40k Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)

Ja ja ja und verdammt ja es gibt einen neuen teil 🙂

also 1) freue ich mich wie ein kleines kind und 2) guter teil vl sogar qualitativ ganz leicht gesteigert, die beschreibung von Retexers wahnwitz finde ich einfach unheimlich gut gelungen.

Nunja sie reiten nicht gerade auf den orks nach hause aber auch eine schöne idee ihnen so ein bein zu stellen 🙂
 
Also gestern habe ich 3 Kreuze in den Kalender gemacht. Erst seh ich das Schwinden Band V und DANN auch noch ein neues Stargazer Kapitel. Ich hatte den ganzen Tag einen St.... öhm ach egal 😛.

Wieder super geschrieben und endlich fliegt das Mistding von Tor mal in die Luft, auch wenn Balgor das wohl nicht ganz so erfreut (warum auch immer). Ich hoffe inbrünstig du bringst dieses Projekt zu Ende. Aber theoretisch wirst du es zu Ende bringen, da ich jeden Tag, in meinem Abendgebet, den Imperator darum bitte. 😀

liebe Grüße Andy
 
Salvete,

ich hoffe, ihr hattet ein frohes Weihnachtsfest!

Danke für die Rückmeldungen. Es freut mich immer, wenn der Text gefällt - und beim Thron, es hat ja auch lange genug gedauert, bis ein ordentliches Kapitel bei der ganzen Sache herausgekommen ist.

@Andy: Keine Sorge. Ich habe genügend Pläne für Ekko und seine Leute, dass ich tatsächlich irgendwann fertig werde ... hoffentlich. Warten wir mal zwei weitere Jahre ...


Mavet Ma'Shamaim - DaSista
 
Salvete, liebe Leser,


Es hat wieder einmal ein wenig länger gedauert, bis etwas fertig geworden ist, dafür kommt das neue Kapitel jetzt mit 15 Seiten. Have fun!

Wie immer Dank an Nakago, der den Fluffy korrigiert hat – dieses Mal vermutlich mehr Arbeit für ihn als sonst ;-D

Mavet Me’shamaim!

