Der Turm des Necrarch: Eine Kampagne nach Mordheim-Regeln in Sylvania

Plan für Spiel 6

Wir haben gerade ein Szenario für das nächste Spiel ausgetüftelt. Glücklicherweise habe ich einen seeeehr kulanten Spielgegner, dem es ebenso wie mir hauptsächlich auf die Geschichte ankommt. So war es schon immer eine prinzipielle Verabredung zwischen uns, dass die Hexenjäger irgendwie durchkommen und – selbst wenn sie verlieren – möglichst nicht komplett vernichtet werden sollen. Deshalb haben wir uns etwas überlegt, was ihre Chancen verbessert und zugleich inhaltlich passt.

Und zwar: Carendra muss zuerst ein Ritual durchführen, damit die Opferung Martins – wie sie hofft – die Lebenskraft von Comran wieder herstellt. Dieses Ritual dauert einige Zeit. Während es andauert, darf es nicht unterbrochen werden, und das bedeutet, dass sowohl Carendra als auch Comran sich nicht bewegen dürfen und nicht in Kämpfe eingreifen können. Den Untoten fehlen damit, zumindest für einige Zeit, ihre beiden Anführer.

Um das Ritual durchzuführen, wirft Carendra zu Beginn jedes Spielzugs der Untoten 2W6. Die erwürfelten Ergebnisse werden in jedem Spielzug aufaddiert. Wenn die Summe insgesamt 66 erreicht, ist das Ritual erfolgreich vollzogen.

Wenn das Ritual erfolgreich vollzogen wurde,
  • darf Carendra sich im betreffenden Spielzug wieder normal bewegen und kämpfen;
  • gewinnt König Comran einen zusätzlichen Lebenspunkt und darf sich ebenfalls bewegen und kämpfen;
  • ist der Hexenjäger Martin tot.
Wenn Carendra oder Comran während des Rituals angegriffen werden, wird es automatisch unterbrochen (und kann auch danach nicht mehr fortgesetzt werden). Dafür genügt eine Attacke mit gelungenem Trefferwurf; es muss kein Schaden verursacht werden.

Carendra darf außerdem jederzeit entscheiden, das Ritual freiwillig abzubrechen, um in den Kampf einzugreifen. Auch dann gilt das Ritual aber als gescheitert und kann nicht wieder aufgenommen werden.

Konkret wird es so aussehen, dass Carendra, Comran und Martin zu Spielbeginn irgendwo in einer geschützten Ecke platziert werden und der Rest der Untoten den Zugang zu ihnen verteidigt. Ein Durchbruch wird für die Hexenjäger auch so noch schwer genug, denn sie haben es mit drei Skelett-Helden, dem Grabunhold, 3 Verfluchten, 5 Skelettkriegern und einem Geisterschwarm zu tun. Sie sind also immer noch in der Unterzahl – gar nicht zu reden davon, dass fast alle ihre Gegner hervorragende Steigerungen hatten und mit mehreren Attacken zuschlagen.

Das Spiel ist für nächstes Wochenende vereinbart. Bis dahin heißt es dann wohl für mich: Zittern…

9hn7nfxdtuij.webp
 
Carendras Rache: Spiel 6

Die Entscheidung

Selten habe ich vor einem Spiel so sehr gebangt. Andererseits wollten wir es natürlich auch als spektakulären Showdown inszenieren, und was das betrifft, kamen wir definitiv auf unsere Kosten.

Wir rechneten damit, dass dieses Spiel eine Entscheidung herbeiführen würde, und vereinbarten deshalb, dass es keine erzwungenen Rückzugstests geben würde. Beide Seiten konnten also, wenn sie wollten, mit verzweifeltem Mut bis zum letzten Modell kämpfen. Die Option auf freiwilligen Rückzug ließen wir aber bestehen, damit jeder die Möglichkeit hatte, seine Bande vor der vollständigen Vernichtung zu retten.

Die Startsituation war klar: Carendra befand sich im tiefsten Raum des Labyrinths vor der Steinplatte, auf der König Comran und der unglückliche Martin lagen. Alle drei würden lange Zeit nicht ins Spiel eingreifen und sich nicht einmal bewegen dürfen. Carendra war damit beschäftigt, ein kompliziertes Ritual durchzuführen, das die Stimme des Rabengottes ihr einflüsterte.

Ihre untoten Diener hatten sich derweilen aufgeteilt. Der größte Trupp blieb mit ihr im selben Raum und beschützte den Eingang. Ein kleinerer Trupp verbarg sich ein Stück abseits des Tunnels, der zu dem Raum führte, und auch der Geisterschwarm und der Grabunhold lagen im Hinterhalt, um nahenden Feinden den Weg abzuschneiden.

20250504_174431 - Kopie.webp


Die Hexenjäger hatten keine andere Wahl, als sich geschlossen und geradlinig den Gang hinab zu bewegen, der den einzigen Zugang zur Ritualkammer bildete. Sie kamen bis in Sichtweite des Eingangs - dann schnappte die Falle zu. Ein Skeletthauptmann mit mehreren Skelettkriegern stürmte von der Seite heran, und auch der Grabunhold schloss sich der Angriffslinie an, indem er einfach aus einer festen Wand hervorgeschwebt kam (Sonderregel „körperlos“). Gleichzeitig kam auf der anderen Seite der Geisterschwarm aus seiner Deckung und zwang mich, meine Kräfte zu teilen.

20250504_175043 - Kopie.webp


Wegen der Enge des unterirdischen Labyrinths blieb den Hexenjägern nur eine einzige Schussphase vor dem Nahkampf. Diese aber war sehr erfolgreich, denn sowohl Ansgars Pistole als auch Dariyas Armbrust schickten je einen der Untoten zu Boden. Dann aber fielen die Verfluchten über meine Truppe her, und nun strömten auch die Skelettkrieger aus der Ritualkammer heraus, um ihre Gegner zu umzingeln.

Zu diesem Zeitpunkt (Zug 4) stand Carendras Ritual bei 25/66. Sie würfelte durchschnittlich, doch trotzdem war sehr ernsthaft zu befürchten, dass die Hexenjäger es entweder gar nicht oder zu spät schaffen würden, in den Raum vorzudringen.

Im Nahkampf allerdings erwiesen sich die Hexenjäger – trotz Unterzahl – als wahre Helden. Sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung und (zugegeben) bemerkenswert guten Würfelergebnissen. Zwar gingen einige zu Boden, schafften es aber, in den folgenden Zügen immer wieder aufzuspringen, weil ihre Kameraden ihnen die Gegner lange genug vom Leib hielten. (Zu Boden gegangene Modelle dürfen nur attackiert werden, wenn kein stehender Gegner mehr am selben Nahkampf beteiligt ist.) Nicht nur Ansgar, Dariya und Odo schlugen sich tapfer, sondern auch die Zeloten und besonders die beiden Flagellanten, obwohl die letzteren – da sie keine Rüstung trugen – immer wieder Verletzungen kassierten. Aber was ein richtig fanatischer Eiferer ist, der rafft seine Knochen eben auch beim zehnten Tiefschlag wieder zusammen und schwingt nur umso wütender seinen Flegel.

20250504_181915.webp


Letztlich wurde der gesamte Nahkampf vor dem Eingang der Ritualkammer gewonnen. Die Hexenjäger schalteten einen Skelettkrieger nach dem anderen aus, sogar die beiden Skelett-Hauptmänner und den Grabunhold. Aber der vorläufige Sieg wurde teuer erkauft. Ein Verfluchter nämlich griff Dariya im Rücken an, während sie noch gegen einen Skelettkrieger kämpfte. Mit KG 5 und 2 Attacken überwand der Untote Dariyas Abwehr und mit einem glücklichen Wurf auch ihre Rüstung - und schaltete sie mit einem Verletzungswurf von 6 glatt aus. Was für ein herber Verlust zu diesem frühen Zeitpunkt! – Zumal ja keineswegs klar war, ob sie nach dem Spiel überleben würde.

