Es ist September und der dritte Band startet heute. Der Veröffentlichungsmodus wird freier sein als bei den letzten Veröffentlichungen. Je nach Lust, Laune und Zufriedenheitsgrad mit einigen Kapiteln des Bandes. Voraussichtlich wird es nur ein Update pro Woche geben und das am Wochenende oder den darauf folgenden Tagen. Stress werde ich mir deswegen keinen mehr machen. Die Kurzarbeit ist bei meinem Betrieb nun vorbei, sprich ich habe weniger Zeit mich um dieses Projekt zu kümmern. Nebenbei bin ich beschäftigt, drei meiner WHFB Armeen auf sinnvolle 3000 Punkte zu bringen, was auch viel Zeit frisst. Die letzten drei Wochen habe ich immerhin 70 Minis fertig bekommen, aber die gleiche Anzahl wartet noch auf mich. Ich hatte zwar schon immer viel Infanteriemodelle und auch Masse, aber da es jetzt Horden gibt, ist doch eine gewisse Verstärkung einzelner Regimenter unerlässlich. Wo früher 20 gereicht haben, braucht man jetzt 40 oder gar 50.
Ich doktere jetzt inzwischen schon über ein Vierteljahr an diesem Buch herum, war damit ja eigentlich schon vor Veröffentlichung von Band II in der Rohfassung fertig, sprich ich habe viele Szenen komplett neu geschrieben, umgestellt und gewisse Dinge fokussiert. Anfangs hatte dieses Teilstück 57 Seiten, von denen ich die Hälfte gekickt habe, inzwischen habe ich 89 Seiten und einige Szenen im letzen Fünftel müssen noch überarbeitet werden. Mit einigen anderen bin ich letztendlich immer noch nicht zufrieden und es kann durchaus sein, dass es mal mittendrin eine größere Pause geben kann. Es gibt viele Raumszenen und seit gestern bin ich stolzer Besitzer von "Freihändler", in dem mal verwertbare Daten über Größe und Besatzung von Großkampfschiffen drin stehen. Da werde ich auch die eine oder andere Szene überarbeiten. Lange Rede kurzer Sinn, es geht weiter, aber nicht in der gewohnten Geschwindigkeit. Dafür ist dann Band IV schon so gut wie fertig, es wird also keine so lange Pause geben wie zwischen Band II und III.
Die Anzahl der Protagonisten wird sich deutlich erhöhen, deswegen gab es im Band I nur wenig andere Charaktere neben Gavri hatte. Anfangs werden ein paar neue Personen eingeführt werden, um gewissen Ereignisse von "unten" zeigen zu können. Das eine oder andere Klischee lässt sich dabei leider nicht vermeiden, hoffe aber, dass die Charaktere trotzdem interessant sind. Ich wünsche nun viel Spaß und freue mich über Feedback. Und vielen Dank an SHOKer für die schnelle Korrektur.
Kampf um den Verräterstern
Position:
Imperium
Segmentum Pacificus
Sektor Jyoti
System Yekoh
Planet Cres
Sektor 23RT2
Zeit: 2 324 995.M41
Person: Gad Varner
"Scheiß Schnee!", fluchte Gad Varner, füllte seine Lungen mit dem beruhigenden Rauch aus seinem Lho-Stäbchen und stapfte stoisch im aschgrauen Schneegestöber weiter. Über ihm donnerte gerade ein kleiner Frachter durch die Schallmauer und ließ den Boden erzittern. Einzelne Schneeklumpen und Eiszapfen lösten sich von den Dächern und der blonde Mann musste mit einem heftigen Satz ausweichen, um nicht von dem durch die Umweltgifte fast schwarz gewordenen Schnee oder Eis getroffen zu werden.
"Scheiß Raumschiffe! Müssen die immer so nen verdammten Krach machen?", grummelte er verhalten und blickte kurz überaus missmutig in den dunklen trüben Himmel. Ein paar Schritte später musste er heftig husten und würgte einen blutigen Schleimkluppen hoch, den er auf den Boden spuckte. Das passierte ihm in letzter Zeit öfters und er hatte vor, mal deswegen zu einem Doc zu gehen, aber bis jetzt hatte er immer eine Ausrede gefunden, dass auf den nächsten Tag zu verschieben. Ein eisiger Wind fegte durch die enge Gasse, die zum "Massaker" führte, seiner Stammkneipe seit einem Jahr. Seitdem er eben auf diesem verdammten öden und total zugebauten Planeten namens "Cres" nach den regulären zwanzig Dienstjahren aus dem 26. Prätoria ausgemustert worden war.