Da Sista

33

Die Regimentsuhren deuten bereits an, dass es auf den Abend zuging, obwohl die Sonne nach wie vor hoch am Zenit stand.
Noch immer tobte die Schlacht um die Himmelskathedrale mit unerbittlicher Härte, ein wilder Gewittersturm vor der Kulisse einer in Flammen, Rauch und Staub gehüllten Toranlage.
Inzwischen hatten es die imperialen Truppen irgendwie fertiggebracht, die grüne Flut hinter die Außenmauern der Kathedrale zurückzudrängen und den Haupteingang zu sprengen.
Ununterbrochen röhrten die Motoren der Chimären durch die rapide kälter werdende Luft, während die Schützenpanzer mit ihren Räumschaufeln Sand und Erde herbeischafften, um die provisorische Sperre während des Gefechts weiter zu verstärken.
Zwischenzeitlich hatte auch der Beschuss der Ork-Artillerie wieder eingesetzt, ein beständiges Dröhnen und Donnern jenseits der dämpfenden Mauern des Beinhauses.
Captain Balgor klopfte seine von Dreck und Blut verkrustete Uniform ab, als er durch den zur Seite gleitenden Vorhang in die improvisierte Kommandozentrale der imperialen Truppen trat. Staub löste sich von seinem Drillich, rieselte als feiner Regen zu Boden.
Wie beiläufig ließ der Basteter seinen Blick durch den Raum schweifen, in dem sich bereits ein halbes Dutzend Offiziere versammelt hatten – einige von ihnen im selben desolaten Zustand wie er.
Ekko stand mit Major Carrick am Rand des Holotisches, auf dem die Abbildung der mächtigen Himmelskathedrale flimmerte und sich bei jedem schwereren Treffer für einen Augenblick verzerrte.
Eigentlich wollte Balgor an seinen Freund herantreten, um sein verspätet Eintreffen zu entschuldigen, doch der Vorgesetzte entdeckte ihn, bevor er seine Meldung machen konnte.
»Ich habe gehört, Sie feiern da eine Party zu meinem Geburtstag?« Entrüstet schüttelte der Colonel den Kopf. »Sie feiern meinen Geburtstag – und ich bin nicht einmal eingeladen?!«
Von der unerwarteten Begrüßung überrumpelt, konnte Balgor lediglich die Schultern zucken. »Es war eine Überraschungsfeier«, erklärte er nach eine kurzen Zeit der Ratlosigkeit. »Ich war selbst total überrascht.«
Darüber musste der Colonel erst einmal nachdenken. Schließlich neigte er zustimmend den Kopf. »Ja, gut. Den Punkt gestehe ich Ihnen zu.«
»Danke, Chef«, erwiderte der rangniedere Basteter erfreut.
Gütig winkte Ekko ab. »Kein Ursache. Aber wo wir schon bei Ursache sind«, fügte er nach einer Kunstpause an, »bitte sagen Sie mir, dass mein Trommelfell für eine gute Sache geplatzt ist.«
»Ich weiß, was Sie meinen.« Balgor verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln. »Um Captain Retexer zu zitieren: ‚Wir haben es geschafft‘. Aber ob das wirklich so gut war, müssten Sie entscheiden.«
»Sie haben das Tor zurückerobert?«, warf Major Carrick ein, dessen Ohren sich seit dem Vorfall mit Sergeant Krood in ständiger Abhörbereitschaft befanden.
»Nein. Wir haben es eher zerstört«, präzisierte der Captain und kratzte sich verlegen am Kopf. »Es ist eingestürzt.«
Die Miene des Majors entgleiste mit der Geschwindigkeit eines Schnellzuges auf einer defekten Schienenweiche. Das wohl Schlimmste, was in einer Situation wie der ihren geschehen konnte, war eingetreten: Ihre wohl einzige Rückzugsmöglichkeit war (im wahrsten Sinne des Wortes) zusammengebrochen. Damit ging jede Hoffnung dahin, den Ausbruch aus der belagerten Feste der Kathedralenstadt wagen zu können.
»Das ist ein Scherz«, brachte der imperiale Offizier fassungslos hervor.
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht.«
»Ja, in der Tat eine etwas ärgerliche Information.« Im Gegensatz zu Carrick, dessen Gesichtsfarbe mit deutlich steigender Geschwindigkeit in den alarmroten Bereich wechselte, nahm Ekko die Lage mit der objektiven Betrachtungsweise eines Taktikers auf, der eine solche Entwicklung erwartet hatte und nun eine neue Lösung für das entstandene Problem suchte. »Aber gut, da kann man vermutlich nichts machen.« Ein Schulterzucken folgte. »Egal. Könnte sich sogar als hilfreich erweisen.«
»Hilfreich?«, murmelte Carrick, entrüstet vom Desinteresse seines Vorgesetzten.
Ekko nickte. »Ja. So kann wenigstens keiner weglaufen.«
Carrick und Balgor wechselten einen flüchtigen Blick, nicht sicher, was sie von der Bemerkung ihres Kommandeurs halten sollten.
Dieser maß derweil seinen Blick mit der Leere des Fußbodens, welche ihm einige neue Gedanken in den Kopf flüsterte. Er runzelte die Stirn und sah auf. »Sagen Sie, Balgor, wer führt jetzt eigentlich Ihre Truppen?«
Der plötzliche Themenwechsel, eigentlich typisch für den Basteter, lockte seinen Untergebenen erneut aus der Reserve. Balgor verzog missmutig das Gesicht, als er daran erinnert wurde, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gegeben hatte, als seine Soldaten der Person zu unterstellen, der er in diesem Regiment wohl am wenigsten vertraute. »Retexer«, gab er kurz angebunden zurück.
»Sie haben Retexer das Kommando über Ihre Truppen übergeben?« Ekko schürzte anerkennend die Lippen. »Mutig. Selbst, wenn es nur temporär ist.«
»Punkt für Sie, Chef«, musste der Captain, wenn auch deutlich widerwillig, eingestehen.
»Notiert«, schloss der Kommandeur des 512. das kleine Geplänkel ab und wandte sich an die Allgemeinheit der Versammelten. »Also gut. Wir haben wenig Zeit, daher lassen Sie uns anfangen.«
Konzentrierte Stille stimmte ihm zu. Die Anwesenden blickten zur hololithischen Anzeige, die das Gebiet der Himmelskathedrale im satten Blau der verbündeten Truppen zeigte, während die rote Flut der Angreifer gegen ihre Mauern brandete.
Ekko trat an den Plot und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Gute Arbeit«, gratulierte er, ohne sich in langen Einleitungen über die taktische Situation zu verlieren. »Ich bin beeindruckt, dass es Ihnen so erfolgreich gelungen ist, die Grünhäute wieder aus der Stadt zu jagen. Meinen Hut haben Sie!«, er klopfte auf die Schirmmütze, die auf dem Plottisch drapiert lag. »Aber das bedeutet nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen können.« Ganz beiläufig versenkte er die Hände in den Taschen seines Drillichs. »Der Feind ist noch immer zahlreich, und sicherlich wird er sich bald neue Gemeinheiten einfallen lassen, um den Wall unserer Verteidigung zu durchbrechen und in das Innere dieser heiligen Stätte vorzudringen.«
Er wies auf die hololithische Anzeige, als wäre sie ein Gemälde, über dessen Entstehung er gerade referierte.
Synchron zu seiner Bewegung fror das Bild ein, verlosch für eine oder zwei Sekunden, dann spulte es mit hoher Geschwindigkeit zurück. Das um die Außenmauer wogende Meer roter Photonen brach durch die Außenmauer, vermischte sich mit den dort wartenden blauen Photonen, trieb sie gemächlich vor sich her, erstellte leere Quadrate, entschied sich dann anders, zog sich wieder zurück und löschte die Quadrate, bis die Ausgangslage der Schlacht wiederhergestellt war. Es hätte nur gefehlt, dass jemand Staub von der holografischen Mauer fegte.
Das Bild fror erneut ein, flackerte und startete dann mit leicht erhöhter Geschwindigkeit die während der Schlacht erstellte taktische Aufnahme.
Ekko drehte sich wieder zu den Anwesenden. »Gut fünfzehn Minuten, nachdem die Orks durch den äußeren Ring der Kathedrale gebrochen waren, schafften sie es, eine Lücke in der Verteidigung zwischen den Trupps des zweiten und des zwölften Zugs aufzutun.« Er deutete auf die hoch über dem Projektor flimmernde Darstellung der Himmelskathedrale, durch deren Außenmauer die blutrote Flut des Xeno-Abschaums schwappte. »Noch während die direkt am Feind befindlichen Einheiten versuchten, die über sie hinwegrollenden Wellen von Gegnern zu stoppen, drängten mehr und mehr Xenos in den schnell wachsenden Durchbruch.«
Schnell füllte sich das Bild mit leeren Quadraten, die Überbleibsel dessen, was einst imperiale Infanterietrupps gewesen waren.
»Etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde in die Schlacht hinein begannen die ersten unserer Einheiten die taktische Rückverlegung in den zweiten Verteidigungsring. Ich möchte an diesem Punkt Captain Balgor und Captain Rosol danken, die in ihrer Geistesgegenwart so einen vollkommenen Zusammenbruch der Frontlinie verhindert haben.«
Er nickte den beiden Offizieren kurz zu, bevor seine Aufmerksamkeit zu der Holografie zurückglitt.
»Zu den Verlusten kommen wir später. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Rückzugslinie soweit etabliert war, dass wir einen Gegenangriff starten konnten. Ebenfalls war hier Captain Balgor federführend.«
Ein feiner Stachel bildete sich aus der Front der Imperialen, stach tief in das von Licht erzeugte Fleisch des Feindes.
»Die nächsten vier Stunden waren unsere Truppen damit beschäftigt, das vom Feind eroberte Gebiet zurückzunehmen und zu befestigen, bis es uns gelang, den Feind aus der Außenmauer zu treiben und diese für ihn zu schließen. Den Knall dürften Sie alle gehört haben.«
Ungehaltenes Murren stimmte zu. Es gab wohl niemanden, der nicht durch die mächtige Explosion des Haupttores erschüttert worden war.
»Dafür zeichnete Captain Retexer verantwortlich.« Ekko verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Ich überlege noch, ob ich ihm dafür wirklich dankbar sein sollte. Durch diese – nennen wir es einfach einmal ‚Operation‘ – wurde das Haupttor der Außenmauer gesprengt und versperrt. Somit sind uns alle Möglichkeiten, diese Kathedrale in einem Ausfall zu verlassen, genommen worden.«
»Würde es denn einen Unterschied machen, ob wir hier kämpfend zugrunde gehen oder bei dem Versuch eines Ausbruchs aus dem Kessel massakriert werden?«, wandte Captain Tand fragend ein.
»Macht es einen Unterschied, ob ich Ihnen ins Gesicht schieße oder in den Rücken?«, gab Ekko rhetorisch zurück.
Der rangniedere Offizier schloss mit vernehmlichem Klicken den Mund.
»Ein Ausbruch wäre uns sowieso nicht gelungen«, fügte Captain Dees an. Der Kommandant des dreiundzwanzigsten Zugs kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Aber was mich viel eher interessiert, Sir, weshalb haben wir nicht – wie geplant – die Generatorgebäude gesprengt und sind in den zweiten Ring ausgewichen?«
»Da müssen Sie dem Munitorium danken.« Ekko neigte seinen Kopf in Richtung der Munitoriumsangestellten, die am Rande ihrer Runde standen, sich aber urplötzlich im Zentrum des Interesses wiederfanden. »Aufgrund der Tatsache, dass weder die Raketenbatterien zur Feuerunterstützung, noch die Generatorgebäude zur Sprengung vorbereitet waren, stand ein Rückzug nicht zur Debatte.«
Das leuchtete ein. Jeder von ihnen hatte in den vorherigen Besprechungen erkannt, wie wichtig die Feuerunterstützung und die Neutralisierung der Schildgeneratoren waren, um einen gedeckten Rückzug in den zweiten Ring der Kathedrale zu ermöglichen.
Mehrere Dutzend Augenpaare warfen sich vielsagende Blicke zu, vernichteten das verbliebene Selbstvertrauen der Administraten mit deutlicher Sprache.
»Inzwischen hat die Führung des Munitoriums gewechselt«, tat der Colonel kund, um die Aufmerksamkeit der Männer zurück auf sich zu lenken. Er blickte in überraschte Gesichter. »Daher bin ich mir sicher, dass wir, sollten wir noch einmal in eine ähnliche Lage wie heute kommen, entsprechend darauf reagieren können.« Er gab den Offizieren kurz Zeit, ihre Gedanken zu sammeln und sich darüber klar zu werden, dass augenscheinlich er den vorherigen Obersten des Munitoriums ‚abgesetzt‘ hatte. Und tatsächlich ließ sich in den Gesichtern einiger Offiziere erkennen, dass sie ihre bereits festgesetzte und eingerahmte Meinung über ihn zu revidieren schienen, während er zu dem Thema zurückkam, das ihm im Augenblick am meisten Sorgen bereitete.
»Sie haben den Verlauf der Schlacht gesehen, meine Herren – ein Teil von ihnen hat daran sogar teilgenommen. Ich bitte um Ihre Meinungen«, adressierte Ekko seine Untergebenen mit einem kritischen Blick, der besonders die Captains bedachte, die soeben von der Front zurückgekehrt waren.
»Sehr professionell«, bemerkte Balgor sorgenvoll. »Die Xenos waren gut organisiert und haben sich schnell und gnadenlos durch unsere Linien gearbeitet.«
Rosol an seiner Seite nickte. »Dasselbe beim Gegenstoß. Wir hatten wirklich schwer zu kämpfen, den Angriff zu stoppen und zurückzuschlagen.«
Ekko nickte. »Irgendetwas von der gepanzerten Truppe?«, wandte er sich an die anwesenden Fahrzeugführer der Schützenpanzer und Jagdpanzer.
Captain Nurin hatte bereits für sich entschieden, der Besprechung nicht beizuwohnen und stattdessen seinen Stellvertreter, Lieutenant Rand, geschickt.
Inmitten der vielen ranghöheren Offiziere kam sich der Panzerkommandant offensichtlich unwohl vor, weswegen er lediglich eifrig den Kopf neigte und ganz offensichtlich hoffte, der Kelch eines Wortes möge möglichst schnell an ihm vorübergehen.
»Ich kann dem nur zustimmen«, sprach ein anderer Lieutenant glücklicherweise aus und erlöste den Panzerjäger somit von der Pflicht, selbst ein Wort zu verlieren. »Der Angriff der Xenos besaß eine ungewohnte Härte. Man könnte fast von einem Ansatz von … ‚Taktik‘ sprechen.« Ganz eindeutig vermied er den Begriff ‚Professionalität‘. Das war etwas, das Xeno-Abschaum nicht besaß.
Ekko ließ seinen Blick weiterschweifen. Die meisten seiner Offiziere nickten, sagten aber nichts. Ihnen allen war klar, dass er selbst einen recht genauen Überblick über ihre Lage besaß und diesen lediglich untermauert oder widersprochen sehen wollte.
»Das bestätigt den Eindruck, den wir hier oben gewonnen haben«, fasste der Colonel seine Sicht zusammen und ließ die Augen zu seinem Stellvertreter schweifen, der ihn seinerseits ernst ansah. »Und auch ihr bisheriges Verhalten. Es kommt einem fast so vor, als wenn sich die Grünhäute nicht nur zusammengerottet haben, sondern auch eine verhältnismäßig straff und taktisch organisierte Führung besitzen.«
Er ließ die Worte für einige Momente im Raum stehen, bevor er zu einer größeren Erklärung seiner Ansicht ausholte. Vermutlich wäre das nicht nötig gewesen, denn jeder der Offizier hatte die heftigen Abwehrkämpfe im äußersten Ring der Kathedrale mitbekommen und daraus seine eigenen Schlüsse gezogen.
»Wollen Sie sagen, dass diese Grünhäute geführt werden?«, rief Captain Dees aus. Der Unglauben auf seiner Miene deutete an, dass er noch nie einen Ork-Angriff auf Bastet III erlebt hatte.
»So unmöglich ist das nicht«, erwiderte Balgor mit vielsagender Gestik. »Je nach Einfluss eines bestimmten Bosses oder sogar Oberbosses rotten sich Orks zu kleineren oder größeren Horden zusammen und sind dann zu erstaunlichen Leistungen fähig.«
Dass er damit eine bereits zu früherer Zeit getroffene Aussage Colonel Ekkos wiederholte, interessierte dabei niemanden (einmal abgesehen von der Tatsache, dass die Worte des Regimentskommandeurs bei den meisten der Offiziere sowieso längst einem stressbedingten Fall von Alzheimer zum Opfer gefallen waren).
Dees stieß abschätzig Luft aus. »Und woher wollen Sie das wissen?«
»Erfahrung«, schoss eine andere Stimme dazwischen. Zur Überraschung war es die ihres Majors. »Haben Sie jemals einen Überfall der Orks auf Bastet III miterlebt?«
Der rangniedere Offizier schwieg betreten, doch das war es nicht, was einen weiteren vernichtenden Angriff von Seiten Major Carricks auf ihn verhinderte.
»Wie sieht es mit unseren Verlusten aus?«, warf Captain Solmaar ein, strangulierte somit die sich entwickelnde Grundsatzdiskussion galant und verhinderte gleichzeitig, dass Colonel Ekko die Gelegenheit erhielt, eine zweifelhafte Motivationsrede zu halten.
»Wir sind noch immer dabei, die tatsächlichen Verluste zu ermessen, aber nachdem, was wir bisher wissen, dürfte sich die Anzahl der Toten bei ungefähr einhundertneunzig einpendeln«, antwortete Carrick, dankbar über die wohlkalkulierte Unterbrechung und strich sich durch sein blondes Haar.
»Ist das gut oder schlecht?«, versuchte sich Tand ein Bild zu machen.
»Im Verhältnis zu den eigenen Abschüssen ist das außerordentlich gut. Im Verhältnis der uns zu Verfügung stehenden Truppen allerdings …« Carrick konsultierte eine unendlich wirkende Zeitspanne lang das Wörterbuch der Stille, ließ die Sekunden für ihn in den vergilbten Seiten der Erinnerung wühlen, bevor er sich zu einer recht deutlichen Beschreibung der Lage durchrang, »sollten wir uns keine Hoffnung auf ein Überleben machen.«
Das saß. Obwohl es eigentlich allen bereits klar gewesen war – die Vorübungen am Hologenerator und die Besprechungen mit den Vorgesetzten hatten keinen Zweifel an dem gelassen, was ihnen bevorstand – brauchten die Männer etwas, um das Eingeständnis zu verdauen.
»Ihre Zuversicht motiviert mich ungemein, Major.« Abwesend zog Ekko die Stirn kraus und klopfte leise auf den Plottisch, was einen schaurigen Hall durch das Beinhaus jagte. Dass ihn die Verluste des Regiments beschäftigten, war keine wirkliche Überraschung. Ekko hing zu sehr an seinen Männern, als dass er sie freiwillig dem Tod preisgegeben hätte.
Dass er allerdings in sich kehrte und gedankenverloren vor sich hin meditierte, kam eher selten vor und war, selbst in Bezug auf seinen in der Regel ernsten Umgang mit Verlusten unter seinen Leuten, recht ungewöhnlich.
»Und was steht uns noch an schwerem Gerät zur Verfügung?«, erkundigte er sich nach einer Weile. »Jagdpanzer?«
»Die Destroyer sind unbeschädigt«, meldete Lieutenant Ves sofort.
Der Kommandant der abgeteilten Transporter und Schützenpanzer hängte seinen Bericht gleich hinter die Meldung des Panzerkommandanten. »Hinzu kommen siebzehn Salamander und zweiunddreißig Chimären.«
»Zweiunddreißig Chimären?!«, rief Fendel aus. »Wir waren doch bei einundvierzig!«
»Es tut mir leid, Sir«, rechtfertigte sich der Mann. »Aber ohne Infanterieunterstützung ist selbst ein Infanterieabwehrpanzer wertlos.«
Die unverhohlene Anklage verfehlte ihre Wirkung nicht, auch wenn sie in die vollkommen entgegengesetzte Richtung dessen ging, was der Panzersoldat eigentlich beabsichtigt hatte.
Unwilliges Murren klang an, wie das anschwellende Summen in einem wütenden Bienenstock, tiefes Missfallen über den offenkundigen Angriff eines Panzerfahrers, der außer der beengten Umgebung in seinem Eisensarg nicht viel vom Leben verstand.
»Was soll denn das bedeuten?«, rief Captain Dees aus.
Der Panzerzugführer wandte sich ihm zu und setzte gerade zu einer harschen Erwiderung an, als eine verbale Ohrfeige durch das Gebäude schallte.
»Es reicht!«, bellte Ekko. Seine Stimme hallte sprang zwischen den Wänden des Beinhauses umher, erschlug die aufkeimende Konfrontation mit der Präzision eines Flächenbombardements. »Ich weiß nicht, wer sich hier von wem verlassen fühlt …« Bereits während er diese Worte aussprach, entdeckte sein Verstand eine bemerkenswerte Verbindung zwischen der sich entwickelnden Atmosphäre und seiner Beziehung zum Gott-Imperator und dem Universum … auch, wenn es da vermutlich nicht einmal eine Verbindung gab, »aber bleiben Sie fokussiert, thronverdammt! Wir haben eine Aufgabe vor uns! Und selbst, wenn ich als Kommandeur dieser Einheit den Auftrag habe, den Feind von diesem Ort fernzuhalten, kann ich das nur schaffen, wenn Sie mir helfen und sich nicht gegenseitig mit der Stiefelspitze im Verdauungstrakt rumstochern!
Dämlich sein können Sie woanders – Sie alle! Also hören Sie gefälligst mit dem Mist auf!«
