Platz mit Ihnen tauschen würden, um die eine oder andere Minute in Ruhe zu verbringen, bevor sie zurück in die Knochenmühle geworfen werden. Aber versuchen Sie nicht noch einmal, mich zu verarschen.«
Die Ärztin antwortete nicht sofort, und so verging ein Moment, indem ihr die Stille zuflüsterte, dass der Colonel Recht haben mochte. Dennoch ließ es die ehemalige Kommissarin nicht zu, dass ihre Maske der unnachgiebigen Arroganz Risse bekam. »Sind Sie fertig?«
»Nein – ich meine, ja – ich bin fertig, aber noch nicht mit Ihnen!«
Calgrow schüttelte erschöpft den Kopf. »Beim Thron von Terra. Wer hat Sie eigentlich aus dem Zoo gelassen?«
»Der Wärter«, erwiderte Ekko vollkommen richtig, bevor er einen Blick zu Krood schoss, welcher sich an die Gruppe herangearbeitet hatte. »Was?«, fragte er unwirsch.
»Ich melde: Auftrag erfüllt. Wir haben so viele gerettet, wie wir konnten«, berichtete der Grenadier atemlos.
Ekko nickte und atmete tief durch, als würde er seine Brust von einem schweren Gewicht befreien wollen. »Gut gemacht, Sergeant. Gute Arbeit.«
Der Kasrkin nickte.
»Wobei«, schränkte der Colonel seine Begeisterung sofort wieder ein. »Was hat denn da so lange gedauert, Krood?«
»Der Maschinengeist war verstimmt und musste erst wieder versöhnt werden.«
»Verstehe. Nun gut, das kann man ihm nicht verdenken. Bei einem Tätigkeitsfeld wie dem seinen würde ich auch erst noch über den Sinn des Lebens oder den Grund meiner Existenz philosophieren, bevor ich wie geplant explodiere.«
Kroods Miene nach zu urteilen verstand der Grenadier nicht genau, über was Ekko gerade zu sinnieren begonnen hatte. Nichtsdestotrotz schien es etwas zu geben, das er zum Monolog des imperialen Offiziers beitragen wollte. »Colonel, ich muss Ihnen noch etwas sagen.«
Bereit, weitere Meldungen seines Untergebenen aufzunehmen, wandte Ekko seinen Kopf zurück in Richtung Krood, als der Schemen einer ihm wohlbekannten Servorüstung inklusive der blonden Trägerin in seinem Sichtfeld auftauchte.
»Oh«, brummte der Colonel, erneut abgelenkt.
Carrick neben wandte ebenfalls den Kopf. »Was haben Sie gesehen?«
»Wollen Sie mal raten?«, brachte der Colonel hervor, ohne die Frage des Majors direkt zu beantworten. Aber das war auch nicht nötig.
Einen Moment später war die Sororita bereits heran.
»Sile, was wollen Sie hier?!«
Die Sororita, offensichtlich vollkommen von dieser Begrüßung überrascht, zögerte kurz. Als sie sich entschied, die Stimme zu erheben, wollte es Ekko so vorkommen, als wäre es dieses Mal die schleichende Prise Gift, die über das schneebedeckte Feld im Winter zog. »Ich wollte mich vergewissern, dass es Ihnen gut geht. Dieser Rückzug … das sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«
»Ach, ich dachte, er steht mir?« Ekko warf einen Blick zu Carrick, der ihn genauso perplex anstarrte wie die Sororita.
»Er steht Ihnen?«, hakte die Prioris nach.
»So ein Rückzug hält alte Säcke wie Captain Balgor und mich frisch«, erklärte der dunkelhaarige Basteter wie selbstverständlich. »Gibt pfirsichweiche Haut.«
»Sir!«, mischte sich Krood erneut ein. »Es ist wirklich wichtig, dass Sie mir zuhören.«
»Ich habe Sie nicht vergessen. Aber: bevor ich es vergesse«, unterbrach der Colonel Kroods Meldung zum zweiten Mal, »Carrick!«
»Sir?«
»Gehen Sie zurück in die Kommandozentrale und holen Sie Balgor ans Funkgerät! Sagen Sie Ihm, er soll sofort alle restlichen Truppen in den zweiten Ring schaffen.« Er zögerte kurz. »Oder warten Sie. Ich komme gleich mit!«
»Dann werde ich Sie begleiten«, tat Sile kund.
Ekko seufzte schicksalsergeben. »Warum schwant mir bloß, dass es gleiche eine mittlere Katastrophe geben wird?«
Zu dritt betraten sie den Kommandovorposten. Krood folgte ihnen. »Colonel, Sie sollten da noch etwas wissen«, versuchte es der Grenadier zum dritten Mal. »Da unten regt sich etwas!«
Ekko federte in die Höhe, als habe ihm Krood gerade die Laserpistole in den Rücken gedrückt. »Reden Sie nicht weiter! Ich weiß, was Sie sagen wollen. Und es freut mich, dass Sie sich endlich überwunden haben«, erwiderte der imperiale Regimentskommandeur. »Aber, so leid es mir tut: ich muss ablehnen.«
»Was?!«, brach es aus dem Cadianer hervor, der nicht wusste, wie er auf die Worte des Ranghöheren reagieren sollte.
»Beziehungen, die aus extremen Situationen heraus entstehen, halten nicht lange.«
»Beim Thron, Colonel«, erwiderte Krood, im Angesicht einer solchen Antwort bemüht, seine Selbstbeherrschung nicht in Form eines gesichtszerschmetternden Faustschlags zu Tage treten zu lassen, »ich habe nicht vor, Sie zu heiraten!«
»Sagten Sie nicht gerade, bei Ihnen regt sich da unten etwas?«, deutete Ekko, weitläufig winkend, auf den gepanzerten Unterleibsbereich des Cadianers.
»Nicht bei mir!«, fuhr der Elitesergeant ihn an. »Ich meinte: Da unten!« Sein Zeigefinger schoss in Richtung Boden. »Die Orks waren da!«
Das saß. Für eine Weile herrschte eine tiefe Stille in dem vorgeschobenen Kommandoposten vor, die sich köstliche darüber zu amüsieren schien, dass es niemand wage, ein Wort zu sprechen, während draußen der Tod mit langer Klinge senste.
Allerorts ruckten die Köpfe zu Krood und Ekko herum. Dessen nächste Erwiderung blieb ihm wie eine Gräte im Hals stecken. Stattdessen quälte sich ein penetranter Hustenanfall aus dem Rachen des Basteters. »Und das sagen Sie nicht nur, weil Sie sich für irgendwas revanchieren wollen?«
»Nein«, erwiderte Krood zutiefst ehrlich. »Ich würde Sie einfach erschießen.«
»Oh ja«, sinnierte der Colonel. »Ich erinnere mich.« Er runzelte die Stirn. »Haben Sie irgendetwas Bestimmtes gesehen? Oder wie definieren Sie Orkspuren?«
»Fußabdrücke und geschmierte Wandzeichnungen«, meldete der Grenadier knapp. »Frisch aufgetragen.«
»Verstehe.« Der Basteter nickte, während sich in seinem Kopf das Bild eines großen, grünhäutigen Xeno aufbaute, der mit einem Pinsel und roter Farbe die Worte ‚Bigg-Mekk war hier‘ auf eine Säule kritzelte. Ein leichtes Lächeln kräuselte seine Lippen.
Nun war es Krood, der die Stirn runzelte.
Ekko winkte ab. »Egal. Danke für die Info.« Mit einem kurzen Wink der Hand schickte er den Kasrkin fort.
Krood neigte den Kopf zur Bestätigung und ging.
Der Colonel wandte sich um und betrachtete die hololithische Darstellung der Himmelskathedrale, die sich vor aufbaute wie das Bild einer schönen Frau, deren Haut von roten und blauen Flecken übersät war.
Carrick trat an seine Seite. »Orkspuren in der Unterwelt. Das ist übel«, bemerkte er.
»Ja, ich weiß«, gab Ekko zurück, den Blick auf den Taktikplot gerichtet. Seine Stimme klang seltsam fern, so als fragte er sich gerade, was beim Thron von Terra er wohl übersehen hatte. Und wirklich: das war es, was seinen Geist beschäftigte.
»Carrick«, adressierte er seinen Stellvertreter, nachdem er eine Weile über den taktischen Möglichkeiten gebrütet und sich reglos mit dem Datenglobus und den auf ihm dargestellten Informationen duelliert hatte, »wäre es möglich, Trupps unserer Reserve – zusammen mit Leuten der Miliz und dem Munitorium – ausschwärmen und alle Zugänge in die Unterwelt noch einmal genau überprüfen zu lassen?«
»Möglich schon, aber …« Der Major trat ganz dicht an seinen Vorgesetzten heran und beugte sich zu ihm vor. »Halten Sie das für klug, Sir?«, erkundigte er sich mit leiser Stimme. »Truppen für eine solche Operation abziehen, während wir diese Einheiten eigentlich dringend bräuchten, um den zurückweichenden Zügen eine stabile Auffangstellung zu bieten und im Notfall einen Durchbruch des Gegners in den zweiten Ring zu kontern?«
Erneut überlegte der Colonel eine Weile, bevor er die Frage zurückgab. »Halten Sie es denn für klug, eine derartige Bedrohung außer Acht zu lassen, wenn alle Kampfgruppen im direkten Kontakt mit einem Feind von außen Stehen?« Er nickte, wenn auch nicht zustimmend. »So etwas hat schon die eine oder andere Schlachtlinie zerbröseln lassen.«
Carrick fand darauf keine Erwiderung.
»Ah«, brummte der Colonel und winkte den Gedanken auf diese Weise beinahe postwendend zur Seite. »Vergessen Sie’s. Es ist ja nicht so, als würde ich selbst wirklich daran glauben, dass ganz urplötzlich überwältigende gegnerische Verbände in unserem Rücken stehen.«
Er wandte sich demonstrativ um … und starrte direkt in die stinkende Fratze eines gut zwei Meter großen Xenos. »Oh, Scheiße. Wo kommst du denn her?«
Grüne Fäulnis spie ihm brüllend ins Gesicht. So konnte man sich irren.
»Beim Barte …!«, rief der Colonel noch aus, da packte ihn der eiserne Griff Leitis Siles bereits und warf ihn regelrecht durch die Luft.
Die nach ihm geschwungene Orkaxt ging ins Leere.
Herr auf dem Thron!, dachte er, das war knapp! Dann kam der Aufschlag.