Durchgefroren erreichte er die übel verdellte Tür aus dünnem Plaststahl am Ende der schmalen verdreckten Treppe, die zu der schäbigen Kellerbar "Massaker" führte, und drückte die vor Kälte verzogene Tür auf. Fünf altersschwache Tische voll grober Schnitzereien meist obszönen oder militärischen Inhalts und eine vom Qualm unzähliger Lho-Stäbchen ergraute Theke drängelten sich in den engen Raum, der kaum größer als ein besseres Wohnzimmer war. Mit ihm kam kalte Luft in den Raum und unter allgemeinen Protest der Stammkundschaft beeilte er sich, die verzogene Tür wieder zu schließen. Die Luft war zum Schneiden dick und das Aroma war irgendwo zwischen erkalteten Lho-Stäbchen und dem Ausdünstungen nicht gerade vorbildich gepflegter Körper einzuordnen. Ein uralter Kanonenofen in der hinteren Ecke sorgte für mollige Wärme. Er klopfte sich den Schnee von seinem geflickten roten Armeemantel und schlappte zu seinem kleinen Stammtisch, wo sich seine üblichen Saufkumpane eingefunden hatten. Veteranen wie er, die immer noch auf eine Anstellung warteten. Vom 26. Prätoria, seinem ehemaligen Regiment, war keiner mehr hier übrig, die hatten sich schon längst anwerben lassen.
Regelmäßig streiften Werber vom nahen Raumhafen durch diese einschlägigen Kneipen. Veteranen waren begehrte Söldner für die Truppen von Adligen, Freihändlern, Söldnerregimentern und Unterweltsyndikaten. Gad waren im Laufe des letzten Jahres siebenundachtzig Stellen angeboten worden. Entweder war ihm der Planet zu heiß, zu kalt, zu trocken, zu nass, zu überbevölkert, zu unterbevölker, die zu erwartende Arbeit zu schlecht bezahlt, zu gefährlich, zu langweilig oder die Uniformen waren in Farben gewesen, die er nicht ausstehen konnte. Gelb wie Pisse oder braun wie Scheiße waren einfach keine Farben, sondern Fäkalien. Irgendetwas war immer gewesen, was sich falsch angefühlt hatte. Es war, als ob die eine richtige Anstellung noch auf ihn warten würde.
Sein Blick fiel auf ein neues Plakat an der unverputzten Wand, manche Werber hinterließen solche Werbemittel. Das Plakat war nichts weiter als schwarze Schrift auf weißem Grund. LEGION, stand in dicken schwarzen Lettern aufmerksamsheischend als Überschrift. Das war wohl der Name der Söldnergruppe, die Gad überhaupt nichts sagte. Er kannte einige Söldnerregimenter, die sich Legion von Irgendwas oder was auch immer nannten, aber keine, die so frech war, sich einfach ganz simpel Legion zu nennen. Aber da es hunderttausende von Söldnereinheiten im Imperium und auch außerhalb gab und nur wenige berüchtigt genug waren, um auf mehr als einem Planeten bekannt zu sein, war das auch kein Wunder, dass ihm dieses Söldnerregiment mit dem schlichten Namen Legion gänzlich unbekannt war. Unter der Überschrift stand in gut verständlichem Niedergothisch in schon fast zu verspielter Schrift die Anforderungen für eine Anwerbung bei der Legion, die recht unspezifisch waren für eine Söldnerorganisation. Das Alter reichte von sechzehn bis fünfzig, männlich wie auch weiblich. Frauen hatten bei Söldnern meist nur das Tätigkeitsfeld der Marketenderin, Krankenschwester und das der Hure. Manchmal nahmen sie auch alle drei Tätigkeitsfelder wahr. War bei der Imperialen Armee meist nicht anders, es gab zwar einige Weiberregimenter, wie sie abschätzig genannt wurden und noch seltener, wo Männer wie auch Frauen in einem Regiment gemeinsam kämpften. Man durfte kein Mutant sein, was in Gads Augen selbstverständlich war. Mutantenregimenter gab es zwar auch, aber das waren lebende Minensuchgeräte und Kugelfänge auf zwei oder mehr Beinen, mehr nicht. Kampferfahrung war nicht nötig, war aber auch kein Fehler. Körperlich Fit und geistig auf der Höhe sollte man auch sein. Körperlich Fit verstand Gad ja noch, aber geistig auf der Höhe? Intelligente Soldaten waren schlechte Soldaten, hatte ihm damals immer sein Ausbilder ins Ohr gebrüllt. Wer zu viel denkt, der stirbt!
Gad war das lebende Beispiel, dass dies nicht unbedingt stimmte. Es hatte schon seinen Grund, warum er zu den fünfzig Überlebenden von einst vierundzwangzigtausend des 26. Prätoria gehört hatte. Manchmal war es einfach besser, wenn man zuerst nachdachte und dann handelte. Es gab natürlich auch Situation, wo zuerst handeln und dann zu denken angesagt war.