Betretenes Schweigen kehrte ein, nahm mit der Präzision eines frisch ausgebildeten Rekruten Haltung an.
»Weiter im Text«, grummelte der Colonel, während er einen ätzenden Blick auf seine Untergebenen herniedergehen ließ. »Die Panzer sind durch. Was ist mit der Luftunterstützung?«
»Dann haben wir noch drei Walküren …«
»Zwei«, verbesserte Balgor. »Eine davon ist explodiert.«
Carrick schüttelte den Kopf, erbost über die unerwünschte Unterbrechung. »Nein, drei. Vorher hatten wir vier.«
Der Captain schloss mit vernehmlichem Geräusch den Mund und hob die Augenbrauen. »Ach ja, richtig.«
»Die abgeschossene Walküre ist ein Totalverlust. Die Einheit wurde beim Aufschlag vernichtet, ebenso ein Wohnblock. Kleinere Feuer wüten noch in der Umgebung, aber diese dürften im Laufe der Nacht ausbrennen«, präzisierte der Major den Verlust, ohne auf Captain Balgors neuerliche Bemerkung einzugehen.
»Können wir die Teile der abgestürzten Maschine ausschlachten und verwerten?«
»Da ist nicht mehr viel zum Verwerten, Sir«, wusste einer der Maschinenseher mit hallender Stimme ergänzend zu berichten.
Ekko verzog das Gesicht, mehr über die unerfreuliche Information angegriffen als über die metallen scheppernde Traurigkeit, die dieses Wesen als seine Stimme zu bezeichnen wagte. »Das ist natürlich ärgerlich.« Ein kurzer Moment unruhiger Stille folgte. »Was ist mit dem Sky Talon? Ist er bereits wieder einsatzbereit?«
»Nein«, enttäuschte der Techpriester Ekkos Hoffnungen nur äußerst ungern. »Bisher ist es uns nicht gelungen, den Maschinengeist wieder zu wecken. Wir verdoppeln unsere Bemühungen«, fügte er eilends an, um die finstere Miene des Festungskommandanten zu besänftigen.
»Gut«, gab Ekko launisch zurück. »Aber sind Sie sich sicher, dass das etwas bringt? Ich meine: So viel Massageöl, wie sie auf den Flattermann verwandt haben - müsste der arme Geist da nicht bereits ausgeglitscht sein und sich das Genick gebrochen haben? Wollen Sie nicht doch lieber etwas anderes versuchen? Ein Ritual des Fußtritts vielleicht?"
Rasselndes Zischen rauschte an die frische Luft, übertrug die Schwingungen halbmenschlichen Unmuts in den Raum. »Colonel! Die Wiedererweckung eines Maschinengeistes ist eine überaus heilige Prozedur! Wie können Sie es wagen …?«
»Wie können Sie es wagen, meine kostbare Zeit mit Ihren Unzulänglichkeiten zu stehlen?«, schoss der Colonel zurück. Er fasste sich entnervt an den Kopf und versuchte, seinen vorherigen, inzwischen in wilder Flucht befindlichen Gedanken erneut zu greifen. »Carrick, ich benötige noch einmal die Aufstellung aller Regulären und Irregulären … wie viele haben wir jetzt noch?« Seine Hand wedelte unterstreichend in Richtung holografische Kathedrale.
»Uns bleiben – je nach Lage der Verletzten – so ungefähr tausendneunhundert Soldaten des Regiments, dazu die achtzig Infanteristen von Lieutenant Valeen und Kommissar Reit.«
Bei der Erwähnung des ominösen Kommissars, der wohl offensichtlich da, aber bisher noch nicht gesichtet worden war, verfinsterte sich die Miene des Regimentskommandeurs erneut.
»Außerdem sind uns zweitausendneunhundert Munitoriumsangestellte verblieben und tausendneunhundert Zivilisten.«
»Verstehe.« Ekko verschränkte nachdenklich die Arme und strich sich mit der Linken über seinen unsauberen Drei-Tage-Bart. Ein neuer Plan begann, sich durch seine Gehirnwindungen zu schieben, zog ein Buch mit unkonventionellen Ideen aus dem Taktik-Regal, konsultierte danach die Erlebnisse der letzten Tage und den Erfahrungsschatz des Colonels, naschte schlussendlich an der Schublade des Wahnsinns und schickte sich dann an, mit erstaunlicher Lebensfreude zu Tage zu treten.
»Ich würde gern noch einmal die Verteidigung des ersten Rings ansprechen.« Balgor verschränkte die Arme vor der Brust und vollführte mit der noch freien Hand eine knappe, erklärende Geste in Richtung des hololithischen Bilds, das kalte Energie in den Raum abstrahlte.
Ekko nickte einladend, kaum dass seufzend er festgestellt hatte, dass sein Gedanke soeben geplatzt war. »Fahren Sie fort.«
»Unsere Schützengräben sind im Grunde nicht mehr existent«, führte der Captain seine Zuhörer tiefer in die Problematik, während er Captain Rosol einen Blick zuwarf. Der andere Offizier neigte zustimmend den Kopf. »Wir haben das gesamte Areal total zerstört. Um es kurz zu machen: diese Trümmerlandschaft zu halten, ist fast erfolgversprechend wie eine Paarung zwischen einem Tau und einem Kroot. Nichts für ungut, Sergeant.«
Schallendes Gelächter brandete auf, drosch mit der Gewalt einer Sturzwelle auf die Wände und Pfeiler des Raumes ein.
Sämtliche während der letzten Stunden aufgestaute Spannung entwich in die vom Schweißgeruch geschwängerte Luft, presst Sorgen und Nöte für einige Momente durch die Ritzen in den verbarrikadierten Fenstern und das flatternde Tuch des Haupteingangs aus dem Raum.
Erleichterung wehte mit der zurückströmenden Luft in das Beinhaus, befreite die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften wenigstens für einen Moment lang von der schweren Last der Verantwortung und dem Stress der Schlacht.
Lediglich Gren Krood fand nicht so recht in den Humor der Situation.
Tatsächlich zeigte die Miene des Elite-Unteroffiziers keinerlei Regung. »Ich werde es überleben«, nahm er den plötzlichen Heiterkeitsausbruch der Offiziere hin, jedoch nicht, ohne eine leise, boshafte Warnung in Richtung des Basteters auszusprechen: »Ob man das auch von Ihnen sagen kann?«
Seine Worte gingen im Lachen der Umstehenden fast vollkommen unter, lediglich Major Carrick registrierte die Drohung und verengte alarmiert die Augen.
Ekko hingegen war bemüht, die soeben verlorene Kontrolle über seine Besprechung zurückzuerlangen.
»In Ordnung, Leute – Gelächter aus.« Ein breites Grinsen entwertete seine Worte vollkommen. »So lustig fand ich das nun auch nicht.« Mit der Urplötzlichkeit eines Erschossenen fielen seine Mundwinkel zurück in die von ihm stets zur Schau getragene neutrale Position, die seinem etwas verwirrten Aussehen zuarbeitete. »In Ordnung. Dann ziehen wir unsere Verteidigung zurück. Und ich meine: weit zurück. Lassen sie ein paar Trupps für die Aufklärung vorn, der Rest besetzt …« Er überlegte kurz. »Bis wohin reichen die Zerstörungen?« Seine Aufmerksamkeit marschierte in Richtung Balgor.
Der Captain kratzte sich am Kopf und versuchte, die Aufzählung der Schäden von der Außenmauer in Richtung Stadtkern hin zu staffeln. »Also die erste Verteidigungslinie kann man kaum noch besetzen. Die Gebäude …«
Allerdings verwarf Ekko weitere Ausschweifungen mit einem Wink seiner Hand. »Wir haben wenig Zeit«, erinnerte er seinen Untergebenen. »Bis wohin reichen die Zerstörungen?«
Balgor dachte einige weitere Sekunden länger nach, bevor er zuließ, dass sich seine Schultern in einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Vermutung hoben. »Kann ich nicht genau sagen. Auf jeden Fall nicht bis in die zweite Defensivstellung.«
Das genügte als Antwort. »In Ordnung«, entschied der Colonel. »Dann verlegen wir die Truppen in die zweite Abwehrstellung und setzen unsere Verteidigung dort neu auf.«
Die Männer nickten verstehend.
»Und wenn Sie bereits dabei sind, dann präparieren Sie das Gelände ein wenig.«
»Präparieren?«
»Ja.« Ekko wischte Balgors Verwunderung mit einer Kopfbewegung zur Seite. »Präparieren.« Er brauchte kurz, um seine wild umherschwirrenden Gedanken zu fangen und auf dem Reißbrett des Sprachzentrums in eine geordnete Form zu bringen, bevor er sie seinen Untergebenen skizzierte. »Wenn wir uns tiefer in die Stadt zurückziehen, geben wir damit Raum frei, den die Orks ungehindert nutzen können, um sich an unsere Linien heranzuarbeiten. Besonders in der – wie Sie bereits richtig sagten, Balgor – Trümmerlandschaft der ersten Wohnblöcke können die Grünen so mit Glück über unsere Stellungen herfallen, bevor wir überhaupt realisieren, dass sie uns erreicht haben.«
»Das wäre blöd«, bemerkte Balgor, ein gern getätigtes Statement seines Vorgesetzten modifizierend.
»Richtig. Das wäre in der Tat …« Ekko suchte nach einem adäquaten Wort, das das sprachliche Unterstatement ihrer Situation überflügelte, doch brauchte nicht lange, bis ihm aufging, dass das Problem genau das war, was man ihm vorwarf: »Blöd.«
»Und was haben Sie sich gedacht, um das zu verhindern?«, wollte ein anderer Captain wissen.
»Wir bauen einen Kanal.« In einer knappen Geste formte der Colonel ein V mit seinen Armen, skizzierte die Idee, die sich hinter seinen Worten versteckte. »Wir zwingen den Feind, direkt in unser Abwehrfeuer zu laufen.«
»Und wie sollen wir die Gegner in diesen ‚Kanal‘ leiten?«, wandte Fendel ein. »Die Straßenzüge sprengen?«
»Unter anderem.« Ekko nickte. »Außerdem alles, was wir noch so an Explosionsmaterial haben, verlegen. Sprengfallen, Landminen – eben alles, was fetzt. Der Feind darf keine andere Möglichkeit mehr haben, als den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.«
»Alles verlegen, was fetzt«, sinnierte Solmaar den grundsätzlichen Plan resümierend. »Und dann?«
»Dann beten wir, dass der Gegner auch wirklich den Weg des geringsten Widerstands geht.« Ekko hob zur Verdeutlichung, dass auch ihm nicht mehr einfiel, die Schultern. »Mehr, als ihm die anderen Sektoren der Stadt unappetitlich zu machen, können wir nicht.«
Die Offiziere nickten verstehend.
»Sind denn aus den anderen Sektoren irgendwelche Unregelmäßigkeiten gemeldet worden?«, wandte sich der Regimentskommandeur an seinen Stellvertreter, um sicher zu gehen, dass er wirklich nichts übersehen hatte.
Carrick schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Keine Unregelmäßigkeiten, keine Kontakte, keine Einbrüche. Zumindest ist mir nichts gemeldet worden«, schränkte er seine Aussage sofort wieder ein.
»Na ja«, gab Balgor zu bedenken, während er sich durch den Bart strich, »Tote machen sicherlich keine Meldung mehr.«
»Danke für diese Erkenntnis«, wehrte Ekko jedes weitere Wort und jeden Gedanken in diese Richtung ab. »Bestehen dazu Fragen? Oder gibt es noch irgendetwas, das ich wissen sollte?«, fragte der Colonel in die Runde. »Oder etwas, das ich gerne wissen würde, Sie mir aber nicht erzählen möchten?«
Die Offiziere schwiegen, warteten auf das Kommende.
»Nein? Gut, dann hier mein Vorhaben soweit«, präsentierte der Regimentskommandeur seinen neuen, in den letzten Minuten gefassten Plan. »Wir verlegen die Verteidigung wie besprochen zurück und präparieren das Gelände, um den Feind in unsere Arme zu treiben.« Er pausierte und gab den Anwesenden gnädig Zeit, den Plan in sich aufnehmen, bevor er fortfuhr: »Da unsere Front bereits sehr stark ausgedünnt ist, möchte ich außerdem, dass die kämpfende Truppe und die Reserve durchtauschen.« Er wandte sich an Carrick. »Veranlassen Sie das.«
Der Major versteifte sich. Man konnte ihm ansehen, dass er über diesen Befehl nicht wirklich glücklich war.
Ein Tausch der Truppen, ein Durchwechseln der am Feind befindlichen Einheiten, wurde in größeren Armeeinheiten durchaus praktiziert, da es sich dort lohnte, bereits erschöpfte Regimenter durch frische Truppen zu ersetzen.
In einem derart beengten Raum wie der Himmelskathedrale jedoch, wo man abgekämpfte Truppen nur gegen abgekämpfte Truppen austauschen konnte, ergab ein früher Einsatz der eigenen Reserven im Grunde keinen Sinn. Er kostete lediglich wertvolles Personal, das man später unter Umständen vorteilhafter hätte einsetzen können.
Dem entgegen jedoch stand die Tatsache, dass die direkt an der Front befindlichen Züge des 512. bei weitem nicht mehr die Größe und Schlagkraft aufbringen konnten, um einem erneuten Sturm der Xenos entgegenstehen zu können.
So blieb dem Festungskommandanten also wirklich nichts anderes übrig, als seine verbliebenen Ersatzmannschaften in Marsch zu setzen und die Verteidigung übernehmen zu lassen, während die vormalige Front nun zur Reserve wurde.
Niemand verstand dieses Dilemma besser als der stellvertretende Regimentskommandeur, doch das machte die Entscheidung seines Vorgesetzten für ihn auch nicht wirklich besser.
Und die Sorge, die tief in Colonel Ekko zu rumoren schien, ging viel weiter. Seit nächster Befehl zeigte bereits mehr als deutlich, wie er über ihre Situation dachte. »Und lassen Sie die Toten nach Ausrüstung durchsuchen. Alles, was noch verwendbar ist, abrüsten und an die kampfbereiten Zivilisten weitergeben.«
»Colonel!« Carrick bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick, den der Vorgesetzte jedoch gekonnt ignorierte.
»Wird Zeit, dass wir die Miliz ausrüsten und darauf vorbereiten, als Reserve bei Bedarf sofort in den Kampf zu gehen«, entschied er zur Entgeisterung seiner Zugkommandeure.
»Colonel, wir haben nicht mal zweihundert Mann verloren und Sie wollen die Reserve vorbereiten?«, sprach sein Stellvertreter aus, was der Großteil der Offizier in dem Raum dachte.
Ekko hob entschuldigend die Achseln. »Besser früh, als später gar nicht mehr.«
Enttäuschung über das augenscheinlich verlorene Vertrauen seines Vorgesetzten in die Soldaten tränkte die Stimme Captain Prishs. »Das ist hart, Colonel.«
»Nein, das ist realistisch. Hart ist ein Brot von vor zwei Wochen.« Der Regimentskommandeur kratzte sich am Kopf. »Dabei fällt mir ein: Aufgrund der sich schnell ändernden Lage im Kampfgebiet möchte ich einen vorgeschobenen Beobachtungsposten einrichten.«
Der Raum atmete überrascht ein.
Dass Ekko sich gerne in Gefahr begab, war allgemein bekannt, auch wenn die Meisten sein Verhalten eher auf ein stets präsentes Maß an Heldentum zurückführten.
Dieses plötzliche Vorhaben allerdings hob den Wahnsinn, der wirklich hinter den ‚Heldentaten‘ stand und von dem nur wenige wussten, in vollkommen neue Sphären.
Balgor zog eine Augenbraue hoch und bereitete sich darauf vor, Kritik an dem Vorhaben des Regimentskommandeurs zu üben, doch Major Carrick war, wieder einmal, schneller. »Das halte ich für keine gute Idee, Sir«, lotete er vorsichtig seine Möglichkeit zum Widerstand aus.
»Damit war zu rechnen«, erhielt er zur Antwort. »Deswegen habe ich mir auch in langen Stunden reiflicher Überlegung eine passende Antwort zurechtgelegt.«
Ekko atmete tief ein, um das Ergebnis seine Überlegung nach der Kunstpause kundzutun. Die Offiziere hingen an seinen Lippen. »Einwand notiert.«
In einem einzigen, lang anhaltenden Atemzug entlud sich die aufgebaute Spannung in den zerstörten Raum, der nun ihre Kommandozentrale war, sodass selbst das leise Säuseln der portablen Lüftungsanlagen in dem Geräusch ertrank. Die Antwort, prägnant und vielsagend zugleich, war zwar typisch für den Colonel, aber doch immer wieder eine Überraschung.
»Das ist alles?«, brachte Carrick hervor. Wieder einmal durch seinen Vorgesetzten mit einer kurzen Gegenbemerkung ausmanövriert und in seinem Status als zweiten Mann im Ranggefüge des Regiments unterminiert, blieb ihm nichts anderes übrig, als fassungslos neben dem Colonel zu stehen und dessen beinahe fröhlichen Widerstand hinzunehmen.
Ihn auf mehr oder weniger direkte Weise auf sein wenig vorbildliches Verhalten hinzuweisen hätte der stets korrekte stellvertretende Regimentskommandeur nie gewagt. Vermutlich war das der Grund, aus dem sein Kommandeur sich regelrecht in der Machtlosigkeit des Rangniederen suhlte.
»Ja.« Ekko nickte. »Ich feile noch am Satzbau, aber im Grunde – ja.« Er wartete ein wenig länger, um Carrick Gelegenheit für eine Erwiderung zu geben.
Der Major jedoch schwieg, und der Colonel wandte sich wieder den Männern zu. »Irgendwelche Fragen? Einwände vom Munitorium? Nein? Gut, dann Tod und Verderben, meine Herren!«
Mit einer deutlichen Geste scheuchte er die Offiziere in Richtung Ausgang. Die Gruppe löste sich auf.
Sogar Carrick, in dem sich in den letzten Minuten höchstwahrscheinlich eine übermnäßige Wut über seinen uneinsichtigen wie willensstarken Vorgesetzten aufgestaut hatte, nutzte die Möglichkeit, sich außer Armes- und Hörreichweite zu bringen.
Lediglich Captain Balgor blieb zurück.
»Damit haben wir sie doch schon etwas dezimiert, oder?«, fragte er, die Antwort bereits wissend und strich sich beunruhigt über das zerschundene Gesicht. Ein gutes Dutzend Schnitte hatte sich während der Schlacht in seinem Antlitz festgebissen, zierte es mit den nur bedingt dekorierenden Furchen oberflächlicher Hautverletzungen. Wenn sein Gesicht wirklich so aussah, wie es sich anfühlte, dann besaß es inzwischen eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Lageplan eines Grabensystems.
»Ja«, stimmte Ekko zu. Er deutete nachlässig auf die Karte, die ihnen ein recht gutes Bild von ihrer Lage vermittelte: eine kleine Insel aus blauen Photonen inmitten einer roten Flut. »Aber es sind noch immer reichlich Gegner da.« Er kratzte sich am Kopf. »Wissen Sie, was mir wirklich fehlt?«
»Nein. Was denn?«
»Ein irrwitziger Plan, mit dem ich die Orks zähmen und auf ihnen nach Bastet reiten könnte.«
Aus den Augenwinkeln konnte man erkennen, wie die in der Kommandozentrale verbliebenen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften aufsahen und bedeutungsschwere Blicke tauschten. Ihr Kommandeur war schließlich doch vollkommen verrückt geworden.
»Ich denke, ich sollte zu meinen Männern zurückgehen«, beschloss der Captain vorsichtshalber. Er hatte die Reaktion der Männer nicht genau gesehen, aber er fühlte ihre Blicke. »Wenn ich noch länger weg bleibe, begeht Jelard höchstwahrscheinlich Selbstmord.«
Sich den letzten Teil des Satzes zu verkneifen, fiel ihm erst ein, als er ihn bereits ausgesprochen hatte. Das war nicht gut. Verdammt seiest du, Colonel Ekko, dass du mich immer wieder dazu verleitest!
Wie vom Sarkasmus der Bemerkung in den Hintern gestochen, richtete sich sein Gegenüber abrupt auf und klatschte bedeutsam in die Hände. »Thronverdammt!«, rief er aus, bevor sein Kopf in Richtung des Captain herumschoss. »Danke, dass Sie mich daran erinnert haben! Jetzt weiß ich wieder, woran ich die ganze Zeit nicht gedacht habe!«
Ein abgespanntes Seufzen antwortete ihm. »Colonel, bitte sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.«
Ekko allerdings achtete gar nicht mehr auf Worte, die ihm sein Untergebener entgegenwarf.
Bereits von einer neuen fixen Idee infiziert und somit unempfänglich für sämtliche Warnungen, bahnte sich der imperiale Offizier einen Weg in Richtung Plottisch. Im Vorbeigehen fischte er zielsicher seine Schirmmütze von der Projektionsfläche. »Wenn Sie wirklich so dringend ein Buch schreiben wollen, dann entwerfen Sie doch einen Nachruf auf mich. Titel: die endlosen Leiden des Colonel E.« Ohne in der fließenden Bewegung innezuhalten, setzte sich der Regimentskommandeur die Mütze auf den Kopf und korrigierte den Sitz der eckigen Staubschutzbrille. »Legen Sie mir das fertige Manuskript zur Durchsicht vor. Bis dahin gehe ich noch ein bisschen frische Luft schnappen.«
Balgor verfolgte wortlos, wie sein Freund den Uniformdrillich glatt zog, ihm zunickte und dann in Richtung Ausgang marschierte.
Erst, als Ekko bereits durch den blickdichten Vorhang schritt, der die Kommandozentrale vom Rest des Beinhauses trennte, geriet er selbst in Bewegung. »Warten Sie, Colonel. Ich komme mit. Wer weiß, ob Ihre Feldbluse der Belastung dieses Mal standhält.«