Ekko prallte mit der Seite auf. Luft floh explodierend aus seinen Lungen in die vom schweren Geruch des Schweißes geschwängerte Luft.
Die Laserpistole rutschte aus seinem Tiefziehholster und schlitterte völlig nutzlos unter den Plottisch.
Um ihn herum spritzten die Anwesenden auseinander. Eilendes Entsetzen griff um sich. Die Orks waren mitten unter ihnen!
Alarmiert sprangen die beiden Funker von ihren Plätzen auf, zogen die Pistolen. Sturmgewehrfeuer krachte. Großkalibrige Munition verteilte die Männer über den Boden und ihre Funkgeräte, die nur wenige automatische Ladevorgänge später das Schicksal ihrer Bediener teilten. Kräftiges, metallenes Bersten hallte durch den Raum.
Im selben Augenblick fand sich Ekko hinter der schützenden Servorüstungen Leitis Siles wieder, von der die Projektile einfach abprallten.
Major Carrick hatte nicht so viel Glück. Geduckt hinter dem eisernen Körper des Plottisches suchte er Schutz vor den umherpfeifenden Geschossen, die mächtige Löcher und Bauwerk und Material rissen, hilflose Körper zerfetzten und als Querschläger durch den Raum zischten.
»Schafft ihn hier raus!«, schrie der Major noch und wies auf seinen Vorgesetzten. Im nächsten Moment verschwand er hinter einer Gruppe Geschosseinschläge, die Splitter, Staub und Sand in die Luft bliesen.
»Carrick!«, flüsterte Ekko.
Zwei eiserne Klammern packten ihn bei den Armen, wuchteten seinen lädierten Körper in die Höhe. Er spürte, wie ihn jemand hastig über den Boden in Richtung Ausgang schleifte.
Betäubt von der Wucht des Aufpralls und dem urplötzlichen Überfall, dümpelte der Colonel noch irgendwo in der Tiefe einer Schrecksekunde, konnte auf die Situation nicht wirklich reagieren.
Das beinahe zaghafte Zischen abgefeuerter Laserpistolen drang in sein Bewusstsein, die hilflose Verteidigung gegen einen übermächtigen Feind.
Wütendes Gebrüll schrie die Laute nieder.
»Schnell!«, hörte er Gireth panisch schreien. »Die Orks!«
Er wollte dem Funker gerade mit beruhigender Stimme sagen, dass er das bereits wisse, als seinem betäubten Geist aufging, dass der Hilferuf nicht ihm gegolten hatte und statt dem vorgeplanten Satz lediglich eine Kombination verwirrter Laute über seine Lippen drang.
Derweil überwanden die eigentlich Angerufenen allmählich ihren Schock.
Während Solmaars und Fendels Männer noch vollends zu begreifen versuchten, was gerade passierte, stürmten Kroods cadianische Grenadiere bereits zurück in Richtung Herrenhaus, um Ekkos vorderenen Kommandoposten gegen den urplötzlichen Einbruch des Feindes zu verteidigen.
Es sprach für sie, ihre Ausbildung und ihren Instinkt, dass sie schon auf den Gegner reagierten, dessen plötzliches Auftauchen im Rücken der Front die restlichen Soldaten für eine kurze Zeit in einen Zustand tiefster Agonie stürzte.
Es schien fast, als würden sie zu seiner Rettung eilen – eine Betrachtungsweise, die in ihm wieder einmal die Wut steigen ließ.
Dass er, Colonel Galardin Alberic Ekko, von den Kasrkin um Sergeant Gren Krood gerettet werden musste, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Und noch jemand materialisierte sich zu ihrer – zu seiner – Rettung. Wie eine Banshee schwebte ein engelsgleiches Wesen vom Himmel, folgte den zum Kampf bereiten Gardisten.
Dass sie kommen würde, hatte sich bereits angekündigt, vor allem nach seinem letzten Versuch, sich wieder mit ihr zu vereinigen. Dennoch überraschte ihn die schiere Eleganz, mit der sie sich aus seinen Gedanken formte, zum wiederholten Male.
»Du?«, fragte Ekko müde, als ihn die nebelige Gestalt mit ihrem durchsichtigen Körper einhüllte, als würde sie ihn in sich aufsaugen wollen.
Wortlos löste sie sich aus der Tiefe der Unendlichkeit, nahm ihn in den Arm und wiegte seinen Kopf an ihrer Brust. Geliebter Mann, du hast mich gerufen?
»Habe ich?« Er schüttelte verwirrt den Kopf, was sich zwischen den weichen Kissen ihres für einen Geist erstaunlich festen Busens überhaupt nicht einfach bewerkstelligen ließ. »Ich dachte, du bist hier, um mich mitzunehmen?«
Deine Zeit, geliebter Mann, ist noch nicht gekommen.
Und was noch verwirrender war: Ihre Stimme, im Schmerz seiner Erinnerung liebevoll und von verbotener Süße, klang in seinem Kopf mit einer alles verschluckenden Inbrunst. Fast wie eine außerordentlich klare Tonaufnahme, die in einen leeren, Schall absorbierenden Raum ausgestrahlt wurde.
»Und wann wird sie kommen, diese – meine – Zeit?«, brachte er hervor.
Deine Zeit wird kommen, wenn du den wahren Dienst für den Imperator erfüllt hast.
»Kannst du mir sagen, was dieser wahre Dienst für den Imperator ist?«
Was der wahre Dienst für den Imperator ist, weißt nur du ganz allein.
Er seufzte. »Na, fantastisch.«
Eine Schwester kann ewige Zeiten in ihrem Konvent verbringen, in Stille und Selbstkasteiung, und dennoch ihren Dienst für den Imperator nicht erfüllen.
Der Imperator wird wissen, wann du den wahren Dienst für ihn geleistet hast. Du wirst wissen, wann du den wahren Dienst geleistet hast. Den Dienst, für den du bestimmt warst, für den du geboren wurdest. Und wenn du diesen Dienst erfüllt hast, dann ist deine Zeit in dieser Welt beendet. Dann wirst du dich dem Imperator in seinem ewigen Krieg gegen den Erzfeind anschließen. Und wir werden endlich wieder vereint sein.
Er stieß ein zynisches Zischen aus. »Was wird das? Eine Rekrutierung? Tu‘ was Gutes und der Imperator nimmt dich in seine Armee auf? Eine Mutprobe? Wie weit gehst du, um dein Leben zu beenden? Das habe ich versucht. Es hat nicht funktioniert.«
Sie bedachte ihn einen Moment lang mit amüsierten Blicken, dann plötzlich brach sie in Gelächter aus. Gelächter – das war etwas, das Ekko von keinem Geist erwartet hätte. Vollkommen perplex verfolgte er ihren Heiterkeitsausbruch, sah wie sich ihre blonde Mähe in mächtigen Wellen über ihre Schultern ergoss.
Dein Captain hatte vollkommen recht, geliebter Mann: Du warst noch nie näher dran – und du hast dich dabei auch noch nie dümmer angestellt.
»Ja, einfach rein in die Wunde«, grummelte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ist mir recht. Dafür sind Frauen ja irgendwie da, oder?«
Sie bedachte ihn mit einem weiteren, wissenden Lächeln – etwas, vor dem er sich bei ihr stets gefürchtet hatte – und streichelte seine Wange.
Geliebter Mann – ich werde stets bei dir sein. So wie die Heilige dich begleitet, begleite auch ich dich.
Ein erleichtertes Seufzen quälte sich aus seinem Körper. »Na, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, ich müsste den Rest meines Lebens mit Balgor verbringen.«
Du wirst deinen Weg gehen. Und dieser Weg wird dich zurückführen zum Ursprung. Dort, am Ende der Galaxie, werden wir uns wiedersehen.
Er verzog das Gesicht. »Sicher?«
Sie lächelte nur und hob erwartend die Arme. Einen Augenblick später war sie verschwunden.
Ein harter Schlag holte den Colonel in die Wirklichkeit zurück.
Ohne, dass er es verhindern konnte, rutschte er aus und stürzte unelegant. Das Knattern schwerer Maschinenwaffen begleitete ihn dabei. Erde spritzte um ihn herum auf. Mit dem dumpfen Geräusch eines nassen Sacks fiel einer der Soldaten, die ihn gerade aus dem nun von Feuer und Rauch erfüllten Kommandozentrum gezerrt hatten, zu Boden. Ausdruckslose Augen starrten den Basteter an, ein letztes ‚leben Sie wohl, Colonel!‘, dann erlosch der Lebenswille des Infanteristen endgültig. Sein Blick verdunkelte sich.
Unwillkürlicher Würgereiz begehrte in Ekko auf, doch er kam gar nicht mehr dazu, dem krampfartigen Gefühl nachzugeben.
Ein Tritt Erde traf ihn direkt im Gesicht. Die drei Kasrkin, bereits voll auf den nahen Feind konzentriert, sprinteten in der Schnellschussbewegung geduckt an ihm vorbei. Das heftige Knistern ihrer Hochenergielasergewehre pulsierte durch seinen Kopf gleich platzender Luftpolsterfolie.
Hinter ihnen begriffen nun auch die restlichen imperialen Soldaten, was gerade im vorgeschobenen Beobachtungsposten geschah.
Wilde Schreie und wütend in die Luft geschleuderte Befehle rauschten als reißender Strom durch seinen Kopf, ertränkten jeden Gedanken, jedes Wort und nahmen es mit sich.
Irgendwer brüllte Doktor Calgrows Namen. Jemand anderes forderte verzweifelt einen Panzer an.
Für einen kurzen Moment fragte sich Ekko, was beim Thron es für einen Sinn ergab, Doktor Calgrow loszuschicken, einen Panzer zu holen. Er wusste keine Antwort, auch wenn die Vorstellung der Szene einen gewissen, eigentümlichen Charme besaß: Calgrow, wie sie in ihrem Arztkittel hoch aufgerichtet im wild feuernden Geschützturm einer näher rückenden Chimäre stand, eine kleine Spritze schwenkte und bellte: »Bringt mich näher ran! Ich will ihnen ein Gegenmittel verabreichen!«
»Beim Thron«, murmelte er erschöpft. »Nehmen Sie die verdammte Piekse weg.«
Dann gingen die Lichter aus.
 