Die Mindestkontraktlaufzeit wurde mit satten zehn Jahren angeben, wobei eine zwanzig Jährige Laufzeit als obligatorisch angesehen wurde, wie bei der Imperialen Armee auch. Zwanzig Jahre waren eine verdammt lange Zeit, wie Gad nur zu gut wusste. Weiter unten stand noch eine Adresse und Wegbeschreibung zu dem Rekrutierungsbüro auf diesem Planeten. Der angegebene Sektor würde er nur mit dem Fernzug erreichen können. Was die Entlohnung und das Ziel der Legion war, stand leider nicht auf dem Plakat. Das war etwas komisch, aber vielleicht verrieten einem das die Werber erst in einem persönlichen Gespräch. Obwohl er das Plakat komplett gelesen hatte, konnte er den Blick davon nicht abwenden. Eigentlich war nichts Besonderes daran, weder an der Aufmachung, noch an den eigentlich recht offen gelassenen Angaben. Normalerweise war dieses Schriftstück keinen zweiten Blick wert, aber irgendetwas schien ihn in das Plakat buchstäblich hinein zu ziehen. Die verschnörkelten Buchstaben veränderten sich, flossen in einander, bildeten schließlich das Gesicht einer jungen Frau mit engelsgleichen Zügen. So etwas Schönes hatte er noch nie gesehen. "Ich brauche dich!", formten ihre wohlgeformten Lippen. "Kämpfe für mich! Das Schicksal und das Überleben der Menschheit liegt in deinen Händen."
"He, Gad, geht es dir gut?", riss ihn einer seiner Saufkumpane aus den Gedanken.
"Klar, warum auch nicht?", stotterte er, wieder in der normalen Welt zurückgekehrt. Das Plakat enthielt nichts weiter als einen sauber geschriebenen Text in niedergothischen Lettern. Da war kein Gesicht, schon gar nicht eines, das zu ihm redete und die Schrift schien auf einmal gar nicht mehr so verspielt, sondern schnörkellos und kantig. Aber ihre Worte halten in ihm nach. Für einen kurzen Moment kam ihm die Möglichkeit in den Sinn, dass er gerade anfing überzuschnappen. Oder er hatte einfach einen Tagtraum gehabt. Das musste es sein, kein Grund sich Sorgen zu machen.
"Weil du wie ein sabbernder Idiot das Plakat seit zehn Minuten anstarrst. Sollen wir dir vorlesen, was darauf steht?"
"Nicht nötig, ich hab in den sechs Jahren Schule aufgepasst", brummt Gad etwas missmutig zurück. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er das Plakat so lange angestarrt hatte. Unmerklich machte er eine verstohlene Geste, die bösen Einfluss bannen sollte. Er hockte sich auf einem freien Stuhl und stieg bei der Kartenrunde am Tisch ein. Sie spielten wie üblich um Munition für Automatikgewehre und Pistolen. Aber Gad konnte sich nicht auf das Spiel konzentrieren. Immer wieder sah er auf das Plakat und innerlich hoffte er sogar, die wunderschöne Frau noch einmal zu sehen. Aber die Schrift blieb, wie sie war. Ganz klar, er hatte sich das Ganze nur eingebildet, alles andere war auch nur zu verrückt. Aber seine Gedanken kreisten die ganze Zeit über das diffuse Angebot an der Wand. Er brauchte eine Anstellung und ein langfristiger Kontrakt hatte auch seine Vorteile, schließlich wurde man nicht jünger. Es gab natürlich noch Alternativen, abseits vom Dienst an der Waffe. Aber er war ehrlich genug zu sich selbst, um zu wissen, dass er nichts anderes wirklich gut konnte. Und er vermisste jeden Tag den Krieg mehr. Als er noch mitten in der Scheiße gesteckt hatte, als ihm Laserstrahlen, Schrappnelle und Xenosmunition jeder erdenklichen Art um die Ohren geflogen waren, wollte er nur raus, weit weg, wo es Frieden gab. Jetzt war er auf einer friedlichen Welt und er sehnte sich nach dem Adrenalin der Schlacht, dem Rausch des Kampfes, dem Gefühl, dass jeder Augenblick sein letzter sein konnte. Anderen Veteranen ging es ähnlich. Der Krieg war sein Leben geworden, ohne Krieg fühlte er sich unvollkommen. Er sah auf den alten tickenden Chrono, dessen Zifferblatt aus einem von Projektilen durchlöcherten Bierfassdeckel eines richtigen Holzfasses bestand. Wenn er sich beeilte, würde er noch heute los fahren können.
