40k Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)

Nach nochmaligem Durchlesen meines Beitrags bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich völlig falsch ausgedrückt habe...

Treffender wäre zu sagen, dass du deine Charaktere im letzten Teil nicht mehr so ausbaust, was eben der "Großen Schlacht" geschuldet ist.
Dein Fokus liegt nicht mehr so auf der Charakterzeichnung, was zumindest für mich den Gesamteindruck der Geschichte ändert.

Ist aber trotzdem ein positiver Eindruck!

Ich hoffe ich konnte mich diesmal verständlicher ausdrücken, ist halt noch früh.. ;-)
 
Ah,

da liegt der Tiger begraben. (Ich sage das jetzt so, weil ich noch nie einen dermaßen großen Hund gesehen habe).

Verstehe. Allerdings - jetzt muss ich das doch mal ausfragen - was sollte ich denn jetzt noch an Charakterentwicklung raushauen? Im Augenblick gehts ja nur darum, Grüne zu metzeln. Da ist nicht so viel mit Charakterausbau. Auf jeden Fall im Moment nicht mehr. Dass daraus jetzt ein vollkommen anderer Eindruck der Geschichte entsteht. Hui, das hätt ich nicht erwartet.

Aber danke für den Hinweis. Ich werde diesen in meine nächste Schreibarbeit implementieren.
 
So! Endlich! Ich weiß – es haben einige Leute darauf gewartet. Nun ist es soweit – das neue Stargazerkapitel kommt online!
Ich hatte in der Zwischenzeit viel zu tun und ganz ehrlich – nach den letzten Kapiteln und dem ganzen Theater um die Reviews auch keinen Bock mehr. Habe ich auch noch immer nicht. Trotzdem hat es mich überfallen und daher kommt hier ein neues Kapitel.
Ja – dankt alle Jax, der mit beim letzten Teil mit den Worten nervte: „Die verdammte Sternenbasis kann warten. Sieh zu, dass du den neuen Ekko fertig bekommst!“
Also – hier ist er.
Danke auch an Nakago, der die Fluff-Kontrolle durchgeführt hat.

