40k Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)

Ja, das wäre echt klasse:

Auszug: "Seitdem versuche ich beständig, möglichst unspektakulär zu verscheiden - hat nur bisher nie funktioniert. Anbei eine Liste der Versuche:"

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Direktor: "O-okay."


Wobei das jetzt nicht heißen soll, dass ich auf der Suche nach einem neuen Job bin, sondern mich meiner leider nur sehr stark bindet.
 
Ich glaube, Zeit ist nicht so der Faktor bei mir - wenn ich will, schaffe ich in einer Stunde 3-5 Seiten DinA 4, aber viel wichtiger ist der Faktor Lust, ich glaube, das ist der Hauptgrund, aus dem die Story inzwischen schon seit 5 Jahren läuft insgesamt (ganz niedlich, bedenke man, mein erstes richtiges Projekt läuft jetzt über 13 Jahre ... und es ist noch immer kein Ende in Sicht ... ob ich wohl je etwas fertigstelle? :-D)
 
Salve,

ja, gut – aufgrund der Tatsache, dass auch die Sista irgendwann geboren wurde und dieser Tag sich gestern jährte (und trotz einer tierischen Erkältung, die mich schon ein bissl ans Bett fesselt), kommt das nächste Update von Stargazer bereits jetzt, nicht erst im Januar.
Ich hatte einige Zeit, mir neue Handlungsstränge zu überlegen und alte fortzuführen. Ebenso war ein wenig Zeit, ordentlich zu korrigieren und umzuarbeiten.
Von daher – hier also das neue Kapitel! Das nächste kommt jetzt aber wirklich erst im Januar.
Und – weil sich so viele beschwert haben, dass es nicht weitergeht – Leute, jetzt erwarte ich aber Rückmeldungen …

Wie immer vielen Dank an Nakago, der noch einmal drüber geschaut hat.