Es blieb jedoch keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn Carendras Ritual stand mittlerweile bei 44/66 (Spielzug 7). Da der Nahkampf sich aufgelöst hatte, mussten alle freistehenden Modelle so schnell wie möglich in die Ritualkammer stürmen. Das taten sie, doch der Weg erforderte zwei Spielzüge, und Carendra entschied sich, trotz der nahenden Feinde ihr Ritual fortzusetzen und weiter zu würfeln. Prompt warf sie mit 2W6 eine 11 und brachte das schreckliche Ritual auf bedrohliche 55/66.

20250504_182833 - Kopie.webp


Im nächsten Moment drangen die Hexenjäger in den Raum vor und näherten sich ihr bis auf Angriffsreichweite. Was würde die untote Königin tun? Das Ritual abbrechen und sich zum Kampf stellen… oder weiter würfeln und auf eine weitere 11+ hoffen, um die 66 zu erreichen?

Wir waren uns einig: Carendra würde das Risiko eingehen und ihr Ritual fortsetzen. Nichts war ihr wichtiger, als ihren geliebten Comran wiederzubeleben, und mit den Hexenjägern konnte sie immer noch abrechnen, wenn das erst einmal geschafft war. Carendra würfelte also – und zwar eine 10!

Zur Erinnerung: Sie hätte genau 66 erreichen müssen, dann wäre das Ritual erfolgreich vollzogen und Martin tot gewesen. Nun aber hatte sie ihr Ziel extrem knapp verfehlt - und wurde im folgenden Zug angegriffen, womit das Ritual buchstäblich in der allerletzten Sekunde unterbrochen wurde.

Ich schwöre bei Sigmar, dass wir an dieser Stelle nicht gemogelt haben. 😎 Es war wirklich eine 10, was ihr Ritual exakt auf 65/66 brachte! Wir listen hier noch einmal (zum „Beweis“) die Ergebnisse von Carendras Würfen auf.
Spielzug​
1​
2​
3​
4​
5​
6​
7​
8​
9​
2W6 Ergebnis​
6​
5​
8​
6​
6​
3​
10​
11​
10​
Summe​
6​
11​
19​
25​
31​
34​
44​
55​
65​


… Ein einziger Punkt mehr, und es wäre zu spät gewesen.

Martins Leben war gerettet – doch der Kampf damit noch keineswegs gewonnen. Zwar stürzten sich die verbliebenen Hexenjäger nun auf das Königspaar, doch dieser Nahkampf wurde das reinste Massaker und dauerte noch volle 8 Spielzüge. Die Hexenjäger waren zu diesem Zeitpunkt noch sieben Mann, doch Carendra und Comran schlachteten sich zu zweit fast durch die gesamte Truppe. Ein Flagellant und zwei Zeloten fielen; Odo wurde von Carendras Sense niedergeschlagen, Helmuth von Comrans Speer zu Boden geschickt (nachdem es ihm allerdings gelungen war, dem Skelettkönig einen seiner zwei Lebenspunkte abzunehmen).

Am Ende war es einer der Flagellanten, der den entscheidenden Treffer landete und das vollbrachte, was die schwer gerüsteten Helden der Hexenjäger nicht geschafft hatten: Er verwundete Comran tödlich. Bei diesem Anblick brach Carendra in ein Hassgeheul aus, das einer Banshee zur Ehre gereicht hätte. Eben noch hatte sie den armen Odo ausgeschaltet; nun stürzte sie sich auf Ansgar und den Flagellanten – die letzten beiden Modelle der Hexenjäger, die noch standen.

20250504_184827.webp


Doch der Zorn machte sie blind, und obwohl sie (dank Sonderregel Hass) ihren Trefferwurf wiederholen durfte, schaffte sie es nicht, den Inquisitor zu verwunden. Dieser feuerte seine Pistole ab (was man auch in der ersten Runde eines Nahkampfs tun darf) – traf, - verwundete – und warf Carendra zu Boden, da sie ihren 4+ Rettungswurf verpatzte. Nun war nur noch der Flagellant nötig, der mit seinem Flegel nachsetzte und der untoten Königin den Brustkorb zerschmetterte.

Das Ende: Nur Ansgar und der Flagellant standen noch – und Martin, der von seinen Ketten befreit wurde und gerettet war. Nach dem Spiel sollte sich allerdings herausstellen, dass alle ausgeschalteten Hexenjäger bis auf einen noch am Leben waren.
 

Anhänge

  • 20250504_174431 - Kopie.webp
    20250504_174431 - Kopie.webp
    886,9 KB · Aufrufe: 4
Nach dem Kampf


„Dariya?“

Dariya blinzelte und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Sie hatte einen harten Schlag gegen den Schädel bekommen und war am Boden zurückgeblieben, als die Gruppe in den jenseitigen Raum gestürmt war. Ihr Vater hatte sich nur kurz vergewissert, dass sie nicht schwer verletzt war, und seine Männer ungestüm vorangetrieben.

Doch es war nicht Ansgar, der ihr einen Arm unter den Nacken schob und ihr aufhalf. Stattdessen blickte sie in das besorgte Gesicht Helmuths.

„Ist es vorbei?“, fragte sie und stellte fest, dass ihr das Sprechen schwerfiel. Ihr war noch immer schwindlig, und ihre Ohren rauschten.

Helmuth nickte. „Wir haben gesiegt – auch wenn es einen hohen Preis gekostet hat.“

„Einen hohen Preis?“ Dariya erschrak. „Martin…?“

Helmuth verzog den Mund. „Nein, er ist unversehrt. Aber so ziemlich keiner der anderen.“


Er stützte sie beim Gehen, während sie den Gang durchquerten und die Kammer betraten, in der sich der Kampf abgespielt hatte. Dariya blickte erschrocken umher. Fast die gesamte Truppe lag am Boden, auch wenn keiner tödlich verletzt zu sein schien. Die meisten regten sich benommen, hielten sich die verwundeten Stellen oder mühten sich, improvisierte Verbände anzulegen. Odo, der Kenntnisse in der Heilkunde besaß, ging von einem zum anderen und versuchte zu helfen, war jedoch selbst nicht unbeschadet davongekommen. Er hatte eine blutende Platzwunde auf dem kahlen Schädel und hinkte.

Mitten im Raum erhob sich der grünlich schimmernde Monolith. Daneben standen Ansgar und ein einzelner Flagellant, beide scheinbar unverletzt. Und hinter ihnen erhob sich soeben eine Gestalt von einer steinernen Bank. Dariya erkannte den Mann nicht sofort, denn seine Kleider waren zerrissen, und das dunkle Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Erst als er schwankend auf die Füße kam und den Kopf hob, ließ sie Helmuth stehen und eilte drauflos.

„Martin!“ Sie musste sich beherrschen, um ihn nicht in die Arme zu schließen. „Ich hatte solche Angst… geht es dir gut?“

Benommen nickte er. „Es geht schon. Ich hatte auch Angst… um dich. Als die anderen hereinkamen und du nicht bei ihnen warst…“

„Einer dieser Verfluchten hat mich erwischt“, erklärte Dariya. „Draußen auf dem Gang.“ Dann sah sie sich beklommen um. „Wo sind die Untoten? Habt ihr sie in die Flucht geschlagen?“

Der Inquisitor schüttelte grimmig den Kopf. Er trat einen Schritt zur Seite und richtete seine Fackel in eine dunkle Ecke des Raums.

Nun erst sah Dariya, was sich dort befand. Der untote König, noch im Tod von Ehrfurcht gebietender Statur, lag ausgestreckt am Boden. Sein von dünnen Hautresten überspannter Schädel ließ nur noch eine Hälfte des Gesichts erkennen; die andere war zerschmettert worden – offenbar von einer der Stahlkugeln am Flegel des Flagellanten.

Neben ihm lag die Königin. Auch sie hatte der Flegel getroffen und ihren Brustkorb zertrümmert. Unglaublicherweise jedoch war die Wiedergängerin noch immer nicht tot. Ihre schwarzen Augen waren zur Seite gerichtet, und sie hatte eine ihrer Klauenhände nach dem Körper ihres Gefährten ausgestreckt. Die Finger mit den überlangen Nägeln zitterten, tasteten nach den seinen.