Was soll damit sein? Auch ich habe ein Leben - man wundere sind. Daher bin ich von Zeit zu Zeit weg - und zwar längerfristig.

Aber hier kommt das neue Kapitel. Kurz und knackig - dafür aber intensiv.

Viel Spaß beim Lesen.


40

Die lange Nacht war gekommen. Mit gleißenden Explosionen und röhrendem Donner senkte sie sich auf die Ebenen von Bastet III, hüllte den Planeten in eine düstere Decke aus Elend, Leid und Verzweiflung.
Der Feind, den sie in die Tiefen des Raumes vertrieben zu haben geglaubt hatten, kehrte erstarkt aus den Weiten des Alls zurück, unwillig den Menschen die Herrschaft über diese Welt zu überlassen.
Es waren die Orks.
Ihr Gebrüll erreichte bereits die oberen Ebenen der Machtspindel von Selukreh, wo die verbliebenen Mitglieder der planetaren Regierung eingeschlossen waren und auf ihr Ende warteten.
Schreiende und rufende Sergeants und Lieutenants der PVS und Imperialen Armee versuchten, dem näher rückenden Feind den Weg zu versperren, doch ihnen allen war klar, dass niemand in der Lage sein würde, den Feind aufzuhalten.
Dafür waren die Grünhäute einfach viel zu zahlreich.
Stoisch heulte der Alarm durch die Gassen und Spindeln von Seluk, warnte vor dem Offensichtlichen. Nicht, dass es noch etwas geholfen hätte.
Seluk war verloren. Schon vor Stunden hatte die planetare Regierung die Stadt für verloren erklärt und ihre wichtigsten Mitglieder in einer schlecht organisierten Luftrettungsaktion zu evakuieren versucht. Der Gouverneur, seine Familienmitglieder und Bediensteten, Administraten, Adepten, Bonzen und Legaten waren wie die Tiere eingepfercht in die vollkommen überladenen Guncutter der planetengestützten Luftstreitkräfte geflüchtet, nur um wenige Minuten als Brennstoff für fehlfarbene Blumen der Vernichtung zu enden. Die Regierung von Bastet war ausgelöscht.
Die Gewalt über die verbliebenen Verteidigungsstreitkräfte oblag nun den wenigen noch in Seluk befindlichen Mitgliedern der Stadtverwaltung, von denen im Grunde jeder damit beschäftigt war, sein Heil in einer nutzlosen Flucht oder einem Gebet beim Imperator zu suchen.
Der noch junge, gerade neu ernannte Comach der Stadt starrte auf die Brände und das Chaos, die sich nicht weit unter ihnen entspannen, und die ebenholzschwarze Nacht mit groteskem Lichterspiel in eine schimmernde Traumwelt verwandelten. Eine Albtraumwelt.
Die Machtspindel Seluks reichte gute sechs Kilometer in den Himmel, aber auch das konnte sie nicht mehr schützen, als die Grünhäute die Verteidigungsanlagen überwanden und durch die Schutzwälle der Makropole brachen.
Entgeistert drehte er sich um. »Wie konnte das geschehen?«, brachte er hervor, geschockt von der Plötzlichkeit und Brutalität des Angriffs. »Wie ist es ihnen gelungen ...?«
Er warf einen hilflosen Blick zu seiner Frau, die ihren kleinen Sohn an sich presste. Auch sie war fassungslos und vor Angst gelähmt.
Jeder, selbst der sonst so effektiv arbeitende militärische Nachrichtendienst der Imperialen Armee, unter dessen geheimdienstlicher Kontrolle dieser Sektor des imperialen Raumes lag, war von der Urgewalt überrascht gewesen, mit der der Xeno-Abschaum auf Bastet III einfiel. Normalerweise fanden auf Bastet leidglich kleine, mit versprengten Grünhäuten geführte Gefechte statt, deren Gros sich auf die schwere Garnisonsstadt Serareh konzentrierten, wo große Kontingente der Imperialen Armee versorgt und aufgefrischt wurden, bevor sie sich in eines der Kampfgebiete in diesem Sektor in Bewegung setzten.
Die vor Überraschung paralysierte Armeeführung reagierte viel zu langsam auf die anströmende Flut, was dem Menschenfeind schlussendlich die Möglichkeit gab, sich unweit der Hauptstadt Selukreh festzusetzen. Tatsächlich fegten die Grünhäute so schnell über das Umland, dass die Stadt trotz einer sofort eingeleiteten Verteidigung innerhalb weniger Stunden eingeschlossen wurde.
»Es gibt kein Entkommen, nicht wahr?«, verwarf er seinen letzten Gedanken und wandte sich an die zweite Frau, die mit ihm und seiner Liebe an diesem Ort Schutz gesucht hatte.
Im künstlichen Licht der grell von der Decke strahlenden Leuchtröhren sah die Principalis entschlossen aus. Sie hatte ein ernstes, von Narben gezeichnetes Gesicht, das sicherlich einmal sehr hübsch gewesen war und auch jetzt noch eine nicht minder herbe Schönheit verstrahlte, wenn auch auf eine andere Weise.
Die schwarze Augenklappe, die sie über dem rechten Auge trug, war eine Improvisation der letzten Stunden gewesen, eine Notwendigkeit, die der Tatsache entsprang, dass sie von einem verirrten Splitter getroffen worden war.
Ob man ihr Auge retten konnte oder sie ein bionisches Implantat benötigte, würde sich erst klären lassen, wenn diese Sache, also der plötzliche Angriff der Orks, abgewehrt worden war. Und abwehren würden die Menschen ihn. Es mochte sie einen hohen Blutzoll kosten, aber beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet, sie waren Basteter! Und kein Basteter ließ sich kampflos von den Grünhäuten abschlachten! Vor allem nicht im Beisein von Adeptus Sororitas und Imperialer Armee.
Wie hätte das denn ausgesehen?
Und dennoch – die Verzweiflung in den Augen des Comachs und seiner Frau zeigten deutlich, was sie in den Grundfesten ihrer Herzen bereits verstanden und akzeptiert hatten: es gab kein Entrinnen.
Seluk war nicht zu halten. Eine Entsatzstreitmacht der Imperialen Armee – das neu gegründete 308. Regiment Sera und ein Verband der Stahllegion von Armageddon – war zwar auf dem Weg von Serareh den Fluss entlang Richtung Seluk, doch diese Einheiten würden nicht vor Abend des nächsten Tages eintreffen. Und so viel Zeit blieb den Verteidigern der Hauptstadt von Bastet III nicht mehr.
»Nein«, gestand die Äbtissin ein, indem sie dem Comach mit ihrem verbliebenen Auge ins Antlitz blickte. »Nicht für Euch. Aber dennoch bleibt euch, den wahren Dienst für den Imperator zu erfüllen.«
»Ich weiß, was man von uns erwartet«, erinnerte er an das ungeschriebene Gesetz der Ehre, in dem der Oberkommandierende einer Streitmacht mit dieser im Gefecht fiel. »Doch was ist mit ihm?« Er deutete auf das ungewöhnlich ruhige Kind, das die panische Furcht der Erwachsenen mit seinen Fingern zu greifen versuchte.
Seine Frau wandte sich ebenfalls nach der Schwester um und hielt ihr den Jungen entgegen, als würde sie ihr ein Opfer darbieten, das ihrer beider Leben unter Umständen noch retten konnte. »Bitte Herrin, Ihr wisst, dass wir dem Imperium stets treu gedient haben, mag auch Bastet sonst so sehr vom Makel des Chaos bedroht sein«, fügte sie mit zitternder Stimme bekräftigend an. »Bitte gebt unserem Sohn die Chance, im Namen Bastets weiterhin dem Imperator zu dienen.«
Die Gepanzerte zögerte für einen kurzen Zeitraum – den beiden Verlorenen erschien es wie eine Ewigkeit – bevor sie das Kind schließlich mit den geschützten Händen ihrer Servorüstung annahm. »Ich kenne Eure Verdienste, Comach, und ich bin stolz darauf, einen so hingebungsvollen Mann wie Euch gekannt zu haben«, verkündete sie feierlich. Es klang, als erteile sie ihm die Absolution.
Das rauschende Pfeifen schwerer Werfergranaten quälte sich durch die Risse in dem porösen Dichtungsmaterial der Fensterscheiben, ein schrilles Solo vor dem unheimlichen Orchester der tobenden Schlacht.
Die Principalis löste sich von dem Comach, um ihre nächsten Worte an seine Frau zu richten.
»Ich verspreche, dass Eurem Sohn kein Leid geschehen wird«, sagte sie sanft und strich der dem Tode geweihten Mutter über ihr schwarzes Haar. »Man wird sich seiner annehmen.«
»Ich danke Euch«, flüsterte die Frau erstickt.
Eine Reihe von Explosionen erschütterte das Gebäude. Irgendwo splitterte Glas. Jemand starb schreiend. Für den Bruchteil eines Herzschlags erlosch das Licht, ging im rauschenden Knacken überlasteter Stromleitungen unter.
Das Poltern schwerer Armeestiefel und die gebrüllten Befehle eines Sergeants drangen vom Flur durch die geschlossene Tür in den Raum.
Krachen eines schweren Bolters sprang zu ihnen hinauf, mahnte zur Eile. Nur wenige Sekunden später fielen das knisternde Zischen überlasteter Lasergewehre und das Knattern und Donnern großer Schnellfeuerwaffen in das Stakkato ein. Eine Handgranate detonierte mit dem gedämpften, trockenen Knall eines Sprengkörpers.
»Sie sind da«, schloss der Comach vollkommen richtig aus der Geräuschkulisse. Er selbst hatte in seiner Jugend in einer Infanterieeinheit der PVS gedient und war dort mit dem Grundsätzen des Krieges vertraut gemacht worden. »Marel?«, wandte er sich auffordernd an seine Frau. Es wurde Zeit.