32

»Waargh!«, grunzte der Ork in seiner letzten Sekunde, ehe sein Kopf zwischen der Hauswand und Leitis Siles gepanzerter Hand zerplatzte. Orkblut und Teile seines Gehirns spritzten gleich einem schlecht gesprühten Bildwerk über die Hausfassade. Sammler entarteter Kunst hätten dafür wahrscheinlich ein Vermögen gezahlt.
Seine Morta hingegen fuhr herum und rammte einem weiteren Angreifer ihre gepanzerte Faust in den Bauch. Das Wesen klappte wie ein Taschenmesser zusammen, bevor es, von seinem Schwung getrieben, in die Richtung zurückflog, aus der es gekommen war.
Schon stürmten die nächsten Grünhäute auf die imperiale gepanzerte Ordensschwester zu und erforderten ihre Aufmerksamkeit.
Bolterfeuer krachte, zerfetzte die wütenden Xenos.
»Stirb, Abschaum!«, röhrte die künstlich verstärkte Stimme des Space Marine, dessen Waffe bereits wieder auf ein anderes Ziel schwenkte.
Sile genoss den Moment der Befreiung, den ihr die unverhoffte Unterstützung verschaffte, richtete sich auf und atmete tief durch.
Jetzt, wo die Konzentration des Kampfes von ihr abfiel, fluteten Wahrnehmungen und Gefühle in ihr Gehirn, erinnerten sie mit zersetzender Deutlichkeit daran, dass sie noch immer ein verletzliches Individuum war.
Trotz der von helfenden Motoren angetriebenen Servorüstung schmerzten ihr sämtliche Extremitäten von den Schlägen und Tritten, die sie ausgeteilt hatte.
Ebenso brannte ihr Körper von der Anstrengung, die mächtige Panzerung ihres Kampfanzugs agil zu bewegen.
Schweiß lief ihr in Strömen über den Körper, kämpfte gegen dessen Überhitzung unter der bratenden Sonne von Agos Virgil.
Vor Erregung und Adrenalin kochendes Blut pulsierte heftig durch ihre Adern, rang ihrem Körper die letzten Leistungsreserven ab.
Jeder andere wäre im Verlauf der letzten Stunde vermutlich bereits gebrochen und gefallen, doch Prioris Leitis Sile kämpfte unermüdlich weiter.
Es stand außer Frage, dass lediglich die Entschlossenheit ihres Geistes verhinderte, dass sie unter dem Druck der auf sie einströmenden Ereignisse kollabierte.
In Seinem Namen!
Gleißendes Licht strahlte über die Gebäude der Kathedrale hinweg, verband für einen Reihe Herzschläge das Haupttor mit den entfernten Ebenen des zweiten Rings.
Trockener Donner schepperte über das Schlachtfeld, erstickte sämtliche Geräusche unter einer Decke aus gellendem Lärm.
Konzentrierte Hitze blies der Ordensschwester ins Gesicht, zwang sie dazu, ihr ungeschütztes Haupt abzuwenden. Hinter sich konnte sie hören, wie Orks von der freigesetzten Energie des Laserdestroyers verkohlt wurden. Schreie und Winseln jaulten durch den Lärm der Waffen, gingen jedoch bald im Fauchen und Brüllen der Flammen unter.
Sile wartete, bis die Lautstärke des Feuers und das Brüllen der Orks einander wieder die Waage hielten, bevor sie sich dem Haupttor erneut zudrehte.
Das Tor und seine Umgebung standen in lodernden Flammen. Schon vor einer ganzen Weile hatten die imperialen Sturmtransporter einen schrecklichen Raketenschlag auf den Haupteingang der Kathedralenstadt entfesselt und so nicht nur den Boden, sondern auch sämtliches auf ihm wandelnde Leben zerfetzt.
Der Angriff war eine Entlastung gewesen, ohne Frage, obwohl die unzuverlässigen Maschinengeister der Raketen das gesamte Umfeld in Brand gesetzt und somit auch die wenigen verbliebenen Verteidiger gefährdet hatten.
Nun konnte man bei einer Sororita und sechs Astartes kaum davon reden, dass sie durch die vierzig Millimeter-Raketen der Salvenraketenwerfer unmittelbar bedroht wurden. Ihre Servorüstung, dank ihrer Verbundstoffe bald so stark wie die Panzerung eines Kampfpanzer-Baumusters, hielt die eher auf Infanterieabwehr ausgelegten Splittersprengköpfe der Waffen weitestgehend ab.
Allerdings konnte man nie wissen – und wenn eine der Raketen direkt über dem ungeschützt Haupt von Numitor oder ihr explodierte, reichten Schädelknochen bei weitem nicht aus, um die entstehende Druck- und Splitterwirkung abzufangen.
Ihr wurde schmerzlich bewusst, weshalb sich ein Sabbat-Helm möglicherweise doch lohnte.
Schon drang das Brüllen der nächsten Welle von Orks an ihr Ohr. Noch mehr Grünhäute! Thronverdammt!
Und sie war unbewaffnet! Der Imperator beschützte!
Den Bolter hatte sie vor einige Zeit weggeworfen, da er nach seiner ersten Ladestörung weitere Anzeichen einer Dysfunktion gezeigt hatte und überdies auch der Munitionsvorrat zur Neige gegangen war.
Zwischenzeitlich hatte sie einen Flammenwerfer mitsamt dem in den Gurten gefangenen Leib eines toten imperialen Soldaten verwandt, aber auch dieser war nach nur wenigen Flammstößen nutzlos geworden.
Weitere Waffen gab es im Umkreis nicht – und eines der schwachen, wenngleich robusten Lasergewehre zu verwenden, stand für sie außer Frage. In seiner unendlichen Weisheit hatte der göttliche Imperator den Schwestern die heilige Dreifaltigkeit aus Melter, Bolter und Flammenwerfer gegeben. Sie waren nicht nur der Stolz, sondern auch der Sinn jeder Kampfdoktrin des Adeptus Sororitas. Diese Doktrin zu verraten, indem sie sich einer Laserwaffe bediente, wäre einer Häresie gleich gekommen.
So blieb ihr schließlich nur noch die rohe Gewalt, um sich der anströmenden Flut von Feinden zu erwehren.
Wie viele sie zerrissen, zerquetscht, durchstoßen oder erschlagen hatte, wusste sie nicht, doch der Verschmutzung ihrer Rüstung durch Xeno-Blut nach zu urteilen, mussten es eine Menge gewesen sein.
Aber war das wirklich wichtig? Nicht einmal ein toter Xeno war ein guter Xeno, und in Seinem Namen Reinheit über die Galaxie zu bringen, war ihre Aufgabe.
Sile straffte sich, ignorierte die Schmerzen in ihrem Körper und bereitete sich darauf vor, der nächsten Welle von Angreifern entgegenzutreten.
Dumpfe, schwere Tritte ließen den Erdboden erzittern. Die schweren, golemartigen Körper Sergeant Numitors und seiner Space Marines gruppierten sich um sie. Die Superkrieger waren über und über mit Orkblut besprengt und die tiefen Kerben und Schnitte in ihren vormals eindrucksvoll bemalten Rüstungen zeugten von der Brutalität, mit der sie den Gegnern entgegen getreten waren. Ferner verfügten sie nur noch über Nahkampfwaffen, denn wie ihrer eigener waren ihre Bolter ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Wie Sile feststellen musste, waren die Marines inzwischen nur noch zu fünft. Einer von ihnen fehlte, was im Endeffekt nur bedeuten konnte …
Sile schloss die Augen und sandte eine Litanei der Reise zum Imperator in die vom Kriegslärm erfüllte, aufgeheizte Luft. Es war das Mindeste, was sie für den gefallenen Krieger tun wollte, aber das Angemessenste in dieser Situation.
»Die Imperiale Armee ist geflohen«, dröhnte der lautsprecherverzerrte Bass eines Marines über die Ebene. Dass er damit keine Tatsache entdeckte, die andere bereits vor mehr als einer Stunde festgestellt hatten, ließ sich deutlich am verachtenden Tonfall erkennen, mit der er die Worte regelrecht ausspie.
Ein anderer Astartes stimmte ein. »Sie werden nicht zurückkommen.«
»Sie fliehen nicht vor dem Feind. Sie fliehen vor sich selbst«, grummelte Numitor. »Man kann ihre Angst förmlich riechen.«
