Wie angebracht ist Religion/Glauben heutzutage noch?

War es vielleicht ein Fehler, so ein System, wie in Deutschland aufzubauen, bei dem die Menschen Kirchensteuern zahlen müssen (obwohl sie freiwillig insgesamt gesehen mehr spenden würden, zumindest für Soziales) und das Wohlfahrtssystem sich von der Kirche abhängig macht.
Naja, die letzten beiden Jahre waren schlecht für die Kirchen, was die Einnahmen durch die Kirchensteuer anging (nur 9 der 28 Diözesen waren einkommensneutral oder -positiv im direkten Vergleich zum Vorjahr), ansonsten sind Werte über 5 Milliarden Euro jährlich üblich. Ob bei Abschaffung der Steuer solche Geldsummen gespendet würden, darf angezweifelt werden.
Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates)
Kurzer formeller Einwand: hier spricht Platon, der bekanntermaßen ab den mittleren Dialogen den verehrten Lehrer als Strohmann für seine eigenen Theoreme vorgeschoben hat. Am schlimmsten sind übrigens die sittenzersetzenden nachhomerischen Schriftsteller (eigentlich ja Schreiber von Theaterstücken), die in schier orgiastischer Weise die Jugend verführen; ziemlich ironisch, wenn man bedenkt, dass genau derselbe Vorwurf gegen Sokrates erhoben wurde. Platon war nun einmal ein durch und durch wertekonservativer Mensch.
Ich persönlich würde ja lieber das Wort Weltanschauung für beides benutzen.
Den mathematischen Widerpart hat Vovin ja schon ausformuliert (die übrigens nur in der konkreten Formelsprache ausgedachtes Menschenwerk ist, sonst aber genauso gut ohne ihn funktionierte), ich finde als Terminus den schlanken Begriff "Ideologie" in seiner eigentlichen Bedeutung immer noch am wertfreisten. Sicher, er ist im gewöhnlichen Gebrauch äußerst negativ besetzt, aber viel nüchterner als "Ideenlehre" geht es ja eigentlich nicht mehr.
 
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@ Asaku.phil
Deswegen kommen sie auch so verdammt ins Rudern, wenn eine ihre Antworten eher unwahrscheinlich wird, weil es viel plausiblere Erklärungen dafür gibt (Regenbogen, Frühgeschichte der Erde, wieso geht die Sonne auf?).


Problematik dabei ist aber, je mehr wir in die Zukunft schreiten, desto mehr Antworten werden gelöst, die damals als "Gottes Handwerk" bezeichnet wurde. Nichts desto Trotz werden die kirchlichen Anhänger sich immernoch daran klammern können, dass es Fragen gibt auf die es einfach keine Antwort geben kann.
Wir der eine User schon sagte. "Seitdem ich in der Kirche bin, trinke ich kein Alkohol mehr und nehme keine Drogen"... natürlich lag es an Gott das dieses glücklische Schicksal ihm so wiederfahren ist 😛

Prinizipiell, auch wenn ich mich damit weit aus dem Fenster lehnen werde, glaube ich das irgendwann die Kirche ihre Macht dazu ausnutzen wird, uns ihren Glauben aufzuzwingen, alleine schon aufgrund ihrer großen geldlichen Einnahmen durch Gläubigern.

Grüße Phil
 
Ich glaub, die Macht hat die Kirche verloren. Die Kirche ist nach wie ein Machtfaktor, aber wenn man sich die Geschichte im nördlichen Europa der letzten Jahrhunderte ansieht, ist es doch ein ziemlicher Abstieg. Von Gregor VII. bis zu Margot Käßmann* war es ein weiter Weg bergab.


* mir ist durchaus klar, dass letztere nur die Vorsitzende einer abtrünnigen "Rebellenkirche" war. Aber wenn man sich ansieht, dass die Kirche früher Kaiser in die Knie zwingen konnte und heute nichtmal ein PID Gesetz im Bundestag zu ihren Gunsten beeinflussen kann, sieht man, wie lachhaft schwach die Kirche hierzulande geworden ist.
 