Einige Ebenen unter ihnen hämmerte eine Hydra-Plattform los. Leuchtspurgeschosse zischten dicht am Fenster vorbei in den Himmel.
Das Überschallkrachen schwerer Vector-Turbojets ließ die Fensterscheiben klirren.
Gleißendes Feuer fraß sich durch die Außenbezirke von Selukreh, verschlang brüllend Xenos, Menschen und Gebäude. Die Stadt ging in Flammen auf.
Jetzt endlich, nachdem er seit Beginn der Schlacht gehorsam geschwiegen hatte, löste sich ihr Sohn aus seiner verbalen Starre. »Mama?!«, rief er aus, als ihm aufging, dass man ihn nun von seinen Eltern trennen würde.
»Bleib bei ihr«, wies ihn seine Mutter an und deutete auf die große Äbtissin, die ihn auf den mächtigen Handschuhen ihres Panzerschutzes hielt. »Du musst bei ihr bleiben und auf alles hören, was sie sagt, in Ordnung?«
Unvermittelt flackerte die Deckenbeleuchtung, flammte in einem letzten Aufbäumen auf und erlosch dann vollkommen unvermittelt.
Der Kampf hatte eine der Hauptenergieversorgungsleitungen gekappt.
Kaskadierende Lichtblitze rissen die Macht über das menschliche Auge an sich, tauchten den Jungen und die Frau in ein unwirkliches Spiel aus gleißender Helligkeit und tiefen Schatten.
Wenige Sekunden verharrten sie in der schockähnlichen Starre überraschter Geister, bevor die Leuchtröhren unter dem keuchenden Husten eines erneut geschenkten Lebens wieder aufglühten, nun jedoch deutlich schwächer und glanzloser als zuvor.
Wenigstens die Notstromgeneratoren funktionierten noch.
Endlich erhielten die beiden zwangsweise zusammengeführten Leben die Möglichkeit, einander eingehender zu betrachten.
Auf der einen Seite das kindliche, von säuberlich gekämmter Mähne bedeckte Haupt eines unbedarften Jungen, dessen Welt die Hängenden Gärten von Selukreh waren und der trotz des brutalen Krieges um ihn herum den Charme eines frisch gereinigten und geölten Gewehres versprühte.
Auf der anderen Seite das ernste, von Narbenfurchen durchzogene Antlitz einer erfahrenen Kriegerin, deren von der Schlacht verfilztes, dunkles Haar wie die abgeknickten Stacheln eines verwundeten Igels vom Kopf abstand und an der Händen wohl das Blut von mehr Lebewesen klebte, als Seluk Einwohner zählte.
Es stand ohne Frage, wer von ihnen den größeren Eindruck machte.
»Wer bist du?«, fragte der Junge mit einem kleinen Wenig von Angst in seiner Stimme.
»Ich bin der Engel des Imperators«, sagte sie beruhigend, wenn man bei der mächtigen Stimme einer so robusten Frau überhaupt von sanft sprechen konnte.
»Der Engel des Imperators?«, wiederholte das Kind bedächtig, als messe es in seinen jungen Jahren den Worten schon eine dermaßen große Bedeutung zu, dass es erst einmal über den Satz philosophieren musste.
Nachdem er eine Weile darüber gegrübelt hatte, sah er mit kritischem Blick auf. »Bist du explodiert?«
»Alb!«, rief seine Mutter entsetzt aus.
»Explodiert?«, wollte die Principalis wissen, ganz offensichtlich an der Frage interessiert, was beim Thron von Terra auf Bastet über das Adeptus Sororitas verbreitet wurde.
Wie alle Basteter wussten, dass alle Sororitas Bestien waren, wussten alle Sororitas, dass alle Basteter so dachten.
Da diese das jedoch niemals offen ausgesprochen hätten, wartete die Schwesternschaft eigentlich nur darauf, dass sich einer der Unglückseligen verplapperte und die Häresie offen aussprach.
Umso besser, wenn dieser Unglückselige der Sohn des Comachs war.
Doch der Junge in ihren Armen ließ sich weder von ihrem Blick, noch ihrer beeindruckenden Gestalt zu einem Fehler verleiten.
»Du siehst aus wie die Erde auf den Übungsplätzen, wenn sie von einer Kanone getroffen wird«, erklärte er fachmännisch und deutete auf das Haar der erwachsenen Frau.
Dumpfes Donnergrollen erschütterte die Spindel. Das aus den Notstromgeneratoren gespeiste Licht verlosch mit letztem Aufbäumen.
Dunkelheit nahm sich des Raumes an.
In die vom heftigen Gefecht und dem Feuerschein der brennenden Stadt erleuchtete Nacht klang lediglich die überraschte Stimme der Principalis. »Nein, noch bin ich nicht explodiert.«
Sicherlich hatte sie eine solche Antwort nicht erwartet. Ohne Frage war eine so deutliche Ausdrucksweise – eine erhabene Anführerin des Adeptus Sororitas mit von Granateinschlägen aufgewühlter Erde zu vergleichen – sicherlich eine leichte Form der Häresie. Und sicherlich wäre es ihr ein leichtes gewesen, den Jungen zwischen ihrer Brust und den gepanzerten Armen zu zerquetschen. (Die schemenhaften Gesichter und die spürbare Anspannung der beiden Erwachsenen ließen darauf schließen, dass sie genau das erwarteten.)
Aber was für einen Grund hatte sie? Der Comach und seine Frau waren treue Diener des Imperiums – und ihr Sohn würde sicherlich auch zu einem solchen werden. Er musste lediglich geformt werden.
Erneut donnerte die Flugabwehrplattform vor dem Fenster los. Turbojet-Triebwerke heulten über die Machtspindel hinweg. Eine weitere Feuersbrunst fraß sich mit rasender Geschwindigkeit durch die planetare Hauptstadt.
Dieses Mal hielten die Fenster dem Lärm nicht stand. Ein heftiger Knall ließ sie aus ihren Fassungen bersten.
Urplötzlich stand der Krieg bei ihnen im Raum.
Eine Leuchtkugel zerplatzte am Himmel, strahlte gelblich-weißes Licht mit der Intensität einer Sonne in den Raum.
Scharfkantige Schatten bissen sich an den Wänden fest, verzerrten die Gesichter der vier Anwesenden.
Für eine Ewigkeit sahen sich der Junge und die Principalis in die Augen.
Es schien, als würden sie in dieser Zeit alles Wissen der Galaxis tauschen, während diese um sie herum zersprang.
Als die Maschinengeister des Beleuchtungsmittels nach gut fünfzehn Sekunden schließlich verstimmt den Dienst quittierten, brach auch der Blickkontakt der beiden ab.
Im ab und an von Blitzen durchbrochenen Halbdunkel des Raumes vor der Kulisse einer schwer umkämpften Stadt umarmte der Junge die hochgewachsene Frau. »Ich höre auf dich«, versprach er.
Alles war gesagt. Keine Sekunde zu früh.
Erneut krachten Handgranaten, dieses Mal jedoch näher und deutlicher als zuvor. Das Rufen und Schreien der menschlichen Soldaten vermischte sie mit dem vielstimmigen Brüllen mächtiger Angreifer, die nicht ruhen würden, bevor jeder Mensch vom Antlitz dieser Welt getilgt war.
Der Feind befand sich in der Spindel!
Die Principalis, gewahr des Wissens, dass sich ihre Chancen für eine erfolgreiche Flucht nun rapide verschlechterten, nahm die Worte des Kindes schweigend an. Lediglich den beiden anderen nickte sie zu, bevor sie sich abwandte und auf den Weg in Richtung des Fensters am anderen Ende des Raumes machte.
In dem Moment zerbrach die bittere Anspannung, die den Raum in ihrem Griff hielt.
»Alles ist verloren«, flüsterte Marel. Sie sah ihren Mann mit tränenerfüllten Augen an. »Er wird niemals wissen, wie sehr wir ihn geliebt haben.«
Ihr Sohn war gerettet. Nun gab eine letzte, unvermeidbare Pflicht für die beiden Erwachsenen zu erledigen.
Der endgültige Dienst für den Imperator. Der, nachdem sich viele sehnten, den sich aber wohl niemand wünschte.
Das scharfe Knirschen eines sich spannenden Pistolenspannhahns schlug durch den Raum, zischelte das falsche Versprechen von Ewigkeit in die brennende Nacht.
Die Principalis setzte ihren Weg fort, als habe sie weder die verzweifelten Worte der dem Tode geweihten Frau, noch das Geräusch gehört, das klar durch den Raum gehallt war.
Lediglich die hohen Absätze ihrer schweren Panzerstiefel schlugen mit deutlichem Dröhnen auf den parkettierten Fußboden, unterstrichen die Gleichgültigkeit, mit der die Äbtissin der Verzweiflung der Erwachsenen begegnete.
Erst, als sie das Fenster erreichte, wandte sie sich ein letztes Mal um. »Wer verletzt ist, ist nicht verloren! Wer getötet wird, wird nie vergessen!«
Die beiden Erwachsenen weinten nun hemmungslos. »Für Bastet! Für unsere Lieben…!«
»Für den Imperator!« Principalis Xaja Leren stieß das zerbrochene Fenster auf, drückte den schweigenden Jungen an ihre Brust und sprang mit ihm in die vom Feuer der Abwehrbatterien erleuchtete Nacht.
Hinter ihr richtete Administrat Dritter Klasse Traven Ekko, jetzt Comach von Selukreh und Oberbefehlshaber aller Streitkräfte von Bastet, die Pistole gegen seine entsetzte Frau. »Vergib mir, Marel. Ich bin kein Held. Ich bin kein Krieger. Ich habe das alles nicht gewollt.«
Nur Sekunden später hallte der Nachklang zweier Autopistolenschüsse durch den Raum, jagte dem bereits zum zerborstenen Fenster entflohene Blitzen des Mündungsfeuers nach in die von Feuer und Lärm erfüllte Luft.
Sein Sohn indes verstand nicht. Er begann zu verzweifeln.
 
