@Vovin:
Erst einmal eine Reverenz von meiner Seite, dass Du wie in alten Tagen umfangreich und stringent diskutierst - es ist doch immer ein Vergnügen. ^_^
Relativ zu anderen Großereignissen wird dort relativ spärlich drüber berichtet.
Was sich so im Fernsehen oder im Radio tut, kann ich nicht sagen, die FAZ jedenfalls hat heute die ersten vier Seiten fast ausschließlich Ägypten gewidmet. Ich denke mir, das ist bei anderen seriösen Tageszeitungen oder Magazinen auch der Fall. Kann sein, dass ich in Bezug auf andere Medien indolent geworden bin, aber wenn man sich ein wenig Mühe gibt, findet man schon allerlei Informationen.
Deine Interpretation der Ereignisse ist in meinen Augen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz statthaft - ob daraus eine Zäsur erwächst, muss sich erst noch herausstellen. Da meine ich zunächst, dass die Berichterstattung zu den Naturkatastrophen maßlos übertrieben ausfällt, denn vom Element der Tragödie abgesehen gibt es da wenig zu berichten, was man den Erzeugnissen der Journalistik dementsprechend auch ansieht, weil der kurze Report auf seitenlange Artikel gestreckt wird und entsprechend dünn ausfällt. Aber ich will nicht ausschließen, dass Du
ex post noch Recht behältst.
Ich sage auch nicht, dass sich alles zum guten wendet, aber wie drastisch der Einschnitt für den kompletten Nahen Osten ist, egal wie der Ausgang ist, sieht man ja schon an Israels fast panischer Reaktion.
Naja, Ägypten ist neben Jordanien (und bis vor kurzem noch die Türkei) seit geraumer Zeit ein zuverlässiger Verbündeter Israels, auch und gerade in Bezug auf den Iran. Und da Ägypten sich immerhin auch die Grenze mit Israel teilt, ist das Unbehagen nachvollziehbar. Die Israelis setzen ja wohl darauf, dass sich entweder Mubarak oder wenigstens Suleiman hält, um Stabilität in ihrem Sinne zu gewährleisten. Ob das also als Interpretation für das geradezu pandemische Geschichtsbewusstsein ausreicht, wage ich anzuzweifeln.
[...] Oder würde es ändern, wenn es in den Medien dauerhaft präsent wäre.
Der hier eingeschlagene Konjunktiv wird es wohl aller Voraussicht nach besser treffen. Medien sind qua Anspruch verpflichtet, dem ephemeren Strom des Neuen zu folgen und eigentlich relevante Ereignisse auszulassen, wenn das Interesse daran nachlässt. Da sehe ich wenig Anlass zur Hoffnung.
Zumindest ist die in Europa verbreitete Ansicht, die Araber/Muslime haben ihre Diktaturen ja auch irgendwie verdient, weil sie nicht demokratiewillig sind, überholt.
Sehe ich auch so, auch wenn ich den Idealismus für die demokratische Perspektive nicht ganz so hoch ansetzen würde wie Du es tust. Wenn die Rahmenbedingungen eine einigermaßen saturierte Existenz ermöglichen, erstirbt der revolutionäre Impetus bzw. keimt erst gar nicht auf. Sprich: wenn die materiellen Missstände nicht wären, hätte es weder die Jasmin-Revolution noch die jetzt gärenden Konfliktherde gegeben.
Und denke mal an bisherige Umstürze, ob nun 1979 in Iran oder die ganzen "Freiheitskämpfer" von Kagame bis Mugabe und was daraus geworden ist...
Dass die Muslimbruderschaft sich gemäßigt präsentiert, stimmt, allerdings sollte man nicht aus den Augen lassen, dass diese mit der Hamas kollaboriert, was zumindest nachdenklich stimmen sollte. Vielleicht ändert sich das durch die Prokrastination demokratischer Instanzen, muss aber nicht sein.
Ansonsten noch ein paar Worte zu den Volten, die Neopope einstecken muss: ich jedenfalls finde, dass seine Philippiken von einer ungemein hohen sprachlichen Qualität zeugen und fast immer ins Schwarze treffen - dass er dabei auch hyperbolisch agiert, ist bei derartigen Seitenschlägen so üblich und kann schwerlich zum Nachteil gereichen. Man muss ja auch gar nicht inhaltlich übereinstimmen, aber die gedrechselte Rhetorik und das von ihm erstellte Szenario sollte man anerkennen können, ohne sich sofort gekränkt zu fühlen. Satire darf alles.
😉