***

Die Nacht verlief relativ ruhig, auch wenn das donnernde Toben der Orks vor den Mauern der Himmelskathedrale düsteren Vorahnungen durch die Köpfe der Überlebenden trieb.
Das Umfeld der Kathedrale loderte mit der Heftigkeit eines schweren Sommergewitters, ein gewaltiger Feuersturm, der die Ebene verkohlte. Scheppernder Geschützdonner brandete über die schweren Mauern hinweg, ließ die gesamte Stadt bis in ihr Fundament erbeben.
Grell pfeifende Artilleriegeschosse verfingen sich mit demselben Geräusch im energetischen Schutzschild, mit dem man normalerweise gegen eine Tür aus Gummi trommelt.
Die Luft diesseits und jenseits der Mauern flimmerte, so heiß brannte sich das Geschützfeuer in den steinernen Außenwall der Kathedralenstadt.
Und doch gelang es dem Feind nicht, den meterdicken Steindamm zu durchbrechen, noch konnte er eine Lücke in die energetische Barriere schlagen, welche die Überlebenden des Massakers von Agos Virgil schützte. Selbst das eher notdürftig versperrte Haupttor hatte bisher allen weiteren Angriffen Stand gehalten.
Dafür allerdings brachen die Xenos Stück für Stück durch den Inneren Wall. Durch die Mauer, mit der sich jede noch lebende Seele umgab.
Das Mündungsfeuer ihrer Waffen brannte den Makel der Verzweiflung tief in die Gemüter. Das Donnern ihrer Geschütze erschütterte den Glauben bis in das tiefste Fundament der menschlichen Herzen.
Und die Hitze schließlich versengte den letzten Funken Hoffnung, die Imperialen könnten ihre Stellung vielleicht doch gegen den Feind behaupten.
Sergeant Kleit stand beim improvisierten Landefeld, das die Basteter und die ihnen angeschlossenen Einheiten der Instandhaltung auf dem Vorhof der Kathedrale errichtet hatten und zog hinter vorgehaltener Hand lang und ausgiebig an seinem Lho-Stäbchen.
Seitdem man ihn und die Reste seiner Einheit von der Front abgezogen hatte, hatte er im Rücken der nun an der Front befindlichen Truppe mit seinen verbliebenen Soldaten Männer der sich neu formierten Irregulären ausgestattet und ein wenig Ausbildung betrieben. Eigentlich viel zu wenig, bedachte man die Knochenmühle, die dort draußen darauf wartete, eine Lücke in der Verteidigung aufzutun und sie alle massakrieren zu können.
Diese Aufgabe hatte ihn bis in die späten Nachtstunden beschäftigt, sodass er erst jetzt die Gelegenheit fand, Körper und Geist ein wenig Ruhe zu gönnen.
Als wenn es an diesem Ort jemals so etwas wie Ruhe gegeben hätte.
»Unwahrscheinlich, dass bei dem Lärm irgendjemand schlafen kann«, grummelte eine von Schmerzmitteln vernebelte Stimme neben ihm.
»Ja«, erwiderte Kleit und nahm einen weiteren Zug. »Aber abgesehen davon kann man die Nacht durchaus als ruhig bezeichnen.«
Sie schwiegen wieder.
Es dauerte nicht lange, da schwoll über ihnen dumpfes Heulen an. Die schweren Turbinen von Vector-Turbojets wurden angeworfen. Und schon wenig später drang das scharfe Kreischen einer herniedergehenden Walküre an ihre Ohren.
Kleit drehte sich um. Ein dunkler, vom Schlachtgewitter schwach beleuchteter Körper schwebte die Flanke der Kathedrale herab, senkte sich mit präzise dosierter Leichtigkeit auf den ihr zugewiesenen Landeplatz.
»Ich verstehe es nicht«, seufzte die Stimme. »Warum verschleißt die Obrigkeit wichtiges Material für derart sinnlose Aufgaben?«
Kleit zuckte die Achseln, während er verfolgte, wie die Seitentüren des Truppenraums aufgeschoben wurden und mehrere Soldaten in die glimmende Nacht entließ. »Fragen Sie mich etwas leichteres, Lenhim.«
Baldrian Lenhim, den Körper stellenweise noch immer in dicke Verbände gehüllt, lehnte sich schwerfällig gegen die Kiste, vor der er saß und atmete, so tief er konnte, ein. Dem verzerrten Gesicht nach zu urteilen fiel es ihm nicht besonders leicht. Er stöhnte. »Thronverdammt. Hätte ich gewusst, was mich hier nach meinem Aufwachen erwartet, ich wäre lieber gestorben.«
»Wie kommt es nur, dass mir heute alle denselben Vorschlag machen wollen?«, brummte sie jemand anderes gereizt von der Seite an.
Kleit wandte sich erneut um. Lenhim folgte seinem Blick, so gut es ging.
Colonel Ekko, seinen Freund und Untergebenen Captain Balgor im Schlepptau, kam auf sie zu. Höchstwahrscheinlich waren sie mit der gerade gelandeten Walküre eingetroffen.
»Sir!«, rief Kleit aus und nahm Haltung an. Lenhim versuchte, aufzustehen, wurde aber von dem Regimentskommandeur zurückgewunken. »Bleiben Sie sitzen, Lenhim. Ich wusste gar nicht, dass Doktor Calgrow sie bereits entlassen hat. Sind Sie schon wieder auf den Beinen?«
»Auf den Beinen ist relativ«, erklärte Lenhim. »Es war viel eher so, dass Doktor Calgrow allmählich der Platz ausging. Da hat sie mich hinausgeworfen. Zitat: ‚Gehen Sie mir aus dem Weg und irgendwo hin, wo Sie nicht sofort erschossen werden. Ich werde mich später um die Sache kümmern‘.«
»Es wundert mich, dass sie ‚die Sache‘ nicht gleich selbst erledigt hat«, sinnierte der Colonel.
Lenhims Miene entgleiste. Balgor warf seinem Begleiter einen teils amüsierten, teils missbilligenden Blick zu.
Ekko räusperte sich, nachdem er einige Zeit lang die Belagerungswaffen der Orks beobachtet hatte. »Ja. Wo wir schon dabei sind: wissen Sie eigentlich, wie es der Besatzung der abgestürzten Walküre geht?«
Lenhim brauchte ein wenig, um den plötzlichen, aber für Ekko typischen Richtungswechsel in der Gedankenwelt des Colonels nachzuvollziehen. Oder aber ihn beschäftigte noch die vorangegangene Bemerkung seines Vorgesetzten.
Als er sich schließlich fing, hatten die Waffen der Grünhäute bereits wieder ein gutes Stück Gestein aus der Außenmauer gebrochen.
»Pilot und Waffensystemoffizier konnten sich aus der Maschine ausschießen. Der Fallschirm des WSO hat sich allerdings nicht geöffnet«, erzählte der Sergeant. »Daher ein personeller Totalverlust.«
Ekko nickte wortlos. In der Dunkelheit wirkte es, als würde er schwanken. »Und der Pilot?«
»Sein Schirm hat sich geöffnet, jedoch war er so niedrig, dass Bremswirkung kaum auftrat. Wie es aussieht, wird er diesen Tag nicht überleben.«
»Dann sollten wir auch ihn als personellen Totalverlust abschreiben«, entschied der Colonel.
Kleit warf ihm einen kurzen Blick zu, sah dann zu Balgor und zog schließlich an seinem Lho-Stäbchen. Heller, gräulicher Rauch kräuselte sich an der Spitze des Sargnagels, dampfte in die düstere Nacht hinauf. Lenhim schwieg betreten.
Wenn man bereits an der Schwelle zum Tod stand, ohne Hoffnung auf ein Überleben und mit der Gewissheit im Rücken, dass man keinen ehrbaren Tod im Namen des Imperators starb, dann steigerte das Sinnieren über die erlittenen Verluste den Kampfgeist auch nicht wirklich.
»Und was ist mit Del Mar?«
Der Sergeant des zweiten Trupps des ersten Zugs zuckte die Achseln. Eine unüberlegte Handlung, die ihm sichtliche Schmerzen bereitete. »Liegt noch immer im Koma«, stöhnte er.
»Ich hoffe, das bleibt auch so.« Ekko versenkte die Hände in den Taschen seines Mantels, bevor er sich an Balgor wandte.
Im flackernden Schein des wütenden Artilleriefeuers wirkten seine verdreckten Gesichtszüge hart und finster. »Dabei fällt mir ein: Dieser Kommissar Reit – wo ist der eigentlich?«
»Motiviert wahrscheinlich gerade seine Truppen«, gab der Captain zurück.
»Ich frage mich, weshalb ich da nicht selbst drauf gekommen bin.«
Ein schwerer Schlag rollte bestätigend durch die Kathedralenstadt, ließ den Männern die Zähne im Mund vibrieren.
»Ist nicht ab 23:00 Uhr Nachtruhe?«, erkundigte sich der Colonel und gähnte. »Ruhe da draußen!«, schrie er in Richtung der wütenden Grünhäute. »Wir wollen schlafen!«
»Wenn wir denn schlafen könnten.« Kleit besaß sich das fast ganz heruntergeglommene Lho-Stäbchen, bevor er es in die Dunkelheit davonschnippte.
»Passen Sie bloß auf!«, warnte Balgor, sichtlich angegriffen. »Hier liegt immer noch eine ganze Menge Munition herum.«
»Wo bleibt Ihr Sinn für Humor, Balgor?«, gab der Colonel zurück. »Wenn die da draußen rumböllern, können wir das hier drinnen auch.«
»Ja, aber ich muss dabei nicht unbedingt vom Winde verweht werden.« Balgor verzog das Gesicht und vollführte eine ausladende Geste. Eine grelle Explosion reichte ihm symbolisch die Hand.
Schallender Donner erschütterte das Landefeld. Ein plötzlicher Lichtblitz platzte aus der Düsternis im ersten Ring. Irgendwo in der Stadt war eine improvisierte Sprengladung durch die Erschütterung detoniert.
»Und wie geht es nun weiter?«, wollte Kleit wissen.
»Die Xenos werden mit aller Macht versuchen, durch die Außenmauer zu brechen. Sie können gar nicht anders.« Ekko vergrub seine Hände tiefer in den Taschen seines Mantels. »Wie sonst sollten sie die erlittene Schmach wettmachen?«
»Schmach?«
»Ja. Glauben Sie nicht, dass die richtig sauer sind, weil wir ihnen so mächtig auf die Fresse gegeben haben?«
»Ich kann nicht behaupten, dass mich das glücklich stimmt.« Kleit griff in seine Drillichtasche und kramte nach einem neuen Lho-Stäbchen.
Er befand sich noch mitten im Prozess festzustellen, dass er keine Räucherstäbchen mehr bei sich trug, als eine freundliche Hand in sein Gesichtsfeld reichte, einen noch jungfräulichen Sargnagel zwischen den Fingern.
Dankbar nahm der Sergeant das Lho-Stäbchen an, bevor er entdeckte, dass es sein Colonel gewesen war, dessen Hand ihm das Stäbchen gereicht hatte und sich fragte, seit wann der Regimentskommandeur rauchte.
Captain Balgor indes zog ein Armee-Sturmfeuerzeug hervor und schnippte es auf. Eine schwache Flamme züngelte den Kamin empor. Entweder war die Flamme reduziert oder das Promethium bald alle.
Gierig zündete sich Kleit das Lho-Stäbchen an und nahm einen tiefen Zug. Als er es absetzte, stellte er fest, dass seine Hände zitterten.
Bemerkenswert.
»Kann sich jemand daran erinnern, als wir alle bei den PVS dienten und die Galaxis noch nicht ganz so riesig und tödlich erschien?«, wollte Lenhim melancholisch wissen.
»Ja«, antwortete Balgor lakonisch. »Das war vor einer sehr langen Zeit.«
Ekko brummte zustimmend. »Und solch einen Gedanken von einem Cadianer zu hören, macht mir nicht wirklich Hoffnung.«
»Gab es denn überhaupt jemals Hoffnung?«, fragte Kleit unverblümt zurück.
Ekko schwieg lange – sehr lange. Was hätte er auch sagen sollen? Hoffnung hin oder her.
»Hoffnung ist etwas für Romantiker«, löste er sich schließlich aus seiner Starre. »Hoffnung ist etwas für Televid-Regisseure. Genauso wie Ehre, Ruhm und Glück im Namen des Imperators.« Er schüttelte den Kopf, verscheuchte die Finsternis, die sich aus der Schwärze der Nacht auf seinen Geist herabsenkte. »Nutzen Sie die Zeit und ruhen Sie sich noch ein wenig aus«, schlug er vor. »Je länger wir durchhalten, umso mehr ärgern wir die Grünen.«
»Sagen Sie mir, Colonel«, warf Kleit dazwischen, »hat die Zerstörung des Tors unter dermaßen hohen Verlusten wirklich die gewaltige Änderung herbeigeführt, die Sie sich erhofft haben?«
Wenn es ein beabsichtigter Treffer gewesen war, so hatte der Sergeant ihn definitiv sehr gut platziert.
Die Worte entwichen nämlich in die kalte Nachtluft, ohne dass sich irgendjemand traute, sie zu kommentieren.
Lenhim und Balgor schwiegen und betrachteten die im Feuer der Geschütze schemenhaft wütende Orkmeute, die nach wie vor damit beschäftigt war, Eindruck auf das Bollwerk zu machen, dessen Undurchdringlichkeit sie in stummem Schalk auslachte.
Kleit zog an seinem Lho-Stäbchen. Ekko überlegte.
So dauerte es eine ganze Weile, bis doch wieder Bewegung in das Gespräch kam.
»Nein.«
Dieses Geständnis, vom Schlag einer detonierenden Granate beinahe verschluckt, saß fast genauso gut wie der vormalige Treffer von Kleit, überraschte die beiden Sergeants und erschütterte sogar Balgor mit derselben Stärke wie der Explosionsdonner, der sich über die Ebene ergoss.
»Nein? Das müssen Sie mir erklären«, verlangte der andere Offizier. »Wir haben also so viel Auferheben um eine Sache gemacht, die im Grunde gar keinen Sinn und Zweck erfüllt?«
»Na ja, ganz ohne Sinn würde ich das Ganze nicht sehen. Immerhin kommen die Orks nun nicht mehr rein.«
»Ja, aber wir kommen auch nicht mehr raus.«
»Das stimmt. Allerdings müssen Sie bedenken, dass wir so Zeit gewonnen haben, unsere Wunden zu versorgen und uns neu zu organisieren.«
»Colonel, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
»Doch.« Ekko zog ein neues Lho-Stäbchen aus seiner Manteltasche und steckte es sich in den Mundwinkel. Interessanterweise machte er aber keine Anstalten, sich den Sargnagel anzustecken. »Ich hatte es zwar ein wenig anders geplant, aber der Effekt ist schlussendlich derselbe, finden Sie nicht?«, gab er die Überlegung zurück.
Kleit senkte nachdenklich den Kopf. Er konnte sich nicht recht entscheiden, ob er dem Colonel beipflichten wollte. Natürlich stimmte es: dadurch, dass Retexer das Haupttor vernichtet hatte, war ihnen eine Gnadenfrist gewährt worden. Aber machte das die Lage wirklich besser? Im Grunde verlängerten sich die Qualen ihres Todeskampfes dadurch lediglich.
Kleit legte sich den Satz zurecht und bereitete sich darauf vor, seine Meinung öffentlich kund zu tun, doch als er aufsah, stellte er mit gelindem Erstaunen einzig fest, dass er und Lenhim bereits wieder allein waren.