So, ich bin nun auch bis hierher gelangt und muss sagen: Coole Story, sehr gut geschrieben und die Charaktere sind gut beschrieben.
Die Kampfhandlungen, die du beschreibst sind warhaftig greifbar und mehr als nur ein wenig realistisch beschrieben. Die Einzelheiten der Geräuschkulisse, während den Kämpfen, der Unterschied von "normalen" Soldaten zu den Special-Forces ist sehr greifbar und relalistisch beschrieben.

Bitte schnell mehr. Ich muss doch wissen, wie es mit Ekko weitergeht 😉
 
Hallo liebe Stargazer-Leser,

hier kommt es, das neue Kapitel. Viel Spaß beim Lesen!



41

Heftiges Geschützfeuer krachte, beantwortet vom heißen Knattern der Multilaser und dem Fauchen der Raketenbatterien.
Schreie und Rufen, die Echos eines längst verblassten Krieges, begehrten auf, verlangten nach Rache für ihr sinnloses Opfer. Kaskadierende Feuerscheine tanzten durch die rabenschwarze Nacht, Abbildungen der verlorenen Seelen, welche nun allmählich schwanden.
Schweißgebadet schlug Galard Ekko die Augen auf, nur um festzustellen, dass ihn die tiefe Finsternis Agos Virgils in ihren tröstenden Schoss empfing.
Hallender Donner grummelte ihm eine verzerrte Begrüßung zu, hieß ihn zurück in den Wahnsinn der Realität willkommen.
Tod und Verderben, Colonel Ekko! Möge der Imperator Ihrer Seele gnädig sein!
Nur langsam klärte sich seine Gedankenwelt, ordnete die Geräusche des Umfeldes ihrem eigentlichen Ursprung zu und trennte die Welt, in der er sich befand, von der Vergangenheit, die ihn – wieder einmal – einzuholen versuchte.
Der Basteter setzte sich auf und versuchte, die Fetzen des soeben erlebten zu einem kompletten Bild zusammenzusetzen.
Es war eine Szene aus seiner Vergangenheit. Ein Denkmal der Schmerzen, an dessen Ablauf er keine vollständige Erinnerung mehr hatte, und dessen Geschehen lediglich in seinem Unterbewusstsein in aller Gänze existierte.
Unvermittelt manifestierte sich ein Blondschopf aus seinen Gedanken. Es war … nein, es war nicht Leitis Sile.
Zwar besaß sie dieselbe geistige Reinheit, der sich die Sororita rühmen konnte, doch da war auch etwas anderes. Etwas, das weit über die Macht einer einfachen Celestia hinausging, und das sich bald dem Wesen einer Heiligen annäherte.
Und doch bin nicht ich es, die du suchst. Weder bin ich die Frage, noch die Antwort. Ich bin lediglich ein Mittel zu verstehen. Nicht mehr als ein Weg, das Begreifen der Richtung. Wie wir uns gefunden haben, wirst auch du finden, wonach du suchst. Indem du den Halt verloren hast, wirst du schließlich siegreich sein.
»Ein Engel! Ich muss tot sein«, flüsterte er.
Zersplitterte Bruchstücke, scharfkantig und von überwältigender Hitze, schnitten durch seine Überlegungen, zertrennten die dünnen Fäden aufkeimender Ideen und drängten sich als neue Verbindungen in den Fokus seines Denkens. Fast so wie bei einem Gehirn, das nach einem großen geistigen Schaden über neue Verbindungen versuchte, verloren gegangenes Wissen neu zu akquirieren.
Ganz allmählich fing sein Kopf an, das gerade Erlebte aufzuarbeiten und zu resümieren.
Bemerkenswert.
Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnte. Für was kämpfte man … oder für wen?
»Ah«, sprach ihn eine starke, weibliche Stimme mit hochgotischem Akzent von der Seite aus an. »Sie sind wach.«
Er sah auf und verzog das Gesicht. »Doktor Calgrow … ich muss noch am Leben sein …«
»Ja«, antwortete sie angewidert. »Leider.«
Er verzichtete auf eine Erwiderung, von seinen eigenen Gedanken viel zu stark eingenommen. Was Calgrow sagte, und unabhängig davon, wie ehrlich sie es meinte (und er wusste, es war ihr todernst): sie hatte Recht! Eine traurige Fügung des Schicksals, dass er noch lebte. Nein
Allmählich erkannte sein Geist, wie kurz er wieder einmal davor gewesen war, einem sinnlosen Tod zum Opfer zu fallen und in das Elysium des Imperators aufgenommen zu werden. Aber nein! Nein! Wäre die Situation nicht so traurig gewesen, er hätte vermutlich darüber gelacht. Und wäre sie nicht gleichzeitig so abartig amüsant gewesen, er hätte am liebsten auf der Stelle losgeheult.
Jetzt allerdings drängten beide Gefühlsrichtungen an die Oberfläche, vermischten sich zu einem Projektil aus Emotionen, das – aus seinem gebrochenen Herzen geschossen – mühelos durch die gläserne Barriere seines labilen Geistes brach.
Der Lachanfall überwältigte ihn, vermischte sich mit Tränen der Verzweiflung. Warum, beim Thron, hatte er sich wieder einmal von der Mörderschwester Leitis Sile retten lassen?
Warum? Warum passierte ihm so etwas? Warum strafte ihn der Imperator mit derart unverschämtem Glück, während seine Männer, seine … Kameraden starben?
»Ich bitte Dich, oh, Imperator, nimm diesen Fluch von mir. Verteile das Glück auf jene, die es mehr verdient haben«, brachte er hervor, gleichermaßen betroffen und entkräftet ob der Tatsache. »Und ich verspreche Dir, ich werde nie wieder versuchen, mich im Todeswunsch in die Schusslinie zu stellen!«
Seine Gedanken reichten hinaus in den Äther, suchten verzweifelt eine Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest, doch statt einer hilfreichen Antwort hörte er lediglich die klare, durchdringende Stimme seiner längst verlorenen Liebe. Ich weiß, dass du lügst!
Und so gab er es auf.
Erneut hatten ihn das Universum und der Gott-Imperator um einen sinnlosen Tod betrogen.
Etwas traf ihn an der Schulter, riss ihn aus seinen Gedanken. Langsam sah er auf.
Doktor Calgrow, noch immer an seiner Seite, musterte ihn aus zwei grünen Augen mit einem Blick, der zwar nicht stechend, aber dennoch sehr interrogativ wirkte. »Sie legen es wirklich darauf an, oder?«, bemerkte sie, auf merkwürdige Weise gleichgültig gegenüber dem Todeswunsch des imperialen Offiziers.
Ekko sah auf und kniff die Augen zusammen. »Haben Sie zufällig etwas gegen Kopfschmerzen?«
Die Regimentsärztin zögerte kurz, bevor sie sich entschied, ihm eine Antwort zu geben. »Sicher. Ich … hole Ihnen kurz ein Aufputschmittel.«
»Sehr freundlich«, brummte der Colonel ihr nach, ohne es wirklich ernst zu meinen.
Erst jetzt, wo er wieder mit sich allein im Bett saß und Zeit hatte, die letzten Stunden zu resümieren, klärten sich Nebelschwaden, die seinen Geist bis dato im Griff gehalten hatten.
Wie von einem elektrischen Schlag getroffen – ebenjenem Schlag, mit dem ein Zündfunke den Maschinengeist eines stilliegenden Motors erweckt – sprang Ekkos Bewusstsein an. Plötzlich fühlte er sich wieder klar und merkwürdigerweise recht ausgeruht.
Die grausige Wahrheit wurde offenbar.
Um ihn herum grassierten Tod und Verzweiflung, schlugen mit dem fauligen Atem des Sterbens nach ihm. Beißender Gestank, ein Gemisch aus Salben, Wundbrand und Desinfektionsmitteln, waberte einer radioaktiven Wolke gleich unsichtbar durch den Raum, ließ die Erinnerung an seine letzte Begegnung mit diesen Gerüchen lebend werden.
Leises Wimmern, nicht mehr zu vergleichen mit dem schmerzerfüllten Schreien der frühen Stunden ihrer Schlacht, lag über dem Gestand wie eine Decke, die ihn einhüllte und auf bestialische Weise daran erinnere, wo er war.
Dies war die Wurzel allen Übels. Die Summe aller Furcht. Der Beginn allen Wahnsinns. Er war wieder hier. Im Lazarett.
Eine neue Welle stechender Kopfschmerzen breitete sich in seinem Schädel aus, wobei sich Ekko nicht ganz sicher war, was er als Grund dafür hätte angeben sollen. Waren es wirklich die unmenschlichen Leiden, die man an diesem Ort empfand? Die physische und psychische Manifestation dessen, was man als den wahren Dienst bezeichnete? Oder mochte es vielmehr an der Tatsache liegen, dass er wieder einmal vom Gott-Imperator und dessen Geliebter, dem Universum, an der Nase herumgeführt worden war wie von einem Gangsterpärchen, das quer durch die Galaxis tourte und man hier, dann mal dort jemanden abmurkste?
Doch egal, wie dem auch war, es gab nur eine Möglichkeit, dem Gangsterpärchen ein Schnippchen zu schlagen. Er musste raus. Wieder an die Front. Der Mittelfinger der an diesem Ort gesammelten Menschheit wartete immerhin darauf, ein weiteres Mal anal in die stinkenden Körper der Xenos eingeführt zu werden.
Aber es gab eine Tatsache, die konnte er nicht leugnen! Eine Wahrheit, die ließ sich nicht ignorieren! Sie waren allein.
»Diese Sache mit dem vorgeschobenen Kommandoposten sollten wir wirklich noch einmal überdenken«, schlug er sich selbst vor, während er sich aus dem Bett schwang und anfing, nach seinen Stiefeln zu tasten. »Einnehmen und sichern, haben sie gesagt. Halten, bis Entsatz kommt, haben sie gesagt.« Er ließ seinen Fuß schwerfällig in den ersten der verdreckten Kampfstiefel fallen. »Nur schade, dass kein Entsatz mehr kommt.« Er setzte sich auf, ließ einen Augenblick verstreichen, dann setzte er an, seinen anderen Fuß in den zweiten Stiefel zu wuchten. »Aber das hast du natürlich gewusst, Galardin Alberic Ekko. Du wusstest, dass die Imperiale Armee verloren war von dem Zeitpunkt an, an dem sie den Angriff auf die Orks begann. Du hast nur nichts gesagt, weil sie erwartet haben, dass du zweifeln würdest.« Eine weitere kurze Pause folgte. »Genauso gut könnte ich in die Kommandozentrale gehen und rufen: ‚Macht die Tore auf und lasst sie rein‘.«
»Halten Sie das für eine gute Idee?«, mischte sich eine neue, von Verletzung und Schwäche gebrochene Stimme in ein.
»Lord-Kommissar Del Mar!«, fuhr Ekko in die Höhe. Auch, wenn er sehr freundlich geklungen hatte – wie er über das plötzliche Auftauchen des Politoffiziers wirklich dachte, daran ließen jedoch weder seine Worte, noch die Art der Formulierung einen Zweifel. »Wie unerfreulich, Sie wieder auf den Beinen zu sehen.«
»Das dachte ich auch, als ich hörte, dass Sie noch immer das Kommando führen«, gab der Politoffizier galant zurück und richtete sich in seinem eigenen Bett, nur einen halben Meter von Ekkos eigener Liege entfernt, auf.
»Ja, die guten Nachrichten wollen einfach nicht abreißen.«
Der Colonel wandte sich um und warf dem Lord-Kommissar einen kurzen Blick zu.
Del Mars hochgeschossener Leib wirkte kraftlos und eingefallen. Fast so, als hätte er eine nächtliche Begegnung mit einem Succubus genossen und diesem eine ganze Menge seiner Lebensenergie geschenkt und die furchenartigen Narben in seinem Gesicht schienen vom Zahn der Zeit gleichermaßen vertieft und verwittert worden zu sein.
Die lange Zeit unbeweglich im überfüllten Lazarett Doktor Calgrows verbracht zu haben, hatte den Lord-Kommissar offensichtlich stark gezeichnet. Nur der Imperator wusste, welche Mittel sie ihm gegeben hatten, um ihn am Leben zu halten, damit er den finalen Kampf kämpfte. Damit er starb, indem er das letzte Magazin seiner Boltpistole gegen den übermächtigen Feind leerte und nicht als vor sich hinsiechende Kreatur auf einem Grillspieß endete.
Doch obwohl sein Körper und seine Stimme den Eindruck erweckten, als würde der Lord-Kommissar nicht mehr lange imperialer Offizier sein, brannte ein nach wie vor ungebändigtes Feuer in seinen Augen. Jenes Feuer, das Ekko bereits vor langer Zeit kennen und zu fürchten gelernt hatte. »Ich habe nicht alles mitbekommen, was Sie mit der Doktorin besprochen haben, aber Ihren letzten Worten nach zu urteilen, halten Sie jede weitere Kampfoperation für undurchführbar.«
