„
Feuer, im Namen Sigmars!“, rief Ansgar.
Er hatte beide Pistolen erhoben und schickte den heranstürmenden Ghoulen zwei Feuerblitze entgegen. Neben ihm stand Dariya und zog den Abzug ihrer Armbrust durch, während der Rest der Truppe sich hinter den beiden gesammelt hatte. Ein Ghoul überschlug sich im Lauf und blieb leblos liegen; ein anderer wurde zurückgeschleudert und griff fauchend nach dem Bolzen, der in seinem Schenkel steckengeblieben war. Die übrigen Angreifer jedoch drangen mit unvermindertem Tempo vor, und schon verkündeten hastende Füße aus einem Nebenraum das Nahen weiterer Feinde.
Die Zeloten – mittlerweile auf sieben Mann verstärkt, doch unerfahren im Kampf – bekamen es mit der Angst zu tun. Einige ließen ihre Waffen sinken und wichen furchtsam an die Wände zurück. Einer der Flagellanten jedoch schwang seinen Flegel wie ein Schwirrholz in der Luft und brüllte ihnen zu: „Kämpft, Brüder! Seht mich an, ich trage nicht einmal einen Schild! Glaube ist meine Rüstung! Eifer ist meine Waffe!“ Und er stürzte als erster voran, direkt auf die Leichenfresser zu.
Binnen weniger Augenblicke entbrannte ein furchtbares Gemetzel. Die meisten der Zeloten waren ihrem Anführer gefolgt und prallten auf eine heranwirbelnde Welle aus grapschenden Klauen, geifernden Mäulern und gebleckten Fängen. Der Flagellant ließ seinen Flegel kreisen und fegte einen der Ghoule glatt von den Füßen, sodass er gegen die Wand geschleudert wurde und einen hässlichen Blutfleck darauf hinterließ wie ein erschlagenes Insekt auf einer Scheibe. Ein anderer Ghoul warf sich im Sprung auf einen der Zeloten, riss sein Opfer zu Boden und schnappte nach seiner Kehle. Schreie gellten von allen Seiten, einige menschlich, andere schrill und animalisch.
„Endlich wieder Arbeit!“, rief Helmuth freudig und packte seine Zweihandaxt. „Ich hatte das Herumliegen auf dem Krankenbett so satt!“ Und wie um seine wiederhergestellte Kraft zu demonstrieren, stürzte er sich in den Kampf und teilte nach allen Seiten wuchtige Schläge aus. Ein Ghast mit einem grotesken Kranz wippender Stacheln auf dem Rücken sprang ihm in den Weg, doch Helmuth rannte ihn glatt über den Haufen, wirbelte auf dem Absatz herum und hieb seine Axt in den zu Boden gegangenen Körper.
Noch schien es, dass die Leichenfresser nur eine Vorhut geschickt hatten, deren Aufgabe eher darin bestand, ihre Gegner aufzuhalten. Als aber immer mehr von ihnen fielen, stieß einer ein schrilles Geheul aus, das sich in den finsteren Gewölben zu einem endlosen Echo vervielfältigte. Wenige Momente später stürmte der Ghoul-Hauptmann in den Raum, gefolgt von dem riesigen Gruftschrecken, dessen monströser Körper kaum durch den Torbogen passte und an mehreren Stellen lockere Steine aus dem Mauerwerk riss. Blindlinks schwang er seine Knochenkeule, wobei er einem der überraschten Zeloten glatt den Schädel zerschmetterte.
„Fido, fass!“, schrie Dariya, die eben einen der kleineren Ghoule niedergemacht hatte und sich dem Unhold entgegenwarf.
Kampfhund Fido war sofort zur Stelle und grub seine Zähne in ein Bein des Monsters. Der Gruftschrecken schien es kaum zu bemerken; vielleicht, weil das bisschen Gehirn in seinem übergroßen Körper keine komplexe Situation erfassen konnte. Er drosch auf Dariya ein und ignorierte den Hund, der an seiner Wade hing und buchstäblich wie ein Klotz am Bein mitgeschleift wurde. Dariya parierte den Schlag mit ihrem Schild, wurde aber zurückgeschleudert und rutschte mehrere Meter über den Boden.
„Ich komme!“ Das war Helmuth, der soeben den Ghoul-Hauptmann niedergestreckt hatte und an ihre Seite eilte. Er war der einzige, der im Augenblick helfen konnte: Alle anderen hatten größte Mühe, sich der Überzahl ihrer Gegner zu erwehren. Helmuth stürzte mit erhobener Axt dem Gruftschrecken entgegen, verfehlte jedoch den Körper des Monsters und traf nur einen der Stacheln, die aus seinem Rücken wuchsen. Dafür hatte er nun die ungeteilte Aufmerksamkeit des Unholds, der von Dariya abließ und sich ihm entgegenwarf. Die Knochenkeule traf Helmuths Rüstung, prallte ab, fuhr erneut nieder und verhakte sich in seiner Axt. Einen Moment lang zerrten beide an den Griffen ihrer Waffen, doch dieses Kräftemessen konnte nur das Monster gewinnen: Es schleuderte Helmuth zu Boden und ging erneut auf Dariya los.