Viel Spaß beim Lesen


30

Dumpfe Schläge erschütterten das Beinhaus der Himmelskathedrale, hallten als scheußliche Vibrationen durch die improvisierte Kommandozentrale.
Von statischem Knistern überlagerte Stimmen schrien aus den Lautsprechern der im Raum aufgestellten Funktornister, Zeugen des weit unter ihnen herrschenden Schreckens.
Im Angesicht dieser Manifestation des fortschreitenden Dramas wirkte die in fröhlichen Farben schimmernde hololithische Anzeige des Datenglobus wie Spott über die verlorenen Leben.
Colonel Ekko musterte die stilisierte Anzeige, welche sich nun, bereits kurz nach dem Einbruch der Orks in die imperialen Linien, rasch mit leeren Quadraten füllte. In Anbetracht der geringen Entfernung zu den kämpfenden Truppen erschien es eigentlich unmöglich zu sein, dass der Kontakt mit so vielen Einheiten in dermaßen kurzer Zeit abbrach.
Allerdings präsentierte sich dem Basteter und den mit ihm in der Kommandozentrale versammelten Offizieren auf diese Weise ein recht deutliches Bild von dem Chaos, das an der Front herrschte.
»Das ging schnell«, musste der imperiale Kommandeur beeindruckt zugeben. »Ich hätte nicht gedacht, dass die so schnell durch das Tor kommen.«
Dieses deutliche Eingeständnis seiner eigenen Hilflosigkeit im Angesicht des einbrechenden Feindes stand im deutlichen Gegensatz zu der zynischen Überlegenheit, mit der der Colonel sonst wie selbstverständlich auftrat. Es schien fast, als würde der Basteter zu seinen Untergebenen hinausreichen und rufen: Helft mir – ich weiß nicht weiter.
Allerdings löste er damit weder eine tiefgreifende Reaktion, noch einen rettenden Gedankenblitz seiner Offiziere aus.
Die Männer waren genauso rat- und sprachlos wie er.
Wertvolle Sekunden verstrichen, in denen das heftige Gefecht mit seinen blutigen Klauen nach immer mehr Schützengräben reichte, um die in ihnen befindlichen Soldaten in ihr Verderben zu reißen.
Die rote Flut aus stilisierten Gegnern rollte über die Stellungen der Imperialen hinweg, begrub die blauen Symbole der Verteidiger unter sich und dellte die Frontlinie immer weiter ein.
Zahlreiche neue, inhaltslose Quadrate öffneten sich.
»Was sollen wir jetzt tun?«, erkundigte sich Captain Fleas, Führer des sechzehnten Zugs, und bei weitem der erfahrenste anwesende Offizier – nahm man Ekko und Carrick einmal außen vor. Seine raue Stimme klang tief besorgt.
Captain Tand an seiner Seite wusste allerdings auch keine bessere Lösung als den Vorschlag, den in ihrer Situation wohl jeder gemacht hätte: »Ein Rückzug?«
»Ein Rückzug wäre womöglich die beste Alternative«, dachte Captain Solmaar, die Arme nachdenklich vor der Brust verschränkt, laut nach.
Mehrere Offiziere nickten vorsichtig in dem Versuch, ihre Zustimmung zu bekunden, ohne sich allzu sehr auf diese Möglichkeit festzulegen.
In einem verworrenen Labyrinth wie dem ersten Ring der Kathedrale kam ein Rückzugsbefehl im Angesicht der durchbrechenden Orks grundsätzlich einem Todesurteil gleich. Die Truppenverbände des 512. Regiments besaßen lediglich sporadische Kenntnis vom Straßenplan der großen Wohnblocksiedlungen, welche sich als schützender Speckgürtel dicht an dicht im äußeren Ring der Stadt drängten. In der Hitze des Gefechts, von Rauch geblendet und mit dem Feind im Nacken, war die Möglichkeit, dass sich große Teile der Einheiten verirrten, in Richtung Feind liefen, die selbst ausgebrachten Fallen auslösten oder einem Freundbeschuss zum Opfer fielen, sehr real.
Natürlich wussten die Offiziere um diese Problematik. Ihnen allen hatte sich bei der großen Lagebesprechung nach der Panzerschlacht vor der Himmelskathedrale ganz deutlich die Problematik präsentiert, mit der sie es nun zu tun bekamen.
Allerdings stellte auch der Kampf bis zum bitteren Ende keine wirkliche Alternative dar.
Die Verluste, die mit einem solchen Versuch einhergegangen wären, überstiegen einfach die regenerativen Fähigkeiten einer militärischen Gruppierung wie dem Regiment der Basteter.
»Wir können uns jetzt nicht zurückziehen«, warf eine bisher unbeteiligte Stimme in die Runde, deren arrogante Selbstgefälligkeit sich hinter einem mühsam verborgenen Schleier der Vorsicht verbarg.
Allgemein wurde eingeatmet. Die Dreistigkeit des Munitoriumsbeamten, sich in militärtaktische Aspekte einzumischen, stellte eine erneute, frivole Pejoration des ihm nun deutlich vorgesetzten Oberbefehlshabers von Agos Virgil dar.
Ekko, der bisher noch kein Wort über seine nächsten Schritte verloren hatte, sah auf. »Bitte, was?«, wollte er mit gefährlich leiser Stimme wissen, während seine braunen Augen den fetten Konsul anstarrten, der sich erdreistet hatte, des Colonels Pläne wieder einmal gekonnt zu durchkreuzen.
»Wir können uns nicht zurückziehen«, wiederholte der Mann, auf dessen Stirn sich bereits deutliche Schweißperlen abzeichneten. »Die Sprengkommandos sind nicht besetzt.«
Die Klarheit, mit der sich die gesammelte Anspannung in den Raum ausatmete, jagte den Offizieren kalte Schauer über den Rücken.
Ekko nickte nachdenklich, während er bereits über die Probleme sinnierte, die ihnen durch dieses Wissen erwuchsen. »Ja, das ist in der Tat ein Grund, den Rückzug zu verzögern.«
Er erhob sich, wirbelte überschwänglich zu dem aufgedunsenen Mann herum. Sein Zeigefinger schoss hervor, doch statt einem ‚fühlen Sie sich schlecht‘, erwartete den Obersten eine umso verwirrendere Frage: »Sie – schnell! Wie viel sind ein mal eins?!«
»Das ist einfach!«, rief der Konsul, von den Worten des Colonels nur kurzzeitig aus dem Konzept gebracht. »Ein mal eins ergibt eins!«
»Falsch!«, schoss es aus Ekkos Mund, während der Imperiale bereits nach einem Wachsoldaten schnippt. »Kann den mal jemand wegbringen? Ich brauche hier etwas mehr Kompetenz!«
Fassungslos verfolgten die Offiziere, wie zwei Basteter mit vorgehaltenen Waffen an die Seite des Konsuls traten und ihn aufforderten, sie aus dem Raum zu begleiten.
Der aufgedunsene Körper, wohl einzig von seiner teuren Tunika vor dem Zerfließen bewahrt, wabbelte heftig, als der Beamte vor Wut zu zittern anfing. »Das … das werden Sie büßen, Colonel!«
»Ja«, erhielt er zur Antwort. »Später.«
»Ekko, Sie Mistkerl! Ich habe von Anfang an gewusst, dass Sie ein wahnsinniger Irrer sind! Die Gnade des Imperators ist noch zu gut für Sie! Sie gehören dahin, wo das Chaos wütet und die dunklen Götter ihren Lastern frönen!«, schrie der Konsul, als die Soldaten ihn ergriffen und unter sichtlicher Mühe aus dem Raum schleiften.
Perplex ob der blasphemischen Äußerungen des Munitoriumsadministraten blieben die Offiziere zurück.
Lediglich Ekko winkte zum Abschied und wischte sich eine nicht vorhandene Träne aus dem Auge. »Ich werde ihn vermissen«, tat er kund, bevor er zum eigentlichen Thema zurückkehrte. »Also gut«, wandte er sich an die versammelten Administraten. »Soeben ist ein Chefposten frei geworden. Wer will ihn?«
Er sah auffordernd in die Runde. »Niemand? Also gut, dann übernehme ich diesen Posten auch noch.«
Ein anderer Konsul, eher dürr und hager gebaut, beugte sich mit der traurigen Unsicherheit eines Schattens in Richtung des imperialen Offiziers und begann, mit heiserer, metallen klingender Stimme zu sprechen. Dabei wurde kondensierender Wasserdampf in immer neuen Schüben aus dem Gitter, das den Stimmmodulator vor seinem Gesicht bedeckte, gepresst. »Das können Sie nicht!«
Der Basteter ihm gegenüber blieb unbeeindruckt. »Doch, kann ich. Mit links sogar.«
»Dazu haben Sie nicht das Recht!«
»Doch«, wiedersprach der Colonel. »Im Augenblick habe ich hier jedes Recht.«
Kurze Zeit lang sprach lediglich der Krieg vor den steinernen Mauern der Kathedrale mit seiner fremdartigen Stimme, während die improvisierte Kommandozentrale über die Worte des imperialen Offiziers nachgrübelte.
Es dauerte jedoch nicht lange, da begriffen die Administraten, was er gemeint hatte. Erschrockenes Einatmen war zu vernehmen.
Natürlich! Nach dem Tod General Iglianus‘ hatte Colonel Ekko das Kommando über sämtliche noch auf Agos Virgil befindlichen Streitkräfte übernommen. Zugleich stellte sein Regiment nun das Festungskommando mit ihm als Oberkommandierenden der Feste.
Nach imperialem Gesetz stand der Offizier somit sämtlichen militärischen und zivilen Stellen vor. Natürlich war Colonel Ekko niemand, der sich aus diesem Wissen viel machte. Dafür war er viel zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Aber wer außer ihm (und vielleicht Carrick, der solche Eigenheiten seines Vorgesetzten stets erahnte), hätte das wissen sollen?
Zumindest keiner der Anwesenden, die nun gespannt an seinen Lippen hingen. Und ein wenig Beeinflussung, das hatten ihn sowohl seine Frau als auch seine Erlebnisse mit dem Kommissariat gelehrt, schadete im Grunde keinem Ziel.
»Also«, wiederholte er. »Nehmen Sie mir diese Last ab, oder soll ich die Aufgaben des Obersten Konsuls ebenfalls übernehmen?«
Zögerlich trat derselbe Adept vor, der ihn gerade noch für seine Bemerkung kritisiert hatte. »Was brauchen Sie?«
»Eine Pause wäre nicht schlecht«, entgegnete der Colonel, bevor er seufzend fortfuhr: »aber für den Moment reichen mir die angeforderten Raketenbatterien und die besetzten Sprengkommandos.«
Die Administraten sahen sich an. »Wie Sie wünschen, Colonel«, bestätigte der designierte neue Oberste Konsul von Agos Virgil mit seiner rasselnden Stimme. Die Männer verbeugten sich, dann wandten sie sich ab und verließen die Kommandozentrale in dergleichen zeremoniell anmutenden Prozession, in der sie sich grundsätzlich durch die Kathedralenstadt zu bewegen pflegten.
Beinahe auf dem Fuß folgten ihnen die Maschinenseher.
Als der Vorhang hinter ihnen zuschwang und den Eingang zur Kathedrale mit seinem weitestgehend undurchlässigen Stoff verdeckte, richtete sich Ekko auf und wandte sich an Carrick. »Und warum machen die sich jetzt davon?«
Der Major zuckte die Achseln.
»Herr auf dem Thron«, grummelte Ekko, nur um durch ein plötzliches Flackern des Plots zurück auf sein ursprüngliches Problem erinnert zu werden.
Die Verteidigung war von Anfang an – selbst in der Theorie – ein riskantes Spiel gewesen, auch wenn der Regimentskommandeur seine Joker recht gut platziert und sich eine durchaus durchdachte Taktik zurechtgelegt hatte.
Um ein dermaßen riesigen Gebiet mit den wenigen zur Verfügung stehenden Kräften möglichst lange halten zu können – und das bei minimalen Eigenverlusten – hatten sich die Urheber des Abwehrplans neben einem ausgeklügelten System von Sprengfallen und Minengürteln auch ein umfangreiches Netz aus mehr oder weniger befestigten Stellungen einfallen lassen. Diese Stellungen, teils Schützengräben und Schützenlöcher, teils improvisierte Barrikaden und notdürftig präparierte Gebäude, waren so platziert worden, dass ein schneller, aber dennoch straff geführter Abwehrkampf möglich wurde.
Eigentlich war gedacht gewesen, dass sich die Einheiten gegenseitig deckten, während sie vor dem Feind zurückwichen. Allerdings wurde diese Option mit dem raschen Durchbruch der Grünhäute obsolet und Ekko sah sein taktisches Kartenhaus wirkungslos zusammenbrechen.
»Colonel?«, riss ihn die Stimme Gireths Stimme aus seinen Gedanken. »Captain Balgor für Sie, Sir.«
Ekko sah auf, überlegte kurz und nickte matt. »Leiten Sie ihn zu mir weiter.«
Wie alle imperialen Kommandosysteme verfügte auch der Projektionstisch des taktischen Plots über eine integrierte Sprech- und Gegensprechanlage, welche lediglich durch ein Kabel mit einem sende- und empfangsfähigen Funkgerät verbunden werden musste.
So wurde den imperialen Kommandeuren ermöglichst, umgehend und ohne die Fehlerlastigkeit eines mündlichen Zwischenhändlers mit ihren Untergebenen zu sprechen.
Zwar gehörte der Colonel nicht zu den Verfechtern dieses Systems, da er es für unnötig hielt, aber in Momenten, wo er nicht ans Funkgerät kommen konnte, besaß die Anlage gewisse Vorteile.
Eine kleine Diode am Bedienelement der Sprechanlage begann, dienstbeflissen zu blinken.
Ekko quittierte die Meldung einer einkommenden Signalverbindung mit einem müden Lächeln, bevor er die Annahmetaste des Geräts drückte.
Donnern und Rauschen fluteten das Kommandozentrum, pressten für einen Moment lang sämtliche Umgebungsgeräusche aus dem Beinhaus.
Unter dem Krachen der Explosionen und Knattern der Waffen klang Captain Balgors Stimme beinahe dünn, auch wenn er regelrecht schrie, um sich seinem Gegenüber verständlich zu machen. »Colonel?!«
»Balgor«, begrüßte Ekko den Anrufer, als sei das Teil eines alltäglichen Rituals. »Was macht die Zunft?«
»Es blitzt und donnert, Colonel«, erhielt er zur Antwort.
»Ist das Wetter so schlecht?«
In Balgors Worten, wenn auch teilweise durch das Rasseln eines vorbeifahrenden Panzers überdeckt, klangen all der Stress und die Aufregung mit, unter denen der Captain in diesem Augenblick stand. »Es hagelt, Chef – aber ordentlich.«
Ekko nickte zustimmend. Herr auf dem Thron, wie gern wäre er nun dort draußen gewesen und hätte sich in die Schusslinie begeben, um endliche seine Erlösung zu finden. So viel Pech konnte es doch gar nicht geben, dass ihn jede Kugel und jeder Laser verfehlte.
»Was gibt es?«, zwang er sich zurück zum Anruf des Captains. »Was kann ich für Sie tun, Balgor?«
»Colonel, der Feind hat mehrere Durchbrüche in unseren Linien aufgetan. Ich würde die Truppen gerne zurückziehen, um einer vollständigen Vernichtung zu entgehen.«
Totenstille tanzte durch die improvisierte Kommandozentrale, lachte über das Entsetzen, das sich schlagartig ausgebreitet hatte. Atemlos ließen die Männer sie gewähren.
Balgor, der die erschrockenen Gesichter hingegen nicht sehen konnte, ließ einen Moment lang verstreichen, bevor er sich versicherte, dass seine Nachricht die Gegenseite überhaupt erreicht hatte. »Colonel?«
»Ja«, erwiderte Ekko finster. »Ich habe Sie verstanden, Captain.«
»Ihre Antwort, Chef?«
Das Gewicht, das der Colonel auf seiner Brust spürte, belegte auch seine Stimme. »Es tut mir leid, Balgor. Ich kann Sie nicht zurückziehen.«
Nun war es der Captain, über den die Totenstille lachte. Ekko sah beinahe bildlich vor sich, wie der Basteter fassungslos auf den Feind blickte, während hinter ihm ein weiterer Soldat von den Geschossen einer Maschinenwaffe zerrissen wurde.
»Ist das ein schlechter Scherz?«, knisterte es aus dem Funkgerät.
»Leider nicht«, erwiderte der Colonel. »Wenn ich einen schlechten Scherz machen würde, wäre das dieser hier: Was tut man, wenn man einem Dämon begegnet? Man stirbt!«
»Stellst du dumme Fragen, kriegst du dumme Antworten«, schlugen ihm seine eigenen Worte zitiert entgegen. Resigniertes Seufzen, untermalt von heftigem Lasergewehrfeuer, schloss sich an. »Aber, warum?«
»Dämonen sind böse, Balgor.«
Die Worte blieben im Raum stehen.
»Ich meine: weshalb können wir uns nicht zurückziehen?«, verlangte Balgor zu wissen. Er klang resigniert. Weswegen, ließ sich allerdings nicht sagen.
»Das Munitorium ist seinen Pflichten nicht nachgekommen«, begann der Colonel zu erklären, nur um dem Captain dann weitere Einzelheiten zu ersparen. »Die Sprengkommandos sind nicht besetzt. Wenn wir uns jetzt zurückziehen, dann fallen die äußeren Generatorgebäude unbeschädigt in Feindeshand. Und ich will weder riskieren, dass der Feind Zugang zu einem Generator erhält, noch die Möglichkeit nutzen kann, unsere Energieversorgung zu kontrollieren.«
»Was haben Sie im Sinn, Ekko?«, fragte Balgor nach einigen Momenten des Nachdenkens. Unwillkürlich wurde der Colonel an das letzte Mal erinnert, dass Balgor ihn direkt mit seinem Nachnamen angeredet hatte. Passend zu der Eigenart, seinen langjährigen Kameraden und Freund niemals mit dem Vornamen anzusprechen, hatte Balgor es sich angewöhnt, seinen Vorgesetzten von Zeit zu Zeit mit dessen Nachnamen zu bedenken. Besonders, wenn ihm einer von dessen teilweise sehr heftig eruptierenden taktischen Geistesblitze bereits vor der Entstehung schon absurd vorkam und er keine Gelegenheit sah, dies dem anderen Offizier gegenüber zu äußern.
Beim letzten Mal, als Balgor auf diese Weise mit Ekko gesprochen hatte, hatte der ihm kurz darauf befohlen, die Schützengräben der ehemaligen Verteidigungsstreitkräfte von Agos Virgil zu verbrennen.
Sein neuer Befehl stand diesem Irrsinn in nichts nach.
»Balgor, ich will, dass Sie den Feind zurückwerfen. Erkaufen Sie mir so viel Zeit, wie irgend möglich.«
»Kein Problem«, knirschte der Captain, nachdem er sich über den neuen Auftrag klar geworden war. »Ich nehme einfach meine paar Überlebenden und … mache die Orks allesamt nieder.« Eine wohl dosierte Pause folgte. »Alle zehntausend Stück.«
Ekko überlegte kurz, ob er die Worte seines Untergebenen kommentieren sollte, entschied sich allerdings dagegen.
Unter dem Knistern atmosphärischer Störungen erwachte das Funkgerät zu neuem Leben, fast so wie ein Leman Russ, dessen Motor unter dem Knallen von Fehlzündungen ansprang. »Wollen Sie vielleicht, dass ich das Tor zurückerobere …?«, sprang der bissige Sarkasmus Balgors durch die Verbindung, bemüht, Ekko mit einer Form der Tollwut zu infizieren.
Ekko, vollkommen unberührt von der Attacke, nickte lediglich und nahm die Idee in das Repertoire seiner Möglichkeiten auf. »Ja, warum nicht?«
»Chef, das kann nicht Ihr Ernst sein«, wollte Balgor ausrufen, kam jedoch lediglich bis zu ‚Ernst‘, bevor das heftige Krachen eines nahen Bolters dem Funkgerät jede weitere Sprachaufzeichnung vorerst unmöglich machte.
»Also gut«, zischte der Captain, als das Donnern abklang. »Dann brauche ich allerdings alles, was Sie mir geben können. Panzer, Walküren und Raketen.«
Wieder nickte Ekko, für Balgor unsichtbar. »Ich werde alles Nötige veranlassen. Sonst noch etwas?«
»Derzeit fehlt es mir sehr massiv an Überblick«, berichtete der andere Basteter. »Ich weiß nur, dass der Feind einige Durchbrüche erzielt hat, aber ich konnte mir bisher kein genaueres Bild machen.«
»Und wie soll ich da Abhilfe schaffen?«
»Ich brauche Ihr Auge, Chef.«
Ein schriller Alarm tönte durch Ekkos Kopf, weckte seine derzeit in Trance befindlichen Nervenzellen. Beim Thron …! »Denken Sie gar nicht dran, Balgor. Das brauche ich selbst noch!«, rief er aus.
Balgor, von der Bemerkung vollkommen überrascht, wusste für einige Moment nicht, wie er reagieren sollte, bevor ihm bewusst wurde, dass es sich wieder einmal um eine Gedankenspielerei seines Kommandeurs handelte.
»Sir, ich bitte um Ihre Einschätzung«, stellte er stoisch klar.
»Ach so«, beruhigte sich Ekko selbst. »Ich dachte schon, Sie wollten …« Mit einem Wink tat er das Thema ab und kam der Bitte des Captains nach. »Balgor, Sie kennen mich. Ich mag es nicht, um das Problem herumzureden. Ganz ehrlich? Das könnte für Sie jetzt bald echt beschissen ausgehen. Ich habe von hier oben auch nicht mehr Blick auf das Schlachtfeld als Sie, aber mein Plot füllt sich rasend schnell mit leeren Symbolen. Sie wissen, was das bedeutet.«
Für einige Sekunden herrschte vollkommene Stille am anderen Ende der Leitung. Offensichtlich biss Balgor gerade in das Griffstück seiner Laserpistole, damit diese von der Energie seiner Unzufriedenheit überladen wurde, sich ein Schuss löste und dieser dann durch eine Verkettung unglücklicher Umstände direkt durch die Barrikade vor dem Fenster der Kommandozentrale in das Herz des Colonels traf.
Sekundenlang wartete Ekko darauf, von dem kurzen, heißen Nadelstich des Lasers getroffen zu werden, der mit dem Geräusch kräftigem Ausatmens durch den Raum fegte und sich durch seine Uniform und sein Fleisch sengte, während sich Balgor und die Laserpistole ineinander verbissen und vor den Augen zweier verblüffter Armeen in wilder Wut über die Hauptausfallsstraße rollten.
Wer den Kampf schlussendlich verlor, erfuhr der Colonel nicht mehr. Auf jeden Fall klang es nicht so, als wenn Balgors Zähne bei dem Zusammentreffen gesplittert waren.
»5120201 verstanden. Vielen Dank für Ihre Einschätzung! Balgor, Ende.« Die tiefe Sorge in der Stimme des Captains war nicht zu überhören.
Es klang so endgültig, dass Ekko sich eines unheimlichen Schauers nicht erwehren konnte, der mit hämischer Kälte über seinen Rücken kroch.
»Lassen Sie die Walküren klar machen«, grummelte er mit finsterem Blick auf den Plot. Das erste seiner eigentlich bewusst zurückgehaltenen Asse musste gespielt werden.
Carrick, sich der Schwere der Entscheidung bewusst, versuchte der Colonel noch einmal umzustimmen – wohl in dem Wissen, dass es dafür im Grund bereits zu spät war. »Wollen Sie die Walküren wirklich einsetzen?«
»Von wollen kann gar keine Rede sein.« Der Colonel wandte sich um. »Aber Balgor braucht nun einmal Feuerkraft. Da liefern unsere Panzer nicht genug. Hoffen wir, dass es uns genügend Zeit gibt.«
Carrick nickte und trat zu den Funkern, um die Befehle weiterzuleiten. Sein Widerwillen war ihm deutlich anzusehen.
Ekko konnte es ihm nicht verdenken.
»Und was machen wir jetzt?«, sprach Solmaar aus, was mindestens die Hälfte der anwesenden Offiziere dachte.
Nachlässig wedelte der Colonel mit seiner Hand in Richtung Plot. »Wir müssen den Vorstoß einfach aufhalten.«
Captain Gaer, seit einigen Minuten in seinen eigenen Grübeleien über ihre Situation gefangen, schreckte entsetzt auf. »Das ist Ihr Plan?!«, brachte er hervor.
»Ergibt Sinn«, stimmte Solmaar zu. »Aber wie wollen Sie das bewerkstelligen? Unsere Streitkräfte reichen bei weitem nicht aus.«
Er erntete ein Grinsen seines Vorgesetzten. In der harten, künstlichen Beleuchtung der Kommandozentrale rückte es die verwegene Idee des Colonels in ein vollkommen anderes Licht: »Wir werden einfach improvisieren.«
Diese Antworte schockierte die Männer beinahe noch mehr. »Improvisieren?!«
Nun war es nicht so, dass Ekko nicht für seine Improvisationen in taktischen Notlagen bekannt war.
Tatsächlich hatte er sein Geschick dazu bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Allerdings stand ebenso außer Frage, dass ihnen eine einfache militärische Spielerei in diesem Moment das Leben nicht retten konnte. Dazu wäre vermutlich nicht einmal mehr die Gottesallgewalt des Imperators in der Lage gewesen.
Nein, ihnen allen stand der Exitus bevor. In dieser Lage noch etwas ‚improvisieren‘ zu wollen, kam einer Blasphemie gleich.
Aber Colonel Ekko gehörte auch nicht zu den Menschen, die für ihre Imperatorfürchtigkeit bekannt waren, oder?
»Also, meine Herren«, stellte der Basteter seine Gedanken vor. »Versetzten Sie Ihre Einheiten in Bereitschaft. Es kann sein, dass wir Sie bald in den äußeren Ring verlegen müssen.«
Hatten Verwirrung und Unverständnis in dem Raum inzwischen das bei Offizieren anzulegende Höchstmaß erreicht, so wurde jetzt die Messlatte ihrerseits ein ganzes Stück angehoben.
Was, beim Thron, plante der Colonel?
Vermutlich hätte jeder von ihnen diese Frage gerne und mit wenig Taktgefühl an den Verantwortlichen gestellt – nur war dafür im Augenblick keine Zeit.
Zwischenzeitlich hatten sich neue Quadrate im Zentrum der hololithischen Anzeige aufgetan, zeugten von dem immensen Druck, unter dem die verteidigenden Einheiten standen.
»Alle weiteren Befehle und Aufträge erhalten Sie, sobald sich eine Lageänderung ergibt.« Ekko ließ seinen Blick über die Offiziere schweifen. »Noch irgendwelche Fragen? Nein? Also dann, meine Herren: Tod und Verderben!«
»Tod und Verderben!«, wiederholten sie und traten dann weg, um ihre Einheiten mit neuen Befehlen zu versorgen.
Der Regimentskommandeur verfolgte, wie die Männer einer nach dem anderen durch den Eingang zur improvisierten Kommandozentrale verschwanden. Die schweren Schritte von Kampfstiefeln traten an seine Seite.
»Colonel, das ist doch Irrsinn!«, sprach Major Carrick ihn leise an, wohl wissend, dass niemand ihre Unterhaltung verfolgen konnte. »Halten Sie das für richtig?«
»Halten Sie mich für einen normalen Menschen?«, fragte Ekko rhetorisch zurück. »Oder glauben Sie auch, dass ein mal eins eins ergibt?«
»Aber Colonel, ein mal eins bleibt eins.«
Ekko sah seinen Stellvertreter verblüfft an. »Wirklich?« Er stieß Luft aus und deutete mit einem Kopfnicken auf den verhüllten Eingang, durch den der Konsul des Munitoriums fortgeschafft worden war. »Ob er es gemerkt hat?«
Carrick unterließ weitere Kommentare. Dass er sich nicht gerade in Begeisterung suhlte, war seiner Miene jedoch deutlich abzulesen.
Entschuldigend hob der Colonel die Achseln. »Tut mir leid. Ich bin nun einmal schlecht in Mathe.«
Kaum, dass diese Worte von seinen Lippen gebrochen waren, rauschte Balgors Stimme durch die Lautsprecher des Funkgeräts in die Kommandozentrale.
»Hier ist 5120201 – an alle Einheiten im ersten Ring! Abwehrstellung 1 aufgeben und zur Auffangstellung zurückfallen! Reserven klar zum Gefecht! Ich wiederhole: …«
Jeder, der in diesem Moment in ihre Situation geworfen worden wäre, hätte zu dem Schluss kommen können, der Captain wolle seine Männer lediglich vor der Matheschwäche des Vorgesetzten retten.