***

In der tiefen Schwärze der Nacht fiel die Flanke des Berges, auf dem die Kathedrale stand, sehr viel steiler in die Tiefe, als Ekko es in Erinnerung hatte.
Einige Meter weit ließ sich die sanfte Krümmung der Pflasterstraße den Hang zwar noch hinunter verfolgen, und wenn man die Hand ausstreckte, beschlich einen das eigenartige Gefühl, man könne nach dem zerschlissenen Belag der Allee greifen.
Aber dahinter lauerten bereits die Schatten einer gefährlichen Dunkelheit. Die unsichtbaren Klauen der Bedrohung, geboren aus der ureigenen Phantasie eines Menschen und genährt von der Furcht vor dem Unbekannten.
Wer konnte schon sagen, was in den Tiefen der Finsternis auf einen wartete oder mit Sicherheit wissen, ob die Schatten einen wirklich wieder freigaben, wenn sie ihr Opfer erst einmal verschlungen hatten.
Gedankenverloren kaute Ekko an dem Lho-Stäbchen in seinem Mund.
War es wirklich erst wenige Tage her, dass er diesem Anblick erlegen war und nicht mehr fühlte als blankes Erstaunen vor der Urgewalt dieser gewaltigen Stadt?
Konnte es wirklich sein, dass er an diesem Ort so etwas wie Frieden gefühlt hatte?
Erinnerte er sich daran zurück, wie ihn die wenigen Tage im Schoss des mächtigen Bauwerks beruhigt und inspiriert hatten, dann fragte er sich unwillkürlich, ob das alles nicht ein bösartiger Traum gewesen war. Eine weitere Grausamkeit des Imperators und des Universums, geboren um ihn zu quälen.
»Ich hoffe nur, dass Retexers Ehrgefühl nun befriedigt ist«, hörte er die Stimme Captain Balgors neben sich, als dieser mit knirschenden Schritten an seiner Seite zum Halten kam.
»Retexers Ehrgefühl?« Ekko lachte, wobei das Lho-Stäbchen in seinem Mund fröhlich tanzte. Retexers Ehrgefühl. Ein Phänomen für sich. Bei weitem größer als die Himmelskathedrale und mit demselben unersättlichen Hunger nach Aufmerksamkeit, mit dem die langen Klauen der Finsternis über die Seele ihrer Opfer strichen. »Retexers Ehrgefühl zu befriedigen ist fast so einfach, wie einen Leman Russ in voller Fahrt mit Promethium aus Armasec-Flaschen zu betanken.«
»Interessante Metapher«, gab der Captain zu.
Eine heftige Explosion prallte gegen die Verteidigungsanlagen der imperialen Truppen, bestrahlte die Umgebung mit grellem, weiß-orangen Licht. Schallender Donner röhrte über die Kathedrale hinweg.
Ekko lehnte sich nach hinten und ließ seinen Blick in den Nachthimmel davon gleiten. »Ach, ist das nicht schön? So viele begeisterungsfähige Individuen da draußen vor dem Tor!«
»Ja, ich kann mich kaum halten.«, grummelte Balgor. »Allerdings frage ich mich, was die dort wohl gerade machen?«
»Vermutlich bauen Sie derzeit eine große Colonel Ekko-Stoffpuppe. Und wenn sie damit fertig sind, zünden sie sie wieder an.« Der Colonel fuhr herum, von weiser Voraussicht alarmiert. »Sagen Sie nichts! Ich weiß: bei meinem Glück geht denen die Fackel vorher aus.«
»Ich habe doch gar nichts gesagt«, wehrte der Captain ab. »Aber mich würde doch schon sehr wundern, warum Ihnen jemand einen solchen Gefallen tun sollte.«
»Was? Die Fackeln ausblasen?«
»Nein«, erwiderte der dunkelhaarige Basteter, indem er die Augen verdrehte. »Eine Colonel Ekko-Stoffpuppe bauen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass jemand Ihnen diesen Gefallen tun würde.«
»Doch.«
»Colonel, Sie sind wahnsinnig«, bemerkte Balgor, als hätte er diese Tatsache gerade erst entdeckt. Er atmete tief durch, um seine Gedanken zu ordnen, welche gerade neue Einfälle in den Korb der zu besprechenden Themen warfen. »Dabei fällt mir ein: Ihre Schwester ist eine irre Metze!«
Der Colonel hob sehr langsam erst den Kopf, dann eine Augenbraue. »Ich habe keine Schwester«, informierte er seinen Freund, nur um ihn an eine längst bekannte Tatsache zu erinnern. Dass er bereits wusste, worauf Balgor eigentlich hauswollte, ließ sich deutlich daran erkennen, dass seine Lippen im fahlen Licht ferner Explosionen betont unauffällig zu einer schmalen Linie zusammenwuchsen.
»Ich meinte Sile, Sir. Sie hat ihren Trupp zum Rückzug befohlen und dann an der Seite der Space Marines weitergekämpft«, fuhr der Captain fort, ohne die launige Bemerkung seines Vorgesetzten in irgendeiner Weise zu parieren. Noch wusste er, wann es besser war, den Regimentskommandeur nicht übermäßig zu reizen. Und beim Thron, er hoffte, dass sich das auch niemals ändern würde.
Sofort nahm sein Freund den Faden auf. »So etwas erwarte ich von meinen Truppführern«, rief er eine weitere, längst bekannte Tatsache zurück in das Gedächtnis seines Untergebenen.
»Aber, Colonel!«, wandte Balgor ein. »Sie hat ihren Trupp zurückgelassen, um an der Seite einer anderen Einheit weiterzukämpfen!
»In diesem Fall hätte ich von dem Trupp erwartet, dass er an ihrer Seite bleibt«, konterte Ekko unbeeindruckt.
»Colonel!«
Das brach letztlich das Siegel der Zurückhaltung, mit dem sich der imperiale Offizier während der Besprechung umgeben hatte, und das seine Gedanken und Empfindungen hinter dem taktischen Kalkül wichtiger Entscheidungen zurückhielt. »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Zu ihr hingehen und ihr sagen, dass mir ihr Gutdünken nicht behagt?« Der Regimentskommandeur lachte resigniert auf. »Sie würde mich umbringen.« Es folgte ein ernster, begreifender Blick in Richtung des Captains. »Ich verstehe. Gute Idee.«
Balgor wollte gerade erwidern, dass sich sein Verständnis von Humor zutiefst beleidigt sah, als ihm etwas anderes auffiel, das einer dringenderen verbalen Bearbeitung bedurfte: Sile, in die rote Rüstung und die weißen Epitrachelien ihres Ordens gehüllt, trat in die Kommandozentrale, das goldene Haar und hübsche Gesicht über und über mit hässlichen Blutflecken bedeckt. Wieso schaffte es die Prioris eigentlich immer dann, wenn sie am wenigsten erwünscht war, dort aufzutauchen, wo es am Unpassendsten war?
Der Zugführer des zweiten Zugs wollte gerade einen Warnruf ausstoßen, der in auffallender Weise dem einer frisch kastrierten Elster ähnelte, aber er kam zu spät. Sein Freund hatte die Prioris schon entdeckt.
»Schwester«, rief Ekko die Sororita und winkte sie zu sich.
Durch die ihr plötzlich zugedachte Aufmerksamkeit verzückt, wehte die erfrischende Brise ihrer Stimme in Richtung der beiden Offiziere, gefolgt von ihrem engelsgleich heranschwebenden Körper. »Ja?«
Eine überzogene Geste entwich dem Colonel. »Was tun Sie hier?«
»Ich benötigte eine neue Waffe«, lautete die bestechende Erklärung der Prioris, die nicht weniger trug als ihre schwere Servorüstung. Ohne Frage – sie brauchte eine Waffe.
»Ach so. Da sind Sie hier vollkommen falsch«, belehrte er sie. »Es sei denn, Sie wollen mit Captain Balgor schmeißen.«
Siles Miene fror ein, konservierte ihre ebenmäßig kühle Schönheit in einem Moment der Strenge, der deutlich machte, wie wenig sie von seiner Bemerkung hielt.
Tatsächlich spürte Ekko, wie das schneebedeckte Feld im Winter, mit dem sie sich vergleichen ließ, seinen eiskalten Atem in seine Richtung hauchte. Die unausgesprochene Warnung blieb nicht ohne Wirkung.
Sein Unterbewusstsein schreckte zurück und entschied, die Bemerkung mit einem kurzen Wink vorsichtshalber zur Seite zu wischen, um gleich darauf das nächste Thema anzuschneiden. »Aber wo Sie schon einmal da sind …« Der Colonel holte tief und dramatisierend Luft. »Ich hatte gerade ein Gespräch mit Captain Balgor«, eröffnete er und wies auf den anderen Basteter, dessen Miene just in dem Moment dem Frost zum Opfer fiel, der aus Leitis Siles Richtung zu ihnen herüberwehte, »und basierend auf diesem Gespräch möchte ich Ihnen etwas mitteilen, das mir dringend auf der Seele brennt: mir behagt Ihr Gutdünken nicht.«
Das goldene Haar der Prioris stürzte wild über ihre Schultern, als sie verständnislos den Kopf schüttelte. »Bitte, was?«
»Stehe, stehe, denn wir haben deiner Gaben voll gemessen«, sprang Balgor seinem Vorgesetzten von der Seite bei.
Das verwirrte Sile nur umso mehr. »Ich begreife immer noch nicht«, gab sie zu.
Ekko seufzte, von der langen Leitung der Ordensschwester allmählich entnervt. »Bei der Imperialen Armee gibt es ein Leitbild, das da lautet: Befehl und Gehorsam.«
»Auf Bastet sagen wir dazu: Du tust, was ich sage
»Ja … vielen Dank, Balgor«, warf Ekko ein, durch die Bemerkung in seinen Gedanken gestört.
»Habe ich doch gern gemacht«, erhielt er zur Antwort. Ein Grund für ihn, den entnervten Blick nun für einige Sekundenschläge auf seinen Untergebenen zu richten.
»Also gut – vergessen wir das. Was ich damit sagen wollte: Selbst, wenn Sie als Sororita, nein, als Celestia …« – er nahm sich das Recht, ihre Stellung innerhalb der Schwesternschaft noch einmal besonders zu betonen – »einen grundsätzlich anderen Auftrag haben als wir, und demnach auch einer vollkommen differenzierten Gesetzmäßigkeit unterstehen, so sind Sie dennoch eine Dienerin des Imperators. Und als diese haben Sie mir, der ich Kommandant der Feste bin, einen Eid geschworen. Sie haben geschworen, als Führerin eines meiner Trupps die Verteidigung dieser Makrokathedrale zu übernehmen.«
Der Colonel ließ den Schall seiner Stimme in die abendliche Kühle des Beinhauses entweichen, gab ihm gnädig Vorsprung, bevor er seine nächsten Worte ins Rennen schickte, dieses Mal deutlich leiser und mit einem bedrohlich enttäuschten Unterton. »Aber Sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt. Sie haben Ihren Dienst nicht geleistet, Prioris!«
Die kalten, stahlblauen Augen der Sororita flackerten, gleichermaßen entrüstet und erbost über die Behauptung des imperialen Offiziers. Es war, als hätte er sie der Häresie bezichtigt, einer Sünde, für die es keine Absolution gab.
»Colonel!«, versuchte sie zu widersprechen, doch der Mann, der ‚Held von Agos Virgil‘, winkte jeden in der Entstehung befindlichen Einwand mühelos zur Seite.
»Von Ihnen erwarte ich dasselbe, das ich von meinen Männern erwarte: wenn ich einen Befehl gebe, dann führen Sie ihn aus. Und wenn ich sage, Sie führen einen meiner Trupps, dann führen Sie diesen Trupp und übergeben nicht einfach das Kommando, nur weil Sie neben der gesammelten Intelligenz eines abgeschossenen Leman Russ-Panzers in den Kampf gehen wollen.«
»Colonel.« Jetzt endlich schaffte die Sororita es, den Colonel im Redefluss zu unterbrechen. Und was sie zu sagen hatte, stoppte ihn in jeder Hinsicht. »Ich hoffe, Sie meinen das nicht so, wie ich es eben verstanden zu haben scheine. Und mir gefällt ganz und gar nicht, welchen Ton Sie mir gegenüber anschlagen, Colonel Ekko. Wie können Sie es wagen, sich ein Urteil über die Aufgaben und Pflichten einer Sororita anzumaßen? Wie können Sie es wagen, als imperialer Soldaten über eine Celestia bestimmen zu wollen?« Tödliches Stahlblau schnitt durch seine Gedanken, durchschnitt seine Überlegenheit mit der Präzision einer scharfen Klinge.
Polternd brach seine vorbereitete theatralische Rede in sich zusammen. »Ähm«, war das Einzige, was er stattdessen herausbrachte.
»Ich bin einzig und allein dem Imperator verpflichtet – und wenn er meiner Dienste bedarf, dann werde ich mich ihm unterordnen«, fuhr sie fort, vernichtete seine Aufforderung zur Unterwerfung mit spielender Leichtigkeit. »Und Sie sollten das nicht vergessen.«
Das saß. Der Regimentskommandeur starrte die Ordensschwester lediglich an, unfähig etwas Intelligentes zu erwidern. Eine kleine, verräterische Stimme in seinem Kopf begehrte auf, erinnerte ihn mit aller Deutlichkeit daran, dass er sich durch seine eigenen ‚Leistungen‘ dazu hatte hinreißen lassen, seine Macht in diesem Punkt deutlich zu überschätzen.
Welche Unergründlichkeit des Universums ihm das Leben gerettet hatte, verstand er nicht, denn Sile war gegenüber Ligrev nicht so nachsichtig gewesen. Und dass sich zusätzlich dazu jetzt auch noch das Bild einer ‚kniend dienenden Heiligen‘ in seinen Kopf stahl und vor dem goldenen Thron des Imperators auf und ab tanzte, verwirrte ihn umso mehr.
»Versuchen Sie nicht, mit mir zu spielen, Colonel«, zischte die Prioris gefährlich und zwang seine Aufmerksamkeit zurück in die Realität. »Es sei denn, Sie wollen so enden wie Kommissar Ligrev.«
Ekko atmete scharf ein. Wie der Imperator ein wunder Punkt ihrer Seele war, war es Ligrev bei ihm. »Gut«, grummelte er zurück. »Dann machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können, Schwester. Denn schlussendlich sind Sie nur dem Imperator Rechenschaft schuldig.«
Für einen kurzen Augenblick schmolz er ein Loch in das perfekte Winterkind, das vor ihm stand. Ihre Wangen glühten rot auf und sie senkte die Augenlider. Man konnte ihr ansehen, dass sie um Fassung rang und entweder kurz davor stand, auf die Knie zu fallen und den Colonel um Vergebung zu bitten oder ihm den Kopf abzureißen. Aber es war genauso offensichtlich, dass sie all ihren Stolz und ihre Haltung zusammennehmen würde, um sich nicht auf diese Weise zu entblößen - zumindest nicht im Beisein von Captain Balgor.
Ekko entschied, dass weitere Worte eine Verschwendung von Zeit und Atemluft gewesen wären und entließ die Prioris mit demselben Fingerschnippen, mit dem er ein Insekt vom Plottisch geschleudert hätte.
Die Wangen der Prioris gewannen an noch mehr Farbe, sodass es nun auffallende Ähnlichkeit mit einer gerade auf einem Planeten eingeschlagenen Landekapsel der Space Marines besaß. Ob es sich dabei um Schames- oder Zornesröte handelte, ließ sich nicht auf Anhieb sagen.
Sile zumindest schien beschlossen zu haben, dass es der Situation nicht angemessen war, wenn sie begann, Colonel Ekko den Dschihad im Namen des Imperators zu erklären.
Das Haupt in Demut, vielleicht auch ein wenig gedemütigt, gesenkt, verabschiedete sich die Schwester, machte Kehrt und beeilte sich, wieder in das Dunkel der Nacht zu entschwinden.
Als das dumpfe Stapfen ihrer Rüstung in der Finsternis verhallte, wieder unter den Lärmpegel des Waffenfeuers fiel, wandte Ekko sich um, die Miene unglücklich verzogen. »Oh, thronverdammt. Vergraben Sie mich, Balgor. Ich bin tot.«
»Ich weiß nicht. Es kommt mir so vor, als wenn Sie das gerade richtig genossen haben, Chef«, bemerkte der Captain.
»Genossen? Thronverdammt – ich habe mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Meinen Sie, die Dame hat irgendetwas von dem, was ich ihr gesagt habe, begriffen?« Er schnaubte freudlos und deutete in die Richtung, in die die Sororita verschwunden war. Ein fruchtloser Versuch, seine angegriffene moralische Überlegenheit zu gipsen. »Da geht sie hin – und ballert weiter. Und wenn sie damit fertig ist, knackt sie meine Nüsse. Beim nächsten Mal, wenn Sie so eine phantastische Idee haben, warnen Sie mich vor den Risiken.«
»Ach, ich merkt es«, rezitierte Balgor mit überdeutlich theatralischer Stimme. »Wehe, wehe, hat er doch das Wort vergessen! Ach das Wort, worauf am Ende sie das wird was sie gewesen! Ach, sie läuft und schießt beidhändig! Wär‘ sie doch die alte …« Als Ekko sich erhob und seinen Kopf betont langsam in Richtung des Captains wandte, verstummte Balgor, erneut seufzend. »Aber so lässt es sich auch gut lesen«, schloss er.
»Balgor – habe ich da gerade Poesie aus Ihrer Stimme vernommen? Oder war das Zynismus?«
Der dunkelhaarige Basteter nickte, von der Feststellung seines Kommandeurs richtiggehend erfreut. »Ich plane für mein neues Buch. Ekko, Sile und der Jagdpanzer. Eine Liebesgeschichte im Imperium
Krachender Explosionsdonner unterstrich seine Worte.
»Beim Barte des Propheten«, seufzte der Regimentskommandeur und warf seinen Kopf in den Nacken. »Womit habe ich das verdient?«
Die Sterne lachten in an.
Entnervt überließ der Basteter die Unendlichkeit sich selbst und verschränkte die Arme vor der Brust. »Thron von Terra«, gab er auf, »Womit habe ich das verdient?«, und begann an seinen Fingern abzuzählen: »Eine Prioris, ein Kommissar-General, ein Trupp Space Marines, eine verrückte Ekklesiarchin. Kann es überhaupt noch schlimmer werden?«
Balgor hob die Schultern. »Ein lebensmüder Colonel?«
Ekko nahm den Punkt in seine Liste auf. »Stimmt. Den hatte ich vergessen. Guter Einwand. Damit wären wir ein Pentavirat der Katastrophen. Der Imperator beschützt.«
»Der Imperator beschützt«, wiederholte der Zugführer.
»Ich hätte damals schießen sollen«, bemerkte Ekko nach einer Weile.
Die Stirn seines Freundes legte sich in tiefe Falten. »Wann?«
»Damals«, wiederholte der Basteter, als sei damit alles gesagt, bevor er mehr an sich gerichtet fortfuhr: »Auf Bastet. Ich hätte auf sie schießen sollen.«
»Auf Kortessa?«
»Nein. Auf Ayle.« Ekko versank in den schmerzhaften Erinnerungen der Vergangenheit. »Haben Sie wirklich gedacht, ich würde mit einer Laserpistole auf eine Servorüstung schießen?« Seine Stimme klang seltsam fern, ja, beinahe beschwingt. »Ich hätte sie nie mit ihnen gehen lassen dürfen.«
Balgor schwieg und hörte zu, wie sich sein langjähriger Freund in einem Meer aus bitterer Melancholie selbst ertränkte, referierte über das Für und Wider einer einzigen Entscheidung, die sein Leben am damaligen Tag mit einem Schlag hätte beenden können.
Sein Leben und das … von Balgor.
Wenn er sich daran erinnerte, wie er damals aus tiefster Loyalität zu seinem Vorgesetzten sein Leben in die Waagschale geworfen hatte, kam es ihm fast wie Verrat vor, diese Worte aus dem Mund seines letzten verbliebenen Freund in der Galaxis zu hören.
Er wusste, gehörte zu Ekkos Art, auf eine grausame, einem Vorgesetzten eigentlich unwürdige Weise mit seinem eigenen Leben zu spielen und das Vertrauen, nein, vielmehr die Hoffnung seiner Leute so nicht nur zu missbrauchen, sondern auch zu zerstören.
Während im Imperium die weit verbreitete Meinung vorherrschte, Soldaten seien lediglich eine sich stets erneuernde Mauer aus nutzlosen Leibern, teilte man auf Bastet diese Meinung nicht unbedingt.
Für einen Vorgesetzten waren seine Männer ebenso Ressourcen wie die ehernen Körper der Leman Russ, die schnellen Sentinels, die kreischenden Walküren und selbst die im Vergleich zu diesen Waffen unbedeutenden, aber zuverlässigen Lasergewehre. Sie sinnlos zu verbrauchen, ergab bei einer Bevölkerung mit der Größe Bastets einfach keinen Sinn.
Diese Richtlinie hatte Bastets Überleben in vielen Jahrhunderten ständiger Belagerung durch die Orks in einem Universum voller Krieg gesichert und jeder Kommandant einer bastetischen Einheit wurde zusätzlich zu den imperialen Doktrinen der Kriegsführung im umsichtigen Umgang mit seinem Personal geschult (auch wenn imperiale Offiziere die bastetische Kampfführung im Allgemeinen ablehnten).
In seiner Zeit bei der PVS hatte Ekko dieses Konzept der ‚Humanität‘ stets beherzigt, aber seit dem Eintritt in die Imperiale Armee (damals noch im Rang eines Lieutenants der Bodentruppen), hatte er sich gewandelt.
Besessen von seinem Wunsch zur Selbstvernichtung und gefangen in den Tiefen einer egozentrischen Melancholie entfernte er sich immer mehr von der Person, die er einst gewesen war.
Major Carrick hatte diese Eigenart des Colonels kurz vor ihrer Landung auf Agos Virgil mit einem Ausdruck von Bastet bedacht: das ‚Herz aus Eisen‘.
Das Herz aus Eisen war im Grunde eine Versinnbildlichung für all die Schmerzen, die ein Mensch in sich trug, jedoch hinter einer Maske verbarg. Zumeist ging dieser Begriff einher mit der Art, wie dieser Mensch sich nach außen hin gab.
Einige Soldaten hatten dem Colonel zeitweilig ein Herz aus Stein, beziehungsweise ein Herz aus Eis zugesprochen, auch wenn das vollkommen absurd war. Die Eigenschaften, die man mit Stein und Eis verband, trafen auf Ekko gewiss nicht zu.
Natürlich hatte selbst der Major inzwischen erkannte, dass das Herz aus Eisen auf Ekko ebenfalls lediglich bedingt anzuwenden war.
Trotzdem ließ sich der Vergleich zwischen Ekko und Eisen nicht von der Hand weisen, denn wie der Stahl besaß der Regimentskommandeur eine harte und schneidende Art, die zwar noch in der Lage war, sich zu formen, aber von außen kaum bearbeitet werden konnte.
Wie ein Schwert oder ein Dolch parierte der Basteter jeden Angriff auf ihn, nur um dann selbst zuzustechen und seinen Feind zu töten – und wenn er selbst dieser Feind war … wer hatte nicht schon seine Waffe gegen sich selbst gerichtet? Dabei konnte er desinteressiert und berechnend sein, aber auch hitzig und brutal.
Und unter der Hülle von Colonel Ekkos Herz aus Eisen wartete eine glühende Wut, die jeden Tag eines imperialen Jahres damit beschäftigt war, sich durch den Kokon zu schmelzen, um den imperialen Offizier von innen hinaus zu verbrennen.
Seitdem Balgor Ekko kannte, fürchtete er sich vor dem Tag, an dem die geschmolzene Masse, die einst Ekkos Gefühlsleben gewesen war, aus dem ehernen Sarkophag floss und den dann seelenlosen Körper gegen all das richtete, was ihm noch geblieben war.
Ohne Frage – noch erschien dieser Tag fern und im Angesicht von Ekkos unglaublichem Glück, alle Unwägbarkeiten auf irgendeine Weise zu meistern, nicht wirklich wahrscheinlich.
Aber der Captain wusste: Jeder Mensch erreichte irgendwann den Punkt, an dem er den Dämonen in seinem Innersten nichts mehr entgegenzusetzen vermochte.
Und wenn Ekko diesen Punkt erreichte, dann war er endgültig verloren. Dann gab es keine Hoffnung mehr für ihn.
Schon vor langer Zeit hatte Balgor entschieden: würde sein Freund jemals dem Kampf gegen seine inneren Dämonen verlieren, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als die Leiden des Regimentskommandeurs selbst zu beenden.
Und danach würde er selbst in einen tiefen, langen Schlaf der Seelenlosigkeit fallen. In eine lange Nacht, aus der es kein Entkommen gab.
Als hätte Ekko die Gedanken seines Begleiters mitgehört, wandte er sich langsam Balgor zu. »Wir sollten zurückgehen. Die lange Nacht befindet sich bereits im Anmarsch.«
»Die lange Nacht? Woher wissen Sie das?«
Der Regimentskommandeur lächelte freudlos und vollführte eine Geste, die aussah, als würde er sich auf eine sehr elegante Weise Luft zufächeln. »Es riecht nach … Nacht.«
Er schob die Hände zurück in die Manteltaschen und trottete zurück in Richtung Landefeld.
Balgor blieb ein wenig länger und hielt seine Nase in den von den gewaltigen Energien erzeugten Wind. Er schnupperte nach dem ‚Nachtgeruch‘, den der Colonel ihm eben beschrieben hatte, doch alles, was in seine Nase biss, war der Gestank von Fyzelen.
Woher hätte er auch wissen sollen, dass Ekko genau diesen Gestank gemeint hatte.
 