»Feiglinge«, riefen die Brüder im Chor. Ohne Frage begriffen die Superkrieger nicht, weshalb die ‚Normalen‘ trotz ihrer Liebe zum Imperator und ihrem Glauben an die Übermächtigkeit des Imperiums Boden freigaben, den das Imperium mit viel Blut seit tausenden Jahren hielt.
»Nun denn«, schlug die Sororita in ihrer Mitte vor und nahm eine Nahkampfposition ein. »Lasst uns Ihnen zeigen, dass es dennoch Krieger gibt, die sich von keinem Feind verschrecken lassen. Für den Imperator!«
»Für den Imperator!«, donnerte es aus den Kehlen der ehernen Riesen, als die Orks durch den zerstörten Eingang zur Kathedralenstadt brachen.
Sile atmete tief ein, ließ ein Gebet des Schutzes durch ihren Geist hallen und bereitete sich darauf vor, dem nächstbesten Ork, der sich auf sie stürzte, den Kopf von den Schultern zu trennen.
In diesem Moment flammte punktierte Energie zwischen die vorstürmenden Grünhäute, brachte dutzende Xenos mit derselben Präzision zu Fall, mit der eine Sense durch Gras schnitt.
Wild schießend stürmten Infanteristen aus drei Richtungen auf den Platz, begleitet vom trommelnden Multilaser-Feuer der vorwärts rollenden Chimären.
Heftiges Donnern schallte aus den Gassen und der Hauptstraße, gleich einer abartigen Marschmusik, die den erneuten Verstoß der imperialen Truppen begleitete.
Links und rechts des Hauptangriffs schwenkten einzelne Truppenverbände ab, um die bereits in die Stadt eingefallenen Grünhäute auszumerzen.
Der Hauptangriff jedoch zielte auf das Tor, dessen Explosion vor über einer Stunde zum Zusammenbruch der imperialen Frontlinie geführt hatte.
Heftiges Laserfeuer sengte sich durch die Luft, schwängerte sie mit dem Geruch von verbranntem Ozon.
Ein einzelner Ork, ein eher winziger, ihrer eigentlich unwürdiger Boy, schaffte es durch das tödliche Strahlgewitter vor die Prioris und setzte gerade zum ersten Nahkampfangriff an, als ein gezielter Laserschuss sein Leben beendete.
Von seinem eigenen Schwung getrieben, rutschte der getötete Xenos über die versandeten Pflastersteine und kam, den Blick aus seinen verloschenen Augen gen Himmel gerichtet, mit dem Kopf auf Siles gepanzerten Stiefeln zum Liegen.
Aus der im Moment des Todes eingefrorenen Grimasse ließ sich noch lesen, wie liebend gern er von ihren, durch die Servorüstung verstärkten Armen vernichtet worden wäre. Ja, seinen Gesichtsausdruck hätte man sogar so deuten können, dass er sie regelrecht anflehte, ihn zu zerreißen.
Angewidert trat sie den toten Leib zur Seite.
Gefolgt von einem Halbtrupp imperialer Infanteristen lief Captain Balgor geduckt auf sie zu. Die Querschläger orkischer Waffen ließen die Erde um die Soldaten aufspritzen.
Schlitternd rutschten der Captain und seine Begleiter aus vollem Lauf in der Nähe von Sile und den Marines hinter eine von Panzergranaten zerfetzte Mauer.
»Sile!«, schrie ihr Balgor zu und winkte sie heran, während der Funker an seiner Seite damit beschäftigt war, über das Handgerät seines Tornisters Kontakt mit einer anderen Einheit aufzunehmen.
Die restlichen Männer des Halbtrupps setzten in das Schießen ein.
»Nedor!«, rief der Captain, die Hände zur Verstärkung wie ein Trichter um den Mund gelegt und deutete auf einen zerschlagenen Schutzwall in seiner Nähe. »Nach links und dann hinter dieser Barrikade da in Deckung! «
»Verstanden!«, erhielt er zur Antwort. Weitere Infanteristen huschten aus dem Schutz der Chimären und rannten zu der Deckung, die ihr Vorgesetzter ihnen soeben angegeben hatte.
»Wollten Sie sich nicht zurückziehen?«, erkundigte sich die Sororita mit dem Tonfall einer strengen Mutter, als sie ihrerseits den Captain erreichte.
»Genau genommen sind wir noch dabei«, präzisierte der. »Es hat sich lediglich die Richtung geändert.«
Darüber musste Sile erst einmal einige Sekunden lang nachdenken.
»Haben Sie den Colonel bereits erreicht?!«, nutzte Balgor die Zeit, welche die Schwester sprachlos blieb, um seinen Funker zur Eile anzutreiben.
Kopfschütteln antwortete.
»Dann versuchen Sie es weiter! – Sie haben den Gegner die ganze Zeit über aufgehalten?!«, wandte sich der Vorgesetzte zurück an die Sororita. Dem Unglauben in seinem Tonfall ließ sich entnehmen, dass er eine solche Selbstverständlichkeit nicht für möglich erachtet hatte.
»Natürlich«, erwiderte Sile so neutral wie möglich. Sie konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein wenig Stolz in ihre Stimme stahl.
»Sehr gut«, murmelte Balgor, bereits mit der Planung seines nächsten Schachzugs beschäftigt. »Dann machen Sie weiter. Lassen Sie sich nicht aufhalten.«
»Haben Sie eine Waffe für mich?«, wollte sie zuckersüß wissen.
Balgor runzelte verwirrt die Stirn. »Hier liegen genügend herum«, bemerkte er wie selbstverständlich und deutete auf die Toten, von denen viele noch ihre Lasergewehre bei sich trugen.
Nun war es an Sile, die Stirn zu runzeln. Dieses Mal jedoch aus Verachtung über die Stumpfsinnigkeit, mit der sie der Captain bedachte. »Eine Waffe, die ich effektiv nutzen kann.«
»Wenn Sie eine effektive Waffe haben wollen, dann reißen Sie den Geschützturm von einer der Chimären und greifen Sie die Orks damit an«, schlug der imperiale Offizier vor, bevor seine Aufmerksamkeit in Richtung seines Funkers schoss. »Was ist nun mit Colonel Ekko?!«
»Immer noch keine Verbindung!«
Der ranghöhere Basteter zischte eine häretische Verwünschung, bevor er sich aufgeregt über das Gesicht wischte. »Was sagen Sie denn zu dem Feuerwerk, das der Colonel losgelassen hat?«, fragte er die Sororita, als sei ihm gerade ein ungemein interessantes Thema eingefallen.
Die Überraschung für die Prioris hätte nicht größer sein können. »Es war –« Ein richtiges Wort wollte ihr nicht einfallen. Sie brauchte eine Weile, um die nächstbeste Beschreibung zu finden. »Entlastend.«
Balgor nickte zufrieden. »Das freut mich. Es hat ihn auch vollkommen fertiggemacht, nicht zu wissen, wie es ihnen geht.«
»Wirklich?!« Die Sororita riss überrascht die Augen auf und starrte den Basteter an. Ganz offensichtlich missinterpretierte sie den Sarkasmus in den Worten des Captains. Als wenn Colonel Ekko sich jemals um das Heil einer Adepta Sorgen gemacht hätte. »Natürlich! Wie hatte ich nur so zweifeln können?!«
Mehr Soldaten keuchten heran, gingen vor dem schlecht gezielten Feuer der fliehenden Orks in Deckung.
Mit dem hallenden Dröhnen eines hart den steinernen Grund schlagenden Metallkörpers setzte sich ein schweres Waffenteam mit seinem Bolter neben Balgor und der Prioris fest.
Der Schütze klappte den Deckel der Gurtzuführung hoch und legte mit den geübten Händen langjähriger Erfahrung einen neuen Gurt Boltgeschosse aus einem der Munitionskästen, die sein Kamerad mitgeschleppt hatte, in das Patronenlager. Der Spannschieber krachte.
»Fertiggeladen!«, schrie der Mann, um den Kampflärm zu übertönen.
Sein Kamerad, zugleich Zielzuweiser, brauchte nicht lange, um Gegner zum Bekämpfen zu finden: »Schütze – geradeaus – auf erkannten Feind – Feuer frei!«
Mit ohrenbetäubendem Dröhnen trommelte die Maschinenwaffe los.
Sile nutzte die unverhoffte Pause, um sich nach einer neuen Waffe umzusehen. Ihre Gedanken hingegen waren jedoch ganz woanders.