„Comran“, stammelte der verzerrte Mund, der zu ihren Lebzeiten schön gewesen sein mochte.

„Es wird Zeit, diese Blasphemie endgültig auszulöschen“, sagte Ansgar und zog sein Schwert. „Hörst du, Hexe? Wenn es nicht genügt, dein Herz zu durchbohren, dann muss eben dein Kopf rollen.“

„Nein, warte!“ Dariya fiel ihrem Vater in den Arm.

Ansgar runzelte die Stirn, ließ seine Tochter aber gewähren, die sich neben der Königin auf die Knie niederließ. Noch immer fühlte Dariya die seltsame Verbindung, die zwischen ihnen entstanden war. Und sie kannte den Namen ihrer Feindin, denn er war in ihrer Vision vorgekommen.

„Carendra?“

Die Angesprochene reagierte nicht. Noch immer hatte sie den Blick ihrem toten Geliebten zugewandt und tastete nach seiner Hand.

„Du musst ihn loslassen“, sagte Dariya mit einer sanften Stimme, die niemand unter diesen Umständen von ihr erwartet hatte. „Er ist tot… seit mehr als zweitausend Jahren. Hörst du? Du kannst ihn nicht zurückbekommen. Lass ihn los.“

Carendra erstarrte. Dann wandte sie ganz langsam den Kopf, und ihre schwarzen Augen flackerten zu Dariya hinauf. Der Hass war aus ihrem Blick verschwunden; stattdessen standen Entsetzen und Fassungslosigkeit darin. Dariya wusste nicht, ob die Untote ihre Worte verstand, sah jedoch ihre Lippen zittern, als wollte sie fragen: Zwei… tausend?

„Der Mann, an dem du dich rächen wolltest – unser Herr Sigmar – wandelt schon lange nicht mehr auf Erden“, sagte Dariya. „Jener Dämon, den du gerufen hast, hat dich ein ganzes Zeitalter verschlafen lassen. Und aufgeweckt hat er dich nur, um seinen Spott mit dir zu treiben. Statt dich mit deinem Geliebten wiederzuvereinen, hat er dir nicht mehr gegeben als die Macht über einen Haufen wandelnder Skelette. Du wurdest betrogen, Carendra. Siehst du das nicht ein?“

Die Augen der Königin verfärbten sich. Für einen Augenblick sah es so aus, als wiche das tiefe Schwarz zurück, und ein helleres Nussbraun träte an seine Stelle wie der Widerschein einer einstmals menschlichen Iris.

„Geh jetzt“, sagte Dariya, noch immer sanft. „Und wo immer die Götter dich hinführen… bleib dort und kehre nicht zurück.“

Carendras Augen schlossen sich, und unter den Lidern schimmerte ein leichter Film wie von Tränen. Dann kam ein langer, tiefer Seufzer von ihren Lippen, und ihre Züge erstarrten.

Einen Moment verharrte Dariya in stummer Andacht, ergriffen von der Verwandlung, deren Zeugin sie geworden war. Es schien, dass die Untote letztlich doch ihren Frieden gefunden hatte. Dann stand sie auf und nickte ihrem Vater zu. Ansgar trat heran und hob sein Schwert, um den Kopf der Königin vom Rumpf zu trennen.

„Nur zur Sicherheit“, raunte er seiner Tochter zu, die die Augen schloss und den Kopf wegdrehte, als die Klinge niederfuhr.

Dann ging Ansgar zu dem Monolithen und zückte die Phiole mit geweihtem Wasser. Ohne den Stein zu berühren, goss er das Wasser über seine Oberfläche. Es gab ein seltsames, zischendes Geräusch, als wäre die Flüssigkeit auf glühendes Eisen getroffen. Dann fuhren alle erschrocken auf, denn es krachte, als ein Riss quer durch den Stein ging und ihn von oben nach unten spaltete.

„Ich hoffe, dass das genügt“, sagte Ansgar. „Wenn wir draußen sind, werden wir den Eingang zu diesem Hügel zuschütten, damit dieses ketzerische Artefakt endgültig unschädlich gemacht ist.“

„Verschütten, Herr?“, fragte der Flagellant. „Wie das?“

„Wir haben ein Fässchen mit Schießpulver auf dem Wagen“, sagte Ansgar. „Ich opfere es gerne, um den Zugang zu dieser Unheilsstätte zu versiegeln. Und dann nichts wie fort aus diesen verfluchten Hügeln! Es wird Zeit, dass wir die Heimreise antreten.“
 
Nach dem Spiel

Dieses Spiel hat für uns wirklich den Vogel abgeschossen, denn es war bis zur letzten Sekunde extrem spannend und derartig knapp, wie man es sich überhaupt nur wünschen konnte, wenn man eine gute Geschichte haben will. Noch einmal: Wir haben ehrlich nicht getrickst und die Sache künstlich dramatischer gemacht, sondern wirklich die Würfel entscheiden lassen. Bei diversen Würfen wurde aufgestöhnt oder gejubelt, weil so viel auf dem Spiel stand.

Ergebnis: Spektakulärer Sieg der Hexenjäger trotz horrender Verluste. Carendras Verfluchte waren vollständig vernichtet worden, und wir entschieden, dass sie auch nicht mehr wiederkommen würden.

Bei den Würfen für Schwere Verletzungen nach dem Spiel hatte ich – im Gegensatz zum letzten Mal – großes Glück (Meines Erachtens eine angemessene Belohnung für den Kraftakt, bei dem ich 8 von 11 Modellen verloren hatte!). Sowohl Dariya als auch Helmuth und Odo erholten sich vollständig, und von allen ausgeschalteten Modellen starb am Ende nur ein einzelner Zelot. Die Bande bleibt daher mit 10 Modellen erstaunlich intakt.

Auch die Steigerungen liefen gut. Ansgar erhielt +1 Lebenspunkt – perfekt für einen Anführer - ; Dariya erlernte den 5+ Rettungswurf im Nahkampf, und Helmuth durfte sein BF auf 4 steigern und eine Armbrust bekommen.

Tja, was soll ich sagen… ein angemessenes Ende. Allerdings denken wir bereits über einen 3. Akt nach. 😉 Die Geschichte muss offenbar eine Trilogie werden, denn mein unermüdlicher Spielgegner sprüht schon wieder vor Ideen.
 
09uoijlkk.webp


Dariya von Hornbergs Reisetagebuch

Wir sind zurück – Sigmar sei Dank! Gestern sind wir wieder in Leicheberg eingetroffen, wo wir vor vier Wochen aufgebrochen waren. Letztlich war es gar nicht so schwer, aus der nebligen Hügellandschaft herauszufinden. Nachdem wir den Grabhügel versiegelt hatten, schien es, dass eine Art Bann von uns genommen war, und auch der Himmel klarte ein wenig auf. Erstmals seit Tagen konnten wir die Sonne sehen, auch wenn sie fahl und blass war. Das genügte unserem findigen Helmuth, um die Richtung zu bestimmen, die er für die westliche hielt. Er enttäuschte uns nicht, denn tatsächlich stießen wir nach einigen Stunden wieder auf die Straße, die wir einst so unfreiwillig verlassen hatten.

Gestern Abend haben wir die Stadt erreicht – und wurden von den Bewohnern zuerst mit ungläubiger Überraschung und schließlich mit einem regelrechten Festzug empfangen. Die ganze Stadtbevölkerung war auf den Straßen und jubelte uns zu. Offenbar hat man nicht damit gerechnet, uns jemals lebend wiederzusehen, und zudem sprach sich schnell herum, dass wir sylvanische Landsleute aus einem Dorf in den Wäldern gerettet hatten. Ich glaube, dass selten ein Inquisitor bei seinem Einzug in eine Stadt so freudig empfangen wurde. Normalerweise haben die Leute finstere Mienen und meiden den Kontakt mit uns, weil jeder eine peinliche Befragung fürchtet. Diesmal aber erschien sogar der Bürgermeister, um von unseren Erfolgen zu hören und meinen Vater zu beglückwünschen.