"Jungs, einen schönen Tag noch!", mit den Worten verabschiedete er sich und schritt zurück in die Kälte. In seinem Innersten spürte er, dass diese Anstellung war, auf die er gewartet hatte. Zielstrebig ging er in das nächste öffentliche Badehaus und nahm den kompletten Service in Anspruch, was ganze zwanzig Credits kostete. Ein Vermögen, dafür war er nach zwei Stunden nicht nur sauber, sondern auch frisch rasiert, ordentlich frisiert und seine Kleidung war frisch gewaschen. Seine alten Stiefel glänzten wie neu.
Seine alte Vermieterin in der kleinen Pension wollte ihn zuerst gar nicht hineinlassen, da sie ihn für einen Fremden hielt. In den letzten Monaten hatte er sich gehen lassen, seine Haare waren lang und fettig gewesen und er hatte sich einen Bart wachsen lassen. Als Zivilist musste man eben nicht so auf sein äußeres achten. Er bezahlte der alten Frau die noch ausstehende Miete, nahm seinen Armeesack, in den die Habe seines Lebens hineingestopft war, und lief schnell zum kathedralenartigen Bahnhof, dem gewaltigen zentralen Gebäude in diesem schäbigen Sektor. Er schaffte gerade noch den letzten Nachtzug zu dem Sektor, wo das Rekrutierungsbüro lag. Die Fahrt würde die ganze Nacht über dauern und er nahm entgegen seiner sonstigen Sparsamkeit ein Nachtabteil.
Frisch ausgeschlafen kam er in Sektor 24A an. Die letzte Stunde der Fahrt verbrachte er damit, seine Orden und Feldzugsabzeichen zu polieren und an seine Brust zu stecken. Nach zwanzig Jahren war einiges zusammengekommen. Immerhin trug er das Eiserne Panzerkreuz, nachdem er einen schweren orkischen Panzer mit einer Haftmine gesprengt hatte. Auch hatte er das Scharlachrote Ehrenzeichen, das man dafür bekam, eine schwere Verwundung überlebt zu haben. Als ob das Leben an sich schon nicht genug Belohnung war. Beim Aussteigen kam er in eine Passkontrolle lokaler Sicherheitsbeamter. Aber die Orden auf seiner Brust waren Ausweis genug und ohne bürokratische Verzögerung konnte er passieren.
Sektor 24A entpuppte sich als ein gehobenes Commerciaviertel für die oberen zehn Prozent der imperialen Bevölkerung. Die breiten Straßenschluchten wurden von grellen Reklametafeln erhält und selbst zu so früher Morgenstunde waren schon einige gut gekleidete Passanten und luxuriöse Luftreifenfahrzeuge unterwegs. Die Adresse war ein etwas abseits liegendes Bürogebäude, das auch schon bessere Tage gesehen hatte und die Haupttüre war noch zu, war er doch zehn Minuten vor der offiziellen Bürozeit hier. Auf den abgetretenen Stufen saßen und standen schon acht andere Personen. Eine davon war ein dürres Mädchen in fadenscheiniger und ausgewaschener, für die Jahreszeit viel zu dünner Kleidung. Die junge Frau schlotterte in der winterlichen Kälte am ganzen dürren Leib. Hätte sie nicht das vielgeflickte Kleid getragen, hätte er sie für einen schmächtigen Jungen von vielleicht zwölf Jahren gehalten. Irgendjemand hatte ihr ein blaues Auge verpasst und auch für eine geschwollene Lippe gesorgt. Nach seinem kundigen Auge war die Verletzung von vorgestern. An einem ausgefransten Seil hielt sie ein schäbiges in einem alten Handtuch eingeschlagenes Bündel mit ihrer Habe.
Zwei weitere Frauen waren da, die sehr eng beieinander standen, gute Kleidung trugen und einen sehr nervösen Eindruck machten, so wie sie an ihren Lho-Stäbchen zogen, die sie affektiert auf lange Filter gesteckt hatten. Angeblich waren in Lho-Stäbchen giftige und gesundheitsschädige Stoffe drin. Das mochte korrekt sein, aber die Luft auf Cres war so mit industriellen Schadstoffen belastet, dass es darauf auch nicht mehr wirklich ankam. Ihr Gepäck bestand aus je einem dieser praktischen Rollkoffer aus Groxleder mit Messinggestänge, die man auf kleinen Rädern ziehen konnte und nicht tragen musste. Die etwas größere Frau hatte brünette Haare, die ihr bis zum wohlgeformten Hintern reichten. Sie hatte etwas Katzenartiges in ihrem teuren Pelzmantel an sich und die sich darunter angedeuteten Rundungen waren an den richtigen Stellen. Gad schätzte, dass sie aus einer besseren Schicht kam, ihre teure Kleidung und gepflegte Erscheinung sprach dafür. Kätzchen taufte er sie in Gedanken. Ihre blonde Begleiterin mit einer kurzen strengen Frisur war etwas jünger, Anfang oder Mitte zwanzig. Ihre Kleidung war deutlich einfacher, Konfektionsware aus einer billigeren Commercia. Auch sie hatte keine schlechte Figur und ihr Gesicht war die eines Püppchens, also nannte er sie nun so.