***

Tief geduckt hechtete Sergeant Kleit hinter dem Rumpf einer gestoppten Chimäre hervor und rannte auf die Deckung der unbesetzten Gräben zu. Sein Lasergewehr zischte kohärente Wutausbrüche in Richtung des Gegners, erfüllt von der grimmigen Freude, sich für die erlittene Schmach des Rückzugs revanchieren zu können.
Hinter sich hörte er weitere Schritte und Schüsse, als andere Soldaten aus der Deckung hervorkamen und versuchten, die Schützengräben zurückzuerobern.
Aus den Augenwinkeln sah der Sergeant, wie die Häuserschlucht links von ihnen immer mehr Trupps auf den Platz erbrach, als hätten sie die Gebäude und den Straßenzug so dermaßen gesättigt, dass er sich an ihnen verschluckte und sie nun wieder ausspie.
Panzermotoren grollten wie ferner Donner und das mannigfaltige Waffenfeuer ließ die Wohnblöcke und die Pflastersteine unter seinen Füßen zittern.
Gerade wollte sich der Sergeant umwenden und den Männern hinter sich befehlen, schnellstmöglich auszuschwärmen, um nicht als Menschentraube ins Visier der Xenos zu geraten, als es geschah: Etwas traf ihn mit einem scharfen, metallenen Geräusch am Helm.
Dank der Tatsache, dass der Schnellverschluss des Kinnriemens geöffnet war, absorbierte die Kopfbedeckung den Aufschlag, indem sie dem Sergeant mit einem deutlichen, metallenen Geräusch vom Kopf flog.
Ein dröhnender Schmerz durchzuckte ihn. Unwillkürlich geriet der Sergeant ins Taumeln und ging zu Boden. Schwärze vernebelte seine Gedanken.
Er wusste, er war tot.
Das nächste, was er mitbekam war, dass er unsanft über einen Belag geschleift wurde. Er identifizierte den Untergrund sofort, aber dank der Dämonen, die auf seinen Schädel eintrommelten, konnte er keinen klaren Gedanken fassen.
Er hörte Rufe und Schreie, und als sein Sichtfeld langsam anfing, sich zu bereinigen, konnte er auch Schemen erkennen, die vor einem wunderbaren Hintergrund aus strahlendblauem Himmel umherhuschten.
Gleißendes Licht platzte in seinen Kopf. Lauter Donner überrollte ihn. Der Sergeant kniff die Augen zu und presste sich die Hände an die Ohren. Es half nichts. Die Dämonen in seinem Kopf stimmten einen lauten Gesang, ein grelles Klingeln, das seine Nerven traktierte und ihn zwang, selbst wie ein Sterbender zu schreien.
Es dauerte nur Sekunden, da krepierte das Pfeifen in seinem Ohr wie eine platzende Seifenblase. Plötzlich stürzte eine Flut an Geräuschen auf ihn ein, verbiss sich in ihm und riss an seinen Sinnen.
»Ahhh!«, brüllte er und federte hoch, um der Schallexplosion zu entfliehen, die auf seine ungeschützten Organe eintrommelte. »Thronverdammte Scheiße!«
»In Deckung!« Ein halbes Dutzend Hände zog ihn zu Boden, sodass der Sergeant gar nicht anders konnte, als sich ungalant fallen zu lassen.
Hände griffen nach ihm und fixierten ihn am Boden, damit er nicht in die Schusslinie geriet, während säuselnde Stimmen ihm zuflüsterten.
Was sie sagten, verstand er nicht, doch unter dem schrillen Protestieren in seinem Kopf klang es beruhigend und verdrängte die Panik aus seinen Gedanken.
»Thronverdammt!«, rief er, während sich sein Umfeld allmählich klärte. »Wollen Sie mich umbringen?!«
Erleichtertes Lachen schallte ihm entgegen, untermalt vom Lärm der tobenden Schlacht. Kleit sah auf.
Wie er feststellte, hatte man ihn hinter eine zerschlagene Mauer gezogen, damit er nicht im Feuerwechsel zwischen den Orks und den Imperialen liegen blieb und vielleicht von einem Querschläger ausgelöscht wurde. Vier Infanteristen knieten in seiner Nähe, sicherten den Bereich und beschossen den Gegner, während ein Sanitäter ihn untersuchte.
»Sie haben uns einen verdammt großen Schrecken eingejagt«, bemerkte der Sanitätssoldat ungefähr in Kleits Richtung. »Wir haben gedacht, Sie wären gefallen.«
»Ja«, brummte Kleit unwirsch zurück, »das hätte mir auch einen Riesenschrecken eingejagt.«
Schritte näherten sich von rechts, pochten ihm Rhythmus des Blutes in Kleits malträtierten Ohren.
Ein weiterer Infanterist ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. An seiner linken Hand baumelte der Helm, den Kleit vor kurzem verloren hatte. Es ließ sich jedoch sofort erkennen, dass dieser seiner eigentlichen Aufgabe nicht mehr gerecht werden würde.
Eine tiefe Delle, offensichtlich von einem abprallenden Geschoss hineingedrückt, hatte die gesamte Frontpartie des Kopfschutzes verformt. So bot er keinerlei Sicherheit mehr. Wenn überhaupt, konnte man nur noch versuchen, ihn auszubeulen und als Kochtopf zu verwenden.
»Beim Thron«, meinte der Soldat und hielt die verbeulte und zerkratzte Kopfbedeckung in die Höhe. »Da haben Sie aber wirklich den Segen des Imperators gehabt, Sergeant.«
Im nächsten Augenblick verschwand das Haupt des Basteters in einer nebeligen Wolke aus rosafarbener Gehirnmasse und Geschossrauch, welche nach rechts aus dem Schädel austrat und sich über die bei ihnen knienden Kameraden verteilte. Sein Helm hatte nicht einmal den Hauch einer Chance gehabt, das anfliegende Geschoss zu fangen oder abzulenken.
Sämtliche Soldaten zuckten zurück, während der Leib des Unglücklichen einfach zur Seite wegkippte.
Kleit begriff, wie viel Segen er eigentlich gehabt hatte und er fühlte sich mit einem Mal sehr müde.
Weitere Schritte eilten herbei. Es war Captain Prish. »Was ist los?!«, schrie er die Männer an. »Warum steht ihr hier herum und kämpft nicht?!«
»Der Sergeant …!«, versuchte einer der Soldaten zu erklären, doch der Captain fuhr ihm über den Mund. »Ein Sanitäter ist bei ihm! Los! Zurück in den Kampf! Für den Imperator!«
Dann ging er neben seinem Untergebenen in die Knie.
»Kleit?« Eine kräftige Hand packte den Sergeant an der Schulter. »Alles in Ordnung mit Ihnen?!«
»Ja, noch lebe ich«, erwiderte Kleit matt, bevor er verbittert hinzufügte: »Mal gucken, wie lange.«
»Sehr gut!« Der Offizier an seiner Seite ließ ein kehliges Lachen ertönen. »Wer will schon ewig leben!?!«