Da es in der Stadt nur eine einzige, heruntergekommene Herberge gibt, mussten wir dort übernachten. Man gibt sich aber alle Mühe, uns den Aufenthalt angenehm zu machen. Der Wirt sorgt für gutes Essen und überlässt uns seine besten Zimmer. Zwar sind sie nicht mit den gemütlichen Stuben stirländischen Gasthäuser zu vergleichen; dennoch habe ich tief und erholsam geschlafen – kein Wunder, seit Wochen erstmals wieder in einem richtigen Bett!

Im Übrigen geht es mir besser als den meisten unserer Kameraden. Fast alle haben Verletzungen, und der gute Odo hat alle Hände voll zu tun, sich um sie zu kümmern. Der Bürgermeister hat uns außerdem den Stadtarzt gesandt, der eigentlich eher ein Bader ist – und übrigens derselbe, zu dem wir seinerzeit unseren alten Mitkämpfer Zacharias geschickt hatten. Wir werden ihn morgen besuchen, denn der Bader sagt, dass es ihm schon viel besser geht.

Wenn alles gut läuft und niemand von Wundbrand oder ähnlichen Beschwernissen befallen wird, werden wir noch eine Nacht bleiben und dann die Heimreise antreten. Ach, ich kann es kaum erwarten, mein geliebtes Stirland wiederzusehen! Allerdings scheint der Bürgermeister noch ein Anliegen zu haben, denn er hat meinen Vater für heute Nachmittag zu einem Gespräch gebeten. Ich soll auch dabei sein und bin gespannt, worum es geht. Hoffentlich will er nicht irgendwelche Mitbürger der Ketzerei anklagen – so ziemlich der einzige Grund, weshalb ein Bürgermeister gewöhnlich einen Inquisitor zu sprechen wünscht. Was mich betrifft: Ich habe von Kampf und Schrecken erst einmal genug und würde es begrüßen, wenn nicht noch weitere Verwicklungen unsere Abreise verzögern würden.

Wie gern würde ich mich einmal den schöneren Dingen des Lebens widmen… Ich wage nicht, in diesem Zusammenhang deutlicher zu werden, nicht einmal dir gegenüber, liebes Tagebuch. Aber ich will erwähnen, dass ich gestern Abend noch ein längeres Gespräch mit Martin hatte. Er kam auf die untote Königin zu sprechen und drückte seine Bewunderung aus, wie sanft ich zuletzt zu ihr gesprochen hätte. Ich konnte ihm das im Grunde genauso wenig erklären wie mir selbst. Irgendwie hatte ich gespürt, dass diese Frau nicht von Anfang an böse gewesen war, sondern dass ihre Verzweiflung und die Liebe zu ihrem König sie auf einen unheilvollen Weg gelenkt hatten.

An diesem Punkt fragte Martin, ob denn Liebe überhaupt zu etwas Bösem führen könne, und ob es nicht vielmehr ihre Unfähigkeit gewesen sei, sich mit dem Tod abzufinden. Eine kluge Bemerkung, die ich einem jungen Mann aus einem sylvanischen Bauerndorf kaum zugetraut hätte. Ich erwiderte - wie ich es gelernt hatte - dass Liebe durchaus gefährlich sein könne, wenn sie den falschen Menschen oder gar den falschen Göttern gelte. Martin widersprach und meinte, wenn ich so reden könne, dann sei ich wohl noch nie richtig verliebt gewesen – oder?

Ich traute mich nicht zu antworten. Ich befürchte sogar, dass ich wegsah und ein wenig rot wurde. Warum diese Verlegenheit? Liegt es daran, dass ich mir über meine eigenen Gefühle nicht im Klaren bin? Vielleicht. Ich bin eine treue Dienerin der Kirche, und irgendwie habe ich nie damit gerechnet, dass so etwas wie Liebe in meinem Leben vorkommen könnte. Nie hätte ich gedacht, dass die Beherrschung von Gefühlen ähnlich schwer sein könnte wie der Kampf gegen Geister und Dämonen. Frevle ich an meiner Berufung, wenn mein Herz nicht mehr ausschließlich meinem Herrn Sigmar gehört? Oder ist Platz darin für mehr? Ich gestehe es ein: Ich bin verwirrt…
 
Zuletzt bearbeitet:
Besuch beim Bürgermeister

Gruppe.webp


Der Bürgermeister - ein kleiner und etwas korpulenter, doch sehr höflicher Mann - empfing den Inquisitor in seiner Amtsstube, begleitet von Helmuth, Dariya und Martin. Er bot seinen Gästen Wein an und war sichtlich bemüht, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Dariya fand sein Verhalten fast ein wenig zu beflissen. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein städtischer Beamter sich den Bevollmächtigten der Kirche gegenüber unterwürfig zeigte, doch dieser Mann überschlug sich geradezu vor Eilfertigkeit.

„Warum habt Ihr mich zu Euch gerufen?“, fragte Ansgar, der offenbar den gleichen Eindruck hatte. „Als wir vor vier Wochen hier ankamen, habt Ihr uns nicht einmal begrüßt, geschweige denn in Euer Haus eingeladen.“

Der Bürgermeister nickte schuldbewusst. „Ich bitte Euch um Verzeihung“, sagte er, „doch Ihr müsst verstehen, dass ich… nun ja… seinerzeit ein wenig besorgt war. Die Ankunft eines Inquisitors in einer Stadt ist selten ein Anlass zur Freude. Viele meiner Mitbürger befürchteten, es würde eine Untersuchung geben: Denunziationen, Verhöre, Anklagen…“

„Gibt es denn etwas in Eurer Stadt, das eine Anklage rechtfertigen würde?“, fragte Ansgar misstrauisch.

„Keineswegs!“, beeilte sich der kleine Mann zu versichern. „Aber sicher wisst Ihr, dass manche Eurer Amtskollegen stets irgendetwas anzuklagen finden. Kurz: Alle hatten Angst. Doch statt hier in der Stadt Untersuchungen anzustellen, seid ihr fortgezogen, und nun kehrt ihr nach einer ganzen Reihe wahrer Heldentaten zurück. Wir erwarteten kaum, Euch lebend wiederzusehen, und erst recht nicht mit derartigen Erfolgen. Stimmt es, was die Leute sagen, dass Ihr einen leibhaftigen Vampir besiegt habt?“

„In der Tat“, bestätigte Ansgar. „Und einige der armen Leute, die unter seinem Schatten lebten, haben sich unseren Reihen angeschlossen.“ Er wies auf Martin und Odo.

„Eben deshalb habe ich Euch rufen lassen“, sagte der Bürgermeister. „Ich sehe wohl, dass Ihr… wenn ich so sagen darf… eine besondere Art von Inquisitor seid. Bitte vergebt mir und meinen Bürgern unser anfängliches Misstrauen. Dass Ihr Euren Edelmut so eindrucksvoll bewiesen habt, ermutigt mich, mit einem… ähm… Problem an Euch heranzutreten, dass ich vormals nicht zu erwähnen wagte.“

Ansgar verschränkte die Arme und blickte ihn erwartungsvoll an.

„Sicher wisst Ihr über Ghoule bescheid“, vermutete der Bürgermeister.

„Natürlich! Leichenfresser. Nachkommen blasphemischer Menschen, die sich am Fleisch der Toten vergriffen. Ist das Euer Problem?“

„Diese Plage ist in Sylvania leider weit verbreitet“, sagte der Bürgermeister. „Dies ist ein armes Land. Es regnet das halbe Jahr über; die Böden sind karg, und die verschlammten Felder bringen wenig Frucht. An vielen Orten gibt es Hungersnöte. Ist es da ein Wunder, dass manche Menschen in ihrer Verzweiflung…“

„Lieber sollten sie verhungern, als sich der Ketzerei des Leichenfraßes hinzugeben!“, beschied Ansgar streng.