@ Asaku.phil
Deswegen kommen sie auch so verdammt ins Rudern, wenn eine ihre Antworten eher unwahrscheinlich wird, weil es viel plausiblere Erklärungen dafür gibt (Regenbogen, Frühgeschichte der Erde, wieso geht die Sonne auf?).

Plausibler? Wissenschaftlich korrekt und kohärent ja, aber erklär mal das Entstehen eines Regenbogens einem Menschen, der nie in Kontakt mit moderner Wissenschaft gekommen ist und statt naturwissenschaftliche Argumente religiöse Argumente ins Feld führt. Ich glaube im ersten Moment würde er dich anstarren wie ein Auto und fragen, warum das so ungemein kompliziert erklärt werden muss, wenn man doch (einen) Gott (oder etwas vergleichbares) als Erklärung heranziehen kann. Ich denke auch, dass du beispielsweise bei Kindergartenkinder im Alter von sagen wir 4-5 auf wenig Verständis stoßen wirst. "Häh Photonen mit unterschiedlichen Wellenlängen, die aber gar keine richtigen Wellen sondern auch noch Teilchen sind, und eigentlich gar keinen festen Ort und keinen festen impuls gleichzeitig haben? Was ist überhaupt ein Impuls?"
Du siehst: Der Vorteil von Erklärungen von Naturphänomenen durch Naturwissenschaft gegenüber Religion liegt in der Kohärenz nicht in der Plausibilität der Aus- und Vorhersagen.

Außerdem reden wir jetzt natürlich eher über sogenannte naive Religion (auch ein wenig kulturchauvinistisch -_-, mir fällt bloß nichts besseres ein.) "moderne" Religionen versuchen afaik eigentlich nicht mehr Konkurrenz zu Naturwissenschaften zu bilden. Vielmehr liefert auch noch heutzutage die Religion vielmehr die Ethik zu dem was Wissenschaft entdeckt, postuliert und erfindet.

Dazu ne kleine Frage von mir, bei der ihr mir helfen könntet: Kennt jemand eine Ethik, die ohne irgendetwas Transzendentes auskommt, aber trotzdem in sich logisch ist bzw. keine diffusen Begriffe Glück oder Nutzen (wie beim Utilitarismus)? Ich wäre sehr dankbar dafür, momentan bin ich nämlich nicht nur religions- sondern auch ethikfrei 😱:lol: (Wobei sich am religionsfrei nicht so bald was ändern wird 😉)
 
Jeder, auch nur halbwegs ernsthaft Mathematik als Wissenschaft betreibt, der weiß ganz, was ein Axiom ist und dass es gar nicht schlimm ist, wenn es falsch ist.

Du wirst auch innerhalb von Kirchen Anhänger finden, welche die Sinnhaftigkeit von Dogmen anzweifeln. Die blanke Existenz von "Abweichlern" ändert imho aber nichts daran, dass es sich in beiden Fällen um grundsätzlich als "unumstößlich" betrachtete Regeln handelt.

Religion beschreibt die Bereiche des Lebens, über die man nichts wissen kann oder noch nichts weiß. Mathematik beschreibt diese Bereiche eben gerade nicht, sonst wäre es keine Mathematik mehr.

Es mag sein, dass wir der Religion heute diesen Zweck zuschreiben, die meisten Religionen verstehen sich jedoch grundsätzlich als allumfassend - Im Falle des Islams sogar mit einer Beschreibung des politischen und wirtschaftlichen Systems, welches aus dieser Religion abzuleiten ist. Eine Religion auf ihre Schöpfungstheorie und die Antwort auf die Frage nach ein Leben nach dem Tod zu reduzieren halte ich für zu kurz gegriffen.
 
Dazu ne kleine Frage von mir, bei der ihr mir helfen könntet: Kennt jemand eine Ethik, die ohne irgendetwas Transzendentes auskommt, aber trotzdem in sich logisch ist bzw. keine diffusen Begriffe Glück oder Nutzen (wie beim Utilitarismus)?
Bis zu einem gewissen Grad hat natürlich jede Ethik ein eigenes Vokabular. Warum das im Falle des Utilitarismus "diffus" sein soll, solltest Du allerdings näher erläutern, die Trennlinie bei quantitativem und qualitativen Utilitarismus zeigt sich bemüht, "Leid" und "Glück" zu definieren.
Deontologie wäre womöglich etwas für Dich, die kann zwar eine übergeordnete Instanz enthalten, jene allerdings ist dann kontingent.

