Das erste Mal. In ihrer neuen Rolle als Schwester Superior, mit vier ihrer tapfersten Schwestern an ihrer Seite. Treue Freundinnen und Gleichgesinnte im unerschütterlichen Glauben. Genevieve ist zu allem Entschlossen ihre Canoness nicht zu enttäuschen.
Eine Aufklärungsmission auf dem imperialen Industrieplaneten Ormus IV. Seit Wochen wurden immer wieder Unruhen unter den Arbeitern gemeldet, welche kaum noch durch die örtlichen Arbitratoren unter Kontrolle zu halten sind. Das Eingreifen einer Invasionsstreitmacht der Schwestern des Orden der Sacred Rose steht unmittelbar bevor. Genevieve muss dazu nur noch das Signal an ihre Canoness im Orbit senden, dann würde die Invasion beginnen. Doch die Canoness ist eine erfahrene, wie wohlüberlegte Strategien und möchte nicht vorschnell losschlagen, ohne vorher das komplette Bild zu kennen. Steckt vielleicht noch mehr hinter den Aufständen? Vielleicht ein Symbionten Kult, wie er bereits im Nachbarsystem gewütet hat? Oder gar verdorbene Diener der verderbten Mächte? Fragen auf die Genevieve nach Möglichkeit Antworten zu liefern hat. Das ist ihre Aufgabe, zusammen mit ihrem kleinen handverlesenen Trupp.
Genevieve betritt mit ihren Schwestern eine weitere Arbeiterwohnblock, in einem der auffälligen Distrikte. Zwei Arbitratoren sind hier vorigen Tag von einem aufgebrachten Mob zu Tode geprügelt worden, auf offener Straße. Möge der Imperator über ihre Seelen wachen. Der übergewichtige, wie schlecht riechende Hausverwalter schwankt ihr Amasec trunken im Hausflur entgegen. „Hier gibt es nichts zu sehen, das habe ich doch bereits gestern diesen…“ Weiter kommt er nicht. Da hat Genevieve ihn bereits am fleckigen Kragen gepackt. „Welches Stockwerk, Zimmernummer. Sofort.“ Die Servogelenke in ihrem gepanzerten, weißen Handschuh knirschen und der Hausverwalter läuft blau an. „Zweiter Stock, Nummer 34.“ Presst er ängstlich und nach Luft ringend hervor.
Zielgerichtet stapfen die Schwestern mit grimmiger Mine durch den Gang, die Treppe nach oben. Hinter einzelnen Türen sind Bewegungen zu hören, Menschen die tuscheln, teils aufgeregt. Schwester Sarah fingert angespannt an dem Abzug ihres schweren Flammenwerfers herum. Jederzeit bereit einen Raum voll potentieller Angreifer in ein reinigendes Inferno zu verwandeln. Ihre Schwester Superior verlässt sich auf sie und Sarah hat nicht vor sie zu enttäuschen. Auch die Schwestern Vesta, Din und Darla sind außergewöhnlich angespannt, ihre Bolter stets auf neue, nicht vorhandene, aber mögliche Ziele ausrichtend. Wie die Ruhe vor dem Sturm…
Meter zuvor fliegt die Tür zu Nummer 34 aus den Angeln und ein Mob aus Fäusten und Knüppel schwappt den Schwestern über dem Flur entgegen. Unverständliche Parolen im planetaren Dialekt werden gegrölt. Die Männer mit ihren rot unterlaufenden Augen wahrscheinlich wahrweise betrunken oder auf Droge oder beides. „Feuer frei.“ Ruft Genevieve kurz und knapp. Da bellen die Bolter ihrer drei anderen Schwestern auf, auch ihre eigene Boltpistole in der linken Hand bellt einige Male mit im Chor. Noch ist nicht die Zeit für die schweren Waffen, weshalb sich Schwester Sarah weiterhin bereithält. Sekunden später liegen die Männer zu blutigen Fetzen geschossen verteilt im Flur.
Die Läufe der Bolter glühen und rauchen noch, während knackend neue Magazine nachgeschoben werden, dabei sich die Schwestern jederzeit gegenseitig Deckung gebend, wie einstudiert. Genevieve wischt sich reflexartig eine pechschwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sich diese schweißnass an ihre Stirn kleben kann. „Diesem Wahnsinn werden wir weiter auf den Grund gehen. Sarah.“ Sarah nickt nur darauf und bewegt sich dann mit dem schweren Flammenwerfer im Anschlag, über die unzähligen Leichenteile hinweg, in den Eingang von Raum Nummer 34. Genevieve folgt ihr, während ihre anderen drei Schwestern draußen den Bereich sichern. Wie Weiß leuchtende Engel, an einem Ort der Dunkelheit.