***

Gut hundert Meter weiter kam Corporal Rebis rutschend an der Mauer zum Halten, hinter der auch Captain Balgors Kommando Schutz gesucht hatte. Der Rest seines Trupps verteilte sich über verschiedene Deckungen, die links und rechts des zertrümmerten Straßenzugs lagen.
»Captain!«, rief der Corporal. Das elektrische Knistern einer Multilasersalve verschluckte alle weiteren Worte, doch an dem Blick, den der Captain ihm zuwarf, konnte der Sergeant sehen, dass er zumindest gehört worden war.
»Ihre Befehle?!«
»Was?!«
Rebis legte die Hände als Trichter vor den Mund, sodass seine Stimme das Getöse um sie herum für zumindest einige Wort lang durchbrechen konnte. »Ihre Befehle, Sir?!«, schrie er erneut.
Balgor gebot ihm, kurz zu warten, da ihm sein Funker im selben Moment auf die Schulter tippte, um ihm dann etwas ins Ohr zu brüllen.
Der Captain nickte und bellte eine unverständliche Antwort, bevor er seinen Untergebenen mit einem harten Schulterschlag zurück in die Schlacht um die verfügbaren Frequenzen schickte.
Eine Garbe Maschinengewehrfeuer verbiss sich in die Mauer, erschütterte die Steine und brachte die Konstruktion gefährlich ins Wanken.
Rebis duckte sich dichter an den Boden, bemüht, keine Teile seines Körpers zu exponieren. Das dumpfe Platschen mehrerer Festkörper, die einen Leib aufrissen, erklang. Jemand schrie auf, ganz in seiner Nähe.
»Bleib liegen!«, antwortete eine von Angst erfüllte Stimme. »Bleib um des Imperators Willen liegen! Du wirst wieder …« Erneutes Krachen. Wieder zerfetzten Geschosse den Leib eines Infanteristen.
Dieses Mal jedoch kam die Antwort postwendend. »Geradeaus, einhundert …!«
»Erkannt!« Röhrend trommelte der schwere Bolter eines Waffenteams in seiner Nähe los. Lasergewehrfeuer fiel ein.
»Rebis!«, drang die Stimme Captain Balgors irgendwie durch den Lärm. »Rebis!«
Der Corporal sah auf.
»Können Sie von dort das Tor sehen?!«, wollte der dunkelhaarige Basteter in seinem Blickfeld wissen. Seine Hand deutete die ungefähre Richtung an, in der das Haupttor lag.
»Augenblick, Sir!« Vorsichtig schob der Sergeant seinen Kopf um die Trümmer und versuchte, etwas zu erkennen. Noch immer waberte ein gräulicher Nebelvorhang vor dem Haupttor und verhinderte so eine genaue Sicht auf den Eingang zur Kathedrale, doch das Waffenfeuer und die kleinen Brände im Umfeld der Konstruktion erhellten den Bereich so deutlich, dass sich zumindest Schemen ausmachen ließen.
In seine Beobachtung vertieft, bemerkte Rebis nicht, wie schwere Kampfstiefel im schnellen Takt herantrabten, begleitet vom kurzatmigen Schnaufen eines unter Belastung stehenden Soldaten.
Erst das deutlich vernehmbare Geräusch, mit dem ein schwer beladener Körper gegen die Mauer fallen ließ, hinter der er lehnte, riss ihn aus seiner Konzentration. Erschrocken fuhr der Corporal zusammen, verlor den Halt und kippte vorn über, direkt in die Feuerlinie der Orks.
Herr auf dem Thron, konnte er noch denken, als ihm klar wurde, dass die nächsten Projektile ihm gelten würden. Ein mächtiger Ruck durchfuhr ihn, riss ihn von den Beinen. Das Ende!
Noch bevor er reagieren konnte, schleiften ihn die mächtigen Klauen einer unsichtbaren Kreatur rücklings über den Boden. Wie eine Schildkröte auf dem Rücken versuchte der stellvertretende Truppführer, zurück auf die Beine zu kommen. Seinen Weg in das Elysium des Imperators hatte er sich beileibe anders vorgestellt.
Und dann sprach Er zu ihm – wobei der imperiale Soldat nie gedacht hätte, dass ihm die Stimme seines Gottes so bekannt vorkommen würde.
»Corporal, was war das denn?«, wollte Soldat Melbin wissen, dessen beeindruckende Pranke sich gerade vom Rettungsgriff in Rebis Armaplastweste löste. »Dem Imperator sei Dank, dass ich gerade hier war!«
Der auf dem Rücken liegende Unteroffizier schwenkte seinen Blick zu dem Soldaten, dessen massiver Körper halb über ihm lehnte. »Ja, und dem Imperator danke ich noch mehr, wenn er herniederfährt und Ihnen einen Blitz in den Arsch schießt!«
Ungalant rollte er sich herum, bestrebt, Captain Balgor mitzuteilen, was er gesehen hatte (im Grunde also nichts), doch als er sich dem Captain zuwandte, konnte er sehen, dass bereits etwas anderes dessen Aufmerksamkeit in Beschlag nahm.