Eine Gruppe von drei gleichaltrigen Jungen in schäbiger Kleidung, die wohl zusammen gehörten, da sie eine Flasche mit Fusel aus zweifelhafter Quelle zum Aufwärmen kreisen hatten. Ihre Schädel waren kahlrasiert und ihre Gesichter ausgemergelt. Er schätzte sie auf fünfzehn, höchstens sechzehn. Sie froren ebenfalls in ihrer für diese Jahreszeit viel zu dünnen Kleidung und rochen, als hätten sie schon länger keine Dusche mehr gehabt. Wahrscheinlich kamen sie direkt aus dem Arrest. Als die drei Rabauken speicherte er sie bei sich ab.
Der Rest waren zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. Der eine Mann, groß, breitschultrig, muskulös, trug die Kleidung eines einfachen Arbeiters, Anfang zwanzig. Die schwarze Binde an seinem Arm zeigte, dass er in Trauer war. Gad schätzte ganz spontan darauf, dass seine Frau gestorben war, also war er der Witwer. Neben ihm stand ein großer Seesack und ein Tragegestell mit einem uralten Schrein aus richtigem Holz. In seinem Giebel grinste ein heller Totenschädel heraus, der nach Gads Erfahrung wohl erst kürzlich entfleischt worden war. Wahrscheinlich war das mal seine Frau gewesen. Der andere Kerl war ein schlanker Geck, aufgeplusterte Kleidung, die nach mehr aussehen sollte. Wahrscheinlich ein verarmter Adliger, der so abgebrannt war, dass er noch nicht mal mehr sich einen Posten in der Imperialen oder Planetaren Armee hatte besorgen können. Oder jemand, der einfach meinte, dass Kleidung Leute machte, eben ein Geck.
Die schon Anwesenden musterten ihn eingehend und er sah bei einigen ihre Bewunderung für seine Orden. Das eiserne Panzerkreuz hatte eben nicht jeder. Er stellte sich einfach auf eine Stufe und wartete gelassen, sein Lho-Stäbchen rauchend. Ihm wurde bewusst, dass er mit Abstand der älteste in der Gruppe war, die wohl im Schnitt unter zwanzig Standartjahre zählte. Auf einmal fühlte er sich richtig alt. Es schien Ewigkeiten her zu sein, als er zur Musterung auf Prätoria aufgefordert worden war.
Die Glocken einer nahen Kathedrale schlugen Punkt neun Uhr, als sich auch die Tür entriegelt wurde. Ein brünette Frau mir kurzen Haaren und dezentem Makeup in einer blauen Paradeuniform begrüßte sie lächelnd. Der Rock war etwas dunkler gehalten, ihre Strümpfe waren Schwarz, die flachen Schuhe im Kontrast weiß. Wenn die Legion die Iconographie der Imperialen Armee übernommen hatte, war dies eine Gefreite. Ein zu niedriger Rang, um Kontraktverhandlungen zu führen. Wahrscheinlich eine Assistentin des eigentlichen Werbers dieser ominösen Legion.
"Meine Damen, meine Herren, einen wunderschönen guten Morgen. Wenn Sie mir bitte sogleich folgen würden?" Gad quetsche ebenfalls ein kurzes "guten Morgen" zwischen seinen Lippen hervor und folgte der Frau gemessenen Schrittes. Für ein Rekrutierungsbüro war dies ein Palast. Es war nicht sein erster Besuch einer solchen Veranstaltung, die meisten hatten in irgendwelchen heruntergekommenen Lagerhallen stattgefunden. Erfahrungsgemäß war in der von Lho-Stäbchenrauch geschwängerten Luft ein kurzer Film über die Einheit gezeigt worden, dann Schaudiagramme über die Verdienstmöglichkeiten und wahrscheinlich geschönte Bilder des Planeten, wo die Einheit hinflog oder stationiert war. Dann hatte es reichlich freie starke Alkoholika zur allgemeinen Fragestunde gegeben, wo es meist nur um den Sold, Boni und Vertragsdauer ging.