Nachtrag an Blackorc:
Das ändert trotzdem nichts am Wahrheitsgehalt der Mathematik. Du kannst Dir zwar einen, zwei oder gar keinen Gott vorstellen, auch einen neunbeinigen Hund oder einen grünen Raben, aber ein viereckiges Dreieck übersteigt sämtliche Vorstellungskraft. Mathematik und Teile der Physik sind aus reiner Deduktion gegründet, also wahr.
 
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Du wirst auch innerhalb von Kirchen Anhänger finden, welche die Sinnhaftigkeit von Dogmen anzweifeln. Die blanke Existenz von "Abweichlern" ändert imho aber nichts daran, dass es sich in beiden Fällen um grundsätzlich als "unumstößlich" betrachtete Regeln handelt.
Das ist Schwachsinn. Kein Mathermatiker würde ein Axiom als grundsätzliche Regel ansehen. Gerade das ist ein Axiom nicht. Mir scheint, Du redest hier über etwas, wovon Du keine Ahnung hast.

Es mag sein, dass wir der Religion heute diesen Zweck zuschreiben, die meisten Religionen verstehen sich jedoch grundsätzlich als allumfassend - Im Falle des Islams sogar mit einer Beschreibung des politischen und wirtschaftlichen Systems, welches aus dieser Religion abzuleiten ist. Eine Religion auf ihre Schöpfungstheorie und die Antwort auf die Frage nach ein Leben nach dem Tod zu reduzieren halte ich für zu kurz gegriffen.
Gut, dann änder das Gesagte in "Beschreiben auch das Unbekannte als Teil eines allumfassenden Erklärungsansatzes". Mathematik geht eben anders vor und nimmt etwas, von dem man weiß, dass es richtig ist und leitet Dinge daraus ab. Und wenn man nichts weiß, dass nimmt man etwas an und leitet draus Dinge ab, macht sich aber klar, dass sie nur solange gelten wie die Annahme gilt. Die Grenze des Unbekannen wird einzig und alleine durch Bekanntes weiter nach Außen geschoben. Religion erklärt einfach alles Unbekannte als Bekannt.
 
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Mir scheint, Du redest hier über etwas, wovon Du keine Ahnung hast.

Sein der Herr heute gereizt, ist das hier für Monsieur ein sensibles Thema oder leidet einfach nur mal wieder der Diskussionsstil in letzter Zeit?

Meine Güte, sogar Wikipedia schreibt...

http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma
Dogma - ein religiöses Axiom
http://de.wikipedia.org/wiki/Axiom

oder auch anders herum

http://de.wikipedia.org/wiki/Axiom
Axiom – ein „mathematisches Dogma“
http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma

Natürlich gibt es im Detail Unterschiede, aber wir sind hier schließlich weder ein Forum für Mathematiker noch für Theologen.
 
Wikipedia setzt aber wissentlich Anführungzeichen um "mathematisches Dogma", außerdem ist der Begriff Axiom konnotativ aufzugreifen, einmal im strengen mathematischen Sinn und einmal im Sinne des unempirischen Postulats bei gleichzeitigem Aufrechterhalten des immanenten Wahrheitsgehaltes z.B. in der Philosophie. Vielleicht ist Vovin nicht ganz so charmant (😉), aber er hat sehr recht, wenn er den Anspruchsvergleich von Religion und Mathematik in die Ferne verweist, das hinkt vorne und hinten und ist mitnichten nur eine "Detailfrage".
 
Ok, wenn wir hier kein Forum für Mathematiker und Theologen sind, dann sollten wir natürlich nicht über Feinheiten sprechen. Legosteine sind ja auch Playmobil. Wir sind hier ja kein Forum für Kinder.

Die Wikipedia hat sich keinen Gefallen getan, das so zu schreiben, weil es einfach flasch ist. Wenn man einer Glaubensgemeinschaft angehört, kann man sich nicht innerhalb der Regeln dieser bewegen, wenn man ein Dogma anzweifelt. In dem Moment befindet man sich außerhalb. Ein Axiom kann aber angezweifelt werden ohne dass man dem Gegenüberwiderspricht oder sich aus dem Gedankenkanon entfernt.