„Gewiss, gewiss“, stimmte der Bürgermeister eilig zu. „Und ich versichere Euch, dass so etwas in meiner Stadt nie vorgekommen ist, seit ich dieses Amt verwalte. Unser Stadtfriedhof jedoch wird schon seit Menschengedenken von Ghoulen heimgesucht. Wir glauben, dass sie sich zur Zeit der schrecklichen Vampirkriege dort eingenistet haben. Wie Ihr sicher wisst, wurden damals alle Priester des Morr aus dem Land vertrieben, sodass niemand mehr über die Toten wachte. Seidem wurde mehrmals versucht, die Leichenfresser auszurotten, doch es ist nie gelungen. Der Friedhof, müsst Ihr wissen, liegt ein gutes Stück außerhalb der Stadt und ist sehr groß, da er vor Jahrhunderten zu Zeiten der Schwarzen Pest angelegt wurde. Es gibt dort weitläufige Katakomben, und die Männer, die zu ihrer Säuberung ausgesandt wurden, kehrten nie zurück. Mein Vorgänger schickte sogar ein Petitionsschreiben an den Grafen von Waldenhof und bat um Truppen, um des Übels Herr zu werden. Doch erhielt er, wie ich leider sagen muss, nie eine Antwort.“

Ansgar nickte düster. „Das erstaunt mich nicht. Der Graf von Waldenhof ist zwar offiziell Verwalter von Sylvania, doch es ist bekannt, dass er seinem Amt wenig Ehre macht. Er sitzt bequem in seiner Burg nördlich des Stir und ist froh, wenn er das Land nicht betreten muss.“

„Eben deshalb mussten wir lernen, uns mit der Lage abzufinden“, fuhr der Bürgermeister fort. „Mittlerweile hält sich niemand mehr länger als ein paar Minuten auf dem Friedhof auf, und erst recht ist keiner bereit, die Aufgaben eines Totengräbers zu übernehmen. Man schafft die Leichen zwar dorthin, bedeckt sie aber nur symbolisch mit ein wenig Erde und macht sich dann so schnell wie möglich wieder davon.“

Ansgar runzelte die Brauen. „Wollt Ihr sagen, dass die Toten nicht einmal ordentlich begraben werden? Dass Ihr sie den Ghoulen freiwillig zum Fraß überlasst?“

Der Bürgermeister ließ den Kopf hängen. „Es ist schrecklich, ich weiß. Doch niemand lässt sich bewegen, länger als nötig auf dem Friedhof zu verweilen, nicht für alles Gold in der Stadtkasse.“

„Ihr füttert diese Ungeheuer also!“, stellte Ansgar fest und legte die Hand auf eine der Pistolen an seinem Gürtel. „Das ist Ketzerei! Sagt mir, was mich hindern sollte, Euch dafür zur Rechenschaft zu ziehen.“

„Bitte, Herr Inquisitor!“, flehte der kleine Mann, „lasst mich erklären! Bereits zu Zeiten meines Vorgängers wurde der Versuch gemacht, die Toten andernorts zu bestatten oder sie zu verbrennen. Man hoffte, die Leichenfresser damit auszuhungern. Doch es erwies sich als verhängnisvoll.“

„Inwiefern?“ Der Inquisitor begann, unruhig auf und ab zu gehen, wobei er den Bürgermeister scharf im Auge behielt. „Sprecht!“

„Die Ghoule begannen, in die Stadt einzudringen“, erklärte der Verhörte, der sich vor Unbehagen und Schuldbewusstsein noch kleiner machte, als er ohnehin schon war. „Als sie keine Leichen mehr bekamen, gingen sie dazu über, Vieh von den Weiden zu stehlen und in Ställe einzudringen, um Ziegen und Schafe zu rauben. Doch es kam noch schlimmer. Ghoule sind zwar feige, doch auch findig; ganz ähnlich wie Ratten. Sie fanden Wege in die Häuser: durch offene Fenster, Kamine oder gar durch Abortgruben. Sie verschleppten wehrlose Kinder, stahlen Säuglinge aus ihren Wiegen! Binnen Kurzem war die ganze Stadt in Aufruhr. Eine Abordnung der Bürger erschien bei meinem Vorgänger und verlangte, man solle um Sigmars Willen zu der früheren Bestattungspraxis zurückkehren. Lieber sollten die Ghoule wieder die Toten fressen, statt sich an lebenden Kindern zu vergreifen. Was hätte mein Vorgänger anderes tun sollen, als dem begreiflichen Anliegen der Menschen stattzugeben? Mehrere Mütter fielen vor ihm auf die Knie und flehten unter Tränen, dieses Grauen zu beenden.“

„Und seitdem fahrt Ihr fort, Eure Toten diesen Bestien zum Fraß vorzuwerfen?“

„So entsetzlich es ist – wir sahen keine andere Möglichkeit“, gestand der Bürgermeister. „Wir haben uns notgedrungen damit abgefunden, dass unseren Leibern die Totenruhe verwehrt ist. Jeder in dieser Stadt weiß, welch schreckliches Schicksal sein Fleisch erwartet, wenn der Geist daraus entflohen ist.“

„Nun verstehe ich, warum Ihr mir all das nicht schon bei meiner Ankunft eröffnet habt“, sagte Ansgar mit finsterer Miene. „Zu recht hättet Ihr befürchten müssen, dass man Euch für diesen Frevel den Prozess macht.“

„Bitte versteht mich doch! Eben Euretwegen haben wir wieder Hoffnung, zum ersten Mal seit Generationen! Ihr habt bewiesen, dass Eure wahre Berufung darin liegt, die Quellen des Bösen zu bekämpfen, statt nur möglichst viele Menschen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Ihr könntet diese Stadt retten! Richtet mich, wenn Ihr wollt – doch was würde es nützen? Die Plage würde weiter bestehen; selbst wenn ihr diese ganze Stadt niederbrennen und alle Bürger töten würdet.“

Ansgar kämpfte sichtlich mit seinem Zorn. Noch immer hatte er eine Hand auf den Knauf seiner Pistole gelegt. Es war Dariya, die ihrem Vater unvermutet in den Arm fiel.

„Er hat recht“, sagte sie. „Die Leute haben aus Verzweiflung gehandelt, nicht aus bösem Willen. Wir sollten Ihnen helfen, meinst du nicht?“

„Vermutlich wäre es nicht einmal schwer“, unterstützte sie Helmuth. „Verglichen mit dem, was wir bereits geschafft haben, wäre ein Häuflein Ghoule doch ein Kinderspiel. Solche Kreaturen sind vernunftlose Bestien und tragen nicht einmal Waffen.“

„Ich danke Euch für Eure Fürsprache, edle Jungfer“, sagte der Bürgermeister mit einem demütigen Aufblick zu Dariya. „Doch ich fürchte, dass Euer Kampfgefährte im Irrtum ist. Die Aktivitäten dieser Ghoule lassen vermuten, dass es viele sind… sehr viele… und dass sie kühner und gerissener sind, als diese Kreaturen gewöhnlich zu sein pflegen.“

„Kein Wunder nach Jahrzehnten der Fütterung“, knurrte Ansgar. „Aber ich sehe ein, dass dieses Problem nicht mit dem Scheiterhaufen gelöst werden kann. - Also gut. Wir werden uns der Sache annehmen und Eurem Friedhof einen Besuch abstatten.“

„Ich danke Euch, Herr!“, seufzte der Bürgermeister erleichtert. Offenbar hatte er schon halb und halb mit der sofortigen Verhaftung gerechnet. „Ihr könnt gar nicht ermessen, zu welchem Dank Ihr mich und jeden Bürger dieser Stadt damit verpflichtet! Selbstverständlich könnt Ihr auch weiterhin unentgeltlich in unserem Gasthaus wohnen. Ich werde den Wirt anweisen, Euch mit allem zu versorgen, was Ihr braucht. Ihr sollt das beste Essen bekommen, und der Stadtarzt wird Euch jederzeit zur Verfügung stehen. Auch kann ich Eure Mühen aus der Stadtkasse entschädigen – es ist zwar nicht viel Gold vorhanden, doch wäre ich bereit, alles herzugeben.“

Ansgar winkte ab. „Ein Inquisitor nimmt keine Belohnungen an. Wir tun, was getan werden muss, und wenn es fromme Taten zu vergelten gibt, wird Herr Sigmar für den Lohn sorgen. Wenn Ihr etwas für uns tun wollt, dann macht unsere Absicht in der Stadt bekannt! Vielleicht finden sich ein paar Freiwillige, die den Mut aufbringen, unsere Reihen zu verstärken.“

„Ich werde alles dafür tun“, versicherte der Bürgermeister. „Und lasst mich wissen, wenn ich Euch die Aufgabe noch auf andere Weise erleichtern kann. Jeder Eurer Wünsche wird mir ein Befehl sein.“

Ansgar nickte nur knapp, winkte den Seinen und wandte sich zum Gehen.