Die Luft in dem Raum schmeckt seltsam abgestanden. Und da ist noch etwas. Chemie. Abgemagerte Frauen die über Kübeln, befüllt mit wabernden Flüssigkeiten sitzen und diese gelegentlich umrühren. Die Augen tränen und sind wie der toten Männer im Flur blutunterlaufen. Genevieve muss nicht mehr sehen. Hier zu verweilen wäre zudem zu gefährlich, trotz dem Schutz durch ihre gesegneten Rüstungen. „Sarah. Du weißt was zu tun ist.“ Kurze Zeit nach Genevieve verlässt Sarah den Raum, hinter ihr eine Flammenwand, die schrillen Schreie der Unglücklichen in dem Raum noch auszumachen in den vereinzelten, zischenden Explosionen. Auf zum nächsten Distrikt auf der Liste.
Währenddessen gibt Genevieve ihrer Canoness im Orbit einen knappen Zwischenreport. „Eine gewisse kriminelle Energie, aber noch keine Hinweise auf Mutation, Chaos oder Xenos. Wir suchen weiter.“ „Sehr gut meine junge Schülerin, mach mich Stolz. Der Imperator beschützt.“ Versichert ihr ihre Canoness, wie langjährige Mentorin. Mehr Zuspruch benötigt Genevieve nicht. Sie wird ihre Canoness niemals enttäuschen, lieber würde sie sterben. Nicht nach allem was sie dieser Frau zu verdanken hat.
Nach einigen gezielt ausgesprochenen Drohungen und der ein oder anderen gebrochenen Nase steht Genevieve mit ihren Schwestern in einem neuen Hausflur. Wieder ein Arbeiterviertel, nur noch herunterkommender als das zu vorige. Wahrlich, einzig fester Glaube kann einen Verstand in einem solchen Elend stählen sagt Genevieve zu sich selbst. Erinnerungen kommen dabei hoch, über zwanzig Jahre alte Eindrücke an ein Leben vor ihrer Zeit bei den Sororitas. Ein Leben das diesem hier zum verwechseln ähnlich sah. Sie verwirft diese melancholischen Gedanken so schnell wie diese gekommen sind, dafür ist hier jetzt nicht die Zeit. Ihre Schwestern verlassen sich auf sie.
Drei eingetretene Türen später, Tür Nummer vier soll es diesmal sein. Also auf ein Neues. Die in zwei blutige Hälfte zerteile Leiche eines uneinsichtigen Aufständigen liegt noch draußen über den Flur verteilt, Genevieve sah sich genötigt ihr Kettenschwert zu ziehen. Ein stämmiger Arbeiter mit Dreitagebart unfreundlich dreiblickend öffnet nach Genevieves energischen Klopfen die Tür. „Was…“ Da schiebt sie ihn bereits nach drinnen und sieht sich dort mit Sarah in ihrem Rücken um. Die drei anderen Schwestern sichern wieder draußen alles ab.
An einem schäbigen Tisch sitzt ein schwerbehinderter, kleiner Junge in einer Art Korsett an einen Stuhl geschnallt. Sabber und Rotz läuft ihm unkontrolliert aus der Nase, seine Augen gucken verdreht herum. Das Luftholen scheint ihm schwer zu fallen. Sein Schädel hat an der linken Schläfe eine ungesunde Delle. Unter dem Tisch kauert ein kleines Mädchen, welches sich eine blutige Nase hält. Tränen in den Augen. „Was ist das hier.“ Fordert Genevieve.
„Meine Rotzgören von Kindern, was sonst. Und wenn die Kleine nicht bald lern zu gehorchen, dann wird sie noch genau so enden wie ihr bescheuerter Bruder.“ Dann grinst er die Sororitas überlegen an. „Meine Kinder tadele ich so wie ich es für richtig halte…“ Da packt ihn Genevieve bereits an der erhobenen rechten Hand und drückt zu, das Handgelenk von dem Schläger bricht. „Bete zum Imperator das nicht ICH dich tadeln werde, Scheißkerl.“ Feuriger Zorn brennt dabei in ihren Augen. Zuvor verdrängte Erinnerungen an das kleine verängstige Mädchen das sie selber eins gewesen ist kommen jetzt schlagartig zurück. Sie saß einst genau so ängstlich kauernd unter einem alten Tisch, wiedermal verprügelt von ihrem nutzlosen Trinkervater. Hätte die Canoness, damals noch eine Schwester Superior, sie daraus nicht durch Zufall befreit und ihr einen neuen Weg aufgezeigt…Imperator steh ihr bei.