Axiom:
"Wenn es regnet, werde ich nass. Mein Axiom ist, dass es regnet."
"Aber es regnet doch gar nicht!"
"Hast recht, aber wenn es regnen würde, würde ich nass."

Dogma:
"Es regnet, also werde ich nass. Mein Dogma ist, dass es regnet."
"Aber es regnet doch garnicht!"
"Das kann nicht sein, das würde dem Dogma doch widersprechen!"

PS: Ja, ich bin nicht charmant. Habe die Unnettigkeit in diesem Post aber wieder runtergeschraubt.
 
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Wikipedia setzt aber wissentlich Anführungzeichen um "mathematisches Dogma"

Wenn wir jetzt schon bei diesem Nivau der Klugscheißerei angekommen sind zitiere ich mich mal kurz selbst...

Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass die Mathematik "auch so eine Art Religion" ist.

Wie relativ hätte ich den Satz denn noch formulieren sollen um aufzuzeigen, dass ich es dabei nicht vollkommen ernst meine und das Ganze natürlich sowieso im metaphorischen Sinne zu verstehen ist. Muss man hier denn echt überall und ständig Unmengen an Gänsefüßchen und Smileys verwenden um sowas klar zu stellen? :huh:

Habe die Unnettigkeit in diesem Post aber wieder runtergeschraubt.

Sehr freundlich, danke.
Ich denke aber, wir sollten uns vielleicht von diesem Teilgebiet des Themas wieder entfernen, so wichtig ist das ja nun wirklich nicht.
 
@Blackorc
Das ist das schöne an der Mathematik. Sie definiert anhand von Eigenschaften, was Dinge=Worte sind, und folgert rein aus diesen Eigenschaften und den Axiomen weitere Gesetzmäßigkeiten.
Wie viereckiges Dreieck kann es nicht geben, weil Viereck und Dreieck unterschiedlich definiert sind.

Deswegen ist es hier falsch von einer quasi-religion zu sprechen. Mathematik ist wie ein riesiges kollektives Gedankenexperiment, welches durch Anschauung genährt, ein gutes Werkzeug für die plausible logische Beschreibung der Welt liefert. Sollte sich herausstellen, daß die Natur durch nichtlogische zusammenhänge arbeitet, ist die Mathematik zwar nicht mehr dazu geeignet, aber in sich immer noch richtig.

@ Tegres
Dabei ist plausible als widerspruchsfrei zu verstehen und nicht als einfach.
Abstraktion ist eine erlernte oder zumindestens trainierte Fähigkeit. Kinder können noch nicht abstrakt denken, zwar träumen und Phantasie haben, aber nicht ihre Phantasie anhand festgebener abstrakter Formen lenken. Und ebenso wie Erwachsenen ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund, fehlt ihnen auch das Vokabular und das Rüstzeug um alle wissenschaftlichen Erklärungen nachzuvollziehen.


ich würde mich als Atheisten bezeichnen, in dem Sinne in dem KOG es skizziert hat.

Ausserdem denke ich, daß sich Glauben in zweierlei Gewand manifestiert.
Einerseits ist das was man wohl gemeinhin als persönlichen Glauben bezeichnet. Ein eigenes Wertesystem mit zugehörigen Weltanschauung und Gottesbild. Wenn sich der persönliche Glaube dann mit einer gewissen Glaubensgemeinschaft deckt, wird Glaube zur Religion. Dann geht der persönliche Glaube in der Glaubensgemeinschaft auf, verändert sie und wird verändert.
Und da wird aus Glauben, aus etwas persönlichem abstrakten, etwas gemeinschaftliches, etwas materielles. Hier kommt es zu Gruppendynamiken, Hierarchiebildungen, Kompetenzstreitigkeiten. Hier offenbart sich dann das ganze Spektrum an menschlichen Fehlern und Stärken.
Das ist was mich an Glauben und Religion so stört. Es ist ja nicht der Glaube an Gott, sondern daß man aus Gott irgendetwas folgert. Wenn Gott existiert dann,... ja was dann eigentlich? Ich muss nicht nur Glauben daß Gott existiert, nein ich muss auch entscheiden was Gott mir denn eigentlich sagen will. Glaube ich daß die Bibel göttlich ist? Von Gott geschrieben oder durch Menschen von Gott geschrieben oder Menschen offenbart und dann unzureichend wiedergegeben?