Diesmal war es Martin, der sie rettete. Der junge Mann gehörte zu den wenigen, die in den letzten Kämpfen keine Verletzungen davongetragen hatten, und er hatte tagelang verbissen trainiert. Nun schaffte er es, unter der Knochenkeule des Monsters wegzutauchen und ihm sein Schwert so tief in den Leib zu stoßen, dass der Unhold für einen Moment grunzend in die Knie ging.
„Lass – sie – in Ruhe!“, brüllte Martin und verpasste ihm einen zweiten Stich, während Dariya von der Seite auf den Gegner eindrang. Der Gruftschrecken wankte, wischte fahrig mit seiner Keule nach den Gegnern – und fing sich einen dritten Streich von Martin ein, der seine Kehle traf. Das Ungetüm kippte zur Seite, und Kampfhund Fido, der immer noch an einem seiner Beine hing, schoss jaulend davon.
„Danke!“, keuchte Dariya und flüchtete an Martins Seite.
Was jedoch in der Zwischenzeit geschehen war, hatten beide noch nicht bemerkt. Durch einen Durchgang am gegenüberliegenden Ende des Raums war ein neuer Gegner aufgetaucht, und dieser hatte sich Ansgar und Odo zugewandt, die ihm an nächsten standen.
Alle anderen waren beim Anblick der Bestie entsetzt zurückgewichen. Sie hatte zwar entfernte Ähnlichkeit mit dem Gruftschrecken und mindestens die gleiche Größe, wirkte aber noch tierischer, zumal sie sich auf allen Vieren fortbewegte. Ein hoher Buckel voll schmutzigen Fells wölbte sich über einem Kopf mit fledermausartigen Ohren und einem Maul voller spitzer Zähne. Auch die Bewegungen des Neuankömmlings waren ganz anders als die des plumpen Gruftschreckens: Geschmeidig und fast übernatürlich schnell. Er wich Odos Schwerthieb und – unglaublich – sogar einer Kugel aus Ansgars Pistole aus, um sich mit gespreizten Klauen auf den Inquisitor zu stürzen.
„Weiche, Unding!“, schrie der Flagellant, der zuvor die Zeloten so heldenmütig angeführt hatte, stürzte herbei – und wurde von der Kreatur mit einem fast beiläufigen Klauenhieb zu Boden gestreckt.
„Wir müssen ihnen helfen!“, rief Dariya, doch in diesem Moment strömten weitere Ghoule in den Raum und drängten sie und Martin an eine Wand, wo sie sich Rücken an Rücken zur Wehr setzen mussten.
So fochten Ansgar und Odo allein gegen den übermenschlichen Angreifer. Die Bestie warf sich auf den Inquisitor, fetzte mit beiden Klauen über seine Rüstung, schnappte nach seinem Hals und versuchte ihn zu Boden zu ringen. Ein weiterer Schuss ging los, woraufhin Ansgar die Waffe notgedrungen fallen ließ, um sich mit bloßen Händen zu wehren. Er stolperte, schlug rücklings hin und lag für einen Moment unter dem Koloss, der ihn niederdrückte wie ein Kater die Maus. Eine Pranke der Kreatur war auf seine Brust gestemmt und so groß, dass je ein Klauenfinger auf beiden Schultern des Inquisitors lag.
„Sigmar!“, schrie Ansgar, und da er keine Waffe mehr hatte, griff er nach seinem Amulett mit dem Bild des zweigeschweiften Kometen, um es dem Monstrum gegen die gebleckten Kiefer zu pressen. Und das Wunder geschah: Die Bestie zuckte zurück, wobei schwarzer Rauch von ihren geschwärzten Reißzähnen aufstieg.
Diesen Moment nutzte Odo, um dem Ungetüm mit beiden Händen sein Schwert in den behaarten Buckel zu stoßen. Die Bestie fuhr kreischend auf und gab Ansgar frei, der sich rasch zur Seite rollte. Das Monstrum wirbelte herum und flüchtete durch denselben Torbogen, aus dem es erschienen war.
Dies hätte der Sieg sein können, wären nicht in der Zwischenzeit noch mehrere Zeloten zu Boden gegangen – und ihre Todesschreie verrieten, dass sie nicht wieder aufstehen würden. Dariya wehrte sich noch immer verzweifelt gegen mehrere Ghoule; Martin war von einem in den Arm gebissen worden und hatte seinen Schild fallen lassen.
„Raus hier!“, schrie Ansgar.
Die Hexenjäger drängten sich zusammen, schlugen die verbliebenen Ghoule mit Mühe zurück und flüchteten zum Ausgang der Katakomben.