* * *


„Es scheint wohl, dass wir noch ein wenig bleiben müssen“, sagte er, als sie das Haus verließen und auf die Straße hinaustraten.

„Nicht allzu lange, denke ich“, sagte Helmuth und klopfte auf das Blatt seiner großen Zweihandaxt. „Mit Ghoulen haben wir es doch schon öfter aufgenommen. Das wird kaum schwerer werden als eine Hasenjagd.“

„Der Bürgermeister scheint es anders zu sehen“, gab Dariya zu bedenken. „Wenn diese Ghoule tatsächlich den Mut haben, in bewohnte Häuser einzudringen, müssen sie ungewöhnlich dreist und stark sein.“

„Wahrscheinlich nur, weil ihnen niemand ernsthaften Widerstand entgegengesetzt hat“, meinte Helmuth zuversichtlich. „Wir sind keine verängstigten Stadtbürger, sondern erfahrene Kämpfer. Ich wette, dass wir das Problem in ein oder zwei Tagen beseitigt haben.“

„Dein Wort in Sigmars Ohr. Wie sollen wir vorgehen?“

„Ghoule verbergen sich gewöhnlich gut“, überlegte Ansgar. „Der Bürgermeister sprach von ausgedehnten Katakomben. Wahrscheinlich haben sie irgendwo dort drinnen ihren Unterschlupf. Aber wir könnten sie herauslocken. Angenommen, wir legen einen Toten auf dem Friedhof ab, wie es hier Brauch ist - natürlich nur einen scheinbaren Toten, der in Wahrheit höchst lebendig ist und seine Waffen griffbereit hat.“

„Ein Lockvogel?“ Helmuth grinste. „Gute Idee! Ich erbiete mich freiwillig, den Scheintoten zu spielen. Und wenn sie kommen, machen wir sie allesamt nieder. Wann soll es losgehen?“

„Heute abend nach Sonnenuntergang“, entschied der Inquisitor. „Ruht Euch noch ein wenig aus. Wir ziehen los, sobald der Nachtwächter seine Glocke geläutet hat.“
 
Zuletzt bearbeitet:
Juhuu, was für ein Finale von Akt 2 und schon der Auftakt zum Dritten.
Erstmal klingt es relativ unspektakulär, aber vermutlich stellt sich der gute Helmuth das Ganze tatsächlich zu einfach vor 😁 👌
Auf jeden Fall. 😄 Mein Gegner hat wieder mal weitreichende Pläne.
 
Kampagne #3: Der Hof der Schädel
Spiel 1


Der Vollmond stand am Nachthimmel über Sylvania und sprenkelte das weitläufige Friedhofsgelände mit silbrigen Flecken. Hexenjäger Helmuth lag reglos auf einer Grabplatte, heimlich grinsend über den Hinterhalt, in dem er die Hauptrolle zu spielen gedachte. Er konnte es kaum erwarten, dass die ersten Gegner sich zeigten. Seine Axt lag neben ihm, getarnt durch eine dünne Schicht aus Erde. Die übrigen Hexenjäger hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt und hinter einer kleinen Kapelle auf die Lauer gelegt.

Es dauerte länger als eine Stunde, bis sich Bewegung im Dunkeln ankündigte: Huschende Schatten, tappende nackte Füße. Sie kamen – hungrige Aasfresser, angezogen von der Aussicht auf wehrlose Beute.

20250516_203110.webp


„Jetzt!“, rief Helmuth, als die Ghoule sich auf Steinwurfweite genähert hatten, sprang auf und griff nach seiner Axt. Auch Ansgar stürmte mit seinen Getreuen vor, und Dariya ließ ihren ersten Armbrustbolzen schwirren.

20250516_203434.webp


Die überraschten Ghoule, eben noch eines Festmahls gewärtig, sahen sich einer Front aus kampfbereiten Kriegern gegenüber. Statt jedoch zurückzuweichen, wie es diese feigen Kreaturen gewöhnlich bei ernsthaftem Widerstand taten, gingen sie fauchend und kreischend zum Angriff über. Drei von ihnen stürzten sich auf Helmuth, zwei weitere auf Ansgar, die restlichen auf die Zeloten und Flagellanten.

20250516_204357.webp


Zuerst sah es nach einem einfachen Kampf aus, denn mehrere Ghoule gingen zu Boden. Ihr schrilles Geschrei jedoch alarmierte eine Unterstützung, mit der die Hexenjäger nicht gerechnet hatten: Weitere Ghoule brachen aus der Dunkelheit hervor, doch sie waren größer und kaum noch menschenähnlich: gebückt laufende Ghasts mit mörderisch langen Krallen und Stacheln auf dem Rücken. Drei von ihnen trugen sogar – unglaublicherweise – mächtige Zweihandäxte.

20250516_203136.webp


20250516_205658.webp


Als sie gerade den Kampfplatz erreichten, stieß auch noch ein übermenschlich großes Monstrum zu ihnen, ein wahrer Riese, dessen unförmiger Leib mit Stacheln und Beulen übersät war.

20250516_203630.webp


„Seit wann tragen diese Biester Waffen?“, schrie Helmuth, der soeben einen der kleineren Ghoule glatt enthauptete. Weiter kam er nicht, denn zwei der geifernden Unholde warfen sich auf ihn und rangen ihn zu Boden. Im selben Moment traf die riesige Monstrosität auf einen der Flagellanten, wischte dessen Flegel glatt beiseite und schleuderte ihn mit einem Hieb seiner gekrümmten Klaue zu Boden. Auch ein Zelot wurde schreiend niedergerungen, und sofort machten sich die Leichenfresser daran, den Unglücklichen mit Zähnen und Klauen zu zerreißen.

20250516_205950.webp


Mittlerweile waren die Hexenjäger umzingelt worden, und vier von ihnen – darunter Helmuth – lagen am Boden. Ansgar wandte sich dem Riesenmonster zu und feuerte seine Pistole ab, doch das Wesen quittierte die Schusswunde nur mit einem wütenden Grunzen. Zwei Ghoule mit Äxten drangen auf Dariya ein, die sich nur dank ihrer Gewandtheit vor den Schlägen retten konnte, und ein weiterer Zelot wurde von den hungrigen Scheusalen niedergestreckt.

„Rückzug!“, schrie Ansgar und packte Helmuth am Kragen, um ihn auf die Füße zu ziehen. Die Hexenjäger wandten sich um und ergriffen die Flucht.

20250516_210226.webp


Ergebnis: Sieg der Ghoule.

Womit hatten die Hexenjäger es eigentlich zu tun? Das soll erst im Folgenden aufgedeckt werden.
 

Anhänge

  • 20250516_203630.webp
    20250516_203630.webp
    541,3 KB · Aufrufe: 5
Bandenliste: Hof der Schädel

Um eine Ghoul-Bande als neue Gegner der Hexenjäger aufzustellen, haben wir einige der üblichen Mordheim-Regeln geändert. Das Problem: Die Hexenjäger haben bereits viele gute Steigerungen und fortgeschrittene Ausrüstung; gewöhnliche Ghoule wären daher keine adäquaten Gegner. Unsere Lösung beinhaltet folgende Besonderheiten:

Für die Ghoul-Bande ist die übliche Beschränkung auf 15 Modelle aufgehoben. Sie dürfen beliebig viele Modelle aufstellen, solange sie mit den vorhandenen Punkten bezahlt werden können. Im ersten Spiel brachten sie es bereits auf 20 Modelle (zum Vergleich: die Hexenjäger hatten 12).