Heyy..
juhuuu es geht weiter 🙂

Ich muss sagen Ekko ist einfach der Geilste, auch wenn ihm das Schicksal ziemlich zusetzt. Trotz seiner ganzen Suizidgedanken ist er mir Ursympatisch und sein Sarkasmus bringt mich in jedem Kapitel mehrmals zum Schmunzeln. Ich finds einfach Klasse wie du diesen Chasrakter geformt hast. Durch ihn werden actionlose Teile nie langweilig sondern geben der ganzen Geschichte nochmals die richtige Würze! Ekko kann ich mir schon viel besser vorstellen als Uriel Ventris nach vier Bänden Ultramarines. Ganz großes Kino:clap:

Du schreibst hier mit Abstand eine der besten Fanfik´s die ich bisher gelesen habe und darum bin ich auch so erfreut wenn es weitergeht.

Auch wenn es mich etwas demotiviert an meiner eigenen Geschichte weiter zu schreiben, da du die Messlatte schon ziemlich hoch setzt. Andrerseits spornt es mich auch wieder an.

Also weiter so!!!

Gruß Andy
 
Hi Andy,

schön, dass es dir noch gefällt, wobei ich sagen muss, dass es mir nicht ganz behagt, wenn meine Art zu schreiben andere Hobbyautoren demotiviert, ihre eigenen Geschichten fortzuführen. ;-D
Aber ich freue mich, dass du nach wie vor durchhalten möchtest.
Zu Ekko: Tja, was soll ich dazu sagen? Noch habe ich Muße, ihn als Zugpferd zu halten, wobei ich bereits an einigen neuen Charakteren arbeite, die Ekko später wohl doch eher in den Hintergrund drängen (wobei ja ursprünglich auch Lenhim das Zugpferd der Story sein sollte, aber Ekko dann doch besser ankam).
Und so lange mir mein Beta-Leser bei zu viel Blöd-sein mal kräftig in die Tastatur knistert, wird sich daran auch so schnell nichts ändern, bin ich sicher ;-D

Mavet Me’shamaim

DaSista
 
Hallo, liebe Stargazer-Leser,

Hier das neue Kapitel!

Wie immer vielen Dank an Nakago, der den Fluff kontrolliert hat und viel Spaß beim Lesen!


34

Das rot-orange Band eines blutigen Morgens schob sich über den erwachenden Himmel, als die Orks zum nächsten Angriff ansetzten.
Die ganze Nacht über hatte ihr Artilleriebombardement den Stadtwall der Kathedralenstadt perforiert und gegen zwei Uhr morgens waren sogar einige kleinere Trupps zwischen dem Schutzschild und den aufgetürmten Trümmern des gesprengten Tores in das vom Imperium verteidigte Areal eingesickert, nur um dort von der kombinierten Gewalt vergrabener Sprengsätze und dem Abwehrfeuer der Basteter zerrissen zu werden.
Unbemerkt dabei blieb hingegen, dass der Feind auch an anderer Stelle in die Stadt eindrang.
Der fünfte Trupp des achtzehnten Zuges gehörte zu den wenigen Einheiten, welche vorgeschobene Positionen im Defensivperimeter des 512. einnahmen.
In zwei Halbtrupps aufgeteilt und mit einer Chimäre zur Feuerunterstützung und schnellen Verlegung versehen, besetzte die Einheit die Reste zweier Schützenlöcher. Ihre Order war klar gewesen: Feststellen und beobachten aller möglichen Feindaktivitäten in ihrem Gebiet und sofortiges Bekämpfen eindringender Streitkräfte bis zu dem Punkt, an dem die Truppe zum Rückzug gezwungen wurde.
Aber bisher hatte sich kein Feind blicken lassen.
Irgendwo an ihrer rechten Flanke hämmerte unablässig Waffenfeuer und aus den leise gestellten Funklautsprechern der Chimäre plärrten Befehle und Meldungen.
In ihrem Sektor dagegen war die Nacht verhältnismäßig ruhig geblieben, abgesehen vom dumpfen Krachen der feindlichen Artillerie auf der anderen Seite der Außenmauer.
Man hatte sie nicht einmal mit Mörsern oder Zzapwummen beschossen, wofür die Männer des fünften Trupps durchaus dankbar waren.
Denn so hatten sie sogar ein wenig Schlaf gefunden und waren frisch und ausgeruht. Natürlich hatten sie damit eine grundsätzliche Pflicht ihres Auftrages verletzt – aber welcher Ork wäre schon über diese Mauer gekommen? Zudem hatten ja immer zwei Männer jedes Halbtrupps in der Nacht Wache gehalten und so dafür gesorgt, dass sich niemand ihrer Stellung unbemerkt nähern konnte (wobei diese allerdings eher Augenmerk auf eventuell vorbeikommende Vorgesetzte gelegt hatten).
Und so war es auch kein Angriff der Orks, der Sergeant Saf Pakell weckte – auf jeden Fall nicht direkt.
Vielmehr wurde er durch ein kräftiges Rütteln an seiner Schulter aus einem friedlichen Schlaf gerissen. »Sergeant! Sergeant! Wachen Sie auf!«
»Was?!« Im ersten Moment vollkommen verwirrt richtete sich der Unteroffizier auf, bis ihn der Gestank umherwabernden Ozons deutlich in die Nase biss und die Alarmglocken in seinem Kopf losschrillten. Ein Schub Adrenalin schoss durch seine Adern, pumpte die Müdigkeit aus seinem Körper. Innerhalb kürzester Zeit taute die nächtliche Umwölkung aus seinem Geist. »Thronverdammt! Was ist los, Krem?«
»Es hat aufgehört«, bemerkte Soldat Krem und runzelte seine zerfurchte Stirn. »Sie schießen nicht mehr.«
[SUP]»[/SUP]Was sagen Sie da?« Pakell erhob sich und runzelte die Stirn. Die Worte des Soldaten ergaben für ihn im ersten Moment keinen Sinn. Die Ork-Artillerie hatte die gesamte Nacht über …
Er verstummte.
Totenstille herrschte um sie herum. Es regte sich so gut wie kein Lüftchen, abgesehen vom heißen, elektrischen Knistern des Schutzschilds über ihren Köpfen.
Kein Waffenfeuer brandete mehr gegen die schweren Mauern der Kathedralenstadt. Das Jaulen der Mörsergeschosse hatte aufgehört und die dumpf zischenden Entladungen der Zzapwummen waren nicht länger zu vernehmen.
Verwundert richtete sich der Sergeant auf. »Sie haben Recht«, stellte er fest.
Er fragte sich noch, was das bedeuten konnte, als ihm etwas an der Chimäre auffiel: der Panzer schaukelte leicht. Die Lautsprecher verstummten.
In dem geschützten Körper des Kettenfahrzeugs regte sich etwas.
Der Kopf des Panzerkommandanten erschien in der Luke, wie Pakell offensichtlich aus einem friedlichen Schlummer gerissen.
Der Mann sah sich suchend um, bevor er schließlich die Infanteristen entdeckte.
»Irgendwas stimmt hier nicht!«, rief er ihnen zu.
Die Chimäre wackelte erneut. Laut röhrend sprang der Panzermotor an, hustete schwarzen Qualm in die morgendliche Luft.
Pakell runzelte die Stirn. Dieses Schaukeln konnte doch nicht nur von der Mannschaft und dem Anwerfen des Motors herrühren. Immerhin war der Schützenpanzer ein achtunddreißig Tonnen schweres Fahrzeug, das sich nicht einfach bewegte, nur weil die Besatzung zum Leben erwachte.
Der Fahrer trat das Gaspedal durch und die Chimäre heulte schrill auf.
Beunruhigt verfolgte der Sergeant, wie der Panzerkommandant seine Kopfhörer aufsetzte und dann in sein Kehlkopfmikrofon sprach. Der Turm des Schützenpanzers schwenkte nach links, während die Besatzung die Servomotoren testete.
Im nächsten Moment war das Kettenfahrzeug weg.
Ohne einen Ton oder sonstige Vorwarnung brach es einfach in den Erdboden ein.
Die imperialen Soldaten sprangen entsetzt auf. So etwas hatten sie vorher noch nie gesehen.
»Whahaa«, entwich es einem Infanteristen.
»Thronverdammte Scheiße«, fügte Corporal Siddig fassungslos an.
Das stakkatoartige Wummern des rumpfmontierten Schweren Bolters setzte ein, dröhnte dumpf zu ihnen hinauf. Fast so, als würde die Waffe gerade in der beengten Umgebung eines äußert langen Tunnels abgefeuert. Vor der Chimäre brach weiterer Erdboden weg, versank mit donnerndem Rauschen in der Tiefe.
Pakells Unterbewusstsein reagierte mit antrainierter Schnelligkeit, auch wenn der Rest seines Körpers noch in tiefster Schockstarre residierte.
»Hoch!«, hörte sich der Sergeant in die Luft bellen. »Alles auf und in Stellung!« Dann erst erlangte er die Kontrolle über seine Bewegungen zurück.
Um ihn herum sprangen Soldaten auf und rannten in die provisorisch verstärkten Schützenlöcher, in denen sie sich gegen einen plötzlich einfallenden Feind hatten wehren wollen.
Doch gegen das, wessen sie gerade Zeuge wurden, konnte man sich nicht in Schützenlöchern verteidigen.
Wie sollte man sich auch gegen einen Feind wehren, der aus der Tiefe kam?
Pakell knirschte mit den Zähnen, als er selbst neben seinem Funker in Deckung ging. Eine vom Chaos eingefädelte Teufelei! Es konnte gar nicht anders sein.
»Rufen Sie sofort die Kommandozentrale!«, befahl der Sergeant, an den Soldaten gewandt, doch der blickte ihn in einer Mischung aus Verwirrung und Entsetzen an.
»Unser Funkgerät ist in der Chimäre!«, meldete er schließlich.
»Was?« Pakell glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. »In der …« Er wies auf das Loch, aus dem eine kleine Staubwolke aufstieg. Weitere Worte waren nicht notwendig.
»Ja, Sir«, bemühte sich sein Untergebener zu erklären. »Die Batterien hatten keinen Saft mehr. Daher habe ich die Anlage an den Akkumulator des Panzers angeschlossen.«
»Das’n Scherz!«
»Nein, Sir.«
»Ich fass‘ es nicht.« Der Sergeant hob seinen Kopf über den Rand der Deckung, sondierte das umliegende Gelände mit wachen Blicken. Wie es schien, waren keine Feinde in das Innere der Kathedrale eingesickert. Gut so.
Pakell wandte sich um und gab ein kurzes Handzeichen zum Schützenloch hinter ihnen.
»Brick!«, rief er einen der Soldaten zu sich. »Kommen Sie mit! Sie auch!«, fügte er, an seinen Funker gewandt, deutlich leiser an.
Dann schwang er sich aus der Deckung, die beiden Männer im Schlepptau.
Ihre Waffen im Anschlag gingen sie vor.
Der Weg bis zur eingebrochenen Chimäre war nicht weit, dennoch raste der Zeiger einer imaginären Uhr in Pakell vorwärts, trieb die Zeit mit unaufhörlicher Sturheit fort, sodass der Sergeant sich vorkam, als laufe die Welt um ihn herum im Zeitraffer ab.
Schon sah er vor seinem inneren Auge Horden von Orks durch die Mauer brechen und die imperialen Stellungen überrennen, weil er nicht schnell genug herausgefunden hatte, was mit der thronverdammten Chimäre geschehen war.
Glücklicherweise spielte ihm seine Fantasie einen Streich, und weder die Mauer, noch der Panzer oder irgendein Xeno machten Anstalten, seine Schreckensvorstellung wahr werden zu lassen.
Tatsächlich waren der Truppentransporter und das ihn umgebende Areal so tot, als hätte man ihnen das Genick gebrochen.
Unwillkürlich fragte sich Pakell, was für vom Chaos eingefädelte Teufelei wohl einen derartigen Effekt auf die Umwelt ausübte.
Er brauchte sich selbst gegenüber nicht einmal ausgesprochen ehrlich sein, um festzustellen, dass er so eine Szene, wie die, die sich ihm bot, noch nie zu vor gesehen hatte – geschweige denn davon gehört, dass es eine Waffe gab, die solch eine Auswirkung auf den Boden ausübte.
Als er und seine Begleiter die eingebrochene Chimäre erreichten, geriet der Sergeant umso mehr ins Staunen.
Tatsächlich erschien der um das Fahrzeug herum entstandene Graben nicht wirklich tief. Seine Ausdehnung mochte vielleicht viereinhalb oder fünf Meter in der Vertikalen betragen, sowie gute fünfeinhalb in der Horizontalen. Vermutlich hätte ein gut ausgebildeter Pioniertrupp der Imperialen Armee einen solchen Graben in gut einer Nacht ausheben können. Das wirklich bemerkenswerte allerdings war, wie sich dessen Entstehung auf die Chimäre ausgewirkt hatte.
Der Truppentransporter hatte sich in der plötzlich eingesunkenen Erde verkeilt wie ein Tier, das unvermittelt in einen Steinrutsch geraten und eingeklemmt worden war.
Wie sich erkennen ließ, war die Kommandantenluke teilweise aus ihrer Verankerung gerissen worden, was trotz der geringen Falltiefe auf eine beachtliche Krafteinwirkung hinwies – oder eine schlechte Verarbeitung der Scharniere.
»Umgebung sichern!«, befahl der Sergeant und wies auf das offene Turmluk des Panzerfahrzeugs. »Prüfen Sie, ob die Besatzung noch lebt.«
Brick und der Funker gingen bis zum Graben vor und suchten den Abgrund in nächster Nähe mit kurzen Blicken ab, bevor der Infanterist auf den verdrehten Rumpf des betäubten Panzers sprang.
Mehr rutschend als sich aufrecht bewegend, und unter Verwendung sämtlicher ihm bekannter Flüche, arbeitete er sich bis zur Kommandantenluke vor, um sich dann ein wenig schwerfällig in das beschädigte Fahrzeug zu schieben.
Pakell kniete sich hin und betrachtete den Graben eingehender. Erneut fragte er sich, welche Waffe zu solch einer Auswirkung in der Lage war, zumal sie die Außenmauer nicht einmal angekratzt zu haben schien. Immerhin ging es hier um Energien, die jenseits dessen lagen, was man mit einer herkömmlichen Handfeuerwaffe oder einem Panzerfahrzeug an Erdarbeiten durchführen konnte. Seine Überlegungen kreisten eine Weile um die Frage, bevor sie sich an einen vorherigen Gedankengang erinnerten. Ein ausgebildeter Pioniertrupp der Imperialen Armee war in der Lage, einen solchen Graben in gut einer Nacht auszuheben. Einen solchen Graben – oder einen Tunnel.
Nun war allerdings nicht nur die Imperiale Armee dafür bekannt, dass sie liebend gern das Gewehr schulterte und mehr mit dem Feldspaten exerzierte. Auch die meisten Xenos wühlten, zutiefst begeistert, in der Erde.
Der Sergeant sah auf. Konnte das sein? War es wirklich möglich, dass …?
Wütendes Fluchen schälte sich aus dem eingeklemmten Schützenpanzer, zerschlug Pakells Gedankengang mit dem Vorschlaghammer der Aufmerksamkeit.
Brick tauchte in der Kommandantenluke auf, bereit seine Meldung zum Zustand der Besatzung zu machen.
»Der Richtschütze ist tot, Sir«, rief der Soldat zu ihnen hinauf. »Kommandant und Fahrer leben noch, aber der Kommandant hat beide Beine gebrochen und der Fahrer ist unter dem Richtschützen eingeklemmt. Das schaffe ich nicht alleine. Ich brauche mehr Leute.«
»In Ordnung«, antwortete Pakell bellend. »Hilfe ist unterwegs! Kommen Sie wieder raus und sagen Sie mir, was weiter vorne ist.« Er wies auf den Verlauf der künstlichen Senke, die nahe der Außenmauer steil in den Erdboden abzufallen schien.
Brick Augen folgten der Geste des Vorgesetzten, und die Schultern des Infanteristen sanken. »Ist das Ihr Ernst?«
»Glauben Sie, ich gehe selbst nach vorne?«, erwiderte der Unteroffizier, worauf sein Untergebener einen kurzen Moment lang über seine Möglichkeiten resümierte.
Schließlich gab er auf und zog sich aus dem Fahrzeug.
Pakell rief seinen Funker zu sich. »Wo ist mein Funkgerät?«, wollte er wissen.
Der Soldat wies auf die offene Fahrzeugluke. »In der Chimäre«, meldete er wahrheitsgemäß.
»Ja, dann hopp!«, wie der Sergeant ihn an. »Melden Sie die Lage.«
Eilends sprang der Mann auf und machte sich daran, einen möglichst gefahrlosen Abstieg auf das schief liegende Dach des Kettenfahrzeugs zu finden. »Was beim Thron ist das bloß?«, murmelte er.
Pakell schüttelte den Kopf, auch wenn er wusste, dass ihn der Mann weder sehen, noch hören konnte. »Ich habe keine Ahnung.« Er wandte sich um und winkte weitere Infanteristen herbei.
Der erste, der ihn nach gut einer halben Minute erreichte, war sein Stellvertreter, Corporal Siddig.
Sein Sergeant hielt sich nicht lange mit Details auf. »Laufen Sie zum nächsten Posten und erstatten Sie Meldung!«, befahl er dem Mann. »Los!«
Siddig grüßte nachlässig und stürmte von dannen, während die restlichen Soldaten bei ihrem Sergeant eintrafen und sofort Deckungspositionen nahe des eingebrochenen Kampffahrzeugs einnahmen, auch wenn keine erkennbare Gefahr bestand.
Schnell selektierte der Sergeant vier von ihnen und schickte sie zur Bergung der Verletzten, um danach weitere Aufgaben zu verteilen. Er wollte gerade zwei Infanteristen losschicken, eventuelle Beschädigungen am Mauerwerk des Außenwalls zu begutachten, als er die Stimme von Soldat Brick vernahm.
Eigentlich ging ihm dessen pausenloses Gefluche bereits deutlich zu sehr auf die Nerven, aber dieses Mal steckte in jedem der Worte eine inbrünstige Angst, die Pakell aufhorchen ließ.
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, näherte sich der Infanterist, das Gewehr mit den Händen so fest umklammert, als wollte er Griff und Handschutz mit einer einzigen Bewegung in Zwei brechen. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
»Was ist denn?«, bellte der Truppführer und beobachtete, wie sein Untergebener den Panzer mit der Inbrunst einer paarungsbereiten Dogge ansprang.
»Thronverdammte Scheiße!«, schrie Brick und reichte mit den Händen in die Höhe. »Zieht mich hoch! Zieht mich sofort hoch!«
Infanteristen eilten herbei und ergriffen die ausgestreckten Arme ihres Kameraden, um ihn aus dem Graben zu ziehen.
»Was ist?«, wollte der Sergeant wissen.
»Sprengstoff!«, meldete der Soldat in atemloser Panik. »Sie haben die thronverdammte Mauer vermint!«
Hastig zog er sich an den Armen der anderen Soldaten hinauf, rutschte aus und schlug hart auf den Boden, nur um sich wieder aufzurappeln und mit vor Entsetzen verzerrter Miene vor der tiefen Wunde in der Erdoberfläche zu flüchten.
Pakell sah auf. Sprengstoff? Minen? Konnte das etwa bedeuten, dass die Orks den Schutz der eigenen Waffen genutzt hatten, um die Mauer zu unterminieren und Explosivstoffe auszubringen?
Waren Xenos wirklich so intelligent, dass sie eine so verschlagene Technik einsetzten?
Entsetzen grub sich seinen Weg in die Gedanken des Sergeants, als ihn seine Erfahrung anschrie. Ich habe es dir gesagt! Thronverdammte Scheiße! Ich habe es dir gesagt!, hörte er sich selbst im Geiste schreien.
Nein! Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein!
Er erhielt keine Gelegenheit mehr, die Wahrheit zu erkennen, geschweige denn, sie zu verstehen.