Hier bekam er von der netten Gefreiten ein Klemmbrett überreicht, wo ein Pergament eingespannt war, auf dem er seine persönlichen Daten angeben konnte. Eine Thermoschreibfeder befand sich an einer kleinen Kette ebenfalls auf dem Brett. Ebenfalls bekam er einen Anhänger überreicht, die aus einer teuren und seltenen Cogitatorspeicherkarte mit der Ziffer eins und einem Buchstaben darauf an einer Kette bestand. Sie waren wohl die Gruppe eins. Weitere Personen fanden sich nach und nach ein, die nun Anhänger mit der Ziffer zwei überreicht bekamen. Er brauchte neben der kleinen Dürren mit dem blauen Auge am längsten, den Bogen auszufüllen. Bei ihm lag es daran, dass er einfach ein Vielfaches der Anderen schreiben musste, da auch die Daten seines Regiments und seine bisherige Kampf- und Waffenerfahrung gefragt wurde. Bei der Dürren lag es wohl daran, dass sie wohl nicht die vorgeschriebenen sechs Jahre Schule gehabt hatte, oder schlicht zu dämlich zum Lesen und Schreiben war.
"Gruppe 1, wenn Sie mir bitte folgen würden?" Ein weiterer Uniformierter tauchte auf, ebenfalls ein Gefreiter mit dunkler Hautfarbe. Auf diesem Planeten war dies der erste Schwarze. Es gab Planeten, wo die ganze Bevölkerung diese dunkle Färbung hatte, auf anderen kam sie gar nicht vor. Gad kannte Leute, welche eine schwarze Hautfärbung schon als Mutation ansahen und sich entsprechend gaben. Der Dialekt des Schwarzen war Standard-Niedergothisch ohne spezifischen Akzent, wie er von der Imperialen Armee angestrebt wurde. Sie wurden in einen Umkleideraum geführt, bekamen einen mit der Cogitatorkarte verschließbaren Spind zugeteilt und mussten sich dann bis auf die Unterwäsche ausziehen. Es überraschte ihn wenig, dass die kleine Dürre einen Körper voller Hämatome und alter Narben hatte. Die Haut über ihre Rippen spannte sich und ihre Brüste waren sehr klein. Das Leben war bisher nicht gut zu ihr gewesen.
Die meisten starrten aber eher seinen, als den Körper des Mädchens an. Im Laufe der letzen zwei Jahrzehnte seiner Dienstzeit war er oft verwundet worden und viele Narben bedeckten seinen Körper. Besonders sein linkes Bein hatte es mal schlimm erwischt und er konnte froh sein, dass dies bei einem Scharmützel passiert war und der Arzt nichts anderes zu tun gehabt hatte, als sein Bein zu retten. In einer normalen Gefechtssituation wäre es amputiert worden. Er zählte fast vierzig Standardjahre, aber er hatte den durchtrainierten Körper eines Soldaten, der die meiste Dienstzeit im Krieg gestanden hatte.
Dann wurden sie in einen Raum geführt, wo zwei Ärzte schon warteten, die sie hinter einem Sichtschirm einer kurzen, aber eingehenden Untersuchung unterzogen. Er durfte sich auf einen Scanner stellen, dessen Sensorpaket mehrmals um ihn herum fuhr und andauernd die Höhe wechselte. Blut musste er auch noch spenden und er bekam einen Becher in die Hand gedrückt, den er auf der Toilette mit Urin auffüllen musste. Nach dieser Untersuchung bekam er frische Unterwäsche, Socken, einen blauen Trainingsanzug und sportliche Laufschuhe ausgehändigt. Die Kleidung passte wie angegossen.
Der nächste Raum, in den sie geführt worden, erinnerte fatal an einen Schulraum. Die Schule hatte Gad immer gehasst. Sie hatten auch einen unfähigen, versoffenen, sadistischen Lehrer gehabt, der lieber mit dem Stock auf die Schüler einprügelte, als ihnen etwas Verwertbares beizubringen. Das meiste Wichtige hatte er bei seiner älteren Schwester nach dem Unterricht gelernt, die einen besseren Lehrer gehabt hatte. Insgesamt waren zehn Tische in dem Raum, neun für die Aspiranten, einer für die Aufsichtsperson. Der Gefreite wollte tatsächlich, dass sie Fragebögen ausfüllten. Die Legion liebte Papierkram wohl noch mehr als die Imperiale Armee bzw. das Departmento Munitorumund die war in ihre Bögen und Formulare regelrecht verliebt.