»Ich bin der Kommandeur«, antwortete der Colonel, während er damit fortfuhr, seine Stiefel zu binden. »Man erwartet, dass ich mir über die Lage im Klaren bin.«
»Man erwartet in erster Linie, dass Sie den Willen des Imperators durchsetzen«, gab Del Mar zu bedenken.
»Womit? Ich habe nichts mehr.«
»Dann ist es Ihre Pflicht, mit Ihren Männern in den Tod zu gehen.«
»Oh, keine Sorge. Entsprechende Planung laufen bereits. Wir haben zu diesem Zweck sogar eine Delegation der Orks eingeladen. Derzeit warten sie noch vor dem Tor.« Ekko stand auf und geriet ins Schwanken. In seinem Kopf fing die Welt an, sich zu drehen. »Oha«, murmelte er und ließ sich wieder aufs Bett sinken. »Vielleicht können sie ja noch etwas länger warten.«
»Ich frage Sie erneut: Sind Sie sich sicher, dass Sie das tun wollen? Halten Sie das für eine gute Idee?«, wollte der Lord-Kommissar wissen.
»Ich kann Ihnen gerne den Vortritt lassen, wenn Sie so erpicht darauf sind.«
Del Mars Kopf neigte sich. »Nein, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie sich um den ersten Platz bei derartigen Himmelfahrtskommandos reißen würden.« Er meinte es sogar ehrlich.
»Spricht da wirklich der Mann, der als Kommissar von General Iglianus meine Entscheidungsbereitschaft bezweifelt hat?«
»Keine Sorge. Meine Meinung über sie hat sich mit Nichten geändert. Allerdings haben Sie den Gegner offensichtlich recht gut beschäftigt. Irgendetwas müssen Sie ja richtig machen.«
»Pures Glück.«
»Aha? Glück?« De Mar versuchte nun auch, aufzustehen. »Meines Wissens gibt es so etwas wie Glück nicht. Einzig der göttliche Imperator steuert unsere Geschicke.«
»Ja, das mag sein« Ekko zuckte die Achseln. »Dann hatte es wohl einen Grund, dass General Iglianus hochtaktisches Genie sich von einer Meute Orks hat den Arsch aufreißen lassen.«
Del Mar nickte langsam und sank zurück auf seine Liege. Dass er kein Wort sprach, machte jede weitere Bemerkung unnötig. Irgendwie wollte sich einem der Gedanke aufdrängen, dass sein Schweigen das Äquivalent eines Abwinkens darstellen sollte, mit dem er den Colonel gewinnen ließ. Vielleicht war er auch wirklich nur schwach geworden.
Nach einer Weile, in der sich das Lazarett als schrecklicher Hintergrund ihres Gesprächs erneut entfaltete, richtete sich Ekko auf und hob überrascht die Augenbrauen. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mir zustimmen.«
Del Mar quittierte die Bemerkung mit einem müden Lächeln. »Ich denke, dann kann ich Sie zitieren: Für mich kam es auch sehr überraschend.«
Ekko bedachte ihn mit einem langen, stechenden Blick, den Del Mar ruhig erwiderte. Aus der Position, in der er lag, sah es besonders finster aus. Schließlich nickte der Colonel. Ein Grinsen stahl sich in sein Gesicht. »Wenn das hier vorbei ist, Lord Kommissar, sollten wir uns zusammensetzen und ein ernstes Gespräch führen.«
Del Mar ging nicht auf die versteckte Provokation ein. »Oh, ich denke, wir werden eine Ewigkeit Zeit haben, um beste Freunde zu werden.«
Das wiederrum ließ das Lachen auf dem Gesicht des Basteters gefrieren.
»Ich unterbreche ihre Unterhaltung nur sehr ungern, meine Herren«, mischte sich das arrogante Hochgotisch Marith Calgrows in das Gespräch ein. Eigenartigerweise klang sie gar nicht, als würde es sie übermäßig betrüben. »Aber Sie befinden sich beide nicht im Zustand, hochphilosophische Themen zu diskutieren.«
Sie wusste gar nicht, wie dankbar Ekko für ihr Erscheinen war.
»Was soll das?«, baute sich die ehemalige Kommissarin stattdessen vor ihrem Colonel auf.
»Was soll was?«
»Das!« Die Ärztin wies auf seine Stiefel. »Was, beim goldenen Thron, machen Sie da?«
»Ach das«, erwiderte der Basteter, als habe sie ihn bei einer Schandtat ertappt und er versuche nun, diese herunterzuspielen. »Ich binde mir die Schuhe selbst. Ich kann das jetzt schon ganz alleine.«
Die Augen von Ekkos Lieblingsdoktorin verengten sich gefährlich. »Legen Sie es darauf an, mich zu provozieren?«, wollte sie wissen.
Er lächelte ergeben, doch sowohl seine Worte, als auch sein Tonfall entwerteten diese Freundlichkeit vollkommen. »Wollen Sie mal raten?«
Ein kurzer Schatten zog über Marith Calgrows Miene, als die Regimentsärztin eine bösartig aussehende Spritze hob und sie dem Colonel vors Gesicht hielt.
Seine Augen weiteten sich. »Hauen Sie bloß mit Ihrer Piekse ab«, schlug er ihren Arm zur Seite, bevor er aufsprang. »Ich glaube, ich raste aus. Kommt die hier mit so `nem riesigen Stachel an und will mir die Schlagader durchtrennen.«
»Jetzt halten Sie endlich still!«, befahl die ehemalige Kommissarin. »Und wenn Sie brav sind und sich nicht bewegen, dann bleibt Ihre Schlagader auch heil.«
»Ja, Ma’am.« Der Regimentskommandeur versteifte sich.
Ohne ein weiteres Wort presste die Cadianerin die restliche Luft aus dem medizinischen Instrument, bevor sie die lange Nadel mit Kraft in Ekkos Schulter rammte. Der Colonel sog scharf Luft ein.
»Ich fasse es nicht. Als Festungskommandant sind Sie Führer von gut siebentausend Überlebenden, haben mehrere tausend Orks getötet, Ihr eigenes Leben behandeln Sie mit weniger Respekt als ihre Untergeben … haben aber Angst vor einer Spritze. Wie kommt es eigentlich, dass Sie es mit Ihrer Einstellung überhaupt lebend aus dem Mutterleib geschafft haben?«, schniefte die Ärztin, geringfügig entnervt.
»Ich habe einfach so getan, als wäre ich ein stinknormaler Säugling«, erwiderte er, während er sich den Arm rieb. »Das hat wehgetan, wissen Sie das eigentlich?«, erinnerte er die silberhaarige Frau vor sich.
Calgrow blieb unbeeindruckt. »Wäre ich Ihre Mutter gewesen, ich hätte so lange meine Beckenmuskeln angespannt, bis ihr kleiner Schädel noch im Geburtskanal zerquetscht worden wäre.«
Volltreffer. Der Colonel, dessen Mund sich gerade zu einer Erwiderung ironischer Art öffnete, schloss seine Lippen und starrte in die Düsternis, vor der sich Blitze und Explosionen gegen den energetischen Schild der Kathedrale warfen. Er runzelte die Stirn. Wann war der Schirm wieder aktiviert worden? Auf wessen Befehl? Er erinnerte sich wieder. Der Angriff der Orks, die Schießerei, der Tod seiner Männer. Sein Überleben.
Sein … Überleben. Nach einer Weile vollkommener Stille sah Ekko auf. »Versuchen Sie gerade, einen geheimen Fetisch in mir anzusprechen? Denn ich werde Sie definitiv daran erinnern, wenn mir etwas fehlt.«
»Auf keinen Fall!«, stellte die Ärztin eilig und angewidert klar. »Ich habe lediglich eine berechtigte Frage gestellt.«
»Oh, sie hat es sicherlich versucht«, gab er ihr schließlich die Antwort, die sie sicherlich nicht hatte hören wollen, »aber sie hatte keinen Erfolg. Mein Bart war zu hart.«
Das wiederrum stürzte die Gedankenwelt der Ärztin ins Chaos. Zwar bemühte sie sich, eine ebenso schlagkräftige wie intelligente Bemerkung in Richtung Regimentskommandeur zu schleudern, damit diesem der erneut auffrischende Wind aus den Segeln genommen wurde. Aber bereits nach dem dritten geistigen Querschläger ging ihr auf, dass, egal, was sie jetzt sagte, er auf jeden Fall die Initiative zurückerlangen würde. Also gab sie es auf und entschied, die in diesem Moment logischste Reaktion auf die Bemerkung folgen zu lassen. Ihr Gesicht verzog sich skeptisch. »Ihr Bart?«
»Richtig«, wusste der Colonel zu bestätigen. »Denn Härte definiert sich durch Bärte.«
Die skeptische Miene in Calgrows gereiftem Gesicht vertiefte sich. »Ich nehme an, aus diesem Grund hat man ihnen das Gestrüpp auch abgesäbelt.«
»Pfff«, machte der Colonel und strich sich über seinen inzwischen bereits in etwas Wucherndes übergehenden Dreitagebart.
Calgrow ließ sich an seiner Seite nieder und senkte ihre Stimme. »Aber was mich mehr interessiert«, schnitt sie ein neues Thema an, »was haben Sie jetzt vor, Colonel?«
»Mich rasieren.«
»Colonel!« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
»Sie rasieren?«, versuchte er es erneut.
Im Nebenbett erklang verhaltenes Husten.
Calgrow schoss einen tödlichen Blick in die Richtung, aus der das Geräusch erklungen war, bevor sie sich wieder dem Basteter zuwandte. »Colonel«, sprach sie gefährlich leise, »ich meine es todernst.«
»Ja, ich auch.«
»Ich habe noch ein anderes Mittel in meinem Medikamentenschrank. Es heißt Zyankali.«
»Okay«, musste der Colonel zugeben, »Ihr Argument ist stärker als meines. Fahren Sie fort.«
»Selbst wenn die Orks weiter durch den Untergrund angreifen«, dachte Cagrow nach, ohne auf seine erneute Bemerkung einzugehen, »werden sie es kaum schaffen, sich bis in den dritten Ring durchzuarbeiten.« Sie sah zu Ekko. »Die Untertunnelung verläuft bis zur zweiten Innenmauer und umschließt diese, aber ohne sie zu unterminieren.«
»Offensichtlich hielten die Kleriker nichts davon, ihr Gemäuer mit einem Gewölbe zu versehen.«
»Das kann ich nicht sagen. Aber Fakt ist nun einmal: Es gibt keinen direkten Zugang aus dem zentralen Ring in das Kanalisationssystem.«
»Ich bin überrascht«, erwiderte der Regimentskommandeur. »Wie viel Sie doch wissen.«
»Sie könnten sich durch den Untergrund graben«, gab die Cadianerin zu bedenken. »Im äußeren Ring hat es auch geklappt.«
»Keine Sorge«, erwiderte Ekko grimmig. »Ich habe nicht vor, ihnen diese Chance in den Hals zu stopfen.«
»Aber wie?«
Der Colonel versenkte nachdenklich die Hände in den Manteltaschen. »Darüber muss ich eine Weile lang nachdenken.«
Entnervt schüttelte die Regimentsärztin den Kopf. »Wie haben Sie mit dieser Einstellung nur ihre Kindheit überlebt?«
»Das fragen sich viele«, gab er zurück und zuckte die Achseln. »Niemand weiß, was mich am Leben gehalten hat.« Ekko lehnte sich ein wenig zurück. Das Leiden und Sterben, das ihm Lazarett grassierte, war mit einem Mal sehr weit weg. Stattdessen brachen alte Wunden auf. Erinnerungen, vom Druck endloser Schmerzen an die Oberfläche getrieben wie flüssiges Erdgestein.
Erinnerungen an seine Verluste. Nicht nur die Verluste einer militärischen Laufbahn. Auch jene Niederlagen, die er in seinem restlichen Leben erlitten hatte, seien sie nun physischer oder psychischer Natur. Geschehnisse, die ihn in seiner Entschlossenheit hatten schwanken lassen. Dinge, die ihm den Halt genommen hatten …
Er stockte. Natürlich. Was nahm einem den Halt? Das war die Lösung! Möglicherweise nicht die Chance auf den endgültigen Sieg, aber dennoch eine Möglichkeit, die Orks um einen großen Teil ihrer Kampfkraft zu bringen.
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass ihm soeben eine Frage beantwortet worden war, mit der sich sein Geist bereits seit längerem auseinandersetzte.
Im Grunde hatte ihn Xaja Leren darauf gebracht. Xaja Leren und das kleine Häufchen Elend, das sie in dieser Nacht in ihrem Arm getragen hatte.
Wieder einmal war er einer Sororita zu Dank verpflichtet.
»Das ist es«, brachte er hervor. »Ich hab’s.«
»Carrick!«, rief er, während er aufsprang und losstürmte. »Ich hab’s!«
»Colonel!«, erklangen die entrüsteten Worte Doktor Calgrows Worte hinter ihm. »Sie können doch nicht einfach während der Untersuchung weglaufen!«
»Doch«, bemerkte er vollkommen richtig, bevor er durch die breiten Flügeltüren aus dem Lazarett verschwand. »Ich kann.«