***

Retexer warf sich hinter die Trümmer, wie ein Wilder gejagt von seinem Funker.
Eine Salve Sturmwaffenfeuer schoss pfeifend über sie hinweg, um gut fünfzig Meter weiter ihr Ende in einer zerschlagenen Hauswand zu finden.
Als hätten sie damit ein mechanisches Kinderspielzeug ausgelöst, tauchten zwei Soldaten hinter dem penetrierten Schutz auf und erwiderten das Feuer mit ihren Lasergewehren.
Weitere Infanteristen sprinteten aus dem Gemäuer, nutzten den Feuerschutz ihrer Kameraden, um geduckt ein die nächste Stellung zu gelangen.
»Retexer?«, begrüßte ihn eine wenig erfreut klingende Stimme. »Sie etwa auch hier?«
Der Basteter sah auf. Captain Balgor, das Gesicht von Schnitten und Blessuren verunstaltet, blickte auf ihn herab. Ein schmutziger Dreitagebart bedeckte das Gesicht des imperialen Offiziers wie schwarz gewordener Schimmel und ließ den sonst recht adrett wirkenden Mann alt und verbraucht aussehen.
»Natürlich!« Retexer legte so viel Missfallen in seine Stimme wie möglich. »Man erlangt keine Ehre, wenn man sich hinter den eigenen Truppen verkriecht.« Der Seitenhieb auf ihren Vorgesetzten und dessen Stellvertreter war nicht zu überhören.
»Und wer vorsätzlich dämlich handelt, erlangt ebenfalls keine Ehre«, schoss Balgor mit demselben Missfallen zurück.
In den Augen seines Gegenübers flackerte Wut auf, doch Retexer entschied kluger Weise, die Zurechtweisung zu ignorieren. »Lassen Sie mich an Ihrem taktischen Genie teilhaben!«, verlangte er stattdessen, die Stimme vor Verachtung triefend.
»Als erstes muss ich wissen, wie es um das Tor steht!«, erklärte Balgor. In der Nähe ging ein Soldat zu Boden, vom Kopfschuss einer orkischen Sturmwaffe tödlich verwundet. Balgor strafte die Tragödie mit der taktischen Missachtung eines Befehlshabers. »Wenn ich nicht einschätzen kann, wie schwer die Anlage beschädigt ist, kann ich nicht weiter planen.«
»Und?«, fuhr Retexer ihn an. »Warum sehen Sie nicht nach?!«
Ein dröhnender Trommelschlag, begleitet von einem Nieselregen aus Erde, Sand und zertrümmertem Stein, beantwortete die Frage des Captains.
Balgor lehnte sich vor, dankbar für die unverhoffte Unterstützung. »Sonst noch etwas unklar?«
Retexer hingegen zog den Kopf ein und knirschte angewidert mit den Zähnen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte die Deckung dem Aufprall nachgegeben. »Und stattdessen wollen Sie, dass ich einen Blick riskiere?!«
»Was Sie machen, ist mir thronverdammt egal!«, stellte der andere Offizier klar. »Hauptsache, ich erhalte die Information, die ich brauche!«
Weitere Explosionen erschütterten Luft und Erdboden, verschluckten alle Worte, die Retexer seinem ranggleichen Kameraden entgegenschleuderte. Hätten sie es nicht getan, der Imperator hätte den Imperialen für seine ketzerische Ausdrucksweise womöglich auf der Stelle gerichtet.
Der Häretiker hingegen ignorierte die spirituelle Gefahr, in die er sich begab. »Wejoun!«, befahl er seinen Untergebenen zur Aufklärung der Lage. Eben typisch Offizier.
Derweil sah Balgor sich um. Anders, als er dem anderen Captain glauben gemacht hatte, hatte er sich sehr wohl bereits einen umfassenden Plan für seinen nächsten Schritt zurechtgelegt. Allerdings fehlte es ihm derzeit noch an Menschen und Material, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Da nun die unliebsame Aufgabe, das Vorfeld des Haupteingangs aufzuklären, an Retexer übergeben war, blieb ihm genügend Zeit, sich einen Überblick über die Truppen zu verschaffen, die er direkt an den Feind bringen konnte. Zwar ließ sich von seiner Position aus nicht genau erkennen, wie viele Einheiten nun wirklich im Kampf mit den Grünhäuten standen, aber er zählte acht Chimären und zwei Salamander in seiner unmittelbaren Nähe, eingerahmt von gut einer bis anderthalb Infanteriezügen. Überschlug er das, dann konnte er höchstwahrscheinlich auf etwa achtzig Soldaten und zehn bis fünfzehn Panzerfahrzeuge zugreifen, zählte man die nicht mit, die bereits in die Stadt ausschwärmten und dort den Xeno-Abschaum vernichteten.
Achtzig Soldaten im seinem direkten Befehlsbereich. Das war nicht einmal eine vollzählige Kompanie, im Angesicht eines übermächtigen Feindes nicht mehr als das Äquivalent eines längst überfälligen Gebetes, doch selbst mit dem einen oder anderen Wort ließ sich im richtigen Moment das Richtige bewirken. Außerdem baumelte ihnen noch das eine oder andere Ass aus dem Ärmel.
Mit brüllendem Motor setzte eine nicht weit entfernte Chimäre vorsichtig über einen der eingestürzten Schützengräben hinweg, gefolgt von einem Halbtrupp Infanteristen, die den Gegner mit Laserfeuer eindeckten.
Jenseits des Fahrzeugs, verdeckt hinter einer Mauer, waren zwei Soldaten eilig dabei, ihre leergeschossenen Magazine zu wechseln, während ihre Kameraden bereits unter gegenseitiger Deckung vorrückten, um eine bessere Schussposition zu erreichen. Ein Unteroffizier, vermutlich ihr Sergeant, stoppte kurz und schrie sie an, sich sofort wieder der Gruppe anzuschließen.
Die beiden Infanteristen erhoben sich – im nächsten Augenblick waren sie und ihr Vorgesetzter verschwunden, zu einer Wolke aus Staub vaporisiert, welche in einer gewaltigen Erdfontäne gen Himmel schoss.
Ein satter Schlag sprang durch die Luft, mehr ein Niesen als eine Explosion, ließ den Boden noch über hundert Meter entfernt erzittern.
Balgor wandte sich ab und ließ seinen Blick in die andere Richtung schweifen.
Die flammend rote Rüstung Leitis Siles tanzte in sein Sichtfeld, zirkulierte wie eine Luftströmung durch eine Formation fliehender Grünhäute. Die blutverschmierten Schleier ihrer Epitrachelien umwehten sie gleich den Schleifenbändern einer Schleiertänzerin.
Ihre Hände fuhren durch die Leiber der entsetzten Angreifer, als bestünden diese aus Flüssigkeit und nicht aus Fleisch und Muskeln. Gliedmaßen und zerfetzte Körper wirbelten durch die Luft, besprengten ihr Umfeld mit den stinkenden Überbleibseln ihrer Innereien und einem Regen aus Blut.
Der Captain benötigte einige Sekunden um zu begreifen, dass es nicht die Handschuhe der Servorüstung waren, mit denen die Prioris die Angreifer durchschnitt, sondern die jaulende, reißende Klinge eines Kettenschwerts.
Er verzog das Gesicht. Nur der Imperator wusste, wo sie diese Waffe requiriert hatte. Und nur der Imperator konnte wissen, wie weit sie noch gehen würde, um den Feind von diesem einst heiligen Ort zu vertreiben.
Vermutlich hätte sie sich im Alleingang durch die gesamte gegnerische Armee gemetzelt.
Und sie war nicht allein.
Nicht weit hinter ihr, unbeeindruckt von den verzweifelten Versuchen der Grünhäute, ihren Vormarsch zu stoppen, stampften die bunten Rüstungen der Space Marines unverwüstlich durch das Gewitter aus Laserstrahlen. Die ehernen Hünen ignorierten die aufspritzenden Fontänen aus blutverfärbter Erde und das Summen und Pfeifen der Querschläger, welche mit brutaler Gleichgültigkeit nach Opfern auf ihren unberechenbaren Flugbahnen suchten, während sie ihre Gegner mit der Inbrunst einer Leman Russ-Panzerschwadron niederwalzten.
Einer von ihnen zog gerade einem verdutzten Waffenteam den schweren Bolter von ihrem Dreibein und ging, ohne auf die wütenden Protestrufe der nun fast unbewaffneten Imperialen zu achten, mit der neu erworbenen Waffe gegen die Grünhäute vor.
Balgor blieb nur, entgeistert mit dem Kopf zu schütteln, bevor ihn die Realität zurück hinter seine Deckung katapultierte.
Gerade beendete Retexers Funker seine Aufklärung.
»Das Tor scheint unbeschädigt zu sein«, meldete der Soldat seine Entdeckung, außer Atem und froh, wieder den Schutz der Mauer genießen zu können. Doch auch Unglauben stahl sich in die Stimme des Infanteristen. »Es ist nicht einmal angekratzt.«
»Warum sollte es auch?!«, rief Retexer wie selbstverständlich, ließ ein geleertes Magazin aus seiner Laserpistole fallen und zog ein neues aus einer Tasche an seinem Gürtel. »Es ist ein imperiales Bauwerk, erschaffen für die Ewigkeit!«
Als das unheilverkündende Pfeifen der sich aufladenden Waffe erklang, schnellte der Basteter erneut in die Höhe und zog den Abzug durch, um dann zurück hinter die Deckung abzutauchen.
Die Schüsse waren ungenau gezielt und stanzten lediglich kleine, schwarze Punkt in das mächtige Mauerwerk des äußeren Schutzwalls.
Kopfschüttelnd sah Balgor den anderen Captain an. »Was können Sie eigentlich, Retexer?«, stichelte er.
Der Kommandant des vierten Zuges schnaubte angewidert, kam jedoch nicht dazu, eine harsche Entgegnung in Richtung des ranggleichen Offiziers zu schleudern.
»Also gut!«, wandte sich Balgor bereits dem nächsten Problem zu, vor dem er stand. »Wir müssen irgendwie in das Torhaus gelangen und sehen, wie viele Sprengsätze das Gefecht überlebt haben.«
»Und was wollen Sie damit tun?!«, fuhr Retexer ihn an. »Wollen Sie die Sprengsätze auf den Feind werfen?!«
»Sie zu werfen wäre eine echte Alternative«, grummelte Balgor, als er sich an der Barrikade in die Höhe schob und einen flüchtigen Blick auf das Kampfgetümmel riskierte, bevor er wieder abtauchte. »Aber viel wichtiger wäre es, den Ansturm des Feindes zu unterbinden, damit wir Zeit haben, überhaupt etwas auf die Xenos zu werfen.«
»Keine Sorge«, entgegnete Retexer. »Es wird mir eine Ehre sein, den Gegner hier am Tor aufzuhalten.«
Balgor seufzte. Natürlich. Retexer und sein Verständnis von Ruhm und Ehre.
Der Captain maß den ranggleichen Offizier mit seinen dunklen Augen. »Sie? Und wessen Kompanie? Soweit ich weiß, ist ihr Zug doch nicht mal mehr die Hälfte von dem stark, was er ursprünglich an Personal zählte. Aber wenn Sie der Meinung sind, Sie schaffen das, dann kann ich ja den allgemeinen Rückzug befehlen und Sie decken uns«, schlug er mit unverhohlenem Sarkasmus in der Stimme vor.
Von den Worten deutlich angegriffen zischte Retexer zurück: »Dann machen Sie einen besseren Vorschlag!«
Balgor lächelte bitter. Damit standen sie wieder am Anfang. »Wenn wir das Tor zum Einsturz bringen, dann wird der Strom der Gegner versiegen«, erinnerte er den anderen Captain. Mit den Händen symbolisierte er eine abebbende Welle, um seinen Vorschlag zu verdeutlichen. »Und dafür müssen wir wissen, ob die Sprengsätze noch funktionieren und sie, wenn nötig, per Hand zünden.«
Retexer überlegte, während der Krieg um sie seine grausame Melodie spielte. Schließlich sah er auf. »Ich erledige das!«
Ohne auf eine Antwort seines Gegenübers zu warten, fuhr der ehrbesessene Captain herum und winkte seine Männer mit einer deutlichen Geste vorwärts. Dann sprang er auf und lief, wild feuernd, aus der Deckung auf den umkämpften Platz.
»Womit denn, Retexer?!«, rief Balgor ihm hinterher. »Womit, thronverdammt?!«
Retexers Funker zögerte einige Augenblicke länger, nicht sicher, ob er sich wirklich in das Lichterinferno außerhalb des schützenden Mauerwerks begeben wollte.
Schlussendlich jedoch siegte entweder seine Angst vor den Konsequenzen, wenn er es nicht tat, oder seine Loyalität zu dem anderen Captain. Er erhob sich und gab mehrere kurze Schüsse ab, um dann seinem Vorgesetzten hinterher zu sprinten.
Ungläubig verfolgte Balgor, wie immer mehr Männer aus Deckungen und hinter Barrikaden hervorsprangen, um im Zick-zack durch das Abwehrfeuer zu sprinten. Immer wieder sah er, wie Infanteristen von Projektilen und Querschlägern getroffen und herumgewirbelt wurden, nur um gefällt zu Boden zu stürzen. Die Meisten rührten sich nicht mehr.
Tiefste Verbitterung erfasst den Captain. Aus einer ohnmächtigen Wut heraus donnerte seine Faust gegen den Mauerstein. »Thronverdammte Scheiße! Jelard!«, befahl er seinen Funker zu sich, wohl wissend, dass dieser direkt hinter ihm knien sollte.
Er erhielt keine Antwort.
Überrascht wandte sich der imperiale Offizier um, nur um festzustellen, dass der Basteter zusammen mit anderen Infanteristen Deckungsfeuer für die vorstürmenden Kameraden gab. Sehr löblich, ohne Frage, in diesem Fall aber nicht wirklich hilfreich. »Jelard!«, brüllte er erneut.
Erst jetzt reagierte der Soldat, löste sich aus dem Feuergefecht und lief zurück zu seinem Vorgesetzten.
»Halten Sie den Kopf unten!« Wenig sanft zog Balgor den Mann zurück hinter die Deckung, bevor er gestenreich fortfuhr: »Fordern Sie alle Panzer mit Räumschaufeln an, die wir besorgen können. Wir müssen den Einbruch dicht machen.«
Ein gleißender Lichtstrahl zuckte über sie hinweg, verschmolz mit dem Gemisch aus Rauch und Staub zu einer grell flammenden Wolke. Trockenes Krachen versetzte die Luft in Vibration.
Der Schein des aufflackernden Feuers spiegelte sich in den dunklen Augen des Captains. »Haben Sie das verstanden?!«, bellte er seinen Funker an.
Jelard schrie ihm eine Bestätigung zu, während er bereits nach dem Handgerät des Funktornisters langte. Schon kurze Zeit später jagte der Funkspruch in den Äther hinaus. »An alle Einheiten von 5120201 – sämtliche Räumschaufeln an die Front. Ich wiederhole: sämtliche Räumschaufeln …«

