@Aragonar:
Wenn Allgemeinbildung derart pragmatisch werden soll, dann reichte doch alltagstaugliche Mathematik sowie Lesen und Schreiben aus. Bildungsauftrag erledigt. Brauchen wir dann Geschichte, Religion, Philosophie, Sozialwissenschaften, Biologie, Physik, Chemie, Informatik (außer das Bedienen eines Computers in rudimentärstem Sinne vielleicht), Englisch, Latein... überhaupt noch? Siehe da, die mittelalterlichen Bauern kamen sogar ohne derartige Kenntnisse aus - brauchen wir das dann noch (Wiederholung zwecks Emphase gewollt)?
Um "überleben" zu können, muss man wahrhaftig nur unglaublich wenig wissen - neben Grundvoraussetzungen (s.o.) ein paar soziale Normen sowie die Kenntnis über seinen Beruf. Lasst es nicht so weit kommen...
Guten Morgen KOG.
Ich weiß, die sarkastische Tube hat da einiges bei mir zutage gefördert.
Aber Hand auf´s Herz ... ist das nicht genau das, was eigentlich einige Mitglieder der Siegermächte gerne aus Deutschland gemacht hätte?
Ein reines Agrarland mit einer handvoll tumper Bauern?
Jetzt mal ohne Sarkasmus und Ironie:
Der Mensch hat nur eine begrenzte Lebenszeit.
Diese wird durch die technische Entwicklung und die daran gekoppelte Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen immer schneller und hektischer und gefühltermaßen auch kürzer.
Wer hat denn noch Zeit sich mit allen Details der Vergangenheit derart zu beschäftigen, dass er wie in diesem Beispiel sich mit den Sprüchen über einem KZ-Tor derartig auskennt und sich
angemessen über deren Verwendung in einem vollkommen anderen Kontext echauffieren kann?
Hilft das einem Akademiker bei der Suche nach Arbeit, wenn er weiß, das "Jedem das Seine" ein sinnentstelltes Schlagwort der Nazis war?
Hilft das einer Friseuese bei der Suche nach einem Nebenjob, weil sie mit ihrem eigentlichen Verdienst die Familie nicht durchbringen kann?
Nicht vergessen bedeutet für mich persönlich, zu wissen was geschehen ist, wählen zu gehen und alles in meiner Macht stehende zu tun, dass so etwas nie wieder passiert.
Alles andere, wie zum Beispiel die genauen Zahlen der täglichen "Produktion" eines KZ´s, die Sprüche an den Wänden der dortigen "Duschkabinen" oder der Namen der dortigen Wärter sind bei allem Respekt ein Luxus, den sich heute nicht viele leisten können, denn Wissen bedeutet auch Zeit invstieren um dieses Wissen erstmal zu sammeln.
Durch die von mir angeprangerte "Wegwerfmentalität" im Bezug auf Menschen, die sich in der Wirtschaft immer weiter durchsetzt, hat man als einfacher Mensch von der Strasse einfach nicht mehr die Zeit und die Muße, sich mit derart vielen Details auseinanderzusetzen.
Dazu gehört nicht nur das Dritte Reich, sondern auch Homers Werke, Schiller, Goethe etc. pp.
Wer kann heute aus der Generation der 70er noch Teile der Glocke rezitieren?
Andersherum ... wofür braucht man das heute?
Um den Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches davon zu überzeugen etwas Hartz IV locker zu machen?
Die "Spaßgesellschaft" mit ihrer hedonistischen Lebensweise und ihren Flatratesaufpartys, sinnlosen Liedtexten und Ballermannmentalität ist nichts anderes, als eine Art Rebellion gegen eine tobsüchtige Wirklichkeit, in der du als Mensch austauschbarer bist wie ein Computerchip.
Darunter leidet auch die Allgemeinbiildung, wie du sie vielleicht definierst.
Sicher, ich rede den Ballermännern und Komasäufern den Mund.
Aber gleichzeitig ist das auch eine bewusste Anklage gegen gewisse Umstände, die uns von anderen aufdiktiert werden, welche einen "Zeitgeist" repräsentieren, der in späteren Generationen (hoffentlich!) als modernes Mittelalter in die Geschichte eingehen wird.
Einem Zeitraum der Geschichte, in der wir zwar keine Sündenablässe kaufen konnten, aber als Ersatz hierfür eine Mohrrübe mit den berühmten 15 minutes of Fame oder Ersatzweise einem Leben voll schlanker, gesunder Menschen voller Fröhlichkeit vor die Nase gehalten bekamen und hintenrum nichts anderes waren, als die Sklaven einer machtgierigen Clique die aus "Selig sind die geistig armen ..." ein "Die Massen wollen unterhalten werden, dann sind sie auch ruhig und leichter zu lenken" gemacht haben.
Und wenn jetzt in einem Hobby, welches einen Außenseiterstatus "genießt", weil es für unseren Zeitgeist ungewöhnlich kreativ ist, jemand ein aus unserer Vergangenheit belastetes, aber immer noch verwendetes Element einbringen möchte und eine Diskussion hieraus entbrennt, bei der man salopp gesagt vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt und feststellt, dass im Grunde früher alles besser war, so erreichen wir damit überhaupt nichts.
Es ist ein Sturm im Wasserglas.
Wir sind von einem Symbol für ein Modellspielzeug, über ein Zeichen welches als Corporate Identity für ein großes Unternehmen verwendet wird und über einige weitere Stationen, welche die jüngere Geschichte des Landes betreffen, in dem wir zufällig geboren wurden, über Schuld, Sühne und Allgemeinbildung bis hierhin gekommen.
Es gab nicht eine verbale Entgleisung.
Es kamen empirische und rationale Argumente.
Also kann es doch so schlimm um unsere Allgemeinbildung nicht bestellt sein, oder?
Aber eines vermisse ich bei aller Eloquenz in dieser Diskussion äußerst schmerzhaft:
Wir reden über ein gemeinsames Hobby, dass nichts anderes als ein Kriegsspiel ist. Eine Fraktion dieses Spieleuniversums ähnelt in vielen Dingen frappierend genau dem Staatengebilde, das hier zu Recht immer wieder angeprangert wird. Es gibt seitens dieser genannten Fraktion in dem fiktiven Universum ständig ethnische Säuberungen und entsprechend motivierte Konflikte, von gewissen Sprüchen oder verdrehten Sprichworten mal ganz abgesehen.
Wo bleibt denn die Entrüstung gewisser Herren eines gewissen (wichtigen!) Organs, dass so ein Spiel in einem derart geschichtlich vorbelasteten Land mit Hingabe gespielt wird?
Ich bin jetzt mal bewusst boshaft und frage, ob ihr euch vorstellen könnt, was geschehen wäre, wenn ein Deutscher genau dieses Spiel mit seinem Universum erfunden hätte und jetzt vertreiben würde?
Diese Diskussion hier ist in gewissem Sinne wichtig, zeigt sie doch dass wir alles andere als Kriegstreiber und Volksverhetzer im Kinderzimmerformat sind.
Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack, wenn so eine Diskussion über die Splitter in den Augen die zur Vergangenheit blicken (sollten) geführt wird, ohne das wir uns bewusst dabei machen, einen dicken Balken direkt vor der Stirn zu tragen, der uns die Sicht auf das Hier und Jetzt trübt.
Nachdenkliche Grüße
Aragonar