***

Grelles Licht platzte durch die wenigen offenen Spalten in den hölzernen Barrikaden, mit denen sich die Kommandozentrale des 512. Regiments Sera gegen die außerhalb des Kathedralenturms tobende Schlacht abschirmte. Ein starkes Leuchten, gleich einer Glühbirne, die im Bruchteil einer Sekunde durchbrannte.
Nur Sekunden später rollte der heftige Donner einer schweren Explosion durch das Beinhaus, vermischte sich mit dem heulenden Klagen einer die Turmflanke emporsteigenden Walküre.
»Sir«, meldete einer der anwesenden Regimentsfunker, »Beobachter melden: Schild hält nach wie vor.« Anders als die beim Kampf um Ekkos vorgeschobenen Beobachtungsposten getöteten Soldaten waren sie in der Hauptkommandozentrale gewesen und daher noch am Leben. Ein Vorteil, wenn Funksoldaten aus den Einheiten abzuziehen, das wäre Major Carrick bei weitem nicht in den Sinn gekommen.
Ein solches Vorgehen wäre man von Colonel Ekko gewöhnt, der sich mit einem ‚suchen Sie sich gefälligst einen eigenen! Das ist jetzt meiner!‘ Operateure für sein Equipment zusammenshanghait hätte. Aber Major Carrick war viel zu pragmatisch und taktikorientiert. Was half es ihm, wenn die Kommandozentrale besetzt war, aber niemand existierte, der die Befehle entgegennehmen konnte?
In dem Fall hätte er sich eine andere Lösung einfallen lassen müssen.
Und dabei konnte man es als Glück und Fluch zugleich bezeichnen, dass Colonel Ekko ausgefallen war, niedergestreckt von was auch immer während des Überraschungsangriffs einer kleinen Truppe von Orks.
Glück, da die Entscheidungsbereitschaft des Colonels die taktische Flexibilität seiner Truppen zu jedem Zeitpunkt der Schlacht um mindestens zwanzig Prozent reduziert hatte, wenn nicht sogar mehr. Sein Wunsch, die Ressourcen seiner Einheit zu schonen, war für Carrick stets schwer zu verstehen gewesen, auch wenn er den Gedanken dahinter begriff und ihn in gewisser Weise sogar akzeptiert hatte.
Aber den Punkt, an dem die Rückhaltung der eigenen Einheiten und das Schonen der Ressourcen dem Regiment mehr Schaden verursachte denn taktischen Nutzen, war längst überschritten.
Ob Ekko sich dessen wirklich bewusst war und die Tatsache ignorierte oder wirklich in einer naiven militärischen Mär einer ewigen Armeegruppe schwelgte, ließ sich nicht sagen.
Im Grunde war es auch nicht wichtig. Fürs Erste war der Colonel aus dem Weg, was Carrick die Möglichkeit gab, zu tun, was getan werden musste.
Und doch gab es eine Sache, die schwer wog und welche das Glück von Colonel Ekkos Ausfall so gut wie wettmachte. Der Fluch.
Die Erkenntnis, dass Ekko eine Fähigkeit besaß, die Major Carrick nicht teilte, die ihm aber einen deutlichen Vorteil in der Schlacht geboten hätte: Er hatte alles im Blick.
Carrick war nicht so dumm zu glauben, dass Ekko aufgrund seines bald am Wahnsinn nagenden Geistes eine unzurechnungsfähige Person war. Nein. Ganz und gar nicht. Er war sicherlich die bei weitem intelligenteste Darstellung eines imperialen Offiziers, die der Major kannte. Er schien grundsätzlich über alles informiert zu sein, das in seinem Kommandobereich geschah und wusste zumeist auch, wie er darauf reagieren musste – und vor allem, wann.
Aber das Wichtigste dabei war: Seine Pläne funktionierten. Ob es nun wirklich am Wahnsinn lag, der Ekkos Geist von Zeit zu Zeit zu umnebeln schien oder der Imperator seine schützende Hand über den Basteter hielt, hätte er nicht sagen können. Doch Tatsache war nun mal: Colonel Ekko besaß ein beneidenswertes Händchen dafür, Situation so zu regeln, wie er sie haben wollte. Das hätte in seiner derzeitigen Situation sehr nützlich sein können.
Eine weitere Explosion erschütterte die Himmelskathedrale, eilte dem heulenden Singen weiterer Vector-Turbojets voraus.
Nur Sekunden später mischte sich ein neues, rasch lauter werdendes Geräusch. Schwere Schritte, schlurfend und polternd zugleich, riefen ihre dumpfe Warnung in die kühle Abendluft hinaus, forderten die Offiziere in der Kommandozentrale dazu auf, ihre Waffen schussbereit zu machen. Sie wurden ignoriert.
Und dann stand der Krieg plötzlich bei ihnen im Raum – in Form eines vor Dreck starrenden, vom Kampf der letzten Tage gezeichneten imperialen Offiziers, der nicht mehr wollte als einen Verrat gerächt zu sehen: Captain Balgor.
»Wer ist für den Befehl verantwortlich?«, schrie der Captain, als er durch den verhängten Eingang zu Kommandozentrale brach.
Urplötzlich wurde es still.
Alles fuhr herum.
Carrick richtete sich auf. »Wie bitte?«, fragte er mit ruhiger, aber dennoch bedrohlich ernster Stimme.
Der Captain bemerkte die offen versteckte Warnung nicht – oder, zumindest ging er nicht darauf ein. »Ich will wissen«, wiederholte er stattdessen, die linke Hand als begleitende Geste an seinem Kopf hin- und her bewegend, »wer für den thronverdammten Befehl verantwortlich ist, die Tore im Rücken der Front zu schließen!«
Carrick schürzte die Lippen, bereit, mit einem Schnippen seiner Finger einen bewaffneten Wachtposten herbeizurufen und Captain Balgor verhaften zu lassen.
Doch er kam nicht dazu, denn die Frage wurde unerwarteter Weise beantwortet.
»Ich«, meldete sich eine andere Stimme.
Wieder hielt die Kommandozentrale die Luft an, wohl wissen, dass sie bisher noch nicht einmal ausgeatmet hatte.
»Colonel?«, brachten Balgor und Carrick, gleichermaßen verblüfft, hervor.
Ekko stand im Eingang zur Kommandozentrale, beide Arme gegen den kalten Stein gepresst und mit einer Hand den Vorhang von sich fernhaltend, so als würde er den im Raum Befindlichen klar machen wollen, dass es kein Entrinnen aus ihrer Lage gab.
Die künstliche, von militärischen Strahlern erzeugte Beleuchtung des Kommandozentrums malte scharfe Schatten in sein Gesicht, ließ sein gezeichnetes Antlitz bösartig und düster erscheinen. Undefinierbare Augen funkelten kalt aus ihren Höhlen.
Er wirkte wie ein Toter, auferstanden und zurückgekehrt, um die Nachricht Hiobs zu überbringen. Jene Botschaft, mit der das letzte Fünkchen Hoffnung erlosch, das die Flamme des Widerstands noch hätte entzünden können. »Haben Sie ein Problem damit, Balgor?«
Fassungslos deutete der Captain auf die Wand des Beinhauses, hinter der es über einen Kilometer tief nichts weiter als kalte Nachtluft wartete. »Aber Colonel, wir hatten noch mehr als ein Drittel unserer Leute da draußen.«
In Ekkos Augen flackerte es kurz. Offensichtlich begriff er gerade, für was er die Verantwortung übernommen hatte. Dennoch sah er seinem Untergebenen unentwegt in die Augen. Als er nach einer Weile wieder die Stimme erhob, schien sie eine ganze Spur rauer geworden zu sein. Und kälter. »Ich weiß. Und ich nehme an, wir werden sie bald wiedersehen.«
Dann marschierte er unter den Blicken seiner Männer in die Kommandozentrale, ließ den Stoffvorhang hinter sich zugleiten, als schließe er damit das Thema, bevor er an den nun deaktivierten Plottisch trat. Dort hatte Carrick Kartenmaterial der Himmelskathedrale auslegen lassen. Der Maschinengeist des Holo-Kubus, zuvor ihr Garant für ein aktuelles Lagebild, hatte den Weg aus dem umkämpften Kommandovorposten zurück in die Walküre und auf das Dach der Himmelskathedrale nicht überlebt.
An seiner statt wartete nun ein zweidimensionales Abbild der bekannten Bereiche des Riesenbauwerks und seiner Umgebung auf mehreren Lagen Karten, getrennt nach Lage, Höhe und Himmelsrichtung des jeweiligen Sektors.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, lehnte sich der imperiale Offizier über die Skizzen und Detailzeichnungen, blätterte die Darstellungen durch und versuchte, sich durch das Chaos zu wühlen, dem er nun gegenüberstand.