Die interessante Frage ist somit nicht ob Gott existiert, sondern wie Menschen denn eigentlich Gott erfahren wollen (oder das Metaphysische Äquivalent bspw. im Buddismus). Wenn sich die großen Religionen schon auf den Standpunkt der nicht Messbarkeit, nicht Beweisbarkeit von Gott zurückziehen, dann gewinnt die Frage doch an Brisanz für die eigene Legitimität. Gott existiert und er spricht zu uns in nicht messbarer unerklärbarer Weise (und nicht reproduzierbarer Weise). Das ist für meinen freien Willen einfach starker Tobak.

Für mich schließt sich hier ein Kreis. Glauben und Religion sind als menschliches Konstrukt nur Hilfsmittel. Sie sind ein Konstrukt um Fragen ausserhalb unseres Vorstellungsvermögens zu beantworten. Gleichzeitig wirken sie als soziale Gruppe mit Vorteilen und Nachteilen. Ich kann aber aus meinem Glauben nicht folgern daß mein Glauben richtig oder angebracht ist. Weil entweder ist mein Glauben sinnhaft als Glauben oder als (austauschbarers) Instrument. Ersteres bleibt unüberprüfbar, womit zweiteres de facto richtig ist.

Vielen Dank für den Thread, Tegres. Ich mag gerne über sowas diskutieren.
 
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Die interessante Frage ist somit nicht ob Gott existiert, sondern wie Menschen denn eigentlich Gott erfahren wollen (oder das Metaphysische Äquivalent bspw. im Buddismus). Wenn sich die großen Religionen schon auf den Standpunkt der nicht Messbarkeit, nicht Beweisbarkeit von Gott zurückziehen, dann gewinnt die Frage doch an Brisanz für die eigene Legitimität. Gott existiert und er spricht zu uns in nicht messbarer unerklärbarer Weise (und nicht reproduzierbarer Weise). Das ist für meinen freien Willen einfach starker Tobak.

Dafür gibt es ja Propheten als "Hilfsmittel". Seien es nun ein Buddha, ein Mohammed oder Jesus. Selbst primitivste Religionen kennen einen Schamanen, der für sich in Anspruch nimmt, direkt mit den Göttern zu kommunizieren. Ob man einem solchen Propheten Glauben schenkt steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. ^_^
 
Ja, gerade solche Taschspielertricks machen Religion ja so unglaubwürdig. Ein Freund meines Freundes hat ne Schwester, zu der hat Gott geredet... ja, nee. Ist klar!

Das ist was mich an Glauben und Religion so stört. Es ist ja nicht der Glaube an Gott, sondern daß man aus Gott irgendetwas folgert. Wenn Gott existiert dann,... ja was dann eigentlich? Ich muss nicht nur Glauben daß Gott existiert, nein ich muss auch entscheiden was Gott mir denn eigentlich sagen will. Glaube ich daß die Bibel göttlich ist? Von Gott geschrieben oder durch Menschen von Gott geschrieben oder Menschen offenbart und dann unzureichend wiedergegeben?
Das ist ja gerade die Krux, warum Deutschland 30 Jahre lang in Schutt und Asche gelegt wurde. Selbst wenn es einen Gott gibt, wer übersetzt einem dann seine Botschaft. Wenn Menschen daran glauben, dann ist das ja eine nicht zu unterschätzende Machtquelle und die katholische Kirche hat bewiesen, dass sie das auch gnadenlos zu ihrem eigenen vorteil ausnutzt, vor allem, wenn die zentralen Botschaften nicht einmal in der normalen Sprache des Volks vorliegen und diese noch mehr als sonst von Mittelsmännern abhängig ist.