Die Kleine setzte sich einen Tisch neben ihn. Die drei Rabauken, so nannte er die Jugendlichen, setzten sich in der letzen Reihe. Auf der anderen Seite zu ihm in der Mitte setzte sich der Witwer. Die beiden Frauen und Schnösel saßen vorne. Die Fragen waren nicht besonders schwer, etwas Mathematik, Archaik, Naturwissenschaften, Physik. Selbst mit sechs Jahren imperialer Grundschule konnte man die Fragen gut beantworten. Er war beinahe schon fertig, als ihm das verhaltene Schluchzen von der Kleinen neben sich auffiel. Sie starrte mit feuchten Augen auf den Bogen und hatte bis jetzt kaum noch etwas ausgefüllt. Ihre Schultern bebten leicht und ihre Hand mit der Thermofeder zitterte so stark, dass es zu befürchten war, dass sie die Feder gleich fallen lassen würde.
"Das ist nicht dein Problem, Gad!" sagte eine innere Stimme zu ihm. "Sei kein Idiot.“
"Die Kleine muss aus ihrem bisherigen Leben raus, oder sie geht drauf.", meldete sich eine zweite, "Sei kein Arsch!".
"Sie in einen Krieg zu schaffen, bringt sie etwa nicht um?", konterte sein erstes Ich.
"Vielleicht stirbt sie im ersten Gefecht, hier geht sie auf jedem Fall vor die Hunde!", erwiderte sein zweites Ich.
Er traf eine Entscheidung und fing an, hektisch die Blätter durch zu gehen. Dummerweise rauschte der ganze Stapel zu Boden und fiel der Kleinen vor die Beine. Sie bückte sich danach, er sprang auf und ungeschickterweise stießen sie so zusammen, dass er auch noch ihre Blätter zu Boden warf. Zum Glück standen noch keine Namen auf den Bögen, da er so etwas immer zuletzt ausfüllte.
"Das sind meine, Kleine!", sagte er etwas schroff und nahm die ihren an sich, während sie etwas verdattert auf die von ihm aufgefüllten Bögen starrte. Zum Glück war sie nicht so dumm, wie sie aussah und nahm sein Geschenk ohne dämliches Gequatsche an. Der Chrono über dem Gefreiten zeigte an, dass er noch fünf Minuten hatte. Der Soldat sah zwar in ihre Richtung, aber Gad glaubte, dass der Trick geklappt hatte, da es sonst keine Reaktion gab. Nur musste er sich jetzt wirklich beeilen. Wie gut, dass er einige Zeit die rechte Hand des Quartiermeisters gewesen war und durchaus in der Lage war, eine Thermofeder zum Glühen zu bringen. Es hatte Tage gegeben, da hatte er Vierzehn Stunden lang nichts anderes getan, als Ministorum-Formulare auszufüllen. Gerade so schaffte er es, die Fragen ein weiteres Mal zu beantworten und in den Umschlag mit seinem Namen zu stopfen. Der Gefreite sammelte die Umschläge ein und es ging in den nächsten Raum.
"Danke!", flüsterte die Kleine in seine Richtung. Er nickte nur mit dem Anflug eines Lächelns.
In diesem Raum standen nun neun Laufbänder mit Gehäusen aus Messing. Sie mussten sich ein Armband mit einem Kabel um das linke Handgelenk binden und auf die Bänder stellen. Das lief mal schneller, mal langsamer. Nach dem Chrono an der Wand dauerte die Übung eine Stunde und er war danach ordentlich am Schwitzen. Alle hatten durchgehalten, die Kleine war zäher, als sie aussah. Und wieder ging es in einen weiteren Raum. So langsam wurde Gad klar, warum die ein ganzes Haus gemietet hatten. Dieser kleine Saal verfügte über einen Filmprojektor und seltsame Sessel, über denen metallene Hauben schwebten. Unter diesen mit Sensoren versehenen Hauben mussten sie sich setzen und diese komischen Dinger dann mit einem Band fixieren. Die Haube aus Metall war schwerer als ein normaler Helm und lag schwer fest auf dem Kopf. In einen Schlitz mussten sie die Cogitatorkarte einführen, bevor es los gehen konnte.
Der Film, den sie zu sehen bekamen, war der seltsamste, den er je gesehen hatte. Zur Erbauung waren in der Etappe regelmäßig Filme gezeigt worden. Meist mit richtigen übermenschlichen Soldaten, wie "Der Held von Höhe 495" oder "Gardisten marsch!" Aber der hier hatte keine Handlung, nur eine Abfolge von Szenen, die rein gar nichts miteinander zu tun hatten. Manchmal wurde nur eine leere Wiese gezeigt, ein anderes Mal wie sich mehrere Soldaten an einem Mädchen vergingen. Das weckte überaus unangenehme Erinnerungen in Gad. Er glaubte schier das Geschrei der Frauen zu hören, ihr Flehen, ihr Stöhnen, ihr Gurgeln. Dann das stetige Hämmern einer Maschinenkanone, das reißende Geräusch, wenn Splitter Fleisch von Knochen trennten, der intensive Geruch von Fycelin, Metall und Blut. Aber die Bilder und Geräusche an längst Vergangenes verblassten schnell. Da wurden Menschen erschossen, erstochen, verbrannt, von Panzern überrollt. Dann wurde eine Geburt gezeigt, ein Pferderennen, Vögel am Himmel, weidende Ringhörner. Total sinnlos. Endlich war der Film vorbei und sie konnten diese schweren Dinger abnehmen.