***

Das Knallen detonierender Munition erschütterte Captain Retexer bis ins Mark, während er seinen Männern voran über das Schlachtfeld stürmte.
Projektile zischten an ihm vorbei, streiften ihn mit ihrem heißen Luftzug. Erde spritzte in sein Gesicht, von den Einschlägen verirrter Geschosse in die Luft geworfen.
Ersticktes Stöhnen keuchte auf, wenn eines der Geschosses sein Ziel fand und einen der hinter ihm laufenden Soldaten zu Fall brachte.
Schreie tanzten über das Schlachtfeld, ein wildes Crescendo aus Befehlen, Meldungen, Wut und Panik, gepaart mit den Schmerzen und dem Sterben der Verwundeten.
Eine heftige Druckwelle blies ihn von der Seite an, zwang ihn, erst zu straucheln, dann zu Boden.
Dumpf prallte der Captain auf und rutschte über den Sand.
Sein Körper flehte ihn an, einfach kehrt zu machen, Cherubim in seinem Körper, die aufgeregt umher flatterten und ihre Aufregung durch seine Adern posaunten. Seine Lunge brannte vom beißenden Geruch der Waffen und des Todes, die sich in der vom Staub erfüllten Luft festsetzten. Seine Muskeln wurden schwer, versuchten ihn am Boden zu halten. Sein Herz hatte längst den Rückzug in unteren Körperregionen angetreten.
Retexer ignorierte all das. Angst hätte ihn nur gelähmt. Wer in einem solchen Moment Furcht zeigte, konnte sich im Grunde gleich auf die Schlachtbank legen und zerstückeln lassen.
Ehre erlangte man so nicht.
Mit einem kräftigen Stoß wuchtete er sich erneut in die Höhe, getrieben von seiner Entschlossenheit, nicht aufgrund eines blöden Strauchelns in den Sand von Agos Virgil zu fallen. Ein grausiger Schauer spielte mit seinen Nackenhaaren, trieb ihn mit dem geflüsterten Versprechen unsäglicher Leiden vor sich her.
Retexer sah auf. Nicht weit vor ihm, leicht nach rechts versetzt, umtobte noch immer ein mächtiges Flammenmeer das Haupttor, geschürt von den Treibstoff- und Munitionsbränden der orkischen Panzerfahrzeuge. Schwarzer Rauch stieg auf breiter Front in den Himmel, sammelte sich wie Wasserdampf unter der schützenden Haube des energetischen Schutzschilds, zeichnete die kuppelartige Form der durchsichtigen Barriere nach.
Unzählige Einschlagskrater verschiedenster Kaliber hatten die Erde um die eherne Mauer abgetragen und in die Luft gewirbelt, ein stummes Zeugnis der Feuerkraft, die man an diesem Ort konzentriert hatte.
Lange Ketten aus Leuchtspurmunition zuckten durch die Luft, sprangen wie hungrige Raubtiere aus dem Nebel, fachend und nach Beute suchend.
Der Captain ließ es zu, seinen Blick für einige Herzschläge über das Inferno tasten zu lassen und die Eindrücke in sich aufzunehmen.
Ohne, dass er es bemerkte, verlangsamten sich seine Schritte, bestrebt, seinen Körper von den Urgewalten, die an diesem Ort tobten, fern zu halten.
Lasergewehrfeuer zischte vor und hinter ihm entlang, ein wenig koordinierter Versuch eines Feuerschutzes.
Für einen kurzen Zeitraum – er merkte es gar nicht wirklich – blieb der Basteter nahezu stehen, trabte nur noch leicht vor sich hin, verloren im beeindruckenden Anblick des Feuersturms, der einen weiteren Einbruch der Grünhäute verhinderte.
Doch das reichte. Zielsicher tanzte eine Perlenschnur aus Leuchtspurmunition auf den Captain zu, sprengte die Erde um ihn in einer scheinbar einzigen Säule in den Himmel.
Retexer zuckte zusammen, dann begann er wieder zu laufen.
»Thronverdammt!«, brachte er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. Hatte ihn die Aussicht wirklich so dermaßen abgelenkt, dass der Feind die Gelegenheit bekam, sich auf ihn einzuschießen?
Wie hatte er nur so nachlässig sein können?!
Ein Infanterist im vollen Sprint überholte ihn, den weit aufgerissenen Augen nach mehr von nackter Panik als seinem Glauben an den Sieg getrieben. Ohne auf seine Umwelt zu achten, stürmte der Mann vorwärts, den rettenden Schutz der Mauer fest im Blick. Hätte sich ein Ork aus dem das Haupttor umwabernden Rauch geschält, der Infanterist wäre höchstwahrscheinlich schnurstracks an der Grünhaut vorbeigerannt.
Im gleichen Moment verschwand der Soldat in einer rosafarbenen Wolke aus verdampfenden Körpersäften. Er platzte einfach, zerbarst wie ein Leman Russ nach einem Treffer in die Munitionskammern. Ein Gemisch aus Körperfetzen und zerrissener Kleidung spritzte Retexer ins Gesicht.
Zum zweiten Mal geriet der Captain ins Straucheln, schaffte es aber, sich dieses Mal rechtzeitig abzufangen.
Eine neue Garbe Leuchtspurgeschosse verfehlte ihn knapp.
Da entdeckte er sein eigentliches Ziel: einen kleinen, unscheinbaren Eingang, der sich linker Hand des Haupttores an eine Nische in der Mauer duckte.
Den Einschüssen, Blitzspritzern und der zertrümmerten Tür nach zu urteilen, war auch dieses unscheinbare Stück des Walls im Laufe der Kämpfe hart getroffen worden, Retexer bereitete sich darauf vor, dass ihn direkt hinter dem Eintritt ein riesiger Ork mit einer Keule erwartete.
Mit dröhnendem Getöse brach der Captain durch die längst nicht mehr vorhandene Barriere, welche den kleinen Zugang in die Eingeweide der Außenmauer geschützt hatte. Die traurigen Überreste der schweren Holztür, im Laufe der Gefechte aus den Angeln gerissen und dennoch bemüht, einen Hauch von Undurchdringlichkeit zu suggerieren, waren ihm dabei keinerlei Hindernis.
Direkt hinter der Tür stieg eine steile Treppe in die Höhe, parallel zu den Außenseiten des Schutzwalls gelegen.
Ohne in seinem Schritt innezuhalten, lediglich den ehernen Stein als Puffer für den Richtungswechsel nutzend, stürmte der Captain den schmalen Stufengang hinauf, das Lasergewehr im Hüftanschlag.
Hinter sich hörte er die schweren Stiefel seiner Männer in dem Versuch, seinen Schritt zu halten, durch das schwere Holz der aufgesprengten Tür brechen.
Wenigstens schienen sich keine Orks in dem Gemäuer zu befinden. Glück für sie.
Eine scharfe Biegung brachte Retexer zurück auf einen ebenen Gang, der in Gegenrichtung zum Aufgang verlief. Der moderige Geruch eines archaischen Bauwerks schlug ihm entgegen, durch die schweren Kämpfe aus den Fugen der alten Natursteine gepresst.
Schwaches Dämmerlicht von dünnen Leuchtröhren, von harten Schlägen gegen den Außenwall teilweise zerborsten und funkensprühend, kämpfte sich seinen Weg über das Mauerwerk, zeichnete die unebene Struktur der Wände und des Bodens nach.
Obwohl durch das herrschende Halbdunkel so gut wie blind, lief Retexer weiter, gefolgt von seinen Infanteristen, die immer noch damit beschäftigt waren, zu ihm aufzuschließen.
Ohne in seinem Schritt innezuhalten griff der Kommandant des vierten Zuges unter seine Waffe und aktivierte die dort befindliche Gewehrlampe, standardmäßig in jedes Lasergewehr integriert. Mit dem leisen Klicken des kippenden Batterieschalters atmete die Lampe einen gerichteten Strahl blendender Helligkeit in die vorwärtsstrebende Dunkelheit, wehrte die Düsternis mit grellem Schein ab. Zwar reichte die Energie der Lichtquelle lediglich, um einige Meter weit zu strahlen, doch das war genug, damit Retexer mögliche Feinde im Nahbereich erkennen und bekämpfen konnte.
Dumpfes Donnern brandete gegen die Außenseiten der Mauern, echote durch den schmalen Gang. Wie von einer gewaltigen Schalldusche fortgespült, brachen Sand und Putz aus den Ritzen, rieselten als feiner Regen auf Soldaten und Boden.
Eine überwältigende Hitze stieg aus dem Boden, materialisierte in eine schneidende Gegenständlichkeit, die alles und jeden umschloss und den Männern Ströme aus Schweiß über die Körper trieb.
Ohne Frage näherten sie sich dem Zentrum der Kämpfe.
Der Gang vor ihm stieg seicht an; ein kleiner Vermessungsfehler während der Bauphase dieser Mauer, welcher die Konstrukteure schlussendlich gezwungen hatte, den Verlauf des Wandelganges zu korrigieren.
Ein hallender Schlag rollte durch den Boden und die Wände, begleitet von einer heftigen Vibration. Ein auf dem Boden liegender, offensichtlich aus der Mauer gelöster Stein, vom Aufschlag bereits in mehrere Teile zersplittert, tanzte über den steinernen Grund. Gelöster Staub hustete aus Ritzen zwischen den Natursteinen, füllte heiß werdende Luft mit feinen Partikeln.
Der Basteter hob die Hand, signalisierte seinen Männern, abzubremsen. Irgendwo hier mussten sie …
Da waren sie! Ein halbes Dutzend kleiner Sprengkapseln, versehen mit Zündern und auf provisorische Art mit allerlei explosivem Material umgeben, unter anderem Handgranaten, Geschützkartuschen, Behälter mit hochflüchtigem Promethium und Sprengminen. Von den Spezialisten des Regiments fachmännisch angebracht, säumten die improvisierten Sprengmittel den Gang auf einer Länge von gut fünfzig Meter, teilweise zu kleinen Häufchen aufgeschichtet, an die Mauern gehakt oder in die Hohlräume herausgebrochener Quader gesteckt.
Und sie schienen nach wie vor intakt zu sein!
Zwar hatten die dauernden Erschütterungen einige der Sprengkörper aus ihren improvisierten Halterungen gerissen, und auch das eine oder andere Zündkabel schien zerfetzt, doch das waren geringfügige Probleme, die durch Zündung aller verbliebenen Explosionsmittel überbrückt werden konnten.
Was auch immer auf das mächtige Tor niedergegangen war und es dermaßen schwer beschädigt hatte – diese Vernichtungsladung schien weder der Grund für die gewaltige Detonation gewesen zu sein, noch war sie selbst übermäßig stark beeinträchtigt worden.
Erleichtert atmete der imperiale Offizier aus. Ein neuerlicher Donner echote dumpf durch das Mauerwerk, getragen vom wohligen Schauer eines schwachen Zitterns.
Wejoun eilte an die Seite seines Vorgesetzten. »Sir? Sind wir direkt über dem Tor?«, wollte er aufgeregt wissen, während mehr Infanteristen nachrückten und an beide Seiten des Gangs ausschwärmten.
»Nein«, antwortete der Captain. »Nicht direkt. Wir haben noch ungefähr fünfzehn bis zwanzig Meter.« Er sah sich um.
Die harten Strahlen aktivierter Gewehrlampen streiften ihn, immer auf der Suche nach lohnenden Zielen.
Zwar schien es, als würde sich hier kein Gegner aufhalten, aber wie die meisten imperialen Bürger fürchteten auch die Basteter die Dunkelheit. Man konnte nie wissen, wer oder was sich in den Schatten verbarg.
Ein Grund, sich nicht länger an diesem Ort aufzuhalten als unbedingt notwendig.
Die stärker werdende Hitze trieb kalten Schweiß auf seine Haut, um ihn unter der schweren Kampfuniform wenigstens zu einem gewissen Teil abzukühlen. Allerdings half die ekelhafte Nässe unter seinem Drillich nicht wirklich, einen Schild gegen die stehende Luft zu etablieren.