Die Botschaft der Kirchen heute legt ja viel mehr Wert auf das persönliche Erfahren von Gott (siehe: Käßmann Geseiere). Das ist zwar nicht so unverhohlen manipulatorisch, aber trotzdem creepy. Man soll selbst in Zwiesprache mit Gott treten. Durch dieses persönliche Beziehung (irgendetwas wird man beim Beten schon erleben und dann als Gotteserfahrung umdeuten) ist der Glaube noch viel gefestigter. Weil neben dem sozialen Druck, an das gleiche zu glauben wie die Gemeinschaft, auch noch eine persönliche Erfahrung kommt.
 
@Blackorc
Das erklärt aber nicht das wie.
Ich muss, genauso wie die Existenz Gottes, annehmen daß Gott zum Propheten gesprochen hat (oder zu wem auch immer).
Und warum hat Gott nur zu Jesus gesprochen und nicht auch zu Joseph Smith jr. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Mormonentum )?

@Vovin
Und hier ist doch die Frage wie trete ich in Zwiesprache mit Gott? Ist ja nicht so daß Gott einfach am Telefon ist. Wie kann ich eine Erfahrung als von außen erkennen, wenn sie nicht als von außen erkennbar ist? Wo hört den mein Empfinden auf und wo beginnt Gottes Einwirken?
 
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Läuft das dann nicht auf "Ich glaube nur was ich sehe." hinaus?
Es gibt da eine kleine Geschichte, welche mir ein ein Schamane mal erzählt hat.

Ein Offizier der Kavallerie redete einst mit einem Schamanen und warf ihm dabei vor, sein Glaube, seine Geister usw. wären nur Einbildung und Aberglauben. Er glaube allein an das was er mit seinem eigenen Augen sehen kann.
Daraufhin sagte der Schamane dem Offizier, dass dieser seine Augen schliessen solle und als jener der Aufforderung folgte fing er sich eine mächtige Ohrfeige ein.
Zornig riss der Offizier die Augen auf und fragte warum der ihm geschlagen hatte.
Der Schamane antwortete: "Wie soll ich dich geschlagen haben? Du hast doch nichts gesehen also habe weder ich noch jemand anders dich geschlagen und der Schmerz existiert auch nicht." 😉

Vielleicht fehlt den Menschen nur das nötige Wissen um manches nachzuweisen. Religion nur auf "Opium fürs Volk" zu reduzieren, mangels wissentschaftlicher Nachweismöglichkeiten für Exitenz von Göttern usw. finde ich unausgereift. Immerhin konnte man vieles auch nicht sehen oder nachweisen vor einigen Jahrzehnten/Jahrhunderten was für die Wissenschaft heute selbstverständlich ist.
Aber mal andersherum gefragt: Wie will man beweisen, dass etwas nicht existiert?
Ich denke, wenn wir bei der Frage ob Religion zeitgemäss ist, die Frage nach der Existenz von Göttern mit einbeziehen, können wir hier ewig schreiben aber bewegen uns am Thema vorbei.
 