***

Eine gewaltige Explosion erschütterte die Himmelskathedrale, zerriss die von Unruhe erfüllte morgendliche Luft mit demselben Knall, mit dem eine aufschlagende Tür ein stilles Zimmer erbeben lässt.
Die Detonation erschreckte das archaische Gemäuer dermaßen, dass es regelrecht in sich zusammenfuhr. Einige der beeindruckenden Buntglasfenster sprangen entsetzt aus ihren Rahmen, nur um mit lautem Getöse auf den reich gefliesten Kirchenboden zu fallen und dort zu zerspringen. Wäre das Bauwerk ein Mensch gewesen, es hätte sich vermutlich vor Angst in die Hose gemacht.
Doch nicht nur die altehrwürdige Kathedrale fand sich im Schockzustand wieder.
Im schnellen Schritt stürmte Ekko durch die offenen Flügeltüren des Hauptschiffs in Freie, Major Carrick im Schlepptau. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich die beiden Offiziere bewegten, verwunderte es, dass das unsichtbare Seil zwischen ihnen nicht bereits gerissen und der Major unkontrolliert gegen die nächste Säule geprallt war.
»Ich will wirklich hoffen, dass da nur jemand mit den Nachwirkungen der Frühverpflegung zu kämpfen hat«, warnte der Colonel seinen Stellvertreter mit erhobener Hand. Ganz so, als würde er Carrick dafür verantwortlich machen wollen, wenn dem nicht so war.
»Ich denke nicht, dass die Lösung so einfach ist«, erwiderte der Major bitter.
Ekko ließ ein unwilliges Grummeln ertönen. Dann allerdings entdeckte er den weit entfernt aufsteigenden Rauchpilz der kräftigen Detonation und blieb wie angewurzelt stehen. »Thronverdammt! Was für eine Wolke! Sind Sie sich sicher, dass da nichts im Essen war?«
»Colonel!«, rief der Major entrüstet aus.
Abwehrend hob sein Vorgesetzter die Hände. »Ist ja gut. Ich gehe dennoch vorsichtshalber darüber«, sagte er und wies auf die bereitstehende Walküre, das Shuttle zwischen Dachplattform und Haupteingang. »Nur für den Fall, dass die Mahlzeit auch bei Ihnen zu Reaktionen führt.«
Um einen schnellen Transport von Personal zu garantieren, befand sich der Senkrechtstarter seit der letzten Nacht im sogenannten »Alert fünf«, der fliegerischen Bezeichnung für einen Zustand, indem die Maschine innerhalb von fünf Minuten in die Luft steigen konnte. Normalerweise gab es einen solchen Zustand nicht (das für eine Besatzung ertragbare Maximum lautete »Alert fünfzehn«), aber seit dem Absturz von 0192 Galadriel hatte der Colonel jeden weiteren Einsatz der Luftunterstützung vorerst verboten, und so standen ihm rund um die Uhr zwei Maschinen mit zwei Besatzungen zur Verfügung, die er im zehn-Stunden-Rhythmus in Bereitschaft halten konnte.
Schon rief der Pilot seinem WSO zu, die Cockpitkanzel herunterzufahren, um Abflugbereitschaft herzustellen. Auch sie hatten die gewaltige Explosion beobachten können, die den gesamten Komplex erschüttert hatte und wussten, wie wichtig es war, dass der Colonel nun schnellst möglichst zu seinem Kommandozentrum gelangte. Leises Summen ertönte, als die Starter der Turbinen anliefen.
Ekko winkte ab, während er eilig in Richtung der einsatzbereiten Maschine lief. Noch bevor die Bodenmannschaft die Cockpitzugangsleiter von der Walküre lösen konnte, hatte der Basteter sie bereits erklommen und lehnte sich ins Cockpit.
»Kein Grund, gleich in Panik zu geraten!«, verlangte der Colonel. »Bleiben Sie ruhig und geben Sie mir ihren Feldstecher.«
Verwirrt starrten ihn Pilot und WSO an.
»Feldstecher! Jetzt«, wiederholte der Regimentskommandeur und vollführte eine drängende Geste.
»Ähm … natürlich, Sir! Hauptstarter in Bereitschaft runterfahren«, befahl der Pilot.
»Hauptstarter wieder in Bereitschaft«, echote der Waffensystemoffizier. Ein kleines Handbuch mit einer Checkliste löste sich aus seiner Halterung rechtseitig des Arbeitsplatzes und rutschte auf die Beine des Mannes.
Mehr mit sich selbst sprechend als irgendwen Spezielles adressierend begann der Mann, die Prüfliste nacheinander abzuarbeiten. »Hauptregler aus – checked; Treibstoffzufuhr aus – checked …«
Währenddessen begann der noch immer überraschte und verwirrte Pilot, sich aus seinen Sitzgurten zu schälen.
Vorsichtig im Cockpit manövrierend, als befände er sich inmitten eines Feldes aus ultrahoch erhitzten Kochplatten, wandte er sich um und fuhr damit fort, die Überlebensausrüstung in seiner Sitztasche zu suchen.
Durch die beengten Verhältnisse in der Flugzeugkanzel war das nicht ganz einfach und so dauerte es weitere wertvolle Minuten, bis er endlich gefunden hatte, was der Colonel suchte.
In jeder Überlebensausrüstung – zumindest der generischen – fand sich neben vielseitigen Hilfsmitteln für ein Überleben auch ein monokularer Feldstecher, damit ein abgestürzter Pilot das umliegende Gelände einer genauen Betrachtung unterziehen konnte, bevor er sich aus seiner schützenden Deckung begab.
Nun nahm Ekko den in Tarnfarben gemusterten Körper an sich, sprang von der Zutrittsleiter und lief zum Rand des Kirchenvorhofs.
Im Hintergrund bekam er die Meldung des WSO mit, dass die Prozedur zum Zurücksetzen des Bereitschaftszustandes erfolgreich gewesen war. Er ignorierte sie.
Am Rand des Kathedralenvorhofs angekommen, sprang er auf eine der Munitionskisten und setzte den Feldstecher an sein Auge. Mit schnellen, aber gezielten Bewegungen rasterte er die sich ausbreitende Staubwolke ab.
In der Nähe brüllten Captains ihre Züge in Gefechtszustand, während Panzersoldaten aufgeregt ihre Fahrzeuge besetzten.
Die gleiche Situation hatten sie bereits erlebt – am gestrigen Tage, als es den Orks für einige Stunden gelungen war, durch das Haupttor in den äußeren Ring der Kathedrale einzubrechen.
Dieses Mal jedoch war es anders. Man spürte diesen ungemeinen Druck, der sich durch den Boden in die Beine fortpflanzte. Ein verzweifelter Schrei, der alles sagte, das es zu sagen gab: Sie sind hier! Die Orks sind in der Stadt!
Allmählich lichtete sich der Staub um die Detonationsstelle. Schemenhafte Umrisse verfestigten sich zu schrecklichen Erkenntnissen und Ekko konnte nicht anders, als mit den Zähnen zu knirschen.
Teile der Außenmauer waren durch eine gewaltige Explosion aus dem Fundament gerissen und in die Stadt fortgeschleudert worden. Weitere Stück schienen eingebrochen zu sein oder sich gerade im Zusammensturz zu befinden.
Der Schutzschild über der zerstörten Stelle flimmerte unruhig.
»Oh, thronverdammt«, zischte der Regimentskommandeur und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. »Also ich glaube nicht, dass wir das Loch wieder zubekommen. Carrick«, wandte er sich an seinen Stellvertreter.
Der Major trat an seine Seite. »Colonel?«
»Sehen Sie sich das an.«
Unsicher, was er zu erwarten hatte, warf der stellvertretende Regimentskommandeur einen Blick durch das Monokular und runzelte erschrocken die Stirn. »Oh! Beim Barte des Propheten!«
»Das können Sie laut sagen.«
Carrick reichte den Feldstecher an seinen Vorgesetzten zurück. »Und was machen wir jetzt?«
»Sofort alles, was wir an Reserven haben, in den zweiten Ring.« Ekko betrachtete die Szenerie erneut.
Die Augenbrauen des blonden Basteters neben ihm schienen wegfliegen zu wollen, so schnell riss er die Augen auf. »Alle Reserven?!«
»Ja!« Ekko nickte. »Sofort! Lassen einen Zug hier, falls uns eine Überraschung ins Haus steht, den Rest aber sofort in den zweiten Ring. Es kann sein, dass wir bald überrannt werden.«
»Was haben Sie vor?«, erkundigte sich der hochgewachsene Basteter.
Sein Vorgesetzter schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich muss mir was überlegen. In allen Planungen war ich davon ausgegangen, dass die Orks durchs Haupttor brechen und sich dann von uns lenken lassen. Dadurch, dass sie weit ab von der geplanten Route durch die Mauer gebrochen sind, ändert sich die Lage vollständig.« Er streckte die Arme V-förmig von sich. »Unsere Abwehrlinie verläuft wie ein Kegel, dessen Spitze kurz vor dem Tor in den zweiten Ring endet.«
»Das weiß ich, Sir«, erwiderte der Major. »Die Mannstärke lässt eine andere Kräfteverteilung nicht zu. Aber haben wir dafür nicht die vielen Sprengfallen und Minen verlegt? Gerade deswegen ist doch nur ein schmaler Korridor übrig, in dem sich der Feind bewegen kann.«
»Das ist richtig«, stimmte der Regimentskommandeur zu. »Aber jetzt drehen Sie den Spieß mal um. Wo können sich denn unsere Truppen bewegen?«
Es dauerte eine Weile, bis Carrick die Antwort auf das fand, worauf Ekko eigentlich hinauswollte. »Den schmalen Korridor zwischen den Minen«, brachte er verstehend hervor. »Aber …?«
»Haben Sie schon einmal einen Kegel gekappt?«
»Einen Kegel?« Der abrupte und völlig zusammenhangslose Themenwechsel überraschte den Major.
Ekko präzisierte die Frage. »Was bleibt übrig, wenn Sie die Spitze vom Kegel abnehmen.«
Carrick überlegt kurz. »Ein offener … oh.«
»Ganz genau. Und in diesen ‚Offenen‘ brauchen die Orks nur reinstoßen und schon sind sämtliche Verteidigungsgruppen voneinander abgeschnitten und werden Stück für Stück aufgerieben – und wir können zugucken und uns ärgern.«
»Aber sie müssen dafür doch erst einmal durch unser ausgeklügeltes Verteidigungsnetz«, gab der Stellvertreter zu bedenken.
»Machen Sie nicht denselben Fehler wie Ligrev«, wies der Regimentskommandeur seinen Untergebenen an. »Unterschätzen Sie Ihren Feind nicht. Der hat nämlich gerade ein Loch in eine Wallanlage gesprengt, die darauf ausgelegt ist, wochenlangen Dauerbeschuss auszuhalten. Glauben Sie, dass wir den Feind auch nur eine Stunde mit den Sprengfallen aufhalten würden, wenn er wirklich aggressiv auf den Perimeter drückt?«
Die Antwort darauf fand sich von selbst, und Carrick war professionell genug zu erkennen, dass es nun für die Orks kein Halten mehr gab. »Ihre Befehle?«
»Wir müssen schnellstmöglich alles in den zweiten Ring zurückschieben.« Ekko stieß gepresst Luft aus und überlegte, wie er der Situationsänderung begegnen sollte. Einige Momente lange kämpfte sein Geist gegen einen imaginären Feind, probte Angriffe und Rückzüge, wandte sich um, zeigte den Colonel einen Vogel, schleuderte die Waffen weg und begann dann, hemmungslos zu weinen. »Die gesamte Reserve soll um den Eingang in den zweiten Ring der Kathedrale in Stellung gehen. Schicken Sie die Leute in die Gräben, auf die Mauer, hinter Bäume, in Gebäude – eben alles, was wir als Schutz und Feuerposition nutzen können, ohne die zurückweichenden Kräfte zu gefährden. Dann brauche ich einen Bereitschaftsstatus der Raketenwerfer. Es kann doch nicht so lange dauern, diese thronverdammten Gerippe aufzubauen und abzufeuern. Und veranlassen Sie, dass die Generatoren im ersten Ring besetzt werden. Sobald der Rückzug im Gange ist, will ich den Schild zurücknehmen. Noch Fragen? Na, dann Tod und Verderben!«
Carrick nickte abgehackt, dann machte er sich auf den Weg, das nächste Funkgerät zu erreichen. »Gireth! Wo beim Thron sind Sie?! Regimentsfunker sofort zu mir!«
Ekko sah ihm kurz nach, während in seinem Kopf hämische Stimmen um die Vorherrschaft kämpften. Ja, er hatte einen Fehler gemacht. Er hatte seinen Feind unterschätzt. Solche Fehler passierten. Jeder Kommandeur machte früher oder später einen Fehler. Das war menschlich. Und wer menschlich war, konnte in den Augen des Imperators kein Feind sein. Hauptsache, der Unglückliche korrigierte diesen Fehler schnellstmöglich. Oder doch nicht? Beim Barte des Propheten.
Er hoffte, dass es ihm gelang. Dass es ihm möglich war, seine Fehleinschätzung zu korrigieren. Denn die Alternative dazu war viel zu schrecklich, um sie sich vorzustellen. Und dabei war sein eigener Tod noch das geringste Übel.
Der Colonel wandte sich um und lief zurück zur Walküre. Er sprang auf die Zutrittsleiter, dann warf er das Monokular in die Cockpitkanzel.
»So«, wandte er sich an den Piloten. »Jetzt können Sie in Panik geraten.«