***

Das unverkennbar charakteristische Donnern des Schweren Bolters in ihren Armen betäubte Leitis Siles Ohren mit dem wohligen Klang der Vernichtung, löste ihren Geist von den störenden Lärmeinflüssen der Schlacht. Sie genoss die euphorisierenden Empfindungen, die ihr dieses körperliche Extrem verschaffte – trotz des Wissens um die Risiken. Was konnte schon groß passieren? Die stete Lärmbelastung und Knalltraumata, denen sie ausgesetzt wurde, würden mit der Zeit die Haarzellen ihres Innenohrs schädigen und vernichten. Im schlimmsten Fall zerriss ihr Trommelfell oder platzte sogar. Mit Pech blieb sie danach taub. Im besten Fall implantierte man ihr bionische Prothesen als Ersatz für das verloren gegangene Hörvermögen.
Der Orden des Gläubigen Geistes besaß gute Beziehungen zu Techno-Ärzten, die in der Lage waren, solche Bionics, wie man sie gemeinhin nannte, zu ‚montieren‘ und in die normalen Körperfunktionen zu integrieren. Ohne Frage war eine solche Prozedur langwierig, mit erheblichen Risiken verbunden und auch nicht immer erfolgversprechend.
Aber was bedeutete das schon, verglichen mit dem Dienst an Ihm? Nur die Unversehrten hatten nie wirklichen Dienst geleistet.
Natürlich wusste Sile, dass der Sabbat-Typ-Helm, wie er seit dem 38. Jahrtausend von den meisten Sororitas getragen wurde, Störungen wie heftige Lichterscheinungen oder den Lärm einer Schlacht minimieren, ja sogar ausblenden konnte. Natürlich war er damit ähnlich ideal wie die mächtigen Panzerhelme der Space Marines, um die Adepta vor den mannigfaltigen Sinneseinflüssen zu schützen, die mit dem grellen Antlitz der Schlacht einhergingen.
Sile hatte sich trotzdem entschieden, ihre Sinne und ihre Sicherheit nicht mit der ehernen Hülle des Sabbat-Helms zu belasten.
Zum einen engten die stilisierten Augen des Visors und die Akustiksensoren Sicht- und Hörbereich ein. Man konnte nicht das gesamte Spektrum der Sinne abrufen, sondern lediglich begrenzte Bereiche davon.
So wurde der Nutzer auf eine Richtung fixiert, ohne das restliche Gefechtsfeld im Auge zu behalten. In einer Feuerlinie mit anderen Schwestern mochte das einen gewissen Vorteil bieten, da sich jede so auf einen bestimmten Zielbereich konzentrieren und diesen als ihr Schussfeld im Blick behalten konnte.
Im Nahkampf gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner hingegen wies sich eine derart kontrollierende Eigenschaft als ungemein hinderlich aus, sodass es Sile grundsätzlich nicht sinnvoll erschien, ihr Haupt zu panzern.
Außerdem sollte der Feind sehen, wem er entgegenstand. Sollte den blonden Todesengel erkennen, der ihm Verderbnis und Vernichtung brachte, und in dessen Fußstapfen keinerlei Leben mehr existierte, sei es nun menschlicher oder xenomorphologischer Natur.
Der schwere Bolter in ihren Händen verstummte, atmete mit dem metallenen Rasseln einer Ladehemmung aus.
Sile bemerkte es im ersten Moment gar nicht. Die Hände, vom Rucken der mächtigen Waffe betäubt, zitterten noch immer, während ihre Augen, halb blind vom Feuerschein des Mündungsfeuers und ihre Ohren, klingelnd vom Lärm, nach wie vor das unbändige Wüten des Bolters suggerierten.
Erst nach wenigen Sekunden begriff die Sororita, dass es nicht das Klingeln in ihrem Gehör war, das mit penetrantem Klicken auf sich aufmerksam machte.
Verwundert löste sie ihren bald krampfenden Finger von Abzug, der sich mit einem deutlichen Klicken des Wiederspannabzugs dafür bedankte.
Sie ignorierte ihn, vergewisserte sich stattdessen, dass ihr Munitionsvorrat nicht zur Neige ging. Nein. Auch wenn dies bereits die dritte Trommel war, die sie auf den Feind verschoss - sie war noch nicht geleert.
Zudem, wenn dem so gewesen wäre, dann hätte sie nur auf den Rücken ihrer Panzerung greifen müssen, um eine der beiden dort noch befindlichen Trommeln zu fassen und so den unstillbaren Hunger des Handgeschützes auf Munitionsnachschub zu bändigen.
Vielleicht war die Waffe heiß geschossen? Auch das erschien unwahrscheinlich. Immerhin hatte sie bisher nur gut sechshundert bis siebenhundert Schuss abgegeben. Das reichte noch nicht, um einen schweren Bolter überhitzen zu lassen. Zudem besaßen schwere Bolter ausgeklügelte Zünd- und Kühlmechanismen, die niemand verstand, aber die das Heißlaufen der Waffe deutlich hinauszögerten.
Doch das erklärte längst nicht, weshalb die Waffe ganz offen den Dienst verweigerte.
Rasch drehte sie die Waffe nach links, um einen Blick in das Patronenauswurffenster zu werfen. Möglicherweise hatte sich eine der Geschosshülsen verklemmt und verhinderte nun, dass Sile weiter Tod und Verderben zwischen die Reihen des Feindes säen konnte.
Nein, eine verklemmte Boltpatrone ließ sich nicht erkennen, allerdings zeugten die traurig vor sich hin rauchenden Überbleibsel des einstmals mächtigen Mündungsfeuers recht deutlich von einer Dysfunktion der Waffe.
Herr auf dem Thron! Eine Ladehemmung! Verflucht sollt ihr sein, ihr untreuen Maschinengeister!, wetterte sie stumm. Ladehemmungen, wie die, der die Prioris soeben gewahr geworden war, waren einer der Nachteile der mächtigen Infanteriewaffen, wenn nicht sogar der gefährlichste.
Abgesehen von der Tatsache, dass damit der Verlauf von Abfeuern, Auswurf und Einführen der nächsten Patrone ins Patronenlager unterbrochen wurde (und damit eine schnelle Feuerabfolge), konnte es im Verlauf einer Ladehemmung bei heißgeschossenen Waffen auch zu einem Rohrkrepieren kommen.
Bei einem vom Chaos korrumpierten Leben geschah es bisweilen, dass die Waffe in der Hand des Schützen zerbarst. Im besten Fall verlor er so ein paar Gliedmaßen.
Aufgrund ihrer komplexen Technik waren sämtliche Boltwaffen recht störanfällig. Weshalb, das vermochte Sile nicht zu sagen. Solch eine Auskunft konnte ein Maschinenseher geben, wobei im Gros der Fälle zu beweisen blieb, ob die Techpriester tatsächlich mit der Problematik hinter dem Fehler vertraut waren.
Nun gut, diese Frage stellte im Angesicht der brüllend anstürmenden Feinde ihre geringste Sorge dar, obgleich der Grund für eine Fehlfunktion zumeist in der Technik der Waffe zu finden war.
Allerdings gab es einige Litaneien und Rituale, die es dem Schützen ermöglichten, ihren Waffen nach einem Versagen neues Leben einzuhauen.
Eines davor war das Ritual des Durchladens. Beim Durchladen benutzte der Schütze den Repetierhebel seiner Waffe und riss diesen mit aller gebotenen Gewalt zurück, um so die verklemmte Patrone aus dem Patronenlager zu zwingen. Begleitet wurde dies von einem Gebet an den Maschinengeist, um diesen zu besänftigen und die weitere Funktion der Waffe sicherzustellen.
Sile griff den Spannhebel ihrer Waffe, dann sagte sie die Litanei auf:
»Geist der Maschine, vergib deinem Bediener.
Befreie deinen Lauf von dem Unreinen.
Speie aus das Störende.
Und verrichte nun ungestört dein Werk der Vernichtung meiner Feinde.«
Dann riss die Sororita den Hebel nach hinter und repetierte. Mit einem deutlich kratzenden Geräusch sprang das deformierte Bolt aus dem Patronenlager der Waffe und wirbelte zur Seite weg.
Durch das knirschende Luftholen seines Repetierhebels mit neuer Energie versorgt, setzte die Waffe in Siles Armen erneut an, mit Deuterium angereicherte Munition in Richtung der Angreifer zu pumpen.
Abpraller und Querschläger wühlten die Erde auf, warfen mächtige Fontänen in die Luft.
Um sie herum zerfetzten die Xenos, verspritzten eine rostfarbene Mischung aus Blut, Gedärmen und Knochen über den inzwischen aufgeweichten Boden.
Die Space Marines an ihrer Seite stimmten mit sonorem Bass den Kriegsgesang eines archaischen Schlachtenlieds an, begleitet vom stakkatoartigen Rhythmus ihrer Waffen.
Eine Lobhymne auf den Imperator, die Sile nicht kannte, bei der ihr aber eine eigene Hymne der Sororitas einfiel.
Also stimmte sie mit dieser in das Crescendo aus Gesang, Waffenfeuer und Explosionen ein, das ihre Ohren betäubte und sie in einen orgastischen Blutrausch versetzte.
Es war, als würde der Imperator vor ihr stehen, ihre Hand führen und ihr die Ziele zuweisen. Diesen da! Jetzt den! Und nun den hier!
Leitis Sile richtete sie alle.
Perverses Vergnügen flüsterte ihr ins Ohr. Wohlgefallen an der Macht über Leben und Tode. Es war ihr eine Freude, in Seinem Namen zu richten, die Feinde der Menschheit unter der geballten Gewalt ihrer Feuerkraft zu zerfetzen.
Wäre es nach ihr gegangen, der Strom der Angreifer hätte niemals enden mögen. Der Imperator jedoch hatte andere Pläne.
Urplötzlich versiegte ihre Euphorie, verbarg sich vor dem Antlitz einer ungebetenen Störung.
Tief geduckt, von den Projektilen, Querschlägern und Schrapnellen, die ihr nichts anhaben konnten, zu Boden gezwungen, keuchte Corporal Rebis an ihre Seite.
»Prioris!«, rief er, um sich durch den pochenden Rhythmus der Feuerwaffen Gehör zu verschaffen. »Wir haben neue Befehle vom Kommandeur erhalten!«
Überrascht hielt Sile inne. Grelles Lichtspiel bestrahlte das Haupttor, ließ es in Fehlfarben erstrahlen. Der trockene Knall sich schnell ausdehnender Luft fegte über sie hinweg.
Ein neuer Befehl? Konnte es überhaupt einen anderen Befehl geben als den, den Feind mit aller gebotenen Härte zu vernichten?
Sie wandte sich um, verwirrt ob der Frage, was wohl diese neue Order sein mochte. Die Antwort bot sich ihr postwendend.
Hinter dem Corporal ließen sich imperiale Soldaten erkennen, die bereits ihre Stellungen aufgaben und sich unter gegenseitigem Feuerschutz vom Feind lösten.
»Wir ziehen uns zurück«, erklärte der Unteroffizier, als würde er die Vorgänge in einem Kriegsgericht schildern. »Neue Verteidigungslinie ist Auffangstellung 1.«
Rückzug? Es gab wohl kein Wort, dem Leitis Sile weniger abgewinnen konnte als Rückzug.
Für sie zählte der Kampf bis zuletzt. Das einsame Leuchtfeuer, das im Namen des Imperators strahlte, bis es schließlich die Dunkelheit des Makels besiegte, oder ob der Übermacht dieser verlosch.
Eine andere Option gab es nicht.
»Die Sororitas würden niemals ….«, begann sie, nur um zu begreifen, dass sich dieser Grundsatz der Schwesternschaft nicht auf die Imperiale Armee übertragen ließ.
Immerhin wiesen die Rüstungen Infanteristen nur einen Bruchteil der Panzerung auf, mit der sich die Astartes und das Adeptus Sororitas schützten.
Rebis bestätigte ihre Überlegung nur Sekunden später. »Aber wir sind keine Sororitas! Wir haben dafür nicht genügend Holz … äh … Vor … bau«, stammelte er, kaum dass ihm aufging, wie weit er sich in verbotenes Territorium bewegte. »Verstehen Sie?«
Nein, sie verstand nicht. Wie ließen sich Forstwirtschaft und Architektur mit den Statuten der Sororitas in Einklang bringen?
Oder wollte er etwa sagen, dass … alle Sororitas beschränkt waren?
Das kam Häresie gleich! In jedem anderen Moment hätte sie ihn dafür vermutlich postwendend gerichtet. Da sie allerdings vermutete, dass sein unbedachtes Verhalten eine Folge des Stresses war, unter dem er stand, verzichtete sie vorerst darauf.
Immerhin hatte der Oberkommandierende mehr als deutlich klar gemacht, dass er seine menschlichen Ressourcen benötigte.
Ob das vielleicht auch der Grund dafür war, dass Ekko solch einen Wahnsinn wie einen Rückzug wagte?
Nun hielt Leitis Sile Galard Ekko nicht für den Mann, der im Angesicht des Feindes zurückwich. Nein, dafür war er selbst viel zu entschlossen und kämpferisch.
Allerdings war er auch der bessere Taktiker – ansonsten wäre er wohl kaum Colonel geworden – und aus seinem Blickwinkel mochte der Rückzug durchaus einen logischen Sinn ergeben.
Seine Truppen besaßen nicht genügend Mannstärke und Feuerkraft, um den gesamten Außenwall der Kathedrale tiefgreifend zu sichern.
Für sie gehörte die Verteidigung des ersten Rings zu einer in ihrem Plan notwendigen Tatsache, von der sie nur allzu gern Abstand nahmen, wenn sich ihnen die Gelegenheit dazu bot.
»Ma’am?«, drängte der Corporal.
Wie den Sororitas ihre Statuten waren dem imperialen Soldaten seine inspirierenden Instruktionen heilig. Und die rieten ihm, sich immer auf seinen Kommandeur zu verlassen.
Zur Zeit war ebendieser Kommandeur der Meinung, dass es klüger war, zurückzuweichen und diese Stellung aufzugeben.
Sile wäre keine Dienerin des Imperators gewesen, wenn sie ihm in diesem Punkt widersprochen hätte.
Immerhin zweifelte er nicht Willen und dem Kampfgeist der Basteter. Sie kämpften für den Imperator. Und sie kämpften tapfer.
Er zweifelte lediglich an der Panzerung ihrer Rüstung und der Schlagkraft ihrer Waffen.
Das war nun einmal das Los eines, wie die Kasrkin sagten, ‚Normalen‘. Hätte sie an der Seite tausender Space Marines gekämpft, Ekkos Befehl wäre einer Farce gleichgekommen und sein Todesurteil gewesen. So aber verstand sie den Sinn hinter dem Befehl – auch wenn sie ihn nicht unbedingt begriff.
Motoren sprangen an, warfen röhrenden Lärm in die Luft. Zwei der an der Front eingesetzten Chimären kletterten auf ihren Gleisketten aus den ihnen zugewiesenen Stellungen und rollten langsam rückwärts aus der Gefechtszone.
Um sie herum strömten immer mehr Infanteristen zusammen, setzten sich über die vordefinierten Ausfallwege vom Feind ab.
»Folgen Sie dem Befehl, Corporal«, ordnete sie an. »Für den Imperator!«
»Der Imperator beschützt«, antwortete er, fuhr herum und sprintete zurück zu seiner Truppe.
Für einen Augenblick überlegte die Sororita, ob sie dem Befehl ihrerseits folgen sollte. Immerhin hatte Colonel Ekko ihr das Kommando über einen seiner Trupps übertragen. Tatsächlich war sie versucht, der Order ernstlich nachzugeben.
Doch sie musste auch ihre Verantwortung gegenüber dem heiligen Reich des Imperators wahrnehmen!
Und der Imperator hatte ihr nicht nur das Leben und ihre Energie geschenkt, sondern auch die Rüstung, die sie trug. Die Rüstung, die das ausmachte, was sie war.
Sile warf einen kurzen, musternden Blick zu den ausdruckslosen Golems an ihrer Seite, die den Feind mit unverminderter Härte bekämpfte – und traf ihre Entscheidung.
Der Bolter knirschte genießend, als sie ihn zurück in Richtung Xeno-Abschaum hob. Dann stimmte sie ein neues Lied an und entfesselte die Macht ihrer Waffe.
Für den Imperator!