Zudem dürfte bereits klar geworden sein, dass es hier nicht bloß um ein paar degenerierte Leichenfresser geht. Der Hintergrund soll vorläufig noch nicht aufgedeckt werden, doch das Auftreten von bewaffneten Ghoul-Kriegern, Ghoul-Hauptleuten und Gruftschrecken lässt Böses ahnen. Bestimmte Modelle sind bisher noch gar nicht aufgetreten. Wir halten sie in Reserve für spätere Spiele.

Die bisherige Liste sieht folgendermaßen aus:

20250516_041241.webp





B

KG

BF

S

W

LP

I

A

MW

Held, 100 Punkte, zähe Haut (=4+ Rüstung)
Ghoul-Hauptmann Urgar
5

4

3

4

3

2

3

2

8

20250516_040628.webp






BKGBFSWLPIAMWHelden, je 40 Punkte, zähe Haut (=5+ Rüstung), Zweihandwaffen (im Preis inbegriffen)
3 Ghoul-Helden

443331318


20250516_041138.webp






BKGBFSWLPIAMWHeld, 75 Punkte, zähe Haut (=5+ Rüstung)
1 Gruftschrecken

633443327


20250516_040342.webp







B

KG

BF

S

W

LP

I

A

MW

Gefolgsleute, je 20 Punkte, zähe Haut (6+ Rüstung), keine Ausrüstung

5 Ghasts

4

3

3

3

3

1

3

2

7

20250516_041520.webp






BKGBFSWLPIAMWGefolgsleute, je 10 Punkte, keine Ausrüstung
10 Gewöhnliche Ghoule

422331316


Punkte: 495 Modelle: 20

Weitere böse Überraschungen sind sicher. Drei Heldenmodelle erscheinen erst später und sind hier noch gar nicht aufgeführt.
 
Nach dem Kampf

„Bei Sigmar, was war das?“, keuchte Helmuth, als die Hexenjäger sich weit genug vom Friedhof entfernt hatten. Er ließ sich mit dem Rücken gegen einen Baum sinken und inspizierte eine Fleischwunde an seinem Oberschenkel. Sie rührte von Krallen her, deren einzelne Striemen deutlich zu erkennen waren.

„Jedenfalls mehr als ein gewöhnliches Rudel“, sagte Dariya, die bis auf ein paar oberflächliche Kratzer unverletzt geblieben war. „Mehrere von ihnen trugen Waffen und sogar ein paar Rüstungsteile. So etwas habe ich noch nie gesehen. – Du etwa?“, wandte sie sich an ihren Vater.

Ansgar antwortete nicht sofort. Er wartete, bis die Gruppe sich gesammelt hatte, und zählte die Köpfe. „Wer fehlt?“

„Zwei der Zeloten“, meldete Martin, der zusammen mit Odo den Rückzug gedeckt hatte. „Einen haben diese Unholde an Ort und Stelle gefressen. Der andere wurde lebend davongeschleift.“

„Können wir ihn retten?“, fragte Odo.

Der Inquisitor schüttelte den Kopf. „Er ist verloren. Diese hungrigen Bestien werden nicht lange fackeln. Schließlich haben sie ihre übliche Fütterung erwartet.“

„Was tun wir jetzt? Sie sind uns an Zahl weit überlegen, und in den Katakomben könnten noch viel mehr von ihnen lauern. Diesmal sind wir davongekommen, aber ein weiterer Versuch könnte verheerend für uns sein.“

„Wir brauchen mehr Männer“, stimmte der Inquisitor zu. „Ich werde mit dem Bürgermeister sprechen. Er soll Freiwillige anwerben – und wenn sich niemand findet, der den nötigen Mut aufbringt, soll er den Leuten Gold aus der Stadtkasse bieten. Außerdem brauchen wir einen besseren Angriffsplan. Wir haben uns überrumpeln lassen, und das darf uns nicht wieder passieren.“

„Habt ihr dieses Monstrum gesehen?“, fragte Martin, der einen Schauder unterdrückte. „Dieses Biest, das aussah wie eine Kreuzung zwischen einem Ghoul und einem Oger?“

Ansgar nickte. „Ein Gruftschrecken. Von so etwas hatte ich bisher nur gelesen. Ich dachte, solche Geschöpfe wären der Fantasie eines Verrückten entsprungen - aber es scheint, dass mein Wissen nicht vollständig war. Wie gern hätte ich jetzt das Buch hier…“

„Was für ein Buch?“, fragte Dariya.

„Ein sehr altes Buch“, sagte Ansgar, „aus der Zeit der Vampirkriege. Es stammt von einem damaligen Inquisitor namens Konrad von Heerhauf: Von den Leychenfressern und ihrem verderblichen Treyben. Soweit ich weiß, ist es die einzige systematische Abhandlung über Ghoule, die es überhaupt gibt. Das Buch fiel mir vor Jahren mehr zufällig in die Hände, und leider habe ich es wohl nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit gelesen. Das lag vor allem daran, dass der Autor von seinen Fachkollegen für verrückt erklärt und nicht ernst genommen wurde.“

„Was schrieb er denn? Woran erinnerst du dich?“

„Er behauptete, dass Ghoul-Kolonien, wenn sie eine gewisse Größe erreichen, einen höheren Organisationsgrad annehmen“, memorierte Ansgar. „Es soll dann eine Art Arbeitsteilung geben, ähnlich wie in einem Ameisenhaufen: Kleinere und geschicktere Individuen übernehmen die Nahrungssuche; größere und stärkere werden zu Kriegerbestien herangefüttert. Heerhauf spekulierte auch darüber, dass es in solchen Kolonien etwas Ähnliches wie eine Ameisenkönigin geben könnte: eine Herrscher-Bestie, der das Ganze koordiniert. Ob es sich dabei um eine besondere Art von Ghoul oder um ein Wesen von ganz anderer Natur handelt, konnte er nicht sagen. Aber er breitete alte Volkssagen aus… über sogenannte Ghoul-Könige, und über ihre Abkunft aus einem vergessenen Reich im Süden namens Strigos.“

„Das wird uns nicht weiterhelfen“, meinte Helmuth resigniert. „Es sind Spekulationen, nicht mehr. Wenn wir herausfinden wollen, womit wir es zu tun haben, müssen wir wahrscheinlich in die Katakomben eindringen… und das am besten mit einer ganzen Armee.“

Ansgar nickte. „Ich muss schnellstmöglich mit dem Bürgermeister reden. Erst einmal ziehen wir uns in die Stadt zurück und versorgen unsere Verwundeten. Morgen sehen wir weiter.“


* * *


[Anmerkung: Offenbar haben wir unterschätzt, wie stark sich die zahlenmäßige Überlegenheit der Ghoule im Spiel auswirkt. Wir sind deshalb übereingekommen, dass auch für die Hexenjäger die Beschränkung auf 15 Modelle aufgehoben wird, was bedeutet, dass sie unter den Stadtbewohnern weitere Zeloten anwerben dürfen. Sie werden trotzdem in der Unterzahl bleiben, da die Ghoul-Bande viel billigere Modelle hat.]
 
ai-generated-9491113_960_720.webp


Prinz Nefsokar saß auf seinem Thron aus geschliffenem Alabaster und lauschte wohlgefällig den Klängen der Leier. Das fünfsaitige Instrument wurde von einer seiner Hofdamen gespielt, einem blutjungen Ding, das mit glockenheller Stimme dazu sang. Bei dem Lied handelte es sich - natürlich – um eine Hymne auf seine allerhöchste Person.

In seiner Pracht und Schönheit engelsgleich,
Mit allen edlen Gaben seines Standes,
So thront der Herr von Mourkain, gnadenreich,
Zum Segen seines Hofs wie seines Landes.
Er herrschet hier im fürstlichen Gefilde,
Das Haupt geweiht mit königlichem Öl,
Sein weitsehendes Auge blickt so milde,
Sein Mund spricht Weisheit ohne Trug und Fehl.