***

»Richtschütze: neues Ziel! Zielanweisung Rot sechs – vier Komma sieben. Feindlicher Gargbot!«
»Erkannt.«
»Feuer frei!«
Jaorah Nurin blickte durch das Sichtperiskop von Enforcer eins und verfolgte, wie ein durch die Mauer gebrochener Gargbot schnurstracks in den Feuerbereich seines Jagdpanzers lief.
Mirak Redek war derweil damit beschäftigt, das Hauptgeschütz nach dem feindlichen Läufer auszurichten. »Zwo – eins – Feuer!«, rief er in sein Mikro.
»Feuer!«, wiederholte die Besatzung. Der Destroyer blies einen hochenergetischen Strahl auf den feindlichen Läufer.
»Bekämpft.«
»Verstanden.« Nurin ließ das Periskop auf der Suche nach dem nächsten Ziel über die Ansammlung feindlicher Kräfte streichen. Die Auswahl war schier überwältigend.
Wie grünes, klumpiges Wasser drängten die Grünhäute in die Makrokathedrale, von der entstandenen Lücke in der Verteidigung angezogen wie von einem schwarzen Loch.
Ein greller Lichtstrahl platzte in sein Lichtfeld, begleitet vom dumpfen Rumpeln sich schlagartig ausdehnender Luft. Weit entfernt erhob sich ein orangefarbener Feuerball in den Himmel.
Es war nicht lange her, dass eine gewaltige Explosion Nurin aus einem unruhigen Schlaf geweckt hatte, in dem ihm Geister seiner gefallenen Kameraden angeklagt hatten, nicht sein Bestes zur Verteidigung der Himmelskathedrale beigetragen zu haben. Teils schlaftrunken und teils von den Geschehnissen überrollt hatte er sich aus dem Landhaus begeben, nahe dem die Jagdpanzer in Stellung gegangen waren, nur um festzustellen, dass gerade ein gutes Stück des äußeren Schutzwalls zerstört worden war.
Nun versuchten seine Besatzung und ihre Schwadronskameraden, die in Bedrängnis geratene Infanterie mit gezielten Distanzschüssen zu unterstützen, um wenigstens den Druck durch einbrechende Feindfahrzeuge und –läufer zu minimieren.
Aber irgendwie beschlich Nurin das dumpfe Gefühl, dass diese Maßnahme nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Wie ein Nadelstich auf einer Orkhaut.
Schade, dass Orks keine Luftballons waren und platzten, sobald man sie mit einer Nadel stach.
Das Funkgerät erwachte knisternd zum Leben. »Enforcer Null Eins, hier 5121801. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Schützenpanzer in Querfahrt. Zielanweisung: Sektor Rot Drei.«
Nurin kippte den Mikrofonschalter auf die externe Verbindung, kam jedoch nicht mehr dazu, den Funkspruch zu quittieren.
»Enforcer eins, hier 5122001. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Gargbot. Zielanweisung Sektor Gelb vierzehn.«
»Hier Enforcer eins. Beide Funksprüche …«
»Enforcer eins, hier 5122201. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Panzerwagen. Zielanweisung Sektor Gelb vier.«
Es hörte nicht auf.
Nurin konnte nicht anders, als erschöpft zu seufzen, als drei weitere Kontaktmeldungen über den externen Funkkreis aufliefen; verzweifelte Hilferufe, die adäquat zu beantworten ihm schlichtweg die Feuerkraft fehlte.
»Redek!«, rief er entschlossen, nachdem er den Mikrofonschalter erneut gekippt hatte.
»Ja, verstanden«, bestätigte der Richtschütze den unausgesprochenen Befehl. Ab jetzt wählte er die Ziele. Sein Kommandant würde nur noch als Ausguck dienen. Für eine längere Befehlskette blieb keine Zeit. »Zehn rechts, Ves.«
Ein weiter Laserstrahl hieb mit der Kraft eines gewaltigen Schwertes in den äußeren Ring der Kathedralenstadt, abgefeuert von Enforcer zwo.
Eilig schaltete Nurin sein Mikrofon erneut auf den externen Funkkreis. »Enforcer eins an Enforcer zwo. Feuer frei auf alle erkannten Ziele. Ich wiederhole: Feuer frei. Kein geleiteter Feuerkampf mehr. Meld…«
»Zwo – eins – Feuer!«, unterbrach ihn Redek.
»Feuer!«, wiederholte die Besatzung.
Enforcer eins saugte an seinem Generator, dann spie er einen gewaltigen Lichtstrahl aus.
»Enforcer zwo hat verstanden. Feuer frei! Melden.«
»Enforcer eins: Richtig! Ende.«
»Fünf mehr links«, ordnete Redek an. Heulend kam der Destroyer herum.
»Feindlicher Schützenpanzer in Querfahrt! Ziel erkannt! Feuer frei!«, gab sich der Richtschütze selbst das Kommando. »Zwo – eins – Feuer!«
»Feuer!«
Unheilverkündendes Jaulen erklang, doch es löste sich kein Schuss. Stattdessen erschauderte der Jagdpanzer und fiel dann in einen tiefen Schlaf. Sämtliche Anzeigen wurden dunkel.
»Scheiße!«, schnodderte Ves in den Funkkreis. »Wir verlieren Energie.«
»Was?!«, wollte Nurin wissen, obwohl ihm klar war, dass er sich die Zeit für eine solche Frage eigentlich nicht leisten konnte.
»Wir verlieren Energie«, wiederholte der Fahrer.
Nurin und Redek sahen sich an. »Haben wir den Maschinengeist verstimmt?«, fragte der Richtschütze sorgenvoll.
Der Captain konnte lediglich die Achseln zucken. Wenn ich das wüsste, dachte er bei sich. Die Beziehung zwischen sich und dem Maschinengeist ihres Fahrzeugs wurde jeder desposianischen Panzerbesatzung bereits während der Grundausbildung beigebracht. Panzerkommandanten wie Nurin erhielten in weiteren Lehrgängen genauere Anweisungen, wie mit dem Geist der Maschine umzugehen war. Ja, es gab sogar eigene Ausbildungsabschnitte in der Panzerführerausbildung, deren Bezeichnung passend ‚der Maschinengeist und ich‘ lautete. Mit der Zeit allerdings war Nurin klar geworden, dass die doch eher generischen Ratschläge dem Realitätsfall in keinster Weise gerecht wurden. Und so hatten seine Besatzung und er damit begonnen, eher auf die spezifischen Bedürfnisse des Jagdpanzers einzugehen.
Vielleicht hatte eine dieser Maßnahmen dazu geführt, dass sich der Geist der Maschine nicht mehr mit den Seelen anderer Gerätschaften vertrug? Wie sonst sollte es dazu gekommen sein, dass der Destroyer den externen Betrieb durch den Generator nach einer längeren Phase problemloser Zusammenarbeit verweigerte?
Oder konnte es sein, dass sich die Maschinengeister des Energiegenerators und des Jagdpanzers zerstritten hatten?
Wie dem auch war – es hatte Nurin und seine Besatzung in arge Bedrängnis gebracht. Treulose Maschinenseelen! »Vergessen Sie es. Umschalten auf internen Betrieb. Weiterfeuern«, fügte der Captain, an den Richtschützen gewandt, hinzu.
Dass beide Männer bestätigten, hörte er bereits nicht mehr, als er seine Kopfhörer abnahm und sich an den Haltestangen unter der Kommandoluke in die Höhe zog.
Außerhalb des schützenden Panzerrumpfs tobte die Hölle. Heftiges Waffen- und Geschützfeuer hämmerte durch die rapide wärmer werdende Morgenluft wie zwei sich duellierende Gewitterfronten.
Immer wieder erschütterten Detonationen das gut viereinhalb Kilometer weit entfernte Gefechtsfeld, während beeindruckende Feuerbälle aus den imperialen Stellungen in die Höhe stiegen.
Nurin ließ sich für zwei Herzschläge von der Szenerie fangen, dann wirbelte er herum und suchte hinter seinem Panzer nach einer bestimmten Gruppe Personen. Er fand sie recht schnell, verborgen zwischen den Zierbäumen, die das Anwesen dir Terrasse schützten.
»Wir brauchen Hilfe!«, rief er, die Hände als Trichter um den Mund gelegt. »Wir können nicht mehr feuern!«
Zwei der Männer kamen zu ihm. Es waren Techniker der imperialen Instandsetzung, einer Untergruppe des Departmento Munitorium, aber den imperialen Einheiten direkt unterstellt. Eigentlich konnte man die Männer nicht wirklich als Techniker, Adepten oder Maschinenseher bezeichnen, denn sie war lediglich in der Lage, einfachste Feldreparaturen durchzuführen. Allerdings standen Nurin derzeit keine anderen Kräfte zur Verfügung und er hoffte inständig, dass die Instandsetzung in der Lage war, sein Problem zu lösen.
»Was ist passiert?«, fragte ihn einer der Techniker, indem er sich dicht hinter dem Panzer an den Boden duckte.
»Ich weiß nicht«, erklärte der Captain. »Ich habe das Gefühl, der Maschinengeist verweigert sich.«
Das verwirrte sein Gegenüber. »Wie?«
»Was weiß ich?!«, schnauzte Nurin. »Bringen Sie das in Ordnung!«
Er wollte gerade anfügen, wie sehr er dem anderen Soldaten den Arsch aufreißen würde, wenn das Problem nicht schnellstmöglich behoben wurde, als sich das tiefe Einatmen von Enforcer zwo in seine Gedankenwelt stahl.
Das Geräusch war penetrant und alarmierte Nurin, sofort in Deckung zu gehen, doch er befand sich noch mitten in der Bewegung abwärts, als der über Enforcer eins platzierte Jagdpanzer das Feuer eröffnete.
Schier unerträglich Hitze verbrannte dem Captain die Nackenhärchen, und der scharfe Schlag der sich ausdehnenden Luft trieb seinen Kopf gegen den Stahl der Kommandantenkuppel.
Leicht betäubt zog er sich wieder in die Höhe.
Grässlicher Gestank von verbranntem Haar und Ozon schwängerte die Umgebungsluft.
Die Antwort kam postwendend.
Ein greller Pfeil rauschte durchs Blickfeld, passierte die beiden Jagdpanzer in nur geringem Abstand und verschwand zwischen den Zierbäumen des Anwesens. Ein trockener Knall erschütterte die Umgebung, riss Ast- und Blattwerk mit grausamer Gleichgültigkeit von den einstmals ansehnlichen Pflanzen.
Thronverdammte Scheiße, schoss es dem Desposianer durch den Kopf. Sie haben uns entdeckt.
Er wandte sich wieder den Technikern zu. Inzwischen waren weitere Soldaten aus ihrer Deckung gekommen und dazu übergegangen, von langen, buchartigen Protokollen geleitete Hymnen anzustimmen, Anleitungen zum Wiedererwecken der Maschinengeister. Deren praktische Durchführung an dem schweren Generator, dessen Energieausgänge durch Starkstromkabel mit Enforcer eins verbunden waren, teilten sie unter sich auf.
»Vergessen Sie die Wiedererweckung!«, schrie der Panzerkommandant die Männer an. »Koppeln Sie uns ab!«
»Ja, aber die Maschinengeister«, widersprach einer der Techniker verzweifelt.
»Vergessen Sie die Maschinengeister.« Mit einer unmissverständlichen Geste durchtrennte Nurin jeden weiteren Gedanken an die Ausrüstung. »Sie werden es sicherlich verzeihen, wenn wir erst die Stellung räumen und sie in Sicherheit bringen. Sehen sie zu, dass Sie beide Panzer losmachen und dann verschwinden Sie von hier.« Im Geiste betete er dafür, dass er mit seiner Aussage auch wirklich richtig lag. Andernfalls konnte dies hier ihr Ende bedeuten.
Eine weitere Granate rauschte über die Jagdpanzer hinweg, schoss durch die Zierbäume und betrat das dahinter liegende Anwesen, um dessen Inventar in einem ungebändigten Wutanfall zu zertrümmern.
Nurin verfolgte, wie diese gesamte Gruppe von Technikern aus ihrem Versteck kroch und begann, die schweren Starkstromkabel aus den Anschlussbuchsen unter dem Heck beider Panzerjäger zu lösen, dann setzte er sich die Kopfhörer auf und betätigte das Kehlkopfmikrofon. »Ves?«
»Bin schon dabei, Boss.«
Nurin nickte, dankbar über die überraschend schnelle Auffassungsgabe des oftmals etwas langsamen Fahrers, dann wechselte er den Funkkreis. »Enforcer zwo, hier Enforcer eins. Melden!«
»Hier Enforcer zwo. Melden.«
»Rand, die Stellung wurde aufgeklärt. Klar machen zum Wechsel der Position. Umschalten auf internen Betrieb. Melden.«
»Hier Enforcer zwo: verstanden. Warten Sie.«
Derweil hatten die Soldaten der Instandsetzungsgruppe die Generatoren notabgeschaltet und die Trojan-Zugmaschinen gestartet. Nun lösten sie gerade die letzten Verbindungen zwischen den Panzern und den Generaten.
Rands Büste erschien über den Rand der Kommandantenkuppel von Enforcer zwo. Er warf einen Blick auf die hinter dem Panzer arbeitenden Männer, dann sah er zu Nurin. Sein Jagdpanzer spie schwarze Rauchwolken aus.
Nurin betätigte das Kehlkopfmikro. »Azrael, hier Enforcer eins, melden!«
»Ekko hier. Was gibt’s?«
»Meine Stellung wurde aufgeklärt. Wir stehen unter Beschuss und wechseln die Position. Melden.«
»Was denn, jetzt schon?« Ehrliche Überraschung klang in der Stimme des Fragenstellers mit.
Nurin sah auf. »Wie bitte?«, entwich es ihm. »Ist das Ihr Ernst?«
»Ja.«
Heiße und kalte Schauer liefen über den Rücken des Panzerkommandanten, kitzelten ihn mit abartiger Freude. Meinte der Regimentskommandeur das wirklich ernst? Wollte er wirklich, dass Nurin seine Jagdpanzer an Ort und Stelle beließ, bis beide Fahrzeuge zerstört waren? Vorsichtshalber stellte er die Frage erneut, dieses Mal jedoch betont langsam. »Hier Einforcer eins. Bitte bestätigen: Wollen Sie, dass der Feuerkampf aus dieser Stellung fortgeführt wird? Melden.«
»Nein«, ertönte die Antwort ebenso betont langsam. »Ich wollte wissen, wie man Sie jetzt schon unter Beschuss nehmen kann. Finden Sie das heraus, sobald Sie eine neue Feuerposition erreicht haben.«
»Enforcer Eins: verstanden. Ende.«
»An alle 512, hier 0072 Azrael. Der Feind befindet sich im Angriff auf die zweite Verteidigungslinie. Die Linie ist unter allen Umständen zu Halten. Symmetrisches Zurückweichen aller im Kampf stehenden Gruppen erfolgt auf Anweisung. Alle Reserveeinheiten: Positionen für Zurücknahme der Hauptkampflinie in den zweiten Ring einnehmen.« Ein kurzes Knacken in der Sprechanlage ertönte. »Gruppe Enforcer – melden Sie sich, sobald Sie die neue Position erreicht haben.«
»Hier Enforcer eins. Verstanden. Ende.«
»Wir sind fertig!«, rief der Techniker zu Nurin hinauf und verabschiedete sich mit einem kurzen Salut, während seine Kameraden mit den Trojans bereits das Weite suchten. »Möge der Imperator Sie geleiten.«
»Enforcer zwo frei in der Bewegung«, bestätigte Rand die Meldung im Funk.
Nurin nickte, winkte den ungeschützten Soldaten von dannen und tauchte dann in den gepanzerten Rumpf von Enforcer eins ab. »Zurücksetzen!«, befahl der Kommandant. »Stellungswechsel!«
 
Echt wahnsinn wie einfach sich trotz der langen abwesenheit meinerseits der einstieg in diese geschichte gestaltet

Freut mich das du meinen im spaß gemeinten vorschlag eingebaut hast 🙂

Ekko ist ehrlich einer der am besten ausgearbeiteten personen hier

Bin gespannt ob und eher wie sie sich da raushaun, freut mich das dein orkmop kein dummer haufen ist der einfach nur zusammengeschossen werden muss
 
Na denn Willkommen zurück.

Zur Idee: Na ja, die war einfach mal super und passte klasse zu Ekko.

Zur Ausarbeitung: Na ja, jeder der Charaktere befindet sich in einem durchgehenden Entwicklungsstadium, nur dadurch, dass einige der Charaktere weniger auftauchen, kommt das natürlich dabei nicht rum.

Zu den Orks: Wenn die Orks ein dummer mob wären, wäre die Story doch langweilig :-D