***

» … Formation Delta. Engagement bei Kontakt mit Feind oder über Einweisung«, ratterte die Stimme des Staffelführers die Befehle herunter, als er mit seinen Männern den Auftrag für den Einsatz durchging.
Die sechs Flieger – drei Piloten und ihre Waffensystemoffiziere – standen um ein Treibstofffass, auf dem ihr Kommandant eine Karte der Himmelskathedrale ausgebreitet hatte und nickten verstehend.
Hinter ihnen erhoben sich die ehernen Rümpfe der drei verblieben Walküren, kampfbereit und begierig darauf, in die Schlacht einzugreifen und ihre gemordeten Schwestern zu rächen. Leitis Sile wäre stolz auf ihren Hass gewesen.
Techpriester und Spezialisten des Munitoriums umschwärmten die ungeduldig auf den Startbefehl wartenden Maschinen, prüften Triebwerke und Elektronik, montierten Raketenpods und Höllenfeuer-Raketen und munitionierten die Buggeschütze auf.
Nur eine der Maschinen kauerte flügellahm und traurig am Rand des improvisierten Flugfelds, verfolgte betrübt die sich entwickelnden Ereignisse.
Demetrian Gantis strich über die Seitenpanzerung seiner fluguntauglichen Sky Talon und versuchte, bei dem Gedanken an seine Untätigkeit nicht vor Scham den Kopf zu senken. »Dieses Mal nicht, Lyka«, sprach er das leblose Fluggerät an. »Dieses Mal werden wir nicht mit ihnen kämpfen können. Bereits zu zweiten Mal.«
Wenn auch im Angesicht der neuen Bedrohung bereits schwächer werdend, waren ihm dennoch die Schuldgefühle in Erinnerung, die er empfunden hatte, als sein Geschwader mit der Armee General Iglianus‘ in das letzte Gefecht zog und er sie im Stich gelassen hatte. Alle seine Kameraden, seine Freunde, waren gefallen. Sie hatten für den Imperator ihr Leben gelassen. Lediglich er, der er nie einen Kampf gescheut hätte, lebte noch, hatte nicht gekämpft.
Nein. Stattdessen saß er hier fest, unfähig, in irgendeiner Form in die Kämpfe einzugreifen. Er konnte nur warten und hoffen, dass die Techpriester seiner Lyka wieder Leben einhauchten, auch wenn sein Verstand ihm immer und immer wieder die Frage stellte, was er nun noch zu gewinnen versuchte.
Eine Sky Talon konnte keinen Krieg gewinnen. Das war so sicher wie die Tatsache, dass der Imperator beschützte.
Nun ging es in einen neuen Kampf, und wieder stand er nur als hilfloser Zuschauer dabei. Es war einfach erniedrigend.
»Bestehen noch irgendwelche Fragen?«, wollte der Rottenführer wissen und sah auf. Sein Blick schweifte durch die Runde, dann richtete er sich kurzzeitig auf Gantis.
Der Basteter versuchte, der Entschlossenheit mit ebenso festem Willen zu begegnen, doch es gelang ihm nicht einmal, dem anderen Piloten für kurze Zeit in die Augen zu sehen.
Sofort meldete sich sein Schuldgefühl, erinnerte ihn an die Schwere der Last in seinem Herzen. Ohne einen weiteren Versuch gab Gantis dem ausdruckslosen Gesicht seines Gegenübers nach und wandte den Blick ab.
Der Rottenführer nahm dies als Sieg hin. »Wenn von Ihnen keine Anmerkungen mehr sind, dann besetzen Sie Ihre Maschinen, meine Herren. Der Imperator beschützt.«
»Der Imperator beschützt«, wiederholten sie und trennten sich. Rasch, aber ohne Hast, begaben sich die Besatzungsmitglieder an die Sturmtransporter. Ein kurzes Gespräch mit den zuständigen Techpriester und den Adepten des Munitoriums folgte, dann bestiegen der Waffensystemoffiziere die Cockpits über herangebrachte Leitern, während die Piloten damit begann, die Maschine zu umrunden.
In der Fliegersprache nannte sich so etwas Preflight-Check oder, brach man das Ganze herab auf das Niedergotisch des normalen Bürgers, Vorflugkontrolle.
Ziel dieser Vorflugkontrolle war, sämtliche Teile der Flugmaschine noch einmal abzugehen und auf Unregelmäßigkeiten zu kontrollieren.
Zwar kam es nicht oft vor, doch von Zeit zu Zeit wurden selbst die Maschinenwärter und Adepten ein wenig schlampig. So kam es zum Beispiel vor, dass Lufteinlässe nicht ordnungsgemäß geöffnet waren, Waffenbuchten nur unzureichend verriegelt und sogar Werkzeuge in den Turbinen vergessen wurden.
All diese und andere kleinere Schwierigkeiten, die sich während des Fluges (oder im Gefecht) zu einem ernsthaften Problem entwickeln konnten, mussten noch vor dem Start abgestellt werden.
Und als Flugzeugführer war nun einmal der Pilot für seine Einheit verantwortlich.
Nachdem die Männer den Außenbereich der Maschinen überprüft und für sauber befunden hatten, bestiegen sie ebenfalls die Cockpits.
Das leise Singen von Servomotoren klang an, als die Cockpithauben heruntergefahren wurden, bevor sie mit deutlichem Knacken in ihren Rasten einhakten und verriegelten.
Wie in den meisten zweisitzigen Kampfmaschinen des Imperiums befand sich der Sitz des Waffensystemoffiziers vorne, während der Pilot hinter ihm und eine halbe Körperhöhe über ihm saß. Beide Besatzungsmitglieder waren in ihren Funktionen für bestimmte Elemente ihrer Waffenplattform verantwortlich, konnten jedoch im Notfall auch die Aufgaben des anderen übernehmen. Ein ausgeklügeltes System, dessen größte Schwachstelle noch am ehesten der Mensch darstellte.
Doch auch hier überließ das Imperium Nichts dem Zufall. Nahezu jede Prozedur, jede Denkbarkeit eines unvorhergesehenen Geschehnisses, war in handbuchartigen Checklisten festgehalten, die dem Piloten (ähnlich dem Uplifiting Primer der imperialen Infanteristen) eine Anleitung sein sollten. Und wie der Uplifting Primer besaßen auch sie den Status einer heiligen Reliquie, an der nichts rütteln konnte. Was in diesen Handbüchern stand, war Gesetz.
Aufmerksam verfolgte Gantis, wie in der Pilotenkanzel der ihm nächsten Walküre der Flugzeugführer die Start-Checkliste verbal abarbeitete, während der Bordschütze die aufgeführten Punkte in auf seinen Instrumentenbrettern und Bildschirmen überprüfte.
Wie auch die Vorflugkontrolle, sollte der Start-Check verhindern, dass Fluginstrumente oder Waffenbedienelemente während des Einsatzes plötzlich den Dienst verweigerten, weil der Maschinengeist durch falsche Bedienung aufgebracht worden war.
Den Maschinengeist einer Walküre zu besänftigen, stellte ein schwieriges Unterfangen dar (Lykas launiger Maschinengeist war ein passendes Beispiel dafür). Allerdings musste die Maschine dafür erst einmal lange genug in der Luft bleiben – und bei gut zwei Stunden Einsatzdauer mit internen Tanks konnte viel passieren.
Die Checkliste wechselte den Besitzer.
Nun war es der Waffensystemoffizier, der dem Piloten die Checkliste vorlas, während dieser seine Geräte überprüfte.
Mit leisem Seufzen liefen die Triebwerke der Walküre an, während auf den Flügeln des Transporters Bewegungen erkennbar wurden, die am ehesten wohl an das unkoordinierte Chaos eines mechanischen Tanzes erinnerten. Klappen, Querruder, Höhenruder, Trimmruder und Seitenruder wurden durch den Piloten betätigt, um mögliche Schwierigkeiten in der hydraulischen Steuerung festzustellen. Ein Ausfall der Hydraulik war teilweise noch schlimmer als der Verlust der Triebwerke. Und obwohl die Walküre für jedes ihrer Systeme Redundanzen besaß, hatten Vorfälle in der Vergangenheit gezeigt, dass auch diese von Zeit zu Zeit zu versagen pflegten.
Die Nachbrennerdüsen jaulten auf, ebenso die Umkehrschubklappen.
Die gesamte Prozedur dauerte gut eine Minute, dann sah Gantis, wie die Checkliste zum zweiten Mal im Cockpit herumgereicht wurde.
Der Flugzeugführer verstaute die Liste im dafür vorgesehenen Fach unter seinen Instrumenten, dann meldete er den Check als abgeschlossen.
Das Bodenpersonal hatte sich derweil von der Walküre entfernt, lediglich ein Einweiser des Munitoriums befand sich noch bei der Maschine.
Kaum, dass er die Meldung aus dem Funk aufschnappte, trat der Mann vor den großen Senkrechtstarter, streckte die Arme aus und signalisierte dem Piloten seine Bereitschaft.
Als würde er damit das Startsignal für einen tonlosen Countdown geben, schwoll das tiefe Fauchen der Turbinen an. Normalerweise liebte Gantis es, wenn das satte Geräusch der F75-MW Turbojets langsam zu einem heiseren Kreischen schmolz. Wenn die Drehzahl der Fans schnell in die Höhe kletterte, um genügend Luft für eine effiziente Treibstoffverbrennung anzusaugen.
Heute jedoch vermochte ihn die Todesmelodie des Senkrechtstarters nicht in Hochstimmung zu versetzen.
Vielmehr fühlte er sich, als würde ihn die Maschine anklagen. Als würde sie ihn verhöhnen und mit dem Gesicht darauf stoßen, wie unzulänglich er doch war. Wie hilflos und verwundbar ohne das schützende Cockpit seiner einsatzunfähigen Maschine.
Der Pilot ruckte bestätigend mit den Armen. Fast so, als würde er der Maschine recht geben. Gantis wusste natürlich, dass er lediglich den Einweiser adressierte. Doch das ließ ihn sich auch nicht wirklich besser fühlen.
Die ausgestreckten Arme des Einweisers schwangen in einer kräftigen Bewegung nach oben und prallten über seinem Kopf zusammen. Der Knall ließ sich sogar durch die im Leerlauf befindlichen Triebwerke vernehmen.
Mit einem Aufschrei der Erleichterung federte die Walküre in die Höhe und drehte, von einer entsprechenden Geste des Anweisers geleitet, in Richtung des Schlachtfelds.
Kaum, dass auch ihre Schwestern der Schwerkraft entronnen waren, neigten sich die drei Todesengel vornüber und nahmen Geschwindigkeit auf, entschlossen, den Feind in einem Sturm aus Feuer zu verbrennen.
Zurück blieben das Bodenpersonal, die Techpriester und Demetrian Gantis.
»Viel Erfolg, Jungs«, murmelte der Basteter. Seine Stimme verlor sich im allmählich verebbenden Sturm der Turbinen. »Möge der Thron Euch begleiten.«