Deswegen ist es hier falsch von einer quasi-religion zu sprechen. Mathematik ist wie ein riesiges kollektives Gedankenexperiment, welches durch Anschauung genährt, ein gutes Werkzeug für die plausible logische Beschreibung der Welt liefert. Sollte sich herausstellen, daß die Natur durch nichtlogische zusammenhänge arbeitet, ist die Mathematik zwar nicht mehr dazu geeignet, aber in sich immer noch richtig.
Richtig, bloß Letzteres wird manchmal vergessen: Mathematik, so sehr sie auch in sich schlüssig sein kann, ist auch nur ein Menschliches Konstrukt und somuit fehlbar (da haben Religion und Mathematik doch ausnahmsweise was gemein, oder). Damit meine ich nicht so etwas wie den Wert von Pi oder sonstige durch, wie KOG richtig sagte, Deduktion erschlossene Erkenntnisse sondern eher "Unzulänglichkeiten" im mathematischen Formalismus. Beispiel aus der Stochastik: wir erinnern uns: Normalverteilung. Gewicht von Brötchen ist normalverteilt, man macht ne Dichtefunktion zu und kann nun mithilfe von Integralen bestimmen, wie wahrscheinlich es ist, dass man z.B. irgendein Brötchen erwischt, das zwischen 49g und 50g wiegt. Möchte man hingegen wissen, wie groß die Wahrscheinlicht ist, dass man ein Brötchen zieht, das genau 49,5g wiegt spuckt einem der Taschenrechner als Wert für das Integral (was gleich P also der Wahrscheinlichkeit ist) den Wert 0 aus. Das heißt aber nicht, dass es nicht möglich wäre ein Brötchen zu ziehen, das genau 49,5g wiegt. Klingonisch, ist aber so. :lol:
Was das jetzt mit Religion zu tun hat: Man sieht, dass die Mathematik Stellen hat an denen sie etwas seltsam ist (und für manch einen sogar angreifbar:huh:-_-, verstehe wer will, schließlich sollte ihr man doch pragmatischerweise zugestehen, dass sie hervorragende Ergebnisse liefert) und das liegt mitunter an unserer Denkweise und unseren Definitionen, die wir im Zuge der Mathematik verwenden. Wäre die Integralrechnung anders (wie immer man sich das vorzustellen hat) könnte man die Brötchenwahrscheinlichkeit 🙂D) auch für genau ein Gewicht bestimmen. (Vielleicht/Wahrscheinlich ist aber eine solche Integralrechnung gar nicht möglich) Da hat sie wieder etwas mit Religion gemein, die auch von vielen Definitionen abhängig ist, die aber (anders als in der Mathematik) sehr stark variieren.
Ok, ich geb zu eigentlich ist es schon OT ^_^🙄 Deswegen weiter mit On-Topic.

Dabei ist plausible als widerspruchsfrei zu verstehen und nicht als einfach.
Abstraktion ist eine erlernte oder zumindestens trainierte Fähigkeit. Kinder können noch nicht abstrakt denken, zwar träumen und Phantasie haben, aber nicht ihre Phantasie anhand festgebener abstrakter Formen lenken. Und ebenso wie Erwachsenen ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund, fehlt ihnen auch das Vokabular und das Rüstzeug um alle wissenschaftlichen Erklärungen nachzuvollziehen.
Gut haste recht, manchmal meint meint halt leicht verschiedene Wörter, weil man den Wörtern andere Konnotationen beimisst. Wie wäre es mit: Religiöse Erklärungen für Naturphänomene ist intuitiver als wissenschaftliche. (Intuitiv =/= besser natürlich, nicht dass das jemand mir hier noch unterstellt-_-😉)

Vielen Dank für den Thread, Tegres. Ich mag gerne über sowas diskutieren.
Gerne geschehen, ich bin halt, wie oben beschrieben, im Schächten-Thread auf die Idee gekommen. Ich finde, wenn man über Religionen spricht, sollte man sich auch fragen, warum sie überhaupt da sind und was für eine Funktion sie haben, was im Schächten-Thread ebenfalls auch kurz angesprochen wurde.

Edit sagt:
Ich frage mich, warum hier noch keiner Russel's Teekanne gebracht hat ...
Mh, stimmt. Ich find dieses Gedankenexperiment witzig aber ich glaube, man kann nie den Streit um die Bringschuld beseitigen, denn dann gäbe es Religion, theistische zumindest, ja tatsächlich nicht mehr. Ich als Agnostiker bin da fein raus. 😛
 
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Ich frage mich, warum hier noch keiner Russel's Teekanne gebracht hat ...

mfg
MB
Menno, das wollte ich auch gerade schreiben. 😀

Mh, stimmt. Ich find dieses Gedankenexperiment witzig aber ich glaube, man kann nie den Streit um die Bringschuld beseitigen, denn dann gäbe es Religion, theistische zumindest, ja tatsächlich nicht mehr. Ich als Agnostiker bin da fein raus. 😛
Das wurde ja auch schön im Anhalter beschieben:

Gott sprach: Ich weigere mich, zu beweisen das ich existieren, denn
ein Beweis wäre gegen den Glauben und ohne den Glauben bin ich
nichts.

Ich finde Russel's Teekanne aber sehr schön als Beispiel, da es einem
vor Augen führt, wie abstrakt das Gerüst ist, auf dem die meisten
großen Religionen bauen.
 
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