Vielmehr scheuerte sie auf seiner Haut und pumpte bei jeder Bewegung schwüle Wärme zwischen Körper und Stoff, was den Schweißfluss nur noch weiter anregte.
Noch ein Argument, möglichst schnell von hier zu verschwinden.
Retexer wandte sich um. Wirklich viele Männer hatten es nicht ins Innere der Außenmauer geschafft. Er mochte sich irren, und sein von Adrenalin vernebeltes Gehirn versagte dabei, eine geschickte Kopfrechnung anzustellen, aber wenn er sich nicht verzählt hatte, knieten hinter ihm so um die fünfzehn oder zwanzig Männer.
»Ist ein Sergeant hier?!«, rief er laut, um den durch die Steine vibrierenden Gefechtslärm zu übertönen.
»Ja!«, antwortete ihm eine Stimme. »Sergeant Lovin!«
»Lovin? Nach vorn an die Spitze des Zugs!«, rief er dem Truppführer des zweiten Trupps zu. Ohne Umschweife erhob sich der nur schemenhaft sichtbare Körper des Unteroffiziers und sprintete im Laufschritt an die Spitze der kleinen Gruppe, wo er neben seinem Vorgesetzten niederkniete. »Sir?«
»Hören Sie zu«, begann Retexer die Einweisung und hob das Lasergewehr. Die untergeklippte Lampe strahlte unsicher in das allgegenwärtige Dunkel. »Ich will, dass sie ungefähr die Hälfte der Männer nehmen und auf die andere Seite des Tores vorrücken. Prüfen Sie alle Sprengsätze und Verbindungsstränge. Wir müssen sicher gehen, dass auch wirklich alles explodiert, wenn wir es zünden.«
Der Sergeant nickte zur Bestätigung.
»Irgendwelche Fragen?«, hakte der Captain nach.
»Nein, Sir.«
»Gut, dann los!«
Lovin erhob sich. »Linke Flanke!«, rief er die Männer zusammen, die sich linker Hand des Ganges an die Wand duckten. »Auf – marsch, marsch!« Dann sprang er los, das Licht seiner Lampe wie einen Schild gegen das Dunkel vor sich auf den Boden gerichtet. Eine Schlange aus Infanteristen folgte ihm.
Die verbliebene Gruppe verteilte sich neu.
»Rechte Flanke!«, bellte Retexer, als Lovins Männer an ihm vorbei waren. »Zugehört! Wir werden nun alle Sprengsätze und Verbindungsstränge auf eventuelle Beschädigungen kontrollieren. Es muss alles funktionieren, wenn wir das Tor in die Luft jagen. Irgendwelche Fragen? Nein? Gut, dann los!«
Sie verteilten sich und begannen damit, mit ihren Leuchtmitteln sämtliche Bomben, Granaten und Zündkörper auf Schäden zu überprüfen.
»Thronverdammt, ist das heiß hier drin!«, rief Soldat Teccer aus und wischte sich eilends über die Stirn.
»Was bedeutet das?«, verlangte Retexer zu wissen. »Kann der Sprengstoff explodieren?«
»Nein«, beruhigte ihn Teccer, der nicht nur Waffenexperte, sondern auch ausgebildeter Sprengstoffspezialist war (soweit man außerhalb einer Pioniereinheit von ‚Spezialist‘ sprechen konnte), »die Hitze reicht noch nicht, um die Garzeit der Sprengmittel so extrem zu reduzieren.« Der Infanterist schlug dem Kameraden neben ihm ans Bein und deutete auf die dünnen Zündkabel mit denen er hantierte. Der Strahl der Taschenlampe sprang erneut auf die Sprengmittel. »Das heißt aber nicht, dass es trotzdem viel zu heiß hier ist.«
Es dauerte nicht lange, die Verbindungen zu überprüfen und vorhandene Schäden zu beseitigen, doch als die Taschenlampen von Lovins Trupp durch das Dunkel zurück in ihre Richtung schlingerten, kam es dem Captain überhaupt nicht mehr so vor, als würde er dem Regiment mit dieser Aktion einen Dienst erweisen.
Vielmehr fragte er sich, ob es nicht ein Fehler war, dem Gegner eine so große Menge Detonationsmaterial unbeschädigt in die Hände fallen zu lassen. Immerhin hatte Balgor sich offensichtlich keinerlei Gedanken über die Detonation der Sprengmittel gemacht. Und wenn man ganz ehrlich sein wollte: diese thronverdammten Funkzünder, von denen die Armeeführung seit neuestem schwärmte, waren nun wirklich keine Wundermittel. Wer auch immer das STK dieser Dinger entdeckt hatte, er hatte der Armee wirklich keinen Dienst erwiesen. Hoffentlich hielt der Imperator ein strafendes Auge auf ihm und jagte ihm bei Gelegenheit einen Blitz in den Arsch.
»Teccer!«, rief er den Sprengstoffexperten zu sich.
»Sir?«
»Haben wir noch Sturmzünder?«
Der Infanterist zog fragend die Augenbrauen zusammen. »Sturmzünder? Sie meinen Reißzünder?«
»Ja!«
»Natürlich«, bestätigte der Untergebene die Annahme seines Vorgesetzten. »Aber was wollen Sie mit denen? Die Pioniere des Munitorums haben eine Fernzündung installiert.«
»Der reicht mir aber nicht«, verdeutlichte Retexer. Er zeigte auf den Kabelstrang, der den Zünder mit dem ersten Initialsprengstoff verband. »Zünder! Jetzt!«
Fluchend machte sich der Soldat daran, seinen Rucksack abzuschnellen und den wortkargen Befehl seines Vorgesetzten auszuführen.
Draußen trugen die Geschütze ihr hässliches Duell aus.
»Sir«, kniete sich Sergeant Lovin neben ihm auf den Boden. »Melde: alles geprüft, keine signifikanten Beeinträchtigungen … was machen Sie …?« Es dauerte einige Sekunde, bis er begriff, was er vor sich sah. »Halten Sie das für gut, Sir?«
Retexer funkelte ihn an und hob warnend den Zeigefinger. Der Sergeant verstummte.
»Fertig«, meldete der Soldat zu seinen Füßen. »Aber …«
Der Captain nahm ihm den improvisierten Zünder aus der Hand. »Klarmachen zum Abmarsch«, befahl er.
Die Abteilung formierte sich neu, bereit, um abzurücken.
»Aber, Sir!«, protestierte Teccer, der seine mühevolle Arbeit offensichtlich gefährdet sah.
»Halten Sie das Maul!«, fuhr ihn der Zugführer an, nur um kurz innezuhalten. Der Imperator wachte über die Menschheit, also musste er auch über ihn wachen. Blieb nur zu hoffen, dass er seiner Aufgabe die Anerkennung zollte, die einem derart schweren Auftrag gebührte.
Das Einzige, was sich Captain Retexer vom vierten Zug des 512. Sera wünschte, war Ehre. Zeit, sie sich zu verdienen.
»In Ordnung!«, rief er und riss die Schutzkappe des Friktionszünders mit einem kräftigen Ruck von der Zündleine.
Das heiße Zischen einer wütenden Schlange hallte durch den steinernen Gang, initiierte den Brennvorgang der Lunte. Ein kleines Elmsfeuer sprang über den modrigen Naturstein, näherte sich zielsicher dem ersten Initialsprengstoff.
»Lunte brennt!«, informierte der Captain seiner Männer. »Raus hier! Lauft! Lauft! Lauft!«
Als hätte er mit diesen Worten einen tollwütigen Grox auf sie losgelassen, sprangen die Männer auf und stürmten den Weg zurück, die Treppe hinter und hinaus auf das Schlachtfeld.
»Sechzig Sekunden!«, hörte er die von körperlicher Belastung rasselnde Stimme eines der Soldaten. Er nahm an, dass es Teccer war. »In einer Minute geht die Scheiße in die Luft!«
Die ersten beiden Infanteristen schafften es irgendwie, über die zertrümmerte Tür zu springen und hinaus auf das Schlachtfeld zu sprinten, bevor irgendjemand realisierte, was gerade passierte.
Der dritte Soldat der Reihe hatte nicht so viel Glück. Von einem Geschoss getroffen, das direkt durch seinen ungeschützten Arm schlug und seine Körperseite penetrierte, kippte er zur Seite weg und blieb direkt vor dem Eingang liegen.
Der vierte Mann, ebenso unglücklich, hakte mit seinem Stiefel unter den Drillich des Fallenden und strauchelte.
Dass er damit die nachfolgende Salve fing und seinen Kameraden so einen Schutz vor den in ihre Richtung peitschenden Geschossen bot, sollte ihm in den letzten Augenblicken seines Lebens auch kein wirklicher Trost mehr sein.
»Weg!«, schrie Retexer und stürmte den Soldaten nach aus dem Gang. »Alle in Deckung!
Mit einem letzten, weiten Satz zur Seite brachte sich der imperiale Offizier aus dem Gefahrenbereich des Eingangs, dann kniete er sich an die Mauer, während die Kette der Männer um ihn aufbrach, verzweifelt bemüht, noch rechtzeitig in Deckung zu gelangen.
Aus den Augenwinkeln sah er Captain Balgor, der seine Deckung verlassen hatte und wild winkte, nur um sich damit selbst zur Zielscheibe zu machen. Von einem Augenblick zum nächsten explodierte der Mauerrest neben ihm in einer gewaltigen Fontäne aus Einschlägen, zwang den imperialen Offizier zurück auf den Boden.
Thronverdammter Idiot!
Diese arrogante Selbstdarstellerei. Natürlich wusste er, was zu tun war! Und eine Marionette des Colonels, die sich vor den Männern als Oberbefehlshaber aufspielte, war nun wirklich kein Motivationsfaktor.
Schlimm genug, dass Balgor mit seiner selbst eingeleiteten Gegenoffensive einen so unerwarteten Erfolg gehabt hatte, aber dass er den Ruhm für diese Aktion beanspruchte, ging definitiv zu weit.
»Achtung, Zündung!«, rief Retexer, so laut er konnte.
Ein vielstimmiges Echo antwortete ihm. »Achtung, Zündung!«
Atemlose Sekunden einer gefühlten Ewigkeit vergingen. Die Welt atmete für diesen einen, außerordentlich bedeutenden Moment ein.
Dann explodierte die Stille, als hätte man Agos Virgil selbst gesprengt. Mehrere Dutzend Tonnen Sprengstoff setzten synchron um, zerrissen das unzerstörbare Mauerwerk von innen heraus.
Imperiale und Orks, gleichermaßen von der Druckwelle überrascht, wurden von den Füßen gehoben und durch die Luft gewirbelt. Wer zu dicht an der Explosion stand, zerfetzte einfach. Die Körper konnten dem plötzlichen Luftdruck nichts entgegensetzen.
Die Schockwelle raste durch den äußeren Ring der Kathedrale, zerbrach die wenigen noch vorhandenen Fenster der Gebäude und ließ etliche vorbereitete Sprengfallen vorzeitig detonieren. Trümmerstücke und zerborstene Wände wurden zerschlagen, aus ihren Fundamenten gerissen und als tödliche Geschosse in die Luft gewirbelt.
Durch die frei werdenden Energien aus seiner Frequenz gebracht, flackerte der energetische Schutzschild in ungesunder blauer Färbung, zitterte heftig und versuchte verzweifelt, die Form zu halten, als seine Projektoren von der markerschütternden Detonation durchgerüttelt wurden.
Eine gigantische Staubwolke, von den Tonnen des in Bewegung gesetzten Gesteins und der mächtigen Druckwelle aufgewirbelt, erblühte in all ihrer Pracht, breitete sich alles verschlingend um den Haupteingang der Kathedrale aus. Ihre erdrückende Gewalt drängte sämtlichen Schall hinfort, erdrosselte ihn mit dem überwältigenden Gewicht lähmender Stille.
»Ja!«, rief Retexer aus und reckte die Faust siegreich in die Höhe. »Wir haben es geschafft!«
Dass sich Captain Balgor, weniger als einhundert Meter entfernt, fassungslos mit der Hand an die Stirn schlug und an der Mauer, an der er lehnte, abwärts rutschte, konnte er nicht sehen. Und selbst wenn. Es hätte ihn sowieso nicht interessiert.
 
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