***

Sergeant Kleit rutschte so heftig über den mitten auf der Straße aufgeschichteten Wall, dass ihm eine Lawine aus Sand und grobkörniger Erde in den dahinter liegenden Graben folgte und ihn zu Fall brachte. Eine Salve großkalibriger Geschosse aus Sturmwaffen ließ die Erde um ihn herum aufspritzen.
Die Antwort in Form von gebündelter Energie zuckte als Säule der Vernichtung direkt zum Feind hinüber und fuhr direkt zwischen die angreifenden Panzerfahrzeuge.
Heftige Detonationen erschütterten Luft und Erde, wirbelten mächtige Staubwolken auf.
»Enforcer eins, hier 5120201, verlagern Sie Ihr Feuer! Vier Grad positive Elevation! Wir müssen das Tor zum Einsturz bringen!«, hörte er die Stimme Captain Balgors irgendwo neben sich.
»Enforcer eins: verstanden! Feuerverlagerung vier Grad positiv!«
Kräftige Hände packten Kleit und zogen ihn in die Höhe, als würden sie ihm einem furchtbaren Alptraum entreißen … um ihn direkt in den nächsten stoßen.
»Was sollen wir tun?«, richtete sich die ratlose Stimme Corporal Aledans an ihn, während er seinem Vorgesetzten auf die Beine half.
Kleit fuhr herum und maß seinen Stellvertreter mit einem kurzen Blick der Ahnungslosigkeit, bevor er sich dazu hinreißen ließ, seinen Kopf über die Brüstung zu heben.
Die überlebenden Soldaten aus seinem Trupp lagen nur einige Meter weiter vorne hinter einem Stück aufgerissener Straße, um an der Seite ihrer Kameraden den Rückzug – oder vielmehr die Flucht – der Reste von dem zu decken, was einmal Captain Retexers Zug gewesen war.
Andere imperiale Soldaten rannten in kopfloser Panik um ihr Leben, die Angst vor der anrollenden Meute grauenerregender Xeno-Bestien auf den Mienen.
Wildes, ungezieltes Waffenfeuer aus den Tiefen der schnell um das Haupttor expandierenden Staubwolke jagte sie auf ihrem Weg zu den eigenen Linien, aus denen das stroboskopartige Flackern hunderter Lichtstrahlen zu den anstürmenden Orks hinüberreichte.
Gleißende Helligkeit strahlte aus dem Himmel hernieder, energetische Säulen der Vernichtung, die in die undurchsichtige Wolke eindrangen und dort Tod und Verderben säten.
Männer sprangen und rutschten unter wildem Schreien und Fluchen in Deckung, einige von ihnen kamen nicht lebend zum Halten – oder in ganzen Teilen.
Kleit zuckte zurück, als der platzende Torso eines Infanteristen ihn mit den blutigen Überresten zerrissener Gedärme besprühte. Ekel kämpfte sich Form eines unkontrollierbaren Würgereizes in konzentrierten Schüben aus seinem Magen die Speiseröhre hinauf.
Mühsam rang der Sergeant mit der krampfartigen Reaktion seines Körpers. Eine halbe Ewigkeit dauerte es, bis es ihm gelang, seinen Geist zur Räson zu bringen. Zwar beschäftigte ihn das Gefühl steigender Übelkeit nach wie vor, doch es zog sich in die hinteren Gehirnwindungen seines Kopfes zurück und entschied, dort auf einen besseren Moment für seine Rückkehr zu warten.
»Sergeant!«, rief Aledan aus.
»Ich habe Sie verstanden!«, bellte Kleit unwirsch zurück. In der Nähe schrie Captain Balgor weitere Befehle in das Stakkato der Waffen.
Hinter ihnen donnerten die Multilaser zweier Chimären, deren eingegrabene Rümpfe jedes Durchkommen gepanzerter Fahrzeuge verhinderten.
Ein Waaaghbike kämpfte sich aus dem sandigen Nebel vor ihnen, raste unter dem Blitzen seiner Waffen auf die Imperialen zu.
Sofort legten mehrere Dutzend Lasergewehre auf das knatternde Angriffsfahrzeug an, unterstützt durch die Geschütze der Chimären. Das Waaaghbike zerbrach regelrecht. Es fiel einfach auseinander, scherte nach links aus und zerbarst schließlich in einem beeindruckenden Feuerball an der Häuserfront, die sich entlang der Straße auftürmte.
Doch kaum war dieses Fahrzeug zerstört, kamen weitere. Der ohrenbetäubende Chor der Vernichtung nahm überhand.
»Halten Sie die Position! Ich bin gleich zurück!« Eilig trat Kleit in die dem Feind zugewandte Grabenwand und rollte sich mit Hilfe des Schwungs rückwärts aus der Stellung. Der einzige Mann, der an diesem Ort noch so etwas wie Durchblick besaß, war Captain Balgor, der einige Meter zur Rechten des Grabens in Deckung gegangen war. Von dort aus koordinierte er die Verteidigung, um einen weiteren Durchbruch der Grünhäute zu verhindern.
Wenn einer wusste, was zu tun war, dann er.
Kleit versuchte, sich auf die Beine zu erheben, aber das donnernde Inferno, das die anstürmende Horde entfesselte, ließ ihn sich sofort wieder auf den Boden werfen.
Von dort an kroch er die letzten Meter bis an den Straßenrand, schob sich über den von Blut und auslaufenden Körperflüssigkeiten getränkten Belag der Straße. Tote und Verwundete, im Grunde nur noch die Schatten von Leben, breiteten sich gleich einem Minenfeld vor ihm aus. Kleit kletterte und rollte einfach über sie hinweg. Er hatte keine Zeit, Rücksicht auf die Toten zu nehmen.
Schwere Artilleriegranaten rauschten heulend über die Köpfe der Soldaten hinweg, zerbarsten unter dumpfem Dröhnen außerhalb des energetischen Schutzschilds der Kathedrale.
Unter dem Truppführer bebte der Boden. Staub und Putz rieselten von den Wänden der Gebäude ringsherum.
Als Kleit Balgors Deckung erreichte, eigentlich nur eine aufgeschichtete Barriere aus Straßenbelag und Sand, hatte der Captain gerade seine Befehlsausgabe an die Panzerjäger beendet und forderte nun über das Sprechgerät des Funktornisters Infanterieunterstützung für einen Ausfall an.
Sein Funker, ebenfalls eng an die Barriere gepresst, feuerte mit seiner Waffe auf die anrückenden Xenos.
»..0201 – wir brauchen Unterstützung! Sofort! Zwei – ich wiederhole: zwei Züge zum Gegenschlag!«
Das Knallen sich schnell ausdehnender Luft platzte trocken über sie hinweg, gefolgt vom markerschütternden Krachen detonierender Munition. Erde spritzte auf. Querschläger heulten an ihnen vorbei.
Balgors Funker zuckte zusammen und kauerte sich, soweit es ihm möglich war, hinter dem improvisierten Schutzwall zusammen. Kleit entschied, es ihm gleich zu tun.
Vor sich hörte er Grünhäute brüllen. Der Motor eines vorrückenden Panzerfahrzeugs heulte gequält.
»Ein Gegenschlag?«, wollte er, an Jelard gerichtet, wissen. Der Funker, Spuren eines harten Abwehrkampfes im Gesicht, nickte. »Ja, Sergeant! Captain Balgor will versuchen, das Tor zu sprengen, um uns ein wenig Zeit zu erkaufen!«
»Das Tor sprengen?!«, schrie Kleit, wurde jedoch von einer Reihe heftiger Explosionen übertönt. »Ich denke, das Tor war bereits präpariert?!« Noch bevor der Funker in der Lage war, ihm eine Antwort zu geben, fand er des Rätsels Lösung selbst.
»Herr auf dem Thron!«, rief er aus. »Jetzt weiß ich auch, was da vorhin so tierisch explodiert ist.«
Jelard nickte. »Ja, Sir! Leider sehr ungerichtet! Wir …«
»Wer gibt die Order?«, tönte eine aufgeregte Stimme blechern aus den Lautsprechern, schnitt die Erklärung des Soldaten mitten im Satz ab.
»Captain Balgor«, brüllte der dunkelhaarige Basteter neben ihm, um den tobenden Gefechtslärm zu übertönen.
Kleit wandte sich um, versuchte den Standpunkt der beiden Destroyer auszumachen, denen sie ihr Leben verdankten.
Ein schwaches Licht blitzte vom Hügel über ihnen herab. Einen Lidschlag später erstrahlte die Welt in unnatürlicher Helligkeit. Kleit schrie auf und drehte sich weg. Kleine Kobolde tanzten vor seinen Augen.
Donner erschütterte die Welt um sie herum.
»Wollen Sie mich verarschen, Mann?!«, schrie Balgor in das Handgerät des Funktornisters. »Hört sich das für Sie vielleicht an, als wenn wir hier eine große Feier zum Geburtstag des Colonels schmeißen?! Hier fetzt Leib und Hirn, Mann! Also schieben Sie Ihren Arsch hier herunter, sonst schick ich Ihnen die Grünen hoch! Ich werde den Scheißern den Weg sogar persönlich beschreiben!«
Stille antwortete ihm. Offensichtlich wurde sich die Gegenseite gerade der Warnung bewusste, die der Captain ausgesprochen hatte.
Balgor nutzte die Zeit, sich an die Soldaten zu wenden, die mit ihm in Deckung lagen. »Kleit!«, rief er, ließ ein wenig Freude über das Überleben des Sergeants durch seine Miene aus professionellem Zorn schimmern. »Lage?!«
»Sehr unübersichtlich, Sir! Wir haben die Marines und Leitis Sile irgendwo vorne am Tor verloren, genauso wie etliche Infanterieeinheiten. Nur der Imperator weiß, wo sie gerade sind.«
Balgor nickte. »Sehr bedauerlich!«, schrie er, nur um dann das Thema zu wechseln. »Ich versuche, einen Gegenschlag zu organisieren. Sie machen doch mit, oder?«
Kleit lachte dank des Wissens, nun endlich etwas zu tun zu bekommen. »Ich klebe an Ihrem Arsch wie eine Zecke am Hund, Sir!«
»Schön zu hören!« Balgor hielt einen Moment der Nachdenklichkeit inne. »Die arme Zecke!«, stellte er fest, bevor er wieder hinter dem Handgerät des Funktornisters verschwand. »Was?! Nein! Nein! Zwei – in Zahlen: ZWEI! Züge! Mit Panzerunterstützung! Ja! Und rufen Sie Colonel Ekko! Ich brauche diese beschissenen Walküren!«
Kleit löste sich aus seiner Zuhörerrolle, hob sein Lasergewehr und schoss auf einen der Orks. Der Strahl erwischte das muskulöse Wesen in der Brust, brachte es ins Taumeln und dann zu Fall. Für einige Sekunden blieb der Ork liegen, rührte sich nicht und war für den Sergeant neutralisiert. Gerade, als Kleit sich neuem neuen Gegner zugewandt und diesen mit Laserstrahlen eingedeckt hatte, sah er im Winkel des Zielvisiers, dass der erste Xeno wieder aufstand. Oder war es vielleicht doch ein anderer?
Wie dem auch war – Kleit legte auf ihn an und zog den Abzug durch.
Neben sich hörte er die Stimme Captain Balgors: »Ich sage Ihnen: das wird ein Gegenschlag! Die werden staunen!«
Der Sergeant löste seinen Blick vom Zielfernrohr seines Gewehrs, fand sich Auge in Auge mit dem grimmig lächelnden Captain wieder.
»Nun denn, treten wir sie zu Tor hinaus!«, schlug der dunkelhaarige Basteter vor.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,

ja, ich weiß. Wie gesagt: Ich war Reallifemäßig recht schwer beschäftigt und hatte auch keinen wirklichen Elan. Mal gucken, wie es sich die nächsten Wochen bei mir entwickelt. Wenn alles cool ist, dann kommt das neue Kapitel recht schnell. Wenn nicht, dann ... hm - nicht.

Auf jeden Fall wird das Projekt weiterlaufen. Hat man ja gesehen. Fallen lassen würde ich es nicht.
 
Hi,

Danke für die Rückmeldung :-D
Freut mich, dass es dir gefallen hat. Es war wirklich schwierig, wieder in die Mischung hereinzufinden, mit der ich aufgehört habe. Das Kapitel ist auch teilweise (an anderer Stelle) angefeindet worden mit „unnötigen“ und „langweiligen“ Passagen.
Freut mich, dass sie wenigstens hier einigermaßen gut angekommen zu sein scheinen.

Neues Kapitel ist bereits zu 73% fertig. Mal gucken, was noch kommt. Derzeit wieder viel zu tun, aber ich bemühe mich, schnell weiterzuschreiben.

Alles Vale

Die Sister
 
Schön, dass es dir gefällt!

Und weiter geht’s in der brutalen Schlacht um die Himmelskathedrale. Dieses Mal mit einigen Wendungen, welche wohl mehr oder weniger überraschend kommen.
Irgendwie lief das Kapitel dieses Mal recht gut (zwar nicht wie geschmiert, aber dennoch war viel Schmalz dabei *lach*)
Wie immer Danke an Nakago und seine Fluff-Kontrolle.

Aber bevor es in die Story geht, hier noch mal zwei Anmerkungen meinerseits:

1. Wie bei allen meinen Truppen, die bisher vorgekommen sind, bzw. noch vorkommen, habe ich einen persönlichen Jargon geprägt, der die Ethnizität der einzelnen Einheiten, bzw. deren Aufgabenbereich prägt. So besitzen sowohl Desposianer als auch Basteter einen eigenen Gefechtsjargon (siehe Unterschiede im Sprechfunk), die Elysianer fluchen auf Hebräisch (WaSchau, Foreshadowing) und die Valhallaner auf Russisch (Foreshadowing, die 2.)
Im Rahmen dieser Schreibarbeit habe ich entschieden, die Piloten auf Englisch, bzw. in Abkürzungen arbeiten zu lassen. Jetzt meine Frage: Passt euch das oder habe ich viele uni-linguale Leser, dass die Funksprüche lieber auf Deutsch und im Langtitel durchgeführt werden sollten? Bitte da um Rückmeldungen.

2. Ich suche derzeit nach einem Zeichner, der mir (vorzugsweise im Manga-Stil), ein paar der Charaktere, bzw. Szenen zeichnen kann/will. (So etwas wie z.B. die Besatzung von Nurins Jagdpanzer oder Ekko und Balgor, etc.). Manga-Stil, weil ich glaube, dass der ganz gut zu der ganzen Überzeichnung in der Geschichte passt. (aber alles andere geht natürlich auch)
Ja, ich weiß „Mach es doch selber“ – thronverdammt, wenn ich zeichnen könnte, dann würde ich es tun und nicht fragen, ob da vielleicht jemand Interesse und Möglichkeit hat, mir da auszuhelfen.
Aber so bleibt mir natürlich nichts anderes übrig, mal die Frage in den Raum zu stellen. Über Rückmeldungen jeglicher Art würde ich mich hier natürlich auch freuen.

Viel Spaß beim Lesen.