Wahrhaftig, dachte Nefsokar: Die Worte waren schmeichelhaft und doch nicht übertrieben. Wenn es je einen edlen Herrscher gegeben hatte, dann ihn. Edel war nicht nur sein noch immer jugendliches Antlitz, das schon im alten Khemri als Inbegriff der Schönheit gepriesen worden war, sondern auch sein stattlicher Hof. Zu seinen Füßen lag Kufati, seine zahme Löwin und Leibwächterin. Zur linken des Throns stand ein reich verzierter Tisch mit einer Weinkaraffe und einem Kelch aus purem Gold, zur rechten ein dunkelhäutiger Diener, der mit gemächlichen Bewegungen einen Palmwedel schwang, um dem Prinzen Luft zuzufächeln. Ringsum hatten sich die Höflinge hingelagert, allesamt auserwählte Männer und Frauen mit kostbarem Schmuck voller funkelnder Türkise. Die meisten ruhten auf brokatgedeckten Divanen, die bronzefarbenen Glieder lasziv ausgestreckt. Diener gingen umher, um sie mit allerlei exotischen Köstlichkeiten zu versorgen, mit Trauben und Datteln, Oliven und Granatäpfeln. Hinter ihnen, an den schlanken Säulen des Saals, brannten Öllampen in goldenen Halterungen und verbreiteten ein warmes Licht.

Prinz Nefsokar griff nach seinem Weinpokal und nippte daran. Wenn er überhaupt irgendeine Schwäche besaß, so war es seine Liebe zum Wein. Von diesem herrlichen Getränk konnte er nicht genug bekommen. Er hatte das Trinkgefäß eben geleert und wollte seinem Leibdiener winken, um es auffüllen zu lassen, als die Tür zum Thronsaal sich öffnete. Nefsokar stellte den Kelch ab und zog eine Augenbraue in die Höhe. Wer hatte ausgerechnet diesen Moment gewählt, um seine huldvolle Ruhe zu stören?

Herein kam eine Abordnung seiner Palastgarde, angeführt von Urgar, ihrem Hauptmann. Der Krieger verneigte sich tief vor seinem Herrn, trat beiseite und gab den Blick auf eine erbärmliche Menschengestalt frei, die von zweien der Soldaten mitgeschleift wurde. Es handelte sich um einen Mann von ganz und gar unhöfischem Aussehen, mit struppigem Bart und schäbiger grober Kleidung. Er blickte mit einem Ausdruck des Entsetzens um sich, und als er Nefsokars ansichtig wurde, stieß er einen Schrei aus und kniff die Augen zusammen, als könne er den Anblick nicht ertragen.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Nefsokar, indem er sich an Urgar wandte. „Was bringt er Uns da für einen hässlichen Gesellen herbei?“

Der Hauptmann neigte demütig den Kopf. „Herr, ich bedaure Euch mitteilen zu müssen, dass es einen Kampf gegeben hat. Eine Gruppe von Rebellen ist in die Außenbezirke des Palastes eingedrungen. Offenbar handelt es sich um einen Aufstand. Wir haben sie vertrieben, doch diesen hier…“ Er wies auf den Gefangenen. „…konnten wir lebend aufgreifen.“

„Tatsächlich?“, staunte Nefsokar mit milder Überraschung. Er erhob sich von seinem Thron und trat gemessenen Schrittes näher. „Ein Aufstand also?“, fragte er ohne jede Erregung. „Wie ist das möglich? Wir haben dieses Reich doch stets voller Güte und Gnade regiert.“ Von der Höhe seiner übermenschlichen Gestalt herab musterte er den Gefangenen, der immer noch beide Augen zugekniffen und den Kopf abgewandt hatte. „Erkläre dich, Untertan! Was hat dich bewogen, Unsere allerhöchste Person durch solchen Ungehorsam zu kränken?“

Da der Gefangene nichts erwiderte, stieß Urgar ihn mit der stumpfen Seite seines Speers in die Rippen. „Sprich, Unseliger!“

„Nicht doch, nicht doch!“, begütigte Nefsokar. „Er möge nicht misshandelt werden.“ Er beugte sich hinab und näherte dem Gefangenen sein Gesicht. Der struppige Mensch blinzelte – und kniff sogleich wieder die Augen zusammen.

„Zurück, Scheusal!“, krächzte er. „Töte mich, wenn du willst, doch sieh mich nicht an mit deiner grässlichen Fratze! Herr Sigmar wird meine Seele retten!“

„Was redet der Mensch?“, wandte sich Nefsokar an den Hauptmann. „Verstehst du, was er sagt?“

„Die Sprache der Bauern, Herr“, erklärte Urgar. „Ich verstehe sie selbst nicht gut. Doch diesen Namen – Sigmar – nennt er immer wieder. Vermutlich heißt so der Anführer des Aufstands.“

„Kaum zu glauben“, fand der Prinz. „Was könnte die Bauern bewegen, sich gegen einen gerechten Herrscher wie Uns zu erheben? Haben sie nicht stets freiwillig ihre Abgaben geleistet, ohne dazu aufgefordert zu werden?“

„Mit Verlaub, Herr“, sagte Urgar, „vielleicht erinnert Ihr Euch, dass es vor Jahren schon einmal zu einer Verweigerung der Abgaben kam. Damals musstet Ihr Diener in die Stadt schicken, um die schuldigen Gaben gewaltsam zu beschlagnahmen.“

„Gewiss, gewiss, aber das ist lange her“, erinnerte sich Nefsokar. „Was mag zu diesem erneuten Aufbegehren geführt haben? Wir können Uns das nicht erklären. Waren es viele Rebellen?“

„Etwa ein Dutzend, Herr. Sie legten einen der Ihren hinter dem Tor ab, ganz so, als würden sie die übliche Abgabe leisten. Als ich dann meine Männer hinschickte, um ihn bergen zu lassen, sprang der Kerl plötzlich auf und erhob eine Waffe gegen uns. Seine Kumpane lagen im Hinterhalt und griffen uns gleichfalls an. Wir haben mehrere Soldaten verloren.“

„Ein Hinterhalt?“ Nefsokar hob die Augenbrauen. „Welch erstaunliche Unverfrorenheit. Nun, von Bauern ist wohl nichts anderes zu erwarten. Wir sollten die Palastgarde verstärken, um weiteren Zudringlichkeiten vorzubeugen. – Ruf Unseren Wesir!“, wandte er sich an einen Diener, der sofort hinauseilte. Als er zurückkehrte, wurde er von einem hünenhaften Mann in vergoldeter Rüstung begleitet, der sich ehrerbietig vor seinem Herrn verneigte.

„Asmotep“, sprach Nefsokar ihn an, „du wirst ab jetzt persönlich die Garde befehligen. Sorge dafür, dass kein Bauer sich dem Palast nähert.“

„Ja, Herr“, sagte der riesenhafte Mann.

„Was geschieht mit dem Gefangenen?“, fragte Urgar.

Noch einmal betrachtete Nefsokar das zitternde Häuflein Mensch im Griff der Soldaten.

„Er möge gekeltert werden“, entschied er. „Wenn man Uns schon das freiwillige Opfer verweigert, so soll dieser Mensch es entgelten. Übergebt ihn Unserem Mundschenk.“
 
Neuer Teilnehmer für Spiel 2:





BKGBFSWLPIAMW100 P. 4+ Rüstung, 5+ Rettung
Königlicher Wesir Asmotep543442428


Wesir Asmotep, wie Nefsokar ihn sieht:

ai-generated-8523328_960_720.webp


...und Wesir Asmotep, wie der Rest der Welt ihn sieht:

20250517_034521.webp


Es sollte klar geworden sein, dass der Prinz ein ernstes Problem mit der Wahrnehmung der Realität hat.
(Diesen Topos leihen wir uns von den "Flesh-Eater Courts" in AoS.)