Danach wurden sie in eine Kantine geführt, wo es für sie ein Essen gab. Der Magen von Gad knurrte erbärmlich, da er seit gestern Nachmittag nichts mehr gegessen hatte. Sie setzen sich mit ihren Tabletts alle gemeinsam an einem Tisch. Weitere Gruppen kamen nach und nach in den Raum, blieben unter sich. Die Kleine stürzte sich wie eine ausgehungerte Bestie auf das Essen und schlang es herunter, als hätte sie Angst, dass man es ihr wegnehmen könnte. Der Witwer sprach ein kurzes Gebet, in dem er dem Gottimperator für Speis und Trank dankte, Schnösel und die drei Rabauken fielen in das Gebet mit ein. Gad ließ es sich ohne Umstände schmecken, da der Gottimperator mit Wichtigerem beschäftigt war, als sich um die Mahlzeiten seiner Untertanen zu kümmern. Das Essen war gut, es schmeckte nach etwas, war nicht zerkocht und auch nicht mit undefinierbaren Füllstoffen versetzt. Wenn das Essen in der Legion immer so war, dann war er hier verdammt richtig.
"Mein Name ist Gad Varner, ich war zwanzig Jahre lang bei der Imperialen Armee, 26. Prätoria, dann 123. Imperium und wer seid ihr?", fragte er, als die Stille in dem Raum sich ausdehnte, da alle mit Essen fertig waren. Er zündete sich ein Lho-Stäbchen an und nahm einen tiefen Zug. Er bot seine Schachtel reium an, die drei Rabauken und der Witwer griffen zu, die Mädels und der Geck lehnten ab. Püppchen und Kätzchen hatten ihre eigene Marke und rauchten nur mit ihren dekadenten Filtern, der Geck und die Kleine rauchten wohl überhaupt nicht.
"Ich heiße Babbit de Moises, habe die Ehre", erklärte der Geck als erstes und deutete so etwas wie eine Verbeugung an. Sein Name wies ihn als Adligen aus und das war Erklärung genug.
"Hughes Broman, hab im Kombinat geschuftet", erwiderte der Witwer.
"Ich bin Leisha Kroll, Ärztin", sagte einer der Frauen, das brünette Kätzchen.
"Und ich bin Rachel Kenrad, Krankenschwester", fügte das blonde Püppchen mit einem verlegenen Kichern hinzu.
"Ich bin Jamie Baily, und das sind meine Freunde Clement Hanlon und Hogan Bray," erklärte wohl der Kopf des jugendlichen Trios und seine Freunde nickten bestätigend. Da fehlte nur noch eine.
"Ich bin Sybil K13AW14397341, ich arbeite auch im Kombinat", die kleine Dürre wurde dabei knallrot. Da sie keinen Nachnamen hatte, schien sie ein Leibeigene des Kombinats zu sein. Was bedeutete, dass sie wohl abgehauen war und es für sie kein Zurück mehr gab.
"Welcher Mistkerl hat dir das Veilchen verpasst?", fragte Gad neugierig.
"Mein Vorarbeiter, ich habe die Quote nicht erfüllt", erwiderte sie nach einem kurzen Zögern.
"So ein Scheißkerl!", merkte Leisha an. Gad hätte eher auf einen prügelnden Vater getippt.
"Und was suchst du nun bei einer Söldnereinheit?", fragte Gad, der die Zusammenstellung der Gruppe nicht ganz nachvollziehen konnte. Der Stutzer, der vor Schulden floh, der Arbeiter, der ein besseres Leben im Krieg suchte, auch noch die drei Jungs, die wahrscheinlich das große Abenteuer nach dem Knast erhofften, so wie einst Gad, als er sich freute, bei der Imperialen Armee dienen zu dürfen. Nur raus aus der überfüllten Makropole, überall musste es besser sein als hier. Gad war damals schnell eines Besseren belehrt wurden. Nicht dass er damals groß eine Wahl gehabt hätte, der Zehnt musste nun mal entrichtet werden und er war dazu auserwählt worden, da er körperlich fit und geistig gesund gewesen war. Aber diese Leute hatten eine Wahl.
"Ich bin hier, weil die Frau im Plakat gesagt hat, dass ich kommen soll", sagte Sybil nach kurzem Zögern und es war nicht nur Gad, der sie mit offenem Mund anstarrte.