31

Marek Rebis zog seinen Kopf aus der Schusslinie zurück, nur wenige Augenblick, bevor die Mauerecke von einer Garbe schweren Waffenfeuers aufgerissen wurde.
Ein Fluch entfuhr dem Corporal. Wie lächerlich es doch war.
Da befand sich der Trupp auf dem Rückzug, befolgte einen allgemeinen Befehl, wogegen ihre ‚Sergeant‘, welche eigentlich gar nicht ihr Sergeant war, nach wie vor an der Front blieb und Orks abschlachtete.
Die Sororita hatte den allgemeinen Rückzugsbefehl auf die zweite Verteidigungslinie an ihren Stellvertreter weitergegeben und ihm aufgetragen, den Trupp zu führen, bevor sie an die Seite der Space Marines zurückgekehrt war und sich weiter gegen den Feind stemmte.
Rebis fand keine Worte für dieses Verhalten, das seiner Meinung nach kaum den Pflichten eines Sergeants entsprach, und er fragte sich, ob sie wohl Lenhim jemals wieder zu Gesicht bekamen.
Wo genau der feindliche Durchbruch erfolgt war, ließ sich nicht mehr ausmachen, doch das durfte im Augenblick auch ihre geringste Sorge sein. Immerhin gab es eine Tatsache, die niemand, nicht einmal der gewöhnlichste Soldat, abstreiten konnte: eine durchbrochene Abwehrstellung war keine Abwehrstellung mehr.
Und dann das! Er wusste im Augenblick nicht genau, wie weit sie noch von der zweiten Linie entfernt waren, aber irgendwie hatten sich Streitkräfte der Orks zwischen das Diesseits und das rettende Jenseits der Auffangstellung geschoben.
Kurzum: sein Trupp war abgeschnitten.
Rebis ließ sich auf ein Knie nieder und hob das Lasergewehr, um durch das Zielfernrohr zu blicken und festzustellen, wo genau sich der Xeno-Abschaum festgesetzt hatte.
Um sie herum donnerte das gnadenlose Feuergefecht zwischen den Orks und den vor ihnen zurückweichenden Imperialen, eine Lawine, die an ihnen vorbeigerollt war und ihnen nun den Rückweg versperrte.
Gorak kam unter dem Knirschen von Kampfstiefeln auf grobkörnigem Sand neben ihm zum Stehen. »Corporal?«, fragte er atemlos.
Rebis wandte sich um und verfolgte, wie Itias und Rahael kurz hinter einander über das ungeschützte Feld einer Gasse hechteten, während die restlichen Soldaten den Trupp nach hinten absicherten.
»Keine Ahnung«, gab er zu, setzte das Lasergewehr ab und griff in seine Drillichtasche. Eine kleine Karte des ersten Rings tauchte daraus hervor, ein Lageplan mit sämtlichen Verteidigungsanlagen und Abwehrfeldern. Der stellvertretende Truppführer warf kurze Blicke in die Umgebung, verglich sie prüfend mit denen Eintragungen. »Irgendwo hier haben sie sich festgesetzt.« Sein Finger kreiste um eine Gruppe stilisierter Wohnblöcke.
Der Trupp schloss zu ihnen auf. Die Männer gingen in Sicherungsposition und knieten sich ab, um eventuell auftauchenden Feinden eine möglichst geringe Zielfläche zu bieten.
»Was ist?«, wollte der riesige Melbin wissen, der trotz seiner Verletzungen wieder einen Schweren Bolter in den Händen trug.
Rebis hob weisend die Hand. »Gegner auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Irgendwo bei ein Uhr.«
»Und was bedeutet das?«, fügte Lawn an. Eigentlich eine unnötige Frage. War ihnen doch allen der Ernst der Lage bewusst.
Rebis beantwortete die Frage freundlicherweise dennoch. »Das bedeutet, dass wir auch in dieser Richtung abgeschnitten sind.«
Der Hüne beugte sich vor. »Was, wirklich?« Ein kurzer Blick auf die eng gesetzten Häuserblöcke folgte. »Und wir sind nicht bloß im Kreis gelaufen.«
»Höre ich da einen zynischen Unterton in Ihrer Stimme, Soldat?«, antwortete Rebis, ohne von dem Plan aufzusehen. Der muskulöse Cadianer schloss mit vernehmlichem Klicken den Mund.
Er war lange genug in Lenhims Trupp, um die Eigenheiten Corporal Rebis‘ zu kennen. Neben einem oft recht vorschnellen Mundwerk gehörte eine gewisse warnende Art zu seinem Wesen, die bisweilen an einen Kommissar erinnerte. Und weder Melbin, noch irgendein anderer Soldat wollte wissen, was geschah, wenn man dieses Wesen bis an seine Grenzen reizte.
Murrend ließ er den Vorgesetzten weiter nach dem Weg suchen und warf stattdessen einen Blick auf Rahael, der in einer eigenartig professionellen Haltung auf den Feind wartete, das Tausend-Yards-Starren im Gesicht.
»Was ist denn mit dir passiert«, erkundigte sich der Mann, nachdem er seinen Kameraden einige Sekunden lang betrachtet hatte.
»Leitis Sile«, murmelte der junge Soldat in abwesender Konzentration. »Sie hat mir die Augen geöffnet.«
Der massige Cadianer neben ihm zog die Stirn kraus. »Na, so wie du ihr hinterherschmachtest, war es wohl eher die Hose.«
Wütendes Brüllen schallte zu ihnen hinüber, die Ankündigung eines nahenden Sturms.
»Feind kommt«, meldete Talic knapp. Er war, zusammen mit Lados und Tesket, an der sie flankierenden Hauswand in Deckung gegangen. Von dort aus hatte er eine sehr viel bessere Sicht auf den Gegner – wurde jedoch auch viel eher entdeckt.
Sturmwaffenfeuer knatterte, sprengte große Löcher aus der Hausverkleidung über den drei Soldaten. Umgehend warfen sich die Männer in Deckung.
»Herr auf dem Thron!«, rief Gorak aus.
Rebis wandte sich um. »Zurück!«, rief er. »Sofort zurück!«
Mann für Mann erhob sich der Trupp, um unter gegenseitiger Deckung vor dem Feind zurückzuweichen.
Aber wohin hätten sie gehen sollen? Der Feind war vor ihnen, hinter ihnen, links und rechts. Hinzu kam, dass nicht weit von ihnen ein Minenfeld verlief, dessen tödliche Last nicht zwischen Freund und Feind unterschied.
In diesem Gelände konnte man sich nur mit äußerster Vorsicht bewegen.
Rebis sah zu dem unter Feuer liegenden Teil des Trupps.
Inzwischen hatten die Steppentarnkampfuniformen der drei Männer eine helle, mit Kalk vergleichbare Farbe angenommen, während das über ihnen befindliche Mauerwerk unter den Einschlägen der Orkwaffen nun deutlich zutage trat.
Rebis frage sich, ob, wenn die Grünhäute noch weiter wie wild auf das Gebäude schossen, sie vielleicht einen neuen Eingang in die Mauerecke frästen. Allerdings würden sie dann wohl zuerst die vor der Häuserfassade in Deckung Gegangenen massakrieren. Ein Nebeneffekt, den Rebis nicht unbedingt erleben musste.
Rasch gestikulierte er das Signal zum Absetzen in Richtung der drei. Die Bestätigung kam prompt.
Ohne große Bewegungen oder Worte befahl Talic seine Begleiter hinter die aufragende Säulenfassade des hinter ihnen befindlichen Gebäudes. Dort hätten sie eine gute Schussposition und eine weitestgehend verlässliche Deckung gehabt, um den Feind zu bekämpfen.
Sie sprangen auf und rannten los. Weit kamen sie allerdings nicht.
Garben aus Maschinenwaffenfeuer spritzten über den Boden, suchten nach den weichen Körpern der Menschen, um sich in wilder Wut in ihnen zu verbeißen.
Eine zuckte ziellos über den Boden, schlängelte sich in der Verlängerung die ungerichtete Schusslinie ihres Schützen entlang und prallte dabei mit Tesket zusammen.
Während der Cadianer noch versuchte, seinem Schicksal durch eine abrupte Bremsung zu entkommen, sprangen die auf ihn abgefeuerten Projektile den Mann sofort an.
Wie eine in ihren Fäden verhedderte Puppe zappelte der Infanterist unter den Einschlägen, ließ Gewehr und Ausrüstung fallen, während Blut und zerfetzte Innereien zu gleichen Teilen aus Ein- und Austrittslöchern spritzten.
»Scheiße!«, schrie Talic. Der Basteter stoppte, gefolgt von Lados, und eilte zurück, um seinen sterbenden Kameraden aus der Feuerlinie zu retten.
Doch auch diesem Vorhaben war kein Erfolg beschieden.
Die Lasergewehre der beiden Männer zischten häretische Verwünschungen, warfen ihre ganze Energie gegen den grässlichen Feind, der soeben einen der Soldaten ermordet hatte. Lados schrie in unbändiger Wut.
Doch kaum, dass sie die beiden Imperialen in ihrem Sichtbereich entdeckten, antworteten ihnen die Orks. Die Fassade hinter den Infanteristen löste sich in einer gewaltigen Wolke aus Staub, abplatzendem Putz und Mauerstücken auf. Die Soldaten hatten keine Chance.
Wie viele hundert Schuss in ihre Körper einschlugen, konnte Rebis nicht erkennen, aber er sah deutlich, wie die Körper unter dem Druck der auf sie abgefeuerten Projektile zerbarsten.
Verbittert wandte er sich ab. Drei Tote in nur wenigen Momenten. »Beim Thron!«
»Corporal!«, hörte er Gorak rufen und wandte sich um.
Ein gut zwei Meter hoher Ork war um die Ecke gestürmt und stand dem Imperialen nun gegenüber.
Instinktiv ließ sich Rebis fallen. Keine Sekunde zu früh!
Einschläge rissen die Säule hinter ihm auf, bewarfen ihn mit trockenem Staub und Splittern. Rebis hörte etwas an seinem Helm abprallen. Etwas anderes traf ihn am Hals, riss sein Gesicht auf.
Im nächsten Moment donnerte Melbins schwerer Bolter los. Der Ork zersprang regelrecht. Seine Überreste verteilten sich über die Straße.
Rebis langte nach seinem Lasergewehr. Aus einem ihm nicht näher verständlichen Grund musste er es fallen gelassen haben.
Arme packten ihn an den Schultern, zogen ihn zurück auf die Beine. »Kommen Sie, Corporal!«, bahnte sich die Stimme von Soldat Itias ihren Weg in sein Gehör.
Erneutes Brüllen echote durch die Häuserschlucht, ein hellen Röhren vor dem dumpfen Grollen des Hintergrunds.
Gorak hatte derweil das Kommando über die verbliebenen fünf Soldaten übernommen.
»In Stellung!«, rief er ihnen zu. Schnell verteilten sie sich auf beide Seiten des Straßenzugs.
Lawn und Melbin suchten hinter dem steinernen Wall eines Fronteingangs Deckung. Der massige Cadianer klappte das Zweibein des Bolters aus und stemmte sich in die Waffe, während sein Kamerad mit zusätzlicher Munition neben ihm kauerte.
Rahael und Itias schoben den verwundeten Rebis hinter eine der reich verzierten, steinernen Säulen, deren Masse ihnen wenigstens ein gewisses Maß an Schutz bot.
Gorak selbst trat die hölzerne Eingangstür eines der leerstehenden Gebäude auf und ging dort in Stellung.
Rebis hustete trockenen Staub, den er während des Feuergefechts eingeatmet hatte, und der sich nun mit finsterem Hintergedanken in seiner Lunge festsetzte.
Blut lief ihm über das Gesicht, verklebte seine Augen. »Lage«, verlangte er zu wissen.
»Wir sind in Bereitschaft und erwarten den Kampf«, informierte ihn Itias.
»Den Kampf erwarten, hm?« Rebis konnte nicht verhindern, dass ihm ein angewidertes Zischen entwich. »Haben wir ihn nicht längst gefunden?«
Der jüngere Soldat wusste darauf keine Antwort.
»Sie kommen!«, rief Melbin, lenkte die Aufmerksamkeit der Männer auf die Straße vor ihnen.
Noch immer hingen die Staubpartikel des kurzen Feuergefechts in der Luft, verflüchtigten sich in der trockenen Hitze des Tages nur langsam.
Rebis wischte flüchtig das Blut aus seinen Augen fort, um seinen Blick zu klären. Er wusste, dass es nur eine vorrübergehende Lösung war. Um sich ganz von dem klebrigen Lebenssaft befreien zu können, musste er sich einer medizinischen Reinigung unterziehen, zumindest jedoch ausgiebig duschen. Etwas, das auf Agos Virgil nicht ohne weiteres möglich war.
Schweigsame Anspannung trat in ihre Mitte, erinnerte sie an ihre Pflicht gegenüber dem Imperator.
»Haltet euch bereit«, mahnte Rebis die beiden jungen Soldaten, die an seiner Seite in Deckung lagen. Die Gewehre hielten sie schussbereit in Richtung Gegner.
Und dann trat ihnen der Gegner gegenüber.
Schnüffelnd und suchend, die Lefzen mit verseuchtem Speichel bedeckt, stampfte ein Ork um die Ecke, seine Waffe locker in der rechten Hand.
Einige Zeit lang witterte der Xeno in Richtung der Erschossenen, spürte nach Zeichen menschlichen Lebens.
Rebis hörte Rahael eine imperiale Litanei zischeln. Was genau er vor sich hinmurmelte, konnte er allerdings nicht verstehen.
Der Ork hatte derweil die Witterung der Überlebenden aufgenommen.
»Waaaaaaargh!«, brüllte das grünfarbene Monster, das ausschließlich aus Muskeln zu bestehen schien, dann riss es die Hände in die Höhe.
Als würden sie aus dem Boden wachsen, strömten plötzlich etliche Xenos in die Gasse. Zu viele, als dass die Feuerkraft der hier versammelten Infanteristen zu ihrer Vernichtung ausgereich hätte.
»Herr auf dem Thron«, entfuhr es Itias.
Melbin war durch das Auftauchen des Gegners nicht so verstört.
Erste kurze Feuerstöße aus seinem Bolter, präzise abgegeben und absolut tödlich, brachten eine der Xeno-Bestien zu Fall.
Allerdings waren auch mehr als genug da.
Die restlichen Soldaten fielen in das Schießen ein, sandten helle Laserkaskaden zwischen die angreifenden Grünhäute. Zielgenau punktiert stürzten Orks in den Staub, blieben reglos liegen.
Es würde nicht reichen. Das wussten sie. Immer mehr Grünhäute strömten herbei, um die verzweifelt kämpfenden Menschen zu überrennen.
Querschläger umjaulten die Verteidiger, rissen tiefe Wunden in die Mauerwerke der Gebäude. Das Krachen einer Stikkbombe sprengte ein großes Loch in die Straße.
Doch das bedeutete nicht, dass die Imperialen ihre Leben einfach wegwerfen würden. Nein. Der Gegner würde sich seinen Sieg teuer erkämpfen müssen!
Rebis visierte an, befreite seine Augen erneut von dem inzwischen klumpenden Blut, prüfte ein letztes Mal die Entfernung und drückte dann ab.
Im nächsten Moment lösten sich die Angreifer in eine rosafarbene Masse auf, die sich explosionsartig in alle Richtungen ausbreitete.
Überrascht musste Rebis feststellen, dass er sich über die Tatsache wunderte, welchen Effekt ein einfaches Lasergewehr doch auf Grünhäute haben konnte. Ein Schuss, und vier oder fünf gut zwei Meter große Grünhäute platzten einfach. Na, wenn das kein Rekord war!
Allerdings fiel ihm nur kurz darauf etwas noch viel Erstaunlicheres auf: der Boden bebte.
Schwerfällig wandte er sich um.
Zwei Chimären rasselten durch die Gasse auf sie zu, an beiden Seiten flankiert von vorrückender, wild feuernder Infanterie.
Die Schützenpanzer ihrerseits durchlöcherten die heiße Luft mit dem flimmernden Feuer ihrer Waffen.
Hinter ihren Geschütztürmen standen Soldaten des 512. auf den Dächern der Truppentransporträume und bedienten die Sturmbolter, die auf den Laufringen der Kommandantenkuppeln befestigt waren.
Wie die Breitseite eines Schlachtschiffs flammten die imperialen Waffen, zerbliesen Straßenbelag und Mauerwerk gleichermaßen.
Orks, die es nicht mehr rechtzeitig aus der Schusslinie schafften, wurde von den abgefeuerten Strahlen und Projektilen durchstoßen und zerrissen, vermischten sich mit dem aufgewirbelten Sand.
Querschläger und schlecht geschossene Laserstrahlen sprengten Splitter aus den Wänden und Säulen nahe um die verteidigenden Soldaten. Offensichtlich nahmen es die Schützen mit dem Zielen nicht ganz so genau.
»Verdammte Scheiße!«, schrie Kleit und warf sich zurück hinter die schützende Deckung der Säule. Itias und Rahael folgten.
Gleißende Multilaserstrahlen hämmerten in wilder Wut Richtung Feind, bestrebt die Grünhäute unter dem ohrenbetäubenden Zischen der der Energieentladungen zu zerreißen.
Infanteristen rückten mit dem Kampfgefährten vor, nutzten jede Deckung, die sich ihnen jenseits der schützende Rümpfe bot, um die Fahrzeuge zu unterstützen und gegen plötzliche Angriffe aus der Flanke zu sichern.
Langsam schloss der Verband zu den Infanteristen auf. Die Motoren der Panzer wurden gedrosselt. Allmählich rollten die Gefährte aus, kamen direkt zwischen den Männern von Rebis Trupp zum Stehen.
Die Infanteristen indes gingen weiter vor.
Das quietschende Metall einer schlecht geölten Zugangsluke prallte von den Häuserwänden ab. Über der Kommandantenkuppel der Rebis am Nächsten befindlichen Chimäre erschien die Büste eines imperialen Offiziers der Panzertruppe.
Der Mann musterte die Umgebung mit aufmerksamen Blicken, bevor er sich an Rebis wandte.
»Verdammt geile Scheiße!«, schrie ihn der Panzerkommandant an, um den Lärm der im Leerlauf befindlichen Panzermotoren zu durchbrechen. »Verdammt geile Scheiße!«
Der Corporal konnte nicht anders, als den Mann verwirrt anzublicken. Er verstand nicht.
»Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die uns in die Seite gefallen wären!«, präzisierte der Kommandant, ohne darum gebeten worden zu sein.
»In die Seite?«, brachte Rebis hervor.
Weiter vorne brandete ein heftiges Feuergefecht auf.
Rebis sah Männer in Deckung springen, als die Orks die vorrückenden Imperialen unter Beschuss nahmen.
»5121205 unter Beschuss! Benötigen Panzerunterstützung!«, rief das Funkgerät um Hilfe.
»Mach du das!«, brüllte der Panzerkommandant zu seinem Kameraden, als sei die Anforderung lediglich mit der Bedienung in einem kleinen Geschäft zu vergleichen.
Was der andere antwortete, ließ sich nicht verstehen. Offensichtlich bestätigte er nicht über Funk.
Der Motor der Chimäre heulte auf. Der Panzer rollte ruckend an.
Rebis sammelte sich, wischte erneut Blut aus seinen inzwischen brennenden Augen und rief dann zum Transportpanzerkommandanten hinauf: »Was, beim Barte des Propheten, ist los? Gilt der Rückzugsbefehl denn nicht mehr?«
»Beim Thron«, brachte der Offizier hervor, nachdem seine Überraschung abgeklungen war, »wo sind Sie nicht mehr mitgekommen? Wir sind bereits in Gegenrichtung unterwegs.«

****
»Granate!« Das metallene Kullern eines Ei-förmigen Gegenstandes drang an Kleits Ohren, als ein Soldaten den gerade scharf gemachten Sprengkörper durch das eingeschlagene Fenster des Wohnblocks fallen ließ, an dem sie gerade vorrückten.
Trockenes Krachen dröhnte aus dem Innern des Gebäudes. Aufgeschreckter Staub flüchtete auf die Straße hinaus.
Dumpf prallten Gewehrkolben gegen verschlossene Türen. Schlösser brachen. In schneller Reihenfolge rückten Halbtrupps in die Treppenhäuser der Wohnblöcke vor, kontrollierten die Verschlusszustände der einzelnen Wohnungen.
Niemand wollte, dass der Feind plötzlich im Rücken des Ausfalls auftauchte. Dieses Szenario hatte Agos Virgil bereits einmal erlebt, ein zweites Mal wollten sich die Imperialen nicht auf die Weise blamieren.
Kleit hob sein Lasergewehr an die Schulter und ging langsam an der Hausfassade entlang. Seine Augen wanderten im steten Zyklus von links nach rechts und zurück, durchgängig auf der Suche nach neuen Angreifern.
In den letzten Minuten war es verdächtig still auf dem Gefechtsfeld geworden. Die Orks hatten sich – zumindest in diesem Bereich – vor den anrückenden imperialen Streitkräften zurückgezogen und nichts als verseuchte Erde zurückgelassen.
Die beiderseits der schneckenförmig gewundenen Straße aufragenden Häuserblöcke beobachteten das Geschehen stumm, warteten auf die Fortsetzung des Kampfes. Viele der sie zierenden Fenster waren unter dem Druck des einleitenden Artilleriebombardements geborsten, etliche Arkaden bei den ersten Feuergefechten aufgerissen worden. Splitter und Trümmerstücke lagen auf dem Weg verteilt.
Eine Hand legte sich auf Kleits Schulter. Er wandte kurz den Kopf.
Aledan stand hinter ihm, das Lasergewehr in Pirschhaltung und bereit, seinen Vorgesetzten bei einem Schusswechsel zu unterstützen.
Dankbar nickte der Sergeant, ließ seinen Blick zurück nach vorn gleiten … und erstarrte.
Direkt vor ihm, nicht einmal fünfzig Meter entfernt, hüpfte ein Squig aus einer zerbrochenen Tür der linkerhand aufragenden Wohnbauten.
Einen Augenblick lang starrten sich die beiden Feinde überrascht an, unfähig etwas zu tun oder zu sagen.
Dann ging alles unfassbar schnell.
Das kleine Wesen keifte ihn an, wetterte und zeterte.
Kleit schoss ihm in den Kopf.
Zwei Soldaten neben ihm implodierten unvermittelt. Direkte Treffer aus Orkwaffen hatten ihre Körper getroffen und durch die Wucht des Einschlags nach hinten hin geöffnet. Während Fleisch, Blut und Gedärm explosionsartig gen achtern austraten, sackten die Oberkörper der Männer so rasch in sich zusammen, dass der Eindruck entstand, sie würden gerade in einen riesigen Staubsauger gesogen.
Noch bevor der Sergeant bewusst reagieren konnte, übernahmen seine Instinkte die Kontrolle.
Automatisch ging sein Körper hinter einem Treppenaufgang in Deckung, während sein Kopf noch über die höchst bemerkenswerte Lage sinnierte.
»Herr auf dem Thron!« Fluchend rutschte Aledan an seine Seite. »Das war jetzt …« Er beendete den Satz nicht.
Eine Salve Geschosse schlug über ihnen in die Hauswand, sprengte Splitter und Kleinstpartikel aus dem Gemäuer. Querschläger pfiffen an ihnen vorbei.
Um sie herum suchten Soldaten Schutz, nutzten Fassaden, Krater und die ehernen Rümpfe der Chimären als Schild gegen den Feind.
Vereinzelte Lasergewehrschüsse wurden abgegeben, ungezielt und wirkungslos.
»Wer hatte die Idee mit dem Gegenangriff?«, wollte Aledan wissen, als er sich vor heranrauschenden Projektilen noch tiefer in Deckung presste.
Aus den Augenwinkeln sah Kleit, wie einer der in Deckung hechtenden Soldaten im Flug einen Kopfschuss erhielt, bevor er in den vor ihm liegenden Krater stürzte.
»Colonel Ekko«, erwiderte der Sergeant.
»Wie passend!«, antwortet Aledan, schnellte vor und gab zwei Schüsse mit seinem Lasergewehr ab, bevor er wieder in Deckung ging. »Und nun?«
Wütendes Gebrüll antwortete. Orks stürmten aus den Häusereingängen, rannten den unter Beschuss geratenen Truppen entgegen – direkt ins Schussfeld der Chimären.
Dumpfes Wummern drang an Kleits Ohr. Verbranntes Ozon stieg ihm in die Nase.
Er ließ seinen Kopf über den Schutz des Aufgangs gleiten.
Mit der chirurgischen Präzision einer Motorsäge deckten die an der Front befindlichen Schützenpanzer den Xeno-Mob mit ultraheißen Multilaserstrahlen ein, zerschnitten die Grünhäute regelrecht.
Zu ihren Seiten in Deckung gegangene Infanteristen fielen in das Schießen ein. Die vor ihnen liegende Straße löste sich in ihre Bestandteile auf, vermischt mit den zerfetzenden Leibern getöteter Orks.
»Sergeant!«, wurde Kleit aus seiner Beobachtung gerissen. Eine Hand reichte kräftig auf seine Schulter: Captain Retexer.
»Wie sieht es aus?!«, wollte der Captain wissen, als er sich neben dem Sergeant hinkniete.
»Heftiger Gegenangriff, Sir«, meldete Kleit. »Die Xenos versuchen, uns den Zugang zum Tor zu verwehren.«
Ein Soldat in ihrer Näher zuckte zusammen, erstarrte und fiel in sich zusammen. Kameraden griffen ihn und zogen ihn hinter einer der feuernden Chimären, wo sie allerdings nur seinen Tod feststellen konnten. Gedärme quollen aus der Bauchverletzung, die er erhalten hatte.
»Aber Sie wollen dem Abschaum doch nicht die Initiative überlassen?!«, bellte Retexer, als würde er die Loyalität seines Untergebenen testen wollen. »Werfen wir sie zurück! Zeigen wir es denen! Die sollen uns kennenlernen!« Er sprang auf, schrie in die vom mannigfaltigen Lärm der Waffen erfüllte Luft. »Für Bastet! Für unsere Lieben! Für den Imperator!« Seine Laserpistole strahlte kohärentes Licht in die Luft. »Zum Angriff!« Dann lief er los.
Zögernd erhoben sich weitere Soldaten, gingen schießend gegen die Grünhäute vor.
»Mit was denn?«, wollte Kleit rufen. Von zehn Mann seines Trupps lebten noch er und Aledan. Alle anderen waren in der Zwischenzeit gefallen oder versprengt worden.
Der Corporal kam ihm jedoch zuvor: »Ich habe ihn vermisst«, bemerkte er, dann sprang er auf und eröffnete das Feuer.
»Ich hasse ihn!«, knirschte Kleit, schwang sich ebenfalls auf die Beine und folgte dem Captain. Was wäre ihm auch anderes übrig geblieben?


***

Zwei Straßen weiter warf sich Captain Balgor hinter einen Schutthaufen und machte sich möglichst klein, als die Hausecke vor ihm unter dem gewaltigen Donnern in Bewegung geratener Baumaterialen in sich zusammenstürzte, von der Hochexplosivgranate eines orkischen Kampfpanzers seiner Stabilität beraubt.
Eine Wolke aus Staub und aufgewirbeltem Dreck verschluckte die vorrückenden imperialen Soldaten.
Dunstiger Nebel verhüllte die zuvor noch klar erkennbaren Formen der Panzer und Gebäude, ließ selbst die grell flackernden Mündungsblitze und Laserstrahlen wie die Lichterscheinungen einer Geisterwelt wirken.
Unter kräftigem Husten und leicht torkelnd kam Jelard neben ihm zum Halten, durch die explosionsartig expandierte Wolke in eine lebende Figur steingrauer Farbe verwandelt.
»Ca … Captain!«, rief der Funker aus und ließ sich auf die Knie fallen.
»Wie Sie sehen, bin ich hier«, erwiderte der Offizier. »Also, was gibt es?«
Jelard musste zwei Mal ansetzen, bevor er zu so viel Atem fand, dass er einen zusammenhängenden Satz herausbrachte. »Meldung von Captain Retexer: Feind leistet massiven Widerstand! Sind in heftigem Feuergefecht! Weichen keinen Schritt zurück! Für den Imperator!«
»Können Sie daraus einen zusammenhängenden Satz bauen?«, erkundigte sich Balgor.
Jelards aschfahles Gesicht starrte ihn entgeistert an.
Der Basteter hob abwinkend die Hand und hustete heftig. Inzwischen hatten sich Kleinstpartikel auch in seiner Lunge festgesetzt. Trockenheit eroberte seine Kehle ein Flussbett nach einer langen Dürreperiode. »Vergessen Sie es. Irgendwelche Nachrichten von den anderen Einheiten?«
Der Funker schüttelte den Kopf. Das grollende Hallen schwerer Feuergefechte umtanzte sie, unterstrich die Worte des Soldaten.
Balgor verwarf die Frage. In diesem Chaos, unter dem Druck der ineinander gepressten Frontlinien, ließ sich wohl kaum ein genaues Lagebild zusammensetzen.
Allmählich löste sich der Dunst um sie herum auf, gab die Sicht auf den Panzer frei, der zwischen den wild schießenden Orks hindurchrollte, um die imperiale Linie zu durchbrechen.
Es war ein Kampfpanzer, ein Provisorium aus verschiedensten Gefährten der Menschen und anderer, weit arkaner Technologie, die an dem Fahrzeug fehl und zugleich passend wirkte. Eben Schrott, wem Schrott gebührte.
Der Panzer wandte den Turm, feuerte ein weiteres Mal. Fauchend jagte die Granate über die Soldaten hinweg, schlug in den mittelschwer gepanzerten Rumpf einer hinter ihnen in Stellung gegangenen Chimäre.
Das Panzerfahrzeug zuckte wie bei einem Schluckauf, verharrte einen Herzschlag und explodierte. Eine Stoßwelle breitete sich als konzentrischer Ring nach allen Seiten aus, trieb Sand und Dreck vor sich her.
Mehrere Soldaten, die nahe dem detonierenden Schützenpanzer in Deckung gegangen waren oder vorrückten, wurden durch die plötzliche Druckveränderung vom Boden gehoben und durch die rasch expandierende Luft gewirbelt.
Einer der Männer prallte nur wenige Meter von Balgor entfernt mit dumpfem Geräusch auf das Kopfsteinpflaster der Straße und blieb reglos liegen.
Eine Mauer aus Hitze rollte über den Captain hinweg, ließ seine Nackenhaare alarmiert aufschnellen und seinen Puls ein gutes Stück weiter steigen.
»Herr auf dem Thron!«, rief er aus. Geschosse prallten in den Schutthaufen vor ihm, warfen Gestein und Erde in die Luft.
Er rollte sich herum. »Jelard!«
Der Funker an seiner Seite lag starr am Boden, das Gesicht fest gegen die zerschlissenen Pflastersteine gepresst.
Alarmiert griff der Captain nach der Schulter des Soldaten. Konnte es sein, dass sein Funker, der Mensch, der ihn seit so langer Zeit begleitete, einfach gestorben war? Gefallen, ohne dass er es merkte? War das wirklich möglich? Nein! Beim Thron, nein! Das durfte nicht sein!
»Jelard!«
Von der Hand seines Vorgesetzten am Arm getroffen, zuckte der Angesprochene zusammen, erwachte wie aus einem schrecklichen Traum.
»A… alles i-in O-o-o-ordnung«, stammelte der Funker, zuckte jedoch gleich darauf wieder zusammen.
Ein Geschoss fauchte knapp über sie hinweg, gejagt vom trockenen Husten eines Mündungsknalls.
Detonationsdonner krachte. Erde regnete vom Himmel.
»Was für ein Irrsinn!«, fauchte Balgor und hob seinen Kopf über den Rand der Deckung.
Gute fünfhundert Meter trennten sie von der Außenmauer der Kathedralenstadt. Und das Haupttor teilweise von Rauch und Feuer verdeckt, lag offen und einladend vor ihnen. Es machte nicht den Eindruck, von den im Verhältnis nahezu lächerlichen Explosionen sonderlich schwer beschädigt worden zu sein. Lediglich der Putz war abgebröckelt.
Davor jedoch standen die Xenos. Und es waren viele.
Ein weiteres Mal feuerte der orkische Panzer, forderte nach einem ebenbürtigen Widersacher in den Reihen der Imperialen.
Die Antwort kam unerwartet und endgültig.
Ein gleißender Strahl durchschnitt den feindlichen Panzer. Mit dem klaren Knall eines Fingerschnippens zerbarst des gegnerische Kriegsgefährt.
Hochgehende Munition zerriss das Wrack, hüllte die Umgebung in einen hellen Schleier aus Feuer. Grässliches Brüllen und Schreien klang an.
»Dieser Mann kann Gedanken lesen.« Balgor wandte sich um und formte mit seiner linken Hand das Okay-Zeichen, wohl in dem Wissen, dass Nurin die Geste der Dankbarkeit auf diese Entfernung nicht sehen konnte.
Ein verzerrter Körper entkam dem Inferno, durch den klebrigen Treibstoff des Fahrzeugs in eine laufende Fackel verwandelt. Das brennende Wesen winselte vor Schmerzen, während sein schwarz gekohlter Leib von den Flammen verzerrt wurde.
Soldaten legten auf den Ork an, der in immer stärker ins Torkeln geriet.
»Nicht schießen!«, schrie der Captain, die Hände als Trichter um den Mund gelegt. »Spart die Munition!« Dass ein wenig Genugtuung seinen Befehl beeinflusste, brauchte nicht erwähnt zu werden.
Immer warten, bis sie knusprig braun sind und dann wenden!, schoss es ihm durch den Kopf. Weshalb er jetzt an ein Karika-Steak denken musste, konnte er sich selbst nicht erklären.
Schwere Schritte näherten sich. Mit dem raschelnden Geräusch von über den Boden schabendem Stoff rutschte Soldat Nirim an seine Seite. »Captain!«
»Ja?«, fragte Balgor, unterband jedoch jede Reaktion mit einem Heben der Hand.
Irgendetwas war komisch. Er konnte nicht genau definieren, was es war, aber irgendetwas kämpfte sich an seine Professionalität hinauf und versuchte, ihn zu warnen.
Es war … wie eine elektrische Spannung. Ein energetisches Flüstern, das durch sein Fleisch und seine Knochen schwang.
Dann spürte er es ganz deutlich: der Boden vibrierte.
Die Schwingungen wurden nicht durch Gleisketten, Reifen oder Körper übertragen. Nein. Sie kamen aus der Luft.
Dumpfes Wummern, das durch die Straßen kochte und mit dem hallenden Gefechtslärm um die Vorherrschaft in den Ohren und Körpern der Soldaten kämpfte.
Kurz sahen sich Balgor, Nirim und Jelard an. Alle wussten, dass diese Geräusche nur eines bedeuten konnten.
Der Captain rollte sich herum, versuchte zu ergründen, woher das Dröhnen kam.
Die hinter ihnen in Deckung gehechteten Soldaten wandten ebenfalls ihre Köpfe, um die Quelle des Lärms auszumachen.
Hände wurden in gen Himmel gereckt, Finger zeigten in die sie kreuzende Gasse. Schreie und Siegesgebrüll klang an.
»Was ist da los?!«, rief Jelard fragend. »Werden wir flankiert?«
Balgor benötigte einen Moment, um die Zeichen richtig zu deuten. »Nein!«, rief er, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.
Er hatte sich nicht geirrt.
Im engen Formationsflug sprangen drei Walküren aus ihrer Deckung hinter dem Gebäude, wie Raubtiere auf der Pirsch nach Beute.
Das dumpfe Grollen ihrer Triebwerke explodierte zu einem durchdringenden Kreischen, vor dem selbst der Lärm des Schlachtfelds respektvoll zurückwich.
Beinahe andächtig verfolgten die Soldaten, wie die schwer bewaffneten Sturmtransporter heranglitten und schließlich über der imperialen Frontlinie in den Schwebeflug gingen.
Die Vertikalschubdüsen atmeten heiße Abgase in Richtung Boden, ließen die Erde unter den Schwingungen der verdrängten Luft zittern. Feiner Steppensand floh in dichten Schwärmen vor den angsteinflößenden Raubvögeln aus Metall.
»Endlich!«, brachte Nirim hervor und wies auf die schützenden Todesengel über ihnen. »Sie sind da!«
Balgor neben ihm ließ es einen Moment lang zu, dem ehrerbietungsvollen Anblick der Luftfahrzeuge zu erliegen, die konzentriert gen Feind starrten und bereit waren, ihre Macht zu entfesseln.
Erst das heftige Knacken in Jelards Funkgerät riss ihn aus seiner Starre.
Durch die schwach verständlichen Gefechtsmeldungen auf den sich teilweise überlagernden Kanälen war eine deutliche Stimme zu vernehmen, dunkel und von konzentrierter Präzision. »5120201, hier 0072 Azrael. Gruppe Anvil in Position. Kommen.«
Derweil warf auch die Schlacht ihre Überraschung ab und fand in das unrhythmische Stakkato zurück, mit dem sie durch die zerschundenen Gassen des ersten Rings pulsierte. Laserfeuer setzte ein, zischte Todesgrüße in Richtung der attackierenden Grünhäute. Sturmwaffenfeuer knatterte.
»0072 Azrael, hier 5120201.« Erleichterung schwang in der Stimme des Captains mit, als er das Handgerät von Jelard entgegennahm. »Wir freuen uns, Sie zu sehen.«
»Solid Copy«, bemerkte die im Funk raue Stimme des Piloten. »Erwarten Koordinaten für CAS.«
»CAS?«, schrie der Funker.
Balgor senkte den Sprecher und sah ihn erstaunt an. »Close Air Support – Luftnahunterstützung!«, stemmte sich seine Stimme gegen den Lärm der Turbojets. »Das sollten Sie doch eigentlich wissen! Geben Sie mir die Karte!«
Eilig begann der Funker, in seinen Taschen nach dem Stadtplan zu wühlen, mit dem sich das Feuer der Sturmtransporter leiten ließ.
Gleißendes Licht strahlte über sie hinweg, gefolgt vom satten Knall schnell expandierender Luft.
»Ich habe Sie!«, meldete der Basteter, da riss sein Vorgesetzter sie ihm bereits aus der Hand und entfaltete die Darstellung mit wildem Bewegungen seiner freien Hand.
»Hier 5120201. Gruppe Anvil, wir haben Zielkoordinaten für Sie! Zielkoordinaten sind –« Die ausgebreitete Karte, durch Balgors Ellenbogen am Wegfliegen gehindert, sah sich plötzlich von verschwitzten Fingern berührt. Eilig fuhr der Captain die Linien nach, versuchte die entsprechenden Bezeichnungen in seinem Kopf zu einer ordnungsgemäßen Zielanweisung zusammenzusetzen.
Dumpfes Grollen, Krachen und Knattern prallte zwischen den Gebäuden der Kathedralenstadt umher, vermischt mit Rufen, Schreien und dem Dröhnen der Motoren. Der Feind leistete erbitterten Widerstand.
»Hier 5120201. Folgende Zielkoordinaten: Meine Position plus vier-fünf-null in westliche Richtung!«
»Roger, 5120201. Zielkoordinaten aufgefasst. Luftschlag in 3-0.«
»Noch dreißig Sekunden!« Balgor wandte sich an seinen Funker. »Jelard! Ich brauche den Kanal für alle vorrückenden Einheiten!«
»Ja, Sir!« Rasch reichte der Funker an den Tornister auf seinem Rücken, verdrehte die Einstellungen der seitlichen Regler. »Sie können sprechen!«
Der Captain betätigte die Sprechtaste. »An alle Einheiten im Operationsgebiet, hier 5120201! Massiver Luftschlag in 3-0 Sekunden. Klar machen für Sturmangriff auf die feindlichen Stellungen! Signal für Sturmangriff lautet: ‚Amboss‘! Amboss auf mein Signal! An alle Panzer: konzentrieren Sie Ihr Feuer auf das Haupttor!«
Bestätigungen antworteten ihm.
Derweil tauchten die drei Walküren aus der engen Gasse zwischen den mehrstöckigen Wohngebäuden auf, formierten sich über den Dächern zu einer Feuerlinie.
»An alle Anvil Victors!« Die Stimme des Rottenführers klang konzentriert und berechnend, der kalte Griff eines Dolches, der in das Herz des Feindes gestoßen werden sollte. »Pre-Engage-Check! Koordinaten: zwo-zwo-sechs-acht zu vier-vier-neun-drei-fünf – Distanz 450 – Target acre – Engagement in prep – Line Formation – alle Fox in Air-Surface. Check in Fox 1 – Fox 4 – Fox is hot and set for go!«
Auch wenn dieser Navy-Slang, mit dem die Piloten ihre Befehle und Meldungen verschleierten, auf Balgor eigentlich eher drollig klang, lief es ihm in diesem Moment dennoch eisigkalt den Rücken herunter.
»Fox is hot and set for go!«, meldeten die Flügelmänner.
»Solid Copy.« Eine kurze Pause folgte, dann leitete der Flieger den Angriff ein. »An alle Anvil Victors! Engage!« Der Rest des Befehls war nicht mehr zu verstehen.
Die Welt erstarrte in Helligkeit.
Wie die Breitseiten imperialer Schlachtkreuzer wetterten die Raketenbatterien der Walküren, spien Geschosse aus und ließen die feindliche Frontlinie in Flammen aufgehen.
Rauch und Blitze brachen aus den Senkrechtstartern hervor, gleißende Lanzen aus Feuer, die dem Feind auf mächtigen Schweifen entgegenheulten.
Ein Crescendo aus Fauchen, Krachen und Donnern sang den furchtbaren Tenor der Vernichtung, sprang zwischen den Gebäuden umher und prallte schließlich auf die hilflosen Gehöre der imperialen Soldaten.
Tief erschrocken suchten die Infanteristen Schutz und pressten sich die Hände an die Ohren, um nicht vom alles übertönenden Lärm paralysiert zu werden.
Nie zuvor hatte einer von ihnen ein derartiges Spektakel beobachtet, auch wenn die massiven Artilleriebombardements der imperialen Armee ein durchaus beeindruckendes Feuerwerk entfesseln konnten – allerdings lediglich aus der Ferne.
Dieser Feuerschlag fand nicht einmal fünfzig Meter über ihren Köpfen statt.
Rakete um Rakete kreischte aus den gut vierzig Schuss starken Werfern, stürzte sich gen Feind. Das Dröhnen der bugmontierten Bolter fiel ein.
Dieser Übermacht waren die Xeno-Streitkräfte nicht gewachsen.
Balgor konnte nicht genau erkennen, was geschah, denn schon Herzschläge nach Beginn des Feuerschlags wirbelten Massen aus Sand, Staub und zerrissenen Körperteilen in die Luft, formierten sich zu einem blickdichten Vorhang. Ab und an flackerte es in der Barriere, wurden verzerrte Schatten sichtbar. Doch diese Schemen verschwanden recht schnell.
Aber vermutlich war es auch besser, wenn er nicht genau erkennen konnte, wie gut zweihundert 40mm-Raketen den Bereich um das Haupttor zerschlugen.
Die Erde bebte dermaßen heftig, dass die Vibrationen Mark und Bein in Schwingungen versetzten.
Hitze raste durch die engen Gassen der Kathedralenstadt, ein Bote des verursachten Infernos.
Aberhunderte Geschosshülsen regneten aus dem Himmel, trommelten klirrend auf die Rüstungen der imperialen Soldaten und den Boden, sprangen umher und rollten schließlich aus, rauchende Zeugen der überwältigenden Feuerkraft der imperialen Streitkräfte.
Dreiundzwanzig Sekunden, nachdem die erste Rakete ihren Werfer verlassen hatte, verstummten die Batterien der Senkrechtstarter, überließen die Welt wieder dem Kreischen der Turbojets.
Der Luftschlag war beendet.
»5120201 von 0072 Azrael: Gruppe Anvil hat CAS abgeschlossen«, meldete die Kommandowalküre. »Battle Damage Assessed ist nicht zu erkennen. Ich wiederhole: BDA nicht zu erkennen. Engagement ceased – Ammo low - Return to Base für Rearmament and Replenishment. Ich wiederhole: RTB für RAR.«
Immer noch betäubt hob Balgor das Sprechgerät an sein klingelndes Ohr und bestätigte die Meldung mit zitternder Stimme.
»Verstanden, 0072 Azrael. Guten Heimflug.« Dass der Landeplatz nicht einmal zwei Flugminuten entfernt lag, spielte in diesem Fall keine Rolle.
»Solid Copy, 5120201. Wir sind jetzt weg hier.«
Die Sturmtransporter heulten auf und kippten zu den Seiten weg, um den Rückflug anzutreten.
Balgor schüttelte sich. Die Heftigkeit, mit der die imperialen Flieger über den Feind hergefallen waren, hatte sich selbst den kampferprobten Captain aus der Fassung gebracht.
Der Captain erhob sich, um den Schutthaufen zu umrunden, als er etwas entdeckte, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: Mitten aus der Staubwolke, welche über den feindlichen Stellungen waberte, schoss ein pfeilschnelles Objekt hervor, ritt auf einer tiefschwarzen Qualmspur gen Himmel.
»Rakete!«, rief jemand warnend, doch noch bevor überhaupt eine Reaktion erfolgte, verschwand der Flugkörper bereits über den Dächern. Wohin er unterwegs war, ließ sich mit etwas Kombinationsgabe leicht denken.
»0192 Galadriel getroffen! Ich wiederhole! Galadriel getroffen!«, lärmte es im Funk. »Flugsteuerung reagiert nicht! Wir schmieren ab!«
Viel war nicht zu erkennen, denn die Maschinen waren bereits hinter den Wohnhausblöcken verschwunden. Aber der dumpfe Knall, das wimmernde Jaulen der schwer beschädigten Triebwerke und die hastigen Rapports verschafften einen recht guten Eindruck davon, wie ernst die Lage für die Flieger war.
»Maschine nicht mehr zu kontrollieren! Besatzung steigt aus!«
Ein helloranger Feuerball stieg über den Dächern der Kathedralenstadt auf. Dumpfes Krachen folgte, erschütterte die Gebäude.
»Scheiße!«, schrie Nirim bestürzt. »Das war unsere Luftunterstützung!«
Jelards Entsetzen über den Verlust saß tiefer. »Der Imperator beschützt!«
Balgor wusste nicht, was er sagen sollte. Soweit hätte es nicht kommen dürfen.
Wie Nirim bereits gesagt hatte: das war ihre Luftunterstützung gewesen. Und wenn Colonel Ekkos Plan nicht bald in Gang kam, dann würden er und seine Männer bald ziemlich allein stehen.
Allerdings – und das begriff sein Unterbewusstsein sehr viel schneller als sein klares Denken – stand sie gerade einer sehr viel ernsteren und akuteren Situation gegenüber.
Seine Professionalität kratzte ihre zerfetzte Entschlossenheit zusammen und erinnerte ihn daran, dass es einen wichtigen Befehl gab, auf den seine Männer warteten.
Der Basteter griff nach dem Handgerät, das inzwischen neben seinem Funker im Staub lag und betätigte die Sprechtaste. »An alle 512 im Operationsgebiet! Amboss! Ich wiederhole: Amboss!«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als bereits die ersten Panzermotoren aufröhrten. Gleisketten setzten sich quietschend in Bewegung, trugen tonnenschwere Kampfgefährte in Richtung Feind. Nach und nach erhoben sich Soldaten, gingen schießend gegen den vollkommen überraschten Feind vor.
Balgor wandte sich um, winkte seine Truppen herbei. »Los, Männer! Vorwärts!«
Im Funkgerät schrien sich Meldungen und Befehle gegenseitig an.
Nirim und Jelard starrten ihren Vorgesetzten an. Sie waren noch immer gänzlich niedergeschmettert und unfähig, sich zu rühren.
»Kommt schon!«, rief Balgor ihnen zu. »Wir können ihnen im Augenblick sowieso nicht mehr helfen! Kämpfen wir!«

 
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Der Gegenstoß ist dir gut gelungen, auch wenn noch offen ist, ob er nun zum Erfolg führt. Zum Funkverkehr: Das Englisch stört nicht, auch wenn man es nicht verstehen würde. Eine Anmerkung habe ich aber. Man gibt Feindkoordinaten nie an in Bezug auf Orientierungspunkte oder gar der eigenen Stellung. Der der gegnerischen Funkaufklärung wird so die Position der eigenen Truppen verraten. Der Feind weiß ja wo er angegriffen wird.

Beispiel:

Positionsangabe ohne Feindkontakt: Alpha + 330 + 390 heißt 330m ostwärtig und 390m nördlich von Bezugspunkt Alpha. Da der Feind idealerweise nicht weiß, wo der Bezugspunkt Alpha ist, kann er auch nicht erkennen, wo die Truppe sich befindet.

Feindkontakte werden mit den richtigen Koordinaten gemeldet um dem Feind nicht die Koordinaten von Alpha zu enthüllen.

Ich weiß, sind nur Orks. Aber die IA kämpft ja gegen die unterschiedlichsten Gegner. Deshalb halte ich es für schlüssig, anzunehmen, dass sie auch gegen Orks Funkdisziplin wahrt. So Klugscheißmodus aus.

Gefallen hats mir aber trotzdem
 
Hi,

@Nakago: Ja, die Idee mit der späteren Resümierung hat mir nach etwas Nachdenken auch besser gefallen.

@Knight-Pilgrim: Ja, du hast recht. Ich wollte es aber nicht übertreiben. Hätte ich es so gemacht, wie du vorschlägst (sprich also im Navy-Jargon gehalten), dann wäre das (natürlich fiktional) entweder nach Planetary Grid oder Section Grid gelaufen, sprich also: 22M20D201C22 für ein Planetary Grid (Planetarer Sektor 22, sektion M, Gebiet 20, Sektion Delta, Gebiet 201, Sektion Charlie quadrat 22) oder Juliett Foxtrott Sierra - Mike 4 - Red - Sierra 4 - November Oscar 320 Mike (Joint Fire Support, Karte 4, Rotes Planquadrat, Sektor 4, Nordöstlich 320 Meter), bzw. nach einer Imperialen Vorschrift mit JSF 32 - 2 - CG - 4 - 3 - 8 - 320 - (Schlägt man in der Vorschrift nach unter: JSF 32 - Unterpunkt 2, Referenz zu CG 4, Unterpunkt drei, Referenz CG 8 - Entf. in Metern)

Ich könnte da so viele fantastische Ideen einbringen. Allerdings - einmal ganz ehrlich: Wer wäre da noch mitgekommen? Ich habe es bereits beim ersten Schlag auf die Ork-Stellungen während der Schlacht um Golgarad so gemacht, damit die Leser eine Vorstellung von den Abläufen haben. Ich kann nicht alles in militärischer Fachsprache versenken. Ich glaube kaum, dass das dann noch jemand lesen würde ...

Aber die Anmerkungen sind natürlich notiert.
 
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Salve Psychris,

Supi :-D One more ;-D Schön, dass es dir dieses Mal auch wieder gefallen hat. Freut mich immer, wenn jemand Spaß an dem hat, was ich schreibe.



Salve Duniash,

Schön, auch von dir wieder was zu hören. Du bist bei der Stelle, wo Ekko über dem Abgrund hängt? Hui, da bist du aber doch weit zurück, oder?




Alles Vale

Die Sister