„Darla.“ Diese betritt darauf den Raum. Sie schiebt den Grobian zu ihrer Schwester herüber. „Kümmere dich um diesen Abschaum. Im Zweifelsfall … erschieß ihn.“ „Sarah, kontrolliere du die weiteren Zimmer.“ Sarah setzt sich in Bewegung, den schweren Flammenwerfer wieder in Vorhalte, für mögliche unangenehme Überraschungen. Genevieve beugt sich währenddessen zu dem kleinen Mädchen herunter. Streckt wohlwollend eine Hand aus, so wie ihr damals mal eine rettende Hand ausgestreckt worden war. Lächelt so gütig wie ihr das möglich ist in einer solchen Situation. „Wie ist dein Name, meine Kleine? Mein Name ist Schwester Genevieve. Wir sind hier um den Leuten das Licht das Imperator zu bringen.“
Das Mädchen ergreift zitternd ihre Hand. Versucht sich zu einer Antwort durchzuringen, welche dem Mädchen seltsam schwer zu fallen scheint. „Ich habe keine Namen. Wir haben hier nur Nummern. 1578 ist meine. Mein Bruder ist 1469. Ihm geht es leider nicht mehr so gut, weshalb ich mich versuche um ihn zu kümmern.“
Genevieves Herz zerreißt fast. Nur mühsam kann sei eine Träne unterdrücken. Es ist fast so als würde sie jetzt zu sich selber sprechen, in einen Spiegel sehen. „Das machst du ganz großartig meine Kleine. Und was sagst du, sollen wir dich hier rausbringen?“
Bevor das Mädchen antworten kann, fällt die Leiche von Sarah zurück in den Raum, ihr Gesicht ausgezehrt. „Niemand geht wieder!“ verkündet eine dunkle Person dahinter. Eine ausgemergelte Frau schwebt in den Raum, in ein luftig leichtes Kleid gehüllt, welches unnatürlich ihren Körper umspielt. Unheilige Schriftzeichen über große Stellen ihrer freiliegenden Haut tätowiert.
Darlas Bolter bellt einmal abrupt und der Schläger geht tödlich getroffen zu Boden. Dies passiert außerhalb von Genevieves Sichtfeld. Dann bringt Darla ihren Bolter in Anschlag, will die Chaosanbeterin unschädlich machen, wird stattdessen aber von unsichtbaren Kräften an die Wand gedrückt. Ihre Servorüstung knackt und knirscht unter den Kräften.
Jetzt handelt Genevieve, zielt blind mit ihrer Boltpistole, doch der eigentlich gut platzierte Schuss wird mit einer Handbewegung der Verfluchten zur Seite gewischt und schlägt in eine Wandseite ein. Doch da ist das parallel gezogene Kettenschwert bereits aktiviert, Rausch bellend und gierig knurrend, sich in das Fleisch der Hure des Chaos fressend. Diese kreischt bestialisch, Genevieve schreit im Kampfeifer und treibt dabei das Kettenschwert immer tiefer in die Verdammte, bis diese nicht mehr zuckt. Dampfendes Blut spritzt ihr dabei entgegen und färbt ihre Sicht für den Moment rot. Darla kann sich mit einer jetzt deutlich beschädigten, aber weiterhin funktionstüchtigen Servorüstung wieder von der Wand lösen.
Dann ist es so schnell wie es begonnen hatte, wieder vorbei. Genevieve befiehlt ihren Schwestern, sichtlich betroffen, den Leichnam und heilige Waffe ihrer Schwester Sarah zu sichern. Der erste Verlust unter ihrem Kommando, wie sie sich schmerzlich eingestehen muss. Aber alles was zählt ist die Mission. Und die ist jetzt klar.
Nochmal ein Blick auf das kleine Mädchen unter dem Tisch zeigt ihr diesmal ohne allen Pathos eine der unheiligen Tätowierungen an deren Hals. Genevieve schüttelt darauf nur angewidert den Kopf, verdrückt schweren Herzen eine weitere Träne verlorener Unschuld. Nein, das ist nicht sie. Das Mädchen guckt sie weiterhin hoffnungsvoll an. Der Junge in seinem quasi ewigen Gefängnisstuhl sabbert weiterhin vor sich hin. Zuckt dabei ab und an unkontrolliert. Zieht weiterhin raspelnd Luft. „Kinder, ich werde heute Nacht für euch beten. Auf das sich der Imperator eurer Seelen erbarmen mag.“
Dann lässt sie den Raum auf ihren Befehl hin mit der heiligen Waffe von Sarah in ein reinigendes Inferno verwandeln.
„Canoness. Chaos. Invasion.“
Und dann beginnt es.