Fast so, als hätte es die Aussprache nie gegeben.
Balgor indes schien noch längst nicht bereit zu sein, das Thema fallen zu lassen. »Wie können Sie diese Tatsache so ungerührt hinnehmen?«, kritisierte er das Verhalten des Colonels offen.
Ekko richtete sich urplötzlich auf. Zwar war sein Gesicht nicht zu erkennen, doch der Art, wie er sprach, ließ sich entnehmen, dass seine Geduld dem Ende entgegenreichte. »Ich habe da mein eigenes Rezept. Wenn Sie es wünschen, kann ich es gerne mit Ihnen besprechen, wenn wir eine ruhige Minute haben.«
Der andere Basteter trat einen Schritt vor. »Wieso machen Sie Witze darüber?«
»Captain!«, bellte Carrick, der sich umgehend wieder in seine Rolle als Ekkos Rückendeckung einfand. »Nehmen Sie sich zusammen!«
Balgor achtete nicht auf ihn. »Warum, Ekko? Warum haben Sie das getan?«
»In erster Linie, weil ich es kann«, erwiderte der Regimentskommandeur ruhig.
»Aber das waren Ihre Leute!«
»Captain!«
»Was soll ich machen? Weinen?«, fuhr der Colonel unerwartet herum. Sein Geduldsfaden war schlussendlich doch gerissen. Woran es lag, ließ sich im Nachhinein nicht mehr feststellen, aber der Grund war höchstwahrscheinlich nicht das äußerst bastetische Verhalten Captain Balgors. »Hätte ich warten sollen, bis plötzlich die Front zusammenbricht?«
Der dunkelhaarige Captain blieb sprachlos.
»Wissen Sie eigentlich, was in Ihrem Rücken los war, Balgor?«, brachte Ekko in einer Mischung aus Brüllen und Zischen hervor. »Haben Sie mitbekommen, dass die Orks plötzlich in meiner Kommandozentrale standen? Es machte ‚Drrrrit‘ und mein Stab war weg!«, lautmalte er die Geschehnisse, zeichnete den Weg der orkischen Sturmwaffen nach, die seine Funker über deren Geräte verteilt hatten. »Und selbst wir…«, er wies abwechselnd auf Carrick und sich, »wären drauf gegangen, hätte uns nicht diese wilde Walküre aus der Feuerlinie geholt.«
Sein langjähriger Freund starrte ihn entgeistert an. Da war kein Schalk mehr in Ekkos Stimme. Kein abartiger Humor, mit dem er sich normalerweise durch derart entnervende Diskussionen bugsierte. Lediglich aufschäumende Wut und eine Spur von Erschöpfung waren zu vernehmen, als der Colonel fortfuhr: »Wissen Sie, was geschehen wäre, wenn die Orks uns ausgeschaltet hätten? Hätten Sie einen Zwei-Fronten-Kampf überlebt, Balgor?«
»Ich…«, begann der Captain, um dann zu der Einsicht zu gelangen, dass seine weitere Diskussion sinnlos war. »Ich glaube nicht, Sir.«
»Gut.« Ekko strich sich über die Stirn. »Also kann ich mich nach wie vor auf Sie verlassen?«
»Was soll ich tun?«
»Die Orks werden bald kommen. Bereiten Sie sich darauf vor.«
Der Captain sah ihn an. In seinen Augen stand eine tiefe Verachtung, ein Unverständnis, das wie ein Keil zwischen sie glitt. Die Unmöglichkeit, die das tiefe Vertrauen zwischen ihnen zerbrach wie Porzellan, das man fallen ließ. Sein Mund formte die lautlosen Worte: »Es ist aus.« Dann ging er. Ob er damit ihre Freundschaft meinte oder die Schlacht um die Himmelskathedrale, ließ er offen.
Ekko war sehr froh, dass der Captain die Worte nicht laut ausgesprochen hatte.
Carrick wartete, bis der rangniedere Offizier den Raum schnaubend und fast schon trampelnd verlassen hatte, bevor er an die Seite seines Kommandeurs trat.
Sein angenehm gut aussehendes Gesicht beugte sich gerade vor, als Ekkos Hand bereits in die Höhe schoss. »Sparen Sie sich das. Ich will es nicht hören.«
Der Major zögerte kurz, entschied sich dann allerdings, dennoch das Wort zu ergreifen. »Schön, dass Sie noch leben, Sir«, merkte er mit deutlich ruhiger, wohlklingender Stimme an.
Ekko ging nicht darauf ein. »Stimmt es, was er gesagt hat?«
Der Major bedachte ihn mit einem stummen Blick. Es bedurfte keiner Worte, um seine Ansicht der Dinge darzulegen.
Der dunkelhaarige Basteter forderte sie trotzdem. »Ich erwarte eine Antwort.«
»Ja, Sir«, gab sein blonder Stellvertreter schließlich auf. »Es ist richtig. Ich habe die Tore schließen lassen.«
»Das hätten Sie nicht tun dürfen, Carrick.« Verbitterung tränkte Ekkos Worte. Verbitterung über ein Geschehnis, das seiner Entscheidung bedurft hätte, und dem er nun machtlos gegenüber stand.
»Es war notwendig, Sir.«
»Notwendig?« Der Colonel fuhr herum. Er deutete in Richtung Eingang. »Was hat er gesagt? Gut ein Drittel der Leute waren noch draußen? Wie viele sind wir jetzt noch? Tausendfünfhundert? Eintausend? Beim Thron, Carrick! Es waren bald fünfhundert Soldaten. Sie haben diese Männer willentlich geopfert?«
»Ich habe ihnen befohlen, sich einzugraben und auszuhalten, bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, sie trotz des gegnerischen Drucks in die Feste zu schleusen.«
»Sie haben sie angelogen?« Die Entrüstung des Colonels vertiefte sich. »Das wird ja immer besser!« Er atmete tief ein, versuchte seine aufkeimende Wut niederzuringen und die Spannung mit einem treffenden Kommentar zu entladen. Doch leider wollte ihm kein Spruch einfallen, der nicht auf eine Überspannung und ein Durchgehen seiner Sicherungen hingeleitet hätte »Diese Entscheidung hätte meine sein sollen.«
»Sir, Sie waren bewusstlos«, erinnerte ihn der hochgewachsene Basteter.
»Dann hätten Sie kommen und mich wecken sollen.«
»Was, Sir?«
»Ja. Sie sind doch sonst unübertroffen darin, mir auf die Nerven zu gehen.« Ekko atmete tief ein. »Aber keine Sorge. Darüber sprechen wir noch. Im Augenblick sollten wir uns darauf konzentrieren, unser Überleben zu sichern. Und da habe ich bereits eine gute Idee. Wollen Sie sie hören?« Ein finsteres Lächeln kroch über sein Gesicht, erfror jedoch fast im selben Moment und fiel zu Boden, als dem Colonel wieder bewusst wurde, dass er gerade den Verlust eines erheblichen Teils seiner Schlagkraft zu verkraften hatte.
»Sehr ungern, Sir«, erwiderte der Major, bereits in Erwartung des Kommenden.
Das Lächeln erkämpfte sich seinen Weg zurück auf Ekkos Gesicht.
 
Ecko ist einfach spitze! Ich liebe deinen Schreibstil.
Jetzt allerdings drängten beide Gefühlsrichtungen an die Oberfläche, vermischten sich zu einem Projektil aus Emotionen, das – aus seinem gebrochenen Herzen geschossen – mühelos durch die gläserne Barriere seines labilen Geistes brach.
Solche Gleichnisse, oder Umschreibungen muss man erstmal schreiben können. Gaaaaaaaaaaaanz großes Kino!
 
Ich finde ja " Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest " fast noch besser 🙂 Fehlt nur noch ein heldenhafter Soldat Nr. 42 oder eine 42 auf einer Nuke 😀
Geplänkel zwischen Ärzten / Kommissaren / Offizieren scheinen allgegenwärtig zu sein und tragen zur allgemeinen Erheiterung bei.
Warum kann ich mir Ekko eigentlich manchmal hervorragend in lila Anzug mit grün gefärbten Haaren und schwarz-weißem Make-up vorstellen?
 
Mahlzeit Sister,

Ich habe mich in der letzten Woche wieder einmal durch deine Geschichte gelesen.

Es erfreut mich sehr das du auch den zweiten Witz mit dem Wagenrennen eingebaut hast 🙂

Wie schon oft gesagt gefällt die geschichte einfach. Die story ist spannent, die charaktere ob der colonel selbst, der ruhm geblendete retexer oder wie stoische schwester.

Die letzten Teile waren fesselnt und die Situation für das basteter Regiment gleicht einem Hochofen..noch haben sie zwölf asse im ärmel wobei ich nicht denke das die zum Einsatz kommen.

Ich hoffe du findest wieder etwas Zeit um uns, die hier begierig warten, ein neues Kapitel geben zu